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anthos 2007/1
Friedhöfe heute
anthos 2007/1
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Bestattung von Nichtchristen

Immer mehr Menschen aus immer ferneren Ländern mit zum Teil für uns fremden Religionen bringen auch ihre Bedürfnisse an das Bestattungswesen mit.

10. März 2007 - Christoph Peter Baumann
Die Volkszählung im Jahr 2000 zeigte anschaulich die Veränderung der Religionslandschaft in der Schweiz. Die Immigration von Menschen aus immer ferneren Ländern macht sich bemerkbar. Nach Hochrechnungen auf der Basis der Volkszählung und eigenen Schätzungen gibt es nun in der Schweiz neben den traditionellen Volks- und Freikirchen 18000 jüdische und 140000 christlich-orthodoxe Mitbürger, 320000 sunnitische und schiitische Muslime, 30000 Aleviten, 30000 Hindus, 23000 Buddhisten und 5000 Menschen weiterer Religionen. Dies bringt mit sich, dass das Thema «Tod und Bestattung» immer aktueller wird. Mit Ausnahme der Juden sind alle anderen genannten Religionsgemeinschaften solche von Immigranten.

Bis vor Kurzem war die Bestattung von Menschen einer nichtchristlichen Religion (mit Ausnahme der Juden) in der Schweiz kaum ein Thema, weil die überwiegende Mehrheit der Verstorbenen in ihre Heimat überführt und dort bestattet wurde. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert. Immer mehr war für Immigranten die Schweiz nicht nur ein vorübergehender Aufenthaltsort. Weil die zweite und die dritte Generation hier aufgewachsen sind, wurde die Schweiz zur Heimat. Dies hat auf das Bestattungswesen seine Auswirkungen. Die Kinder möchten ihre Eltern oder andere Angehörige nicht in einem fernen Land, das für sie nicht mehr die Heimat ist, bestatten. So müssen Möglichkeiten gefunden werden, die mit der angestammten Religion sowie den Gesetzen und Möglichkeiten der Schweiz im Einklang sind. Dabei gehen wir auf die 140000 Christlich-Orthodoxen, die aus vielen verschiedenen Ländern in die Schweiz gekommen sind, in diesem Artikel nicht ein.

Judentum

Die jüdische Bestattung findet in der Regel auf einem privaten Friedhof statt. Nach jüdischer Tradition gibt es nur die Erdbestattung mit der ewigen Grabesruhe. Dies hat zur Folge, dass der Platzbedarf sehr gross ist und heute immer noch sehr alte Friedhöfe erhalten sind. So gibt es zum Beispiel im Elsass, in Hegenheim, seit 1673 in idyllischer Lage einen jüdischen Friedhof. Dies ist zwar ein alter, aber nicht der älteste jüdische Friedhof in der Schweiz oder dem angrenzenden Ausland.[1]

Für alle Belange einer jüdischen Bestattung ist die «Chewra Kaddischa» besorgt. Es gibt je eine für die Frauen und die Männer. Sie sind so etwas wie Bestattungsbruder- oder -schwesternschaften, die alle Aufgaben, die mit dem Tod und der Bestattung verbunden sind, für die Angehörigen ehrenamtlich übernehmen. Die Chewra wird möglichst schon vor dem Ableben benachrichtigt. Sie sorgt für die Überführung zum Friedhof und die «Tahara» (Waschung)[2] sowie die anschliessende Einkleidung mit einem einfachen, weissen Totengewand und die Einsargung in einem Sarg aus einfachem unbearbeitetem Holz.[3] Der Tote soll nicht allein gelassen werden, die Wache soll möglichst Tag und Nacht erfolgen.[4] Die Bestattung sollte möglichst schnell erfolgen, aber nicht an einem Sabbat oder Festtag.[5] Die Feier findet auf dem jüdischen Friedhof statt. Direkt anschliessend wird der Sarg ins Grab überführt und von den männlichen Angehörigen mit Erde bedeckt.

Es ist eine uralte, bis zu den Erzvätern zurückgehende Sitte, dass Juden auf jedes Grab einen Grabstein setzen, zum Zeichen der Ehre und des Respekts für die Verstorbenen, sodass sie nicht vergessen werden und ihr Grab nicht entweiht werde.[6] Der hebräische Text auf dem Grabstein muss nach den religiösen Vorschriften geschrieben werden. Wie der Grabstein gestaltet wird, ist eine Frage des persönlichen Geschmacks und des Zeitgeistes. Das einzige Kriterium bei der Anlage eines Grabes ist die Erfordernis, es so zu gestalten, dass nicht über das Grab geschritten wird. Da die Gräber normalerweise in exakt ausgerichteten Reihen angelegt werden, ist dieses Erfordernis leicht zu erfüllen.

Die Gräber sollten wenn immer möglich in Richtung Jerusalem – bei uns also nach Osten – ausgerichtet werden. Über den Zeitpunkt der Grabsteinsetzung gehen die Meinungen auseinander. In Israel geschieht dies bereits nach 30 Tagen, im deutschsprachigen Raum meist erst nach einem Jahr.[7] Es ist üblich, bei einem Grabbesuch einen Kieselstein auf den Grabstein zu legen.

Da alle jüdischen Friedhöfe im Besitz der jüdischen Gemeinden sind, braucht sich die Öffentlichkeit kaum mit der Anlage zu beschäftigen.

Islam

Im Islam sind manche Vorschriften mit den jüdischen vergleichbar. Jeder Muslim hofft, nach dem Tod und dem Gericht über sein Leben im Jenseits, im Paradies bei Gott leben zu dürfen. Der Körper bleibt im Grab bis zur Auferstehung am Tag des Jüngsten Gerichts. Deshalb kennen Muslime auch die ewige Grabesruhe.

In Genf wurde in der Schweiz die erste richtige Moschee gebaut, und bereits 1978 konnten die dort ansässigen Muslime ihren eigenen Teil auf dem Friedhof Petit-Saconnex eröffnen. Bestattungen nach islamischem Ritus sind dort inzwischen eine Selbstverständlichkeit. In der Moschee besteht ein eigener Leichenraum mit Kühlfächern und einem Leichenwaschtisch. Zunächst blieb dies der einzige Muslimfriedhof der Schweiz. Erst im Jahr 2000 zogen Bern und Basel nach. Seither sind an mehreren Orten separate Grabfelder für Muslime realisiert worden, an anderen liegen entsprechende Bewilligungen oder Projekte vor.[8]

Die Bestattung von Muslimen bietet mannigfache Probleme: Die Leiche muss rituell gewaschen werden.[9] Die Bestattung sollte so rasch als möglich erfolgen. Die Leiche darf nur in ein Leichentuch eingewickelt werden und muss ohne Sarg der Erde übergeben werden. Die Ausrichtung des Grabes[10] und die Ausgestaltung[11] müssen stimmen. Das Grabfeld darf nur mit muslimischen Gräbern belegt sein. Die ewige Grabesruhe muss gewährleistet sein. Die Gräber dürfen nicht mehrfach belegt werden. Manche Muslime verlangen sogar, dass auf einem bestehenden Friedhof die Erde ausgewechselt werden muss, wenn vorher dort Nichtmuslime bestattet gewesen waren.

Dies sind Maximalforderungen, die kaum alle erfüllt werden können. Die Muslime erklären sich in der Regel zu Kompromissen bereit. So gibt es unterdessen «Fatwas» (Rechtsgutachten), aus welchen ersichtlich ist, dass die Aussage über die so genannte ewige Ruhefrist nicht zutrifft. Was bleibt, sind erfüllbare Forderungen: so die Waschanlage für die rituelle Leichenwaschung. In Spitälern ist es schwierig, aber auf einzelnen Friedhöfen gibt es das bereits. Da die Waschung mit fliessendem Wasser – vorzugsweise mit einem Schlauch – erfolgt, muss der Leichenwaschtisch oder Raum entsprechend ausgestattet sein.

Muslime benötigen ein eigenes Grabfeld, auf dem die Gräber so ausgerichtet sind, dass die Verstorbenen in einer speziellen Grabnische auf die rechte Seite gelegt, mit dem Gesicht in Richtung Mekka liegen. Es gibt keine Trauerfeier im üblichen Sinne, sondern nur ein spezielles Totengebet. Dieses kann am Grab oder in einer Trauerhalle erfolgen, wenn diese keine «islamisch unüblichen Symbole» enthält wie zum Beispiel ein Kreuz oder ein (religiöses) Bild. Dieser Forderung kommen grosse Friedhöfe nach, indem sie einen religionsneutralen Raum zur Verfügung stellen.

Eine übertrieben kostspielige Bepflanzung und Ausgestaltung der Grabstätten ist unerwünscht.[12] Die Realität sieht allerdings oft anders aus. So finden wir auf dem Grabfeld in Genf und auf dem Islamischen Friedhof in Berlin vom einfachsten Grab ohne jeden Schmuck und sogar ohne Grabstein die ganze Palette bis hin zum Grabmonument.

Hinduismus

Hinduismus ist ein Sammelname für 100 oder mehr unterschiedliche Religionen und Glaubensformen. Deshalb gibt es auch keine festgelegten, für alle Hindus gültigen Bestattungsregeln. Bei allen Unterschieden in den verschiedenen Ausprägungen des Hinduismus ist der gemeinsame Nenner der Glaube an die Wiedergeburt, die Überzeugung, dass der Mensch wie jedes Lebewesen nicht nur einmal lebt.

Hindus kennen nur die Kremation. Normalerweise wird diese auf einem offenen Feuer vollzogen. Da dies bei uns nicht möglich ist, akzeptieren Hindus die Kremation im Ofen. Hindus benötigen keinen Friedhof oder eine Grabstätte, da die Asche in einen heiligen Fluss in Indien gestreut wird, im Idealfall in den Ganges. Tamilische Hindus streuen die Asche in einen ins Meer führenden Fluss auf Sri Lanka oder direkt ins Meer.

Hindus benötigen für die Leichenwaschung einen Leichenwaschraum mit Ablauf am Boden und einen stabilen Stuhl, auf den die Leiche gesetzt wird. In einem Spital ist dies nur schwer realisierbar, deshalb sollten grössere Friedhöfe entsprechend ausgestattet werden. Für die Abdankung wird ein neutraler Raum benötigt mit einem freistehenden Tisch. Es könnte auch ein stabiler Tisch auf Rollen verwendet werden, so dass die Leiche vom Waschraum in die Halle überführt werden kann. Da die Trauergemeinde tiefer sitzen muss als der Verstorbene, dürfen keine festen Bänke im Saal sein. Das letzte Ritual wird im Kremationsraum vollzogen. Der älteste Sohn entzündet normalerweise das Feuer. Im Krematorium ersetzt der Druck auf den Knopf zum Einfahren der Leiche diese Handlung. Kleine Kinder bis zu etwa fünf Jahren werden nicht kremiert, sondern bestattet.

Buddhismus

Buddhisten glauben auch an eine Wiederkehr. Sie kennen ebenso wie Hindus nur die Kremation. Buddhisten benötigen keine Abdankungshalle und normalerweise auch keinen Friedhof. Sie verrichten das eher kleine Ritual vor der Kremation in der Kremationshalle. Die eigentliche Trauerfeier der tibetischen Buddhisten findet etwa eine Woche später mit der Urne im Kloster Rikon statt, diejenige der Thai-Buddhisten im Wat Srinagarindravaram in Gretzenbach. An der Aussenmauer des Wat Srinagarindravaram gibt es Urnennischen.

Weitere Religionen

Es gibt noch weitere Religionen in der Schweiz, wie zum Beispiel die Bahá’í, Sikh und Jaina. Die Bahá’í bestatten ihre Verstorbenen auf dem nächstliegenden Friedhof und haben diesbezüglich keine Sonderwünsche. Für die beiden indischen Religionen gibt es nur die Kremation.

Wo stehen wir heute?

Die Diskussion um die Integration von Immigranten ist in vollem Gange, das ist auch bei der Bestattungskultur spürbar. Glücklicherweise sind Behörden und Politiker mit den Angehörigen der Religionsgemeinschaften im Gespräch und suchen nach Lösungen für anstehende Probleme. Das Vordringlichste ist zurzeit, auf den Friedhöfen für die Muslime eigene Grabfelder einzurichten.

Trotz der vielen Kirchenaustritte herrscht auf unseren Friedhöfen immer noch eine christliche Dominanz. Neben den christlichen Kapellen müssen aber auch neutrale Abdankungshallen für andere Religionen errichtet werden. Muslime, Aleviten und Hindus benötigen zudem Leichenwaschgelegenheiten, die den Riten ihrer Religionen entsprechen.
[1] Jüdische Friedhöfe in der Schweiz: http://www.alemannia-judaica.de/ schweiz_friedhoefe.htm
[2] Levinger I.M. Rabbiner Dr.: Der letzte Weg. Vorschriften, Gebete und Gedanken zum Thema «Tod und Trauer». Basel 1991, S.13
[3] Levinger, S. 16
[4] Levinger, S. 17
[5] Chajim Halevy Donin: Jüdisches Leben. Eine Einführung zum jüdischen Wandel in der modernen Welt. Zürich 1987–5747. S. 305
[6] Donin, S. 315
[7] Donin, S. 315
[8] Bekannt sind bisher: Basel, Bern, La Chaux-de-Fonds, Küsnacht ZH, Liestal, Lugano, Luzern, Olten, Zürich
[9] Guindi Mahmoud El/
Mansour Mohamed: Bestattungsregeln im Islam. Kairo o. J., S. 12–17
[10] Guindi/Mansour, S. 9
[11] Guindi/Mansour, S. 27–30
[12] ders.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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