Zeitschrift

TEC21 2008|19
Film und Architektur
TEC21 2008|19
TEC21 2008|19
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Architektur filmisch animiert

Von zweidimensionalen Plänen über perspektivische Ansichten bis zu fotorealistischen Computervisualisierungen arbeitet die Architektur heute zunehmend mit Animationen, die technisch dem Film sehr nahe stehen, ohne jedoch dessen spezifische Gestaltungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Hier eröffnet sich ein Feld, das ein grosses Gestaltungspotenzial birgt und eine zunehmende Verflechtung von Film und Architektur zur Folge haben wird.

5. Mai 2008 - Doris Agotai
Das Forschungsprojekt «Compositing Spaces» (siehe Kasten) untersucht, in welchen Bereichen Architekturanimationen Anstösse aus dem filmischen Gestaltungsinstrumentarium aufnehmen können. Eines der Hauptprobleme zeigt sich bei der Erstellung solcher Animationen: Hier sind vorwiegend ausgebildete Architekten am Werk, die sich in filmgestalterischen Fragen nicht hinreichend auskennen. Da wir aber als Zuschauerinnen und Zuschauer durch Konventionen geprägt sind, die der Film über Jahrzehnte etabliert hat, kann dies auf visueller Ebene zu Verständnisschwierigkeiten, zu unbedacht angefertigten Aufnahmen führen, die nicht auf die Konditionierung des Betrachters eingehen. Bekannt ist dieses Phänomen aus langen, ungeschnittenen Kameraflügen durch Projekte hindurch, die wenig mit vielfältigen Blickwinkeln der subjektiven Raumbetrachtung gemein haben.

Regieanweisungen an die virtuelle Kamera

Hier setzt das Forschungsprojekt an: Die lange, ungeschnittene Einstellung ist ein Stilmittel, das auch in der filmischen Sprache existiert. Plansequenzen treten immer dort auf, wo ein besonderer Gestaltungswille vorliegt, eine Szene speziell betont wird oder schlicht die Kunstfertigkeit des Regisseurs unterstrichen werden soll, da Plansequenzen aufwendig zu filmen sind (Bilder 1–5).1 Der Normalfall sind aber Schnittsequenzen, also Szenen, die aus einzelnen Einstellungen zusammengeschnitten sind, unterschiedliche Blickwinkel einnehmen und nach den Prinzipien der Kontinuitätsmontage die Betrachter Schritt für Schritt in den Raum einführen. Daher haben wir versucht, eine Narration für die Architekturanimation zu erstellen und real gefilmte Personen per Bluescreen-Verfahren ins Bild zu integrieren, damit der fiktive Betrachter wie im Film den Identifikationstransfer zu den Zuschauern herstellen kann (Bilder 6, 7). Doch die gerenderten dreidimensionalen Modelle waren sehr gross und die Qualität der Bildüberlagerung nicht zufriedenstellend – schliesslich sollte die zu entwickelnde Technik nicht nur in Hollywood, sondern auch durch normale Architekturbüros einsetzbar sein. Bei der weiteren Analyse wurde deutlich, dass der filmische Raum nicht immer bewegt, sondern häufig aus statischen Einstellungen zusammengeschnitten war. Diese fixen Raumeinstellungen sind in der Architektur zur Genüge vorhanden: hochauflösende Visualisierungen, die als Standbilder der «Compositing-Technik» zur Verfügung stehen. Mit dem digitalen Zusammenfügen und Animieren von Bildelementen mit Softwaretools wie Motion, After Effects oder ähnlichen Produkten war der Weg zu einer attraktiven Bearbeitungstechnik geebnet. Bei der Abfolge der räumlichen Perspektiven griffen wir auf Gestaltungskonventionen zurück, die aufzeigen, wie die Informationen im filmischen Raum beiläufig und ohne Redundanzen vermittelt werden. Waren die Bildausschnitte gewählt und zu einer kontinuierlichen Bewegungschoreografie zusammengefügt, konnten einzelne Ausschnitte weiterbearbeitet werden. So haben wir im einen Fall die Tiefenebenen einer Visualisierung in einem «Shifting» (Bilder 10, 11) leicht zueinander verschoben, sodass sich die auf der Zweidimensionalität eingefrorene Raumtiefe unmerklich zu verändern schien. Oder aber der gezeigte Bildausschnitt glitt wie eine Maske über das dahinter liegende Bild, tauchte darin ein und generierte eine Bewegung innerhalb des ursprünglich statischen Bildes.

«Compositing Spaces»

Der Ansatz des «Compositing» stellt eine Rückbesinnung zum Standbild als Ausdrucksform dar, die sich visuell, narrativ und ökonomisch bestätigt. Mit dem Einsatz dieser eigentlich alten Kulturtechnik2 (Bilder 8 und 9) nahm das Projekt eine überraschende Wende, die mehrere Probleme gleichzeitig löste: «Compositings» unterscheiden sich formal zunächst nicht von Renderings eines 3-D-Modells. Die Bildqualität ist trotz viel geringerer Datenmenge besser, da das Ausgangsmaterial, also die Visualisierung, hochauflösend ist. Der Compositing- Ansatz ist zudem eine kostengünstige Lösung, da er ohne ein aufwendig detailliertes und dadurch teures 3-D-Rendering auskommt. Denn die computergenerierten Standbilder, welche die Basis für diese Bearbeitung liefern, sind häufig Fotomontagen. Dadurch fliessen fotorealistische Elemente in die Bildsprache ein, die das Bedürfnis nach einer haptischsinnlichen Ausdrucksform einlösen. Die im Forschungsprojekt erstellten Animationen führen die Bildsprache in Richtung einer filmischen Schnittsequenz fort. Dabei wird die zu Beginn des Projektes formulierte Hypothese aufgenommen, dass bruchlose Realitätskonstruktionen die Wirklichkeitsvorstellung nicht fördern, Lücken und Brüche dagegen einen Vorstellungsfreiraum für die Betrachter schaffen. Mehrere Compositings können, als Schnittsequenz angelegt, den narrativen Anspruch einer Animation einlösen. Hier zeigt sich eine Chance zur Weiterentwicklung und Neudefinierung einer genuinen Bildsprache, die nicht den Film für die Architektur kopiert, sondern den Umgang mit diesem Medium reflektiert und zu einem eigenständigen Ausdrucksmittel für die Darstellung von Raum werden kann.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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