Veranstaltung

WONDERLAND
Ausstellung
8. Juni 2006 bis 19. Juni 2006
Architekturzentrum Wien - Alte Halle
Museumsplatz 1
A-1070 Wien


Veranstalter:in: Architekturzentrum Wien
Eröffnung: Mittwoch, 7. Juni 2006, 19:00 Uhr

Auf der Suche nach dem Wunderland Europa

In den letzten Tagen des österreichischen EU-Vorsitzes kann man sich auch die Frage stellen: Gibt es so etwas wie eine europäische Architektur?

10. Juni 2006 - Wojciech Czaja
Europa ist - zumindest auf politischer Ebene - auf der Suche nach seiner Identität. Wie steht es aber um die Architektur innerhalb der Grenzen dieser Europäischen Union?

Eines vorweg: Einen nationenübergreifenden Konsens um die viel beschworene Berufssparte gibt es nicht. In manchen Ländern ist das Interesse am hochklassigen Bauen enorm, in anderen Gefilden schert man sich kaum darum. Auch der Berufsstand selbst zeigt länderweise große Unterschiede: Während etwa in Italien jeder Fünfhundertste Architekt sein will, kommen beim Schlusslicht Rumänien auf einen Architekten weit über 4000 Einwohner. Dieses länderspezifische Gefälle erklärt auch den Umstand, weshalb der österreichische Markt seit einigen Jahren von deutschen Architekten buchstäblich überrannt wird, gibt es in Deutschland - gemessen an der Bevölkerungszahl - immerhin fast viermal so viele Architekten wie hier zu Lande.

Die Situation in Deutschland ist dermaßen aussichtslos, dass sich viele junge Büros auf die Suche nach kleinen Marktnischen begeben müssen, um zu überleben. Das Ergebnis ist eine Vielzahl an Visionen und Utopien, die sich oft im Grenzbereich zur Bildenden Kunst ansiedeln. „Viele Büros in Deutschland sind mehr oder weniger auftragslos“, erklärt die Architektin Elisabeth Leitner, die sich im Zuge einer Ausstellungskonzeption („Wonderland“, siehe unten) einen umfassenden Europa-Überblick verschaffen konnte: „Ihre einzige Überlebenschance besteht in der Erfindung hypothetischer Aufgaben.“

Und Holland? Galten die Niederlande noch in den Neunzigerjahren als europäisches Architekturwunderland, ist es um die einstige Avantgarde-Elite still geworden. Denn die fetten staatlichen Förderungen von damals, die nicht zuletzt vor allem den Jungen zugute kamen, wurden wieder gestrichen. Bart Lootsma, selbst Niederländer und Intimus der dortigen Szene, erklärt leicht gebeugten Hauptes: „Man findet mittlerweile bessere Superdutch-Beispiele in Kroatien als in den Niederlanden.“

Das zumindest ist eines der wichtigen Landmarks auf der europäischen Landkarte: Architekten beginnen verstärkt international zu arbeiten, die Architektur überschreitet die Grenzen. Der Holländer Rem Koolhaas beispielsweise baut in Portugal und Deutschland, die Britin Zaha Hadid zeichnet verantwortlich für deutsche, italienische und österreichische Projekte, den Franzosen Dominique Perrault treibt es ebenfalls nach Österreich und Deutschland, Kollege Jean Nouvel hinterlässt seine Spuren in Madrid und Barcelona, Hans Hollein streckt seine Fühler nach Frankreich aus.

„Wenn man zwanzig, dreißig Jahre zurückgeht, dann war Architektur noch viel nationaler“, erläutert Lootsma, doch das sei nun vorbei. „Heute sind wir in der Situation, dass wir Architektur gemeinsam vermarkten wollen.“ Diese Vermarktung ist jedoch vor allem ein Spiel der Großen und Bekannten, denn die wirklich Prominenten werden selbst aus Übersee eingeflogen.

Der Amerikaner Frank Gehry verschaffte der Langeweile-Kapitale Bilbao mit dem Guggenheim-Museum ein viel beachtetes Wahrzeichen und trug damit wesentlich zum medialen Bekanntheitsgrad der baskischen Hauptstadt bei. Rem Koolhaas machte sogar den Vorschlag, man möge Gehry doch nicht nur mit einem Architektenhonorar abspeisen, sondern solle ihm den „Bilbao-Effekt“ mit einer Umsatzbeteiligung des Museums abgelten.

Doch wie steht es um „normale“ Architekten, die „normale“ Architektur machen? Am ehesten gelingt das in jenen liberalen Staaten, die den Architekten das Leben nicht durch eine übermäßige Fülle von Auflagen und Bürokratien zur Hölle machen. In den Niederlanden, in Dänemark, in Finnland und in der Schweiz beispielsweise darf man direkt nach dem Abschluss des Architekturstudiums in den Architektenstatus wechseln.

In vielen anderen Ländern, wie auch in Österreich, muss man Praktikumsjahre nachweisen, eine aufwändige Ziviltechnikerprüfung absolvieren, bevor man einer Kammer beitreten und seinen Beruf selbstständig ausüben kann. „Veränderte sozioökonomische Rahmenbedingungen lassen kaum die Möglichkeit offen, am klassischen Berufsbild des Architekten festzuhalten“, lautet das Fazit des Wiener Architekten Paul Rajakovics in der ersten Ausgabe des neuen Architekturmagazins wonderland, der wirtschaftliche Neoliberalismus habe auch in der Architektur Einzug gehalten.

Die europäische Architekturszene ist also von wenigen Platzhirschen und vielen weniger im Rampenlicht stehenden Architekten geprägt, die untereinander heftig konkurrieren und einander die - wenigen - Aufträge vor der Nase wegschnappen.

Georg Pendl, Vorsitzender der Bundessektion der Architekten in der Kammer für Architekten und Ingenieurkonsulenten, sieht dennoch das Gemeinsame in Europa: „Ich glaube an ein europäisches Bild in der Architektur. Dieses zeichnet sich durch Heterogenität und durch eine ausgeprägte Identität aus.“

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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