Zeitschrift

TEC21 2010|19
Alles im Beton
TEC21 2010|19
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Nichtrostende Bewehrung

Bei der technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Optimierung des Gesamtsystems «Beton und Stahl» bzw. «Stahlbeton» kann der Einsatz kostengünstiger nichtrostender Bewehrungsstähle sinnvoll sein. Dies gilt insbesondere dort, wo die heute geforderte Betonqualität oder Bewehrungsüberdeckung nicht eingehalten werden kann oder soll – etwa aus baupraktischen oder ästhetischen Gründen. Das in Kürze erscheinende Merkblatt SIA 2029 «Nichtrostende Bewehrungsstähle» nimmt sich dieser Thematik an.

Korrosionsschäden an Hochbauten aus Stahlbeton (Abb. 3) sind relativ häufig und ihre Sanierung kostspielig. Ursache ist praktisch ausnahmslos die Korrosion der Bewehrung infolge Karbonatisierung des Betons. Durch die Reaktion des Zementsteins mit dem CO2 der Luft sinkt der pH-Wert des Betonporenwassers. Dadurch geht der Korrosionsschutz der normalen, unlegierten Bewehrung mit der Zeit verloren, und der Stahl beginnt zu korrodieren. Wegen der entstehenden Korrosionsprodukte entstehen zunächst Risse und später sogar Betonabplatzungen. Der für Abplatzungen nötige Korrosionsabtrag liegt üblicherweise bei einigen Zehntelmillimeter – Risse können aber schon bei einem geringeren Abtrag entstehen. Insbesondere bei mittlerer oder schwankender Betonfeuchtigkeit ist die Karbonatisierungsgeschwindigkeit mittel bis hoch, und die Korrosionsgeschwindigkeit erreicht maximale Werte.

Dass sich die Karbonatisierung des Betons schädlich auswirken kann, ist meist auf eine ungenügende Betonqualität bezüglich Zusammensetzung oder Nachbehandlung und / oder auf eine ungenügende, vielfach auch nicht den Normen entsprechende Bewehrungsüberdeckung zurückzuführen. In der neuen Normengeneration werden deshalb deutlich höhere Anforderungen an die Betonzusammensetzung und die Bewehrungsüberdeckung gestellt als früher. Diese Vorschriften führen aber zu grösseren Bauteilabmessungen, was aus ästhetischer Sicht nicht immer erwünscht ist und auch nicht zwingend die wirtschaftlichste Lösung darstellt.

Veränderung des Zement- und Betonmarktes

Die Zementindustrie macht weltweit grosse Anstrengungen, den Energieverbrauch und die Emissionen, wie beispielsweise den CO2-Ausstoss bei der Zementproduktion, zu reduzieren. Um der Forderung nach Nachhaltigkeit zu entsprechen, wird der Portlandzementklinkergehalt der Zemente reduziert und zunehmend andere Stoffe wie Flugasche und Hüttensand für die Zement- und Betonproduktion verwendet (vgl. TEC21 21/2009). Dieser Entwicklung sind aber – wegen der für den normalen Betonstahl notwendigen Alkalität des Betons, die als Korrosionsschutz der Bewehrung wirkt – enge Grenzen gesetzt. In der Schweiz wurde Mitte der 1990er-Jahre der Portlandkalksteinzement CEM II/A-LL (Portlandzementklinkergehalt > 80 M.-%) neu auf den Markt gebracht (heutiger Marktanteil um 70 %). In Zukunft werden vermehrt Zemente mit einem deutlich tieferen Portlandzementklinkergehalt erhältlich sein. Parallel dazu nimmt der Druck zur Wiederverwertung von Beton und Mauerwerk zu, weil das Rückbauvolumen von Betonbauten ansteigt und sowohl Deponiekapazität als auch Verfügbarkeit an natürlichen Gesteinskörnungen knapp werden. Daher kommen vermehrt nicht dichte Gesteinskörnungen, wie zum Beispiel Beton- und Mischabbruch und Blähglas, auf den Markt. Betone mit solchen Ausgangsstoffen weisen tendenziell einen geringeren Widerstand gegen Karbonatisierung auf. Zudem stellt Recyclingbeton mit Mischgranulat RC-M ein heute noch nicht abschätzbares Korrosionsrisiko dar. Das Merkblatt SIA 2030 «Recyclingbeton » schränkt die Anwendung des RC-M daher zu Recht ein.

Die genannten Veränderungen bei Zement und Beton sind notwendig und richtig. Sie sind aber auch Anlass genug, dem Aspekt der Dauerhaftigkeit erneut Beachtung zu schenken: Reicht das, was wir heute tun, für die nächsten 50 bis 100 Jahre aus? Nur wenn damit die Stahlbetonbauweise unter Beachtung aller Aspekte wie Wirtschaftlichkeit, Technik, Ökologie und Dauerhaftigkeit als Gesamtsystem optimiert wird, sind diese Veränderungen auch nachhaltig. Vor diesem Hintergrund wurde in einer breit angelegten Untersuchung das Korrosionsverhalten von nichtrostendem Bewehrungsstahl – exemplarisch mit dem Produkt Top12 – und normalem Bewehrungsstahl verglichen.

Korrosionsverhalten untersucht

Der Korrosionswiderstand des nichtrostenden Betonstahls wurde im Vergleich zu einem normalen Betonstahl in karbonatisiertem Beton untersucht. Dazu wurden Probekörper mit verschiedenen Betonrezepturen hergestellt – Zementart, Flugasche, Gesteinskörnungen und w/z-Wert wurden variiert. Darin waren auf der einen Seite Stäbe aus normalem Betonstahl und auf der gegenüberliegenden Seite die nichtrostende Variante eingebettet (Abb. 4). Die Überdeckung der Stahlstäbe wurde variabel mit exakt 10, 20 und 30 mm realisiert. In einer ersten Phase wurden die Probekörper einer Schnellkarbonatisierung bei 100 % CO2 unterworfen, um die Voraussetzungen für Korrosion zu schaffen. Danach wurden die Probekörper periodischen Trocken-Nass-Zyklen ausgesetzt. In bestimmten Abständen wurden dann die korrosionstechnisch relevanten Grössen wie Potenzial, Stromfluss, elektrischer Betonwiderstand und Betonfeuchtigkeit gemessen. Nach Abschluss dieser Messungen wurden die Probekörper zerschnitten, die Stahlstäbe ausgebaut und der Korrosionsangriff visuell sowie unter dem Mikroskop beurteilt. Die mit der Schnellkarbonatisierung erzeugten Korrosionsbedingungen sind als aggressiv zu beurteilen, da dadurch der pH-Wert des Porenwassers deutlich schneller absinkt, als dies unter normalen CO2-Gehalten der Fall wäre. Erwartungsgemäss zeigten die verschiedenen Betonmischungen ein unterschiedliches Karbonatisierungsverhalten (Abb. 5 und 6). Betone mit porösen Gesteinskörnungen wie Mischabbruch bzw. Mischgranulat oder Blähglas karbonatisieren sehr rasch, wenn sie zeitweise austrocknen können. Unter der harten Korrosionsbelastung (stark karbonatisierter Beton mit niedrigem pH-Wert, hohe Betonfeuchtigkeit) zeigte die nichtrostende Bewehrung wohl teilweise eine leichte oberflächliche Korrosion (Abb. 2), in keinem Fall aber eigentliche Korrosionsangriffe. Im Gegensatz dazu korrodierte der Betonstahl ganz erheblich (Abb. 1).

Anwendungsbereich wird erweitert

Die Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass unter Verwendung von nichtrostendem Bewehrungsstahl eine Reduktion der Anforderungen an die Bewehrungsüberdeckung und/ oder die Betonqualität bei unveränderter Nutzungsdauer möglich ist. Nichtrostender Bewehrungsstahl kann ohne Einschränkungen hinsichtlich Betonzusammensetzung oder üblicher Rissbreiten bis 0.5 mm im Hochbau eingesetzt werden. Bei einem Beton mit Grösstkorn 32 mm sollte die Überdeckung aber wegen der Verbundwirkung 20 mm nicht unterschreiten, wobei bei diesem Wert ein Vorhaltemass von 5 bis 10 mm enthalten ist.

Nichtrostende Bewehrung kann dementsprechend für folgende Anwendungen empfohlen werden:

– Feingliedrige, dünnwandige Elemente (Platzmangel, Ästhetik, dichte Bewehrung)
– Bauteile mit strukturierter, d.h. z. B. mit gekratzter oder gestockter Oberfläche
– Ortbeton (schwierige Ausführung)
– Vorfabrikation (geringeres Gewicht wegen der geringeren Überdeckung)
– Betone mit neuen Zementen und/oder Gesteinskörnungen, mit denen noch wenig Langzeiterfahrungen vorliegen (z. B. Blähglas, Mischabbruch etc.)
– Vermeidung von Rostspuren bei Sichtbeton (z. B. wegen Unterbrüchen, schlechte Witterung)
– Instandsetzungen (ungenügende Überdeckung, Aufdoppelung nicht möglich).

Kosten-Nutzen?

Für den Einsatz kostengünstiger nichtrostender Bewehrung sind Mehrkosten von ca. 3 CHF / kg gegenüber normaler Bewehrung zu veranschlagen. Für Fassaden ergeben sich Mehrkosten von ca. 30 CHF / m2 (Annahme: 10 kg äussere Bewehrung pro m2). Zum Vergleich: bei Instandsetzungen von Sichtbetonflächen können durchaus Kosten von 200 bis 500 CHF / m2 entstehen. Der Einsatz nichtrostender Bewehrung kann damit aus technischer, ästhetischer, aber auch wirtschaftlicher Sicht durchaus vorteilhaft sein.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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