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Bauwelt 22.08
Verlassene Fabrikhallen
Bauwelt 22.08
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„Wenn man den Paulick-Saal erhalten will, muss man die Einschränkungen akzeptieren.“

Interview mit Peter Kulka zum Zuschauersaal der Staatsoper Berlin

Die Berliner Staatsoper soll saniert werden (Heft 45.07). Am 15. Mai entschied ein Preisgericht über acht Vorschläge zum Umbau des Zuschauersaals. Das Ergebnis hat der Auslober, die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, bis Anfang Juni nicht offiziell bekannt gegeben. Der Juryvorsitzende Peter Kulka plädiert für eine faire öffentliche Diskussion.

6. Juni 2008 - Friederike Meyer
Herr Kulka, welche Probleme gibt es mit dem Saal?

Die Staatsoper hat eine lange Geschichte. Sie ist mehrfach um- und wiederaufgebaut worden, zuletzt von Richard Paulick, der den Opernsaal in den fünf­ziger Jahren im Sinne Knobelsdorfs interpretiert hat. Doch die Staatsoper ist ein Musiktheater, das nicht klingt. Der Musik muss elektroakustisch nachgeholfen werden, die Musiker im Orchester hören sich schlecht, nicht alle Sänger erreichen das Publikum.

Woran liegt das?

Die Akustik ist so schlecht, weil das Raumvolumen des Besuchersaals zu klein ist. Die Aufgabe war es
eigentlich, dieses zu erhöhen. Und die Sicht zu verbessern. Bei 300 von 1300 Plätzen ist sie derzeit stark eingeschränkt.

Wie hat die Jury entschieden?

Die Entwürfe, die am nächsten am Paulick-Entwurf ge­blieben sind, haben den 2. und 3. Preis bekommen. Der eine hat die Decke angehoben und ein Drempel­ge­schoss hinzugefügt. Der andere wollte die Raum­vergrößerung durch eine Streckmetalldecke mit appli­zierten Stuckteilen der Paulick’schen Decke erreichen. Beide aber erzielen nicht die erhofften Verbesserun­gen bezüglich des Raumklangs und verunklaren den Paulick’schen Raum.

Deshalb haben Sie für einen neuen Saal gestimmt?

Die Entscheidung für den 1. Preis fiel mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Vorschlag von Klaus Roth er-füllt architektonisch, akustisch und was die Sichtbeziehungen anbelangt die Bedürfnisse eines moder-nen Musiktheaters; durch seine Dynamik transformiert er die Rokokozeit von Knobelsdorff auf moderne Weise und entwickelt eine eigene Qualität. Die Jury (u.a. mit Axel Schultes, Jörg Springer, Jórunn Rag-nars­dóttir, Regula Lüscher, Dieter Baumewerd) woll-
te den Paulick-Saal nicht vernichten. Nach langer Diskussion aber kamen wir zu dem Schluss, mit dem 1. Preis­träger sollte man einen Neuanfang wagen. Das Preisgericht kann jedoch nur empfehlen. Ich fände es mutig, wenn Berlin dieser Empfehlung folgen würde, aber ich kann mir auch andere Lösungen vorstellen. Nur: Wenn man den Paulick-Saal erhalten will, dann wird man die vorhandenen Einschränkungen bei der Sicht und Akustik akzeptieren müssen. Das muss al­len klar sein.

Bisher gab es keine Vorstellung der Ergebnisse.
Wer ist denn gegen die Entscheidung?

Wir sollten niemanden zum Buhmann machen. Ich finde es nötig, dass bei einem so wichtigen und ordnungsgemäß abgelaufenen Verfahren eine öffentli­che Diskussion befördert wird. Ich wehre mich dagegen, dass die Entscheidung einfach weggewischt wird. Jeder künstlerische Akt, sei es Musik, sei es Architektur, bedeutet ein Stück Provokation. Ich glaube, es ist grundsätzlich ein Problem der Politik, dass sie dem Volk gefallen will. Das ist vielerorts der Fall, am Neumarkt in Dresden, in Potsdam, in Braunschweig und eben auch in Berlin.

Die große Diskussion in Berlin kommt ja erst noch mit dem Wettbewerb für das Humboldtforum.

Am Beispiel der Staatsoper merkt man wieder, wie wir uns alle verbiegen im Zusammenhang mit dieser Diskussion, die unter politischem Druck geführt wird und letztendlich eine Macht- und keine Werte-diskussion ist. Die Kultur kann diese Diskussion nur verlieren.

Was wünschen Sie sich für den weiteren Verlauf?

Dass wir fair miteinander umgehen. Dass Architektenkollegen nicht über einen 1. Preis in der Zeitung reden und gegen das Preisgericht schimpfen, ohne die Arbeit je gesehen zu haben. Ich wünsche mir eine faire öffentliche Diskussion darüber, wie man mit historisch gewachsenen Strukturen umgeht. Ansonsten bekommen wir lauter Waldschlösschenbrücken. Vollständigen Artikel ansehen.

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