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TEC21 2007|46
Siedlungsplanung
TEC21 2007|46
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Gemeinschaftshäuser in Zürich

Der gemeinnützige Wohnungsbau in Zürich feierte dieses Jahr seinen
100. Geburtstag. Er half im 20. Jahrhundert, das bürgerliche Projekt der individuellen Emanzipation bis in die städtischen Unterschichten zu tragen. Der Weg führte über die Trennung von Arbeiten und Wohnen und von öffentlicher und privater Sphäre. Doch diese Trennung ist ökologisch und sozial nicht nachhaltig und muss nun ihrerseits überwunden werden. Nachhaltigere Lebensformen zu suchen könnte die neue Aufgabe des gemeinnützigen Wohnungsbaus werden.

12. November 2007 - Ruedi Weidmann
Die Entwicklung des Wohnens in den westlichen Industrieländern im 20. Jahrhundert lässt sich als Teil eines Emanzipationsprozesses beschreiben, als schrittweise Befreiung der Einzelnen aus ökonomischen und sozialen Zwangsgemeinschaften: aus dörflichen Sozialstrukturen und Klientelismus, aus der gewerblichen oder bäuerlichen Grossfamilie, aus patriarchal geführten Industrieunternehmen.1 Das Ideal der bürgerlichen Gesellschaft – das unabhängige, freie, selbstständige Individuum als Subjekt der Demokratie – wurde für immer breitere Schichten erreichbar. Lohnarbeit und Privatsphäre wurden dabei rechtlich, aber auch geografisch immer klarer voneinander getrennt. Bei diesem städtebaulichen Prozess half der gemeinnützige Wohnungsbau mit, und er machte bürgerliche Lebensstandards für Arbeiterschichten zugänglich.

Dieser Emanzipationsprozess verlief in der Schweiz erfolgreich. Doch hat er bis heute nicht alle gleichermassen erfasst. Vor allem die Frauen profitieren bis heute ungenügend; nach wie vor leisten sie viel mehr unbezahlte Arbeit in einer sozialen Abhängigkeitsstruktur, der Familie. Auch baulich ist der Prozess keineswegs abgeschlossen: Die Individualisierung schreitet fort. Mittlerweile besteht über die Hälfte der Haushalte in Zürich aus einer Person. Die Wohnung wird immer grösser; was man zum Leben braucht – Waren, praktische Dienstleistungen, Vergnügen, körperliche Erleichterung und emotionale Hilfe –, kann man auf dem freien Markt kaufen. Doch nicht alle haben das nötige Geld für diesen Lebensstil. Ein Teil der Alleinlebenden sind beruflich und sozial desintegrierte Menschen mit überdurchschnittlichem Sterblichkeitsrisiko – Individualismus wird irgendwann exklusiv.
Der Soziologe François Höpflinger warnt allerdings davor, Einpersonenhaushalte mit Vereinsamung und sozialer Isolation gleichzusetzen. Ein Merkmal vieler Alleinlebender sei
gerade ihre hohe und vielfältige soziale Integration. Im Jahr 2000 beurteilten 59% der Schweizer StimmbürgerInnen Alleinleben als positiv. Der individuelle, emanzipierte Lebensstil ist eine kulturelle Leistung, eine Errungenschaft unserer kapitalistisch-demokratischen Kultur. Er wurde im 20. Jahrhundert möglich dank einer erhöhten Produktivität, wachsendem Wohlstand – und auf der Basis eines massiv gesteigerten Ressourcenverbrauchs pro Kopf.
Die Auftrennung des Lebens in unterschiedliche Sphären und die Professionalisierung und Ökonomisierung (finanzielle Abgeltung) von immer mehr Tätigkeiten war effizient im Hinblick auf Produktivität und Bruttosozialprodukt, nicht aber im ökologischen Sinn. Die Idee, Funktionen wie Arbeiten und Wohnen räumlich zu trennen und die einzelnen Orte für ihren Zweck zu optimieren, schuf «monokulturelle» Stadtteile, Schlafstädte, Büro-Einöden, Altersheime, Shoppingcenter. Das Pendeln dazwischen verbraucht Geld, Zeit, Boden und Energie und verursacht Umweltschäden. Die Trennung der Generationen hat hohe soziale Folgekosten, etwa die Gesundheitskosten, die entstehen, weil die Pflege früher einsetzen muss, wenn Alte und Junge nicht mehr zusammenleben. Anderseits bleiben die Arbeitskraft und Kreativität der Alten ungenutzt. Vielen Kindern fehlen die Grosseltern und vielen älteren Menschen die Enkel, wie die Zürcher Sozialamtsvorsteherin Monika Stocker neulich betonte. Sind die Alleinlebenden glücklich? Oder werden vereinsamende Singles in ineffi­zienten Einpersonenhaushalten zu einem Problem unserer Gesellschaft?

Den Preis für unsere Freiheit kann sich die Welt nicht mehr leisten, weil die Ressourcen schwinden. Vor allem, wenn die Befreiung des Individuums weltweit stattfinden soll, kann unser Modell nicht wegweisend sein. Gesucht ist eine effizientere, ökologischere und sozial nachhaltigere Siedlungsweise. Sie müsste Wohnen, bezahlte und gemeinnützige Arbeit, Konsum und Freizeit sinnvoll organisieren und so einige der grossen Trennungen des 20. Jahrhunderts rückgängig machen, ohne die gewonnene individuelle Freiheit einzuschränken. Wie könnten Siedlungen von morgen aussehen, die den Bedürfnissen nach individueller Unabhängigkeit, nach weiterer Rationalisierung der Haushaltführung und nach Integration und emotionalem Rückhalt in der Gemeinschaft gerecht werden?

Bürgerliche Standards

Vor 100 Jahren ging es im gemeinnützigen Wohnungsbau um solidarische Selbsthilfe und um die Integration der ArbeiterInnen in die bürgerliche Gesellschaft. Die hygienischen und sozialen Standards, aber ebenso das Pflichtbewusstsein des bürgerlichen Lebens sollten auch die breiten Schichten erfassen. Das bedingte eine Disziplinierung der Lebensformen. Wer das Gleiche wollte, musste sich auch an die gleichen Regeln halten. Die Art, wie das Gemeinschaftsleben organisiert wurde, ist deshalb aus heutiger Sicht mit viel Konformitätsdruck verbunden. Die Hausordnungen waren rigid, die sozialen Hierarchien in Genossenschaft und Siedlung deutlich, auch wenn Gleichheit und Solidarität grossgeschrieben wurden. Es herrschten autoritäre Umgangsformen und Gesinnungskontrolle.

Koloniekommissionen und Siedlungsvereine organisierten das soziale Leben. Dazu gehörten gemeinsames Vorlesen und Radiohören im Kolonielokal (in linken Genossenschaften auch politische Schulung), Feste, gemeinsame Ausflüge und jährliche Arbeiten wie Fensterläden waschen. Gemeinschaftsgefühl entstand auch durch die Gleichberechtigung (das Wahl- und Stimmrecht in der Generalversammlung) und die soziale und ideologische Nähe der BewohnerInnenschaft, die das Zusammenleben und nachbarschaftliche Hilfe erleichterte. Fast alle hatten Kinder, die den Kontakt zwischen den Familien schufen. Doch kollektive Wohnformen, etwa gemeinsames Essen, gab es keine. Es war ja neben der Bekämpfung der Wohnungsnot gerade das Ziel des gemeinnützigen Wohnungsbaus, dass die Kleinfamilie als wichtigste Institution der bürgerlichen Gesellschaft in der eigenen Wohnung leben und die Wohngemeinschaft mit Kostgängern und Untermietern hinter sich lassen konnte. Die Förderbestimmungen für den gemeinnützigen Wohnungsbau liessen nur Familienwohnungen zu. Die Architektur und die städtebauliche Anlage der Siedlungen waren – ob Blockrandbebauung oder Reihenhäuser – meist sehr uniform. Sie demonstrierten die Ideen der Gleichheit und der Disziplinierung.

Historische Wohnexperimente

Experimente mit mehr gemeinschaftlichem Leben gab es, doch es waren wenige. 1916 baute eine Handwerkergenossenschaft auf Initiative eines gewissen Oskar Schwank das «Amerikanerhaus» an der Idastrasse. In der Tradition des Wohnbauprojekts «Familistère» des Frühsozialisten Godin in Frankreich plante Schwank ein Einküchenhaus ohne Küchen in den Wohnungen. Die Leute sollten zusammen im Speisesaal im Erdgeschoss essen. Die Wohnungen waren sehr klein, dafür waren die Laubengänge rund um den Innenhof breit genug für Tische. Doch Schwanks Kompagnons scheuten das Experiment, befreiten sich vom Gründer, bauten Küchen ein und verpachteten Saal und «Centralküche» als Restaurant («Ämtlerhalle», heute «Pizzeria Michelangelo»). Trotzdem gab es im Amerikanerhaus mehr gemeinschaftliches Leben als anderswo. Viele Familien trafen sich abends in der «Ämtlerhalle» oder tafelten und musizierten nicht selten auf den Laubengängen.
1927 bauten drei Frauen-Baugenossenschaften mit der Architektin Lux Guyer für alleinstehende berufstätige Frauen, die auf dem freien Markt keine Wohnung fanden, die Siedlung Lettenhof in Wipkingen: vier Häuser mit rund 50 Wohnungen, Gemeinschaftsbad, Gemeinschaftsküche und einem alkoholfreien Restaurant. Eine Hauswartin erledigte allerlei Aufträge für die Mieterinnen. 1928 und 1950 entstanden weitere Häuser. Der Lettenhof existiert bis heute, allerdings ohne Restaurant. In bürgerlichen Stadtteilen entstanden
einige Apartmenthäuser, so 1929 das «Bellerive» am Utoquai mit Hotel, Autogarage und Tennishallen, oder 1934 gegenüber das «Frascati» mit Restaurant und Dienstbotenzimmern. Hier ging es jedoch nicht um Gemeinschaft, sondern um die Entlastung gut verdienender Singles durch Auslagerung von Hausarbeit und deren Ökonomisierung als bezahlte Dienstleistung.

Lockerungen nach dem Krieg

In den 1930er-Jahren entdeckte die Schweiz in Abgrenzung zum totalitären Nationalsozialismus die Vielfalt als das typisch Schweizerische. Nach dem Krieg drehten sich die theoretischen Diskussionen im Städtebau um die Frage, wo der schweizerische Mittelweg liege zwischen dem sowjetischen «Kollektivismus» und dem als zu wenig solidarisch empfundenen «American Way of Life». Die strengen Häuserzeilen lockerten sich allmählich auf; die Stadt Zürich förderte die «gemischte Bauweise». Stadtbaumeister Albert Heinrich Steiner baute 1950–55 die Siedlung «Heiligfeld III» mit den ersten Wohnhochhäusern. Sie war für eine vielfältigere Gesellschaft gedacht als die strenge Architektur der Zwischenkriegszeit.
Intellektuelle Vorreiter – mit dem nötigen Portemonnaie – waren schon weiter: Max Frisch baute ein Ferienhaus im Tessin, mietete eine Wohnung im neuen Hochhaus Lochergut (1966) und dann eine in New York. Schon 1953 hatte er in seinem Hörspiel «Cum grano salis» verkündet, er brauche die Nachbarschaft nicht mehr, er lese seine Freunde lieber selber aus. «... der Mieter-Nachbar ist eine zufällig-erzwungene Nachbarschaft, oft eine sehr flüchtige Nachbarschaft, und meistens wäre es kein menschlicher Verlust, wenn ich diesem Nachbarn nicht in die Küche oder die Loggia sähe. Die Nachbarschaften, die ich brauche, sind die geistig-menschlichen, nicht die Wohn-Nachbarschaften.» «... eine Schnellbahn, die ich von meinem Hochhaus in wenigen Minuten erreiche, wäre mir wichtiger ...»

Revival der Nachbarschaft

Ein Teil der Generation, die in den Siedlungen aufgewachsen war, floh nun aus deren so­zialer Enge. Der Lebensstandard war selbstverständlich geworden, sein Preis, die rigide soziale Kontrolle, wurde als kleinbürgerlich und spiessig empfunden. In den 1970er- und 1980er-Jahren kam es zu einer Gegenbewegung vom Stadtrand zurück in die Kernstadt. Kleine und grosse Wohngemeinschaften erprobten in Abbruchliegenschaften und besetzten Häusern kollektive Wohnformen als Gegenmodelle zum individualisierten, in der Agglomeration verstreuten Familienglück. Die Szene prägte gewisse Quartiere, organisierte Strassenfeste, erkämpfte Wohnstrassen und läutete eine Revival der Wohn-Nachbarschaft ein – urbaner, freier, mit weniger Konformitätsdruck. Aus Hausbesetzungen entstanden neue Einhaus-Genossenschaften, einige schlossen sich ab 1981 in der «Wogeno», einer Genossenschaft selbstverwalteter Hausvereine, zusammen. Sie entwickelten auch neue Architekturen für den gemeinnützigen Wohnungsbau. Der Neubau der «Wogeno» an der Helmutstrasse (aber auch der Brahmshof des evangelischen Frauenbundes) mischten 1991 Wohnen und Arbeiten (Büros, soziale Dienste, Café), und sie durchbrachen mit halböffentlichen Räumen zum ersten Mal wieder die Trennung von öffentlich und privat: Die Laubengänge zu den Wohnungen sind zugleich Terrassen, die man mit den Nachbarn teilen kann. Die grösste Neugründung, die Genossenschaft Dreieck, rang der Stadt 1995 einen ganzen Häuserblock ab und entwickelte ihn zu einem durchmischten Quartierteil (vgl. Tec21 Nr. 6/2006). Das wirkte auf die Genossenschaftsbewegung in der Stadt als Verjüngungskur. Die traditionellen Genossenschaften, die den Gemeinschaftsgedanken schon fast vergessen und seit den 1960er-Jahren keine Gemeinschaftsräume mehr gebaut hatten, nehmen heute, da sie ihre Liegenschaften erneuern müssen, Impulse der jungen auf.

Junge Genossenschaften experimentieren

Einige Pioniere suchen derweil weiter nach der «guten Mischung» aus Unabhängigkeit und Gemeinschaft. In der Genossenschaft «Karthago» leben seit zehn Jahren über 50 Leute in einem Grosshaushalt in einem ehemaligen Bürohaus an der Zentralstrasse, ein Drittel davon sind Kinder. Ein angestellter Koch kocht in der Gemeinschaftsküche fünf Mal pro Woche das Abendessen für alle. Die Warteliste interessierter Mieter ist lang, das Angebot ist attraktiv für alleinerziehende Eltern, für ausländische SpezialistInnen, meist aus dem Finanzdienstleistungssektor, die für ein Projekt nach Zürich kommen, und für Leute in Umbruchsituationen, die sich in der Gemeinschaft neu orientieren können.
Das 2001 bezogene «Kraftwerk1» bietet Wohnraum für rund 240 BewohnerInnen und 90 Arbeitsplätze, Restaurant, Laden, Coiffeur, Krippe, Kindergarten, Waschsalon, Gästezimmer, Werkstatt, Bar und Gemeinschaftsraum auf der Dachterrasse. Gemeinschaft wird in einigen Gross-WG gelebt, in verschiedenen Kommissionen, an der Generalversammlung und in einem Lebensmittelladen, der ungeplant entstand und seit Jahren funktioniert, obwohl er auf Gratisarbeit basiert. Im «Kraftwerk1» kann man ohne weiteres einen zwanglosen Lebensstil führen, das Mass an gemeinschaftlichem Engagement ist frei wählbar.
2007 wurde das kommerzielle Projekt «James» in Altstetten eröffnet. Es enthält 1½- bis 6½-Zimmer-Wohnungen. In der Portierloge sitzt «James» (eine Firma) und bietet Dienstleistungen an. Klassische Conciergedienste wie Post- und E-Shopping-Lieferungen empfangen sind im Mietpreis inbegriffen; individuelle Aufträge wie Auto waschen, Kleider reinigen oder Katze füttern müssen bezahlt werden. Die BewohnerInnen können untereinander über ein Intranet gratis kommunizieren. Ob dies gemeinschaftliche Aktivitäten fördert und der Portier mehr ist als eine Werbeaktion, wird sich zeigen. Eingezogen sind fast nur junge Singles und Paare ohne Kinder.

Ineffizienz

Das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und individueller Lebensgestaltung ist seit Frischs Statement noch einmal enorm gewachsen. Die Kultivierung des Privaten geht weiter. Heute dient die Wohnung als Refugium und stabile Basis der eigenen Identität. Sie wird immer teurer und aufwändiger im Unterhalt. Dass pro Person eine Waschmaschine, Geschirrwaschmaschine, Espressomaschine usw. nötig sind, ist höchst ineffizient. Und allein Kochen, Putzen, Waschen, Kinder organisieren, Essen, Kranksein und alle Bedürfnisse nach Kontakt, Hilfe und emotionalem Rückhalt ausser Haus abdecken zu müssen, ist anstrengend. Wächst das Bedürfnis nach kollektiven Wohnformen? Welche Art Kontakt und welchen Grad an Verbindlichkeit wünschen sich und ertragen die Leute heute?

Alterswohnen als Trendsetter

Was gemeinschaftliche Wohnformen anbelangt, tut sich im Bereich Alterswohnen im Moment am meisten – wohl weil hier die Nachteile des Alleinwohnens offensichtlicher sind und weil die Leute, die heute alt werden, sich nicht mehr vorstellen können, in ein konventionelles Altersheim zu ziehen. Zahlreiche Stiftungen und Vereine fördern Wohnprojekte für Alte, und es mehren sich Alters-WG oder -hausgemeinschaften. Ehepaare ziehen nach dem Ausfliegen der Kinder aus dem Einfamilienhaus zurück in die Stadt, wo Läden, Verkehr, Kultur, Dienstleistungen und jüngere Leute in der Nähe sind. Auch kommunale Altersheime und private Seniorenresidenzen werden heute an zentralen Plätzen gebaut und bieten im Erdgeschoss Restaurants, Cafés, Coiffeur und Pflegedienste an. In Zürich Affoltern wird die städtische Stiftung für Alterswohnungen 2009–11 eine Siedlung bauen, die 93 Alterswohnungen mit einer Kinderkrippe und einem Eltern-Kind-Zentrum kombiniert. Die Mischung hat sich auch andernorts schon bewährt (vgl. Tec21 17–18/2006).
Andere Initiativen setzen darauf, die Hilfe zu Hause auszubauen und mit Quartier-Servicezentren zu ergänzen, damit alte Leute möglichst lange in der eigenen Wohnung bleiben können. Das geht leichter in durchmischten Siedlungen. In Zürich verfolgt die Familienheim-Genossenschaft (FGZ) in ihren Siedlungen am Friesenberg konsequent diesen Ansatz. Die Altersbetreuung der FGZ (3.4 Stellen bei ca. 2200 Wohnungen) hilft beim Einkaufen und bei kleineren Problemen im Haushalt. 2001 wurde ein Alterstreffpunkt eingerichtet, der Waschsalon und Beratungsstelle in einem ist. Daneben unterstützt die FGZ eine Krankenstation, Mittagstische, Krippen, Gemeinwesenarbeit im Quartier, und 150 ihrer Mitglieder betreuen gemeinsam elf Kompostanlagen. Die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ) baut in der Siedlung Ruggächer ein Gemeinschaftshaus für Einzelpersonen und Paare ab 55 mit altersgerechten Wohnungen und Fitnessraum, Pflegebad, Spitex-Zimmer und öffentlichem Café.

Schwung für alle nutzen

Peter Schmid, Präsident der ABZ und der Zürcher Sektion des Verbands für Wohnungs­wesen, will nun diesen Schwung über das Wohnen im Alter hinaustragen und für alle Generationen nutzen. Im Hinblick auf die Erneuerung eines grossen Teils ihrer Häuser hat die ABZ eine intensive Zielgruppendiskussion geführt. Nun setzt sie sich soziale Nachhaltigkeit durch mehr gemeinschaftliche Wohnformen in allen Lebensphasen zum Ziel. Als eines der nächsten Projekte wünscht sich Schmid ein Haus, in das Leute aller Lebensalter und Berufe einziehen, die sich verpflichten, zum Gemeinschaftsleben beizutragen. Den Renova­tionsbedarf vieler Siedlungen sieht Schmid als Chance zur Erneuerung der Genossenschaftsidee: Mit der Förderung von gemeinschaftlichem Leben und der Stärkung der Nachbarschaften könne sie soziales Kapital schaffen und damit zu einer nachhaltigeren Gesellschaft beitragen. Vieles deutet darauf hin, dass in nächster Zeit der sozialen Nachhaltigkeit mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden wird – denn der Weg zur ökologischen könnte über sie führen. Gesucht sind zeitgemässe gemeinschaftliche Lebensformen – und die architektonischen Formen dafür. Der gemeinnützige Wohnungsbau eignet sich dank seiner baulichen und politischen Struktur als Labor für diese Suche, und er könnte darin seine neue historische Aufgabe finden.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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