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TEC21 2010|22
An die Arbeit!
TEC21 2010|22
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Das optimale Büro?

Die räumliche Situation hat einen massgebenden Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeitenden an Büroarbeitsplätzen. In einem Forschungsprojekt der Hochschule Luzern wurde untersucht, welche Faktoren die Zufriedenheit und damit die Produktivität der Büroarbeitenden beeinflussen und wie ein Büro konzipiert sein muss, damit es gleichzeitig auch den Anforderungen der Unternehmen genügt. Daraus wurden Empfehlungen für die Planung von Neu- und Umbauten formuliert.

5.1 Mio. m2 Bürofläche stehen in der Schweiz leer. Trotzdem wird rege neu gebaut – immerhin 500 000 m² Bürofläche kamen im Jahr 2007 hinzu.1 Der Leerstand ist ein Indiz für mangelnde Anpassungsfähigkeit der Immobilien an die neuen Ansprüche der Arbeitswelt: Die Mitarbeitenden können darin ihr Leistungspotenzial nicht mehr optimal entfalten. Die Unternehmen beklagen die geringe Leistungsfähigkeit der Gebäude bei oft teurem Unterhalt. Wie muss ein Bürogebäude konzipiert sein, damit es den Anforderungen eines Unternehmens genügt und gleichzeitig optimale Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden bietet? Dieser Frage ging das Forschungsprojekt «human building office» nach. Durchgeführt wurde das im Sommer 2009 abgeschlossene Projekt vom Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur der Hochschule Luzern – Technik & Architektur in Zusammenarbeit mit dem Institut für Facility Management der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Da die Thematik weit über architektonische Aspekte hinausgeht, waren auch Wissenschafter und Wissenschafterinnen aus den Bereichen Wirtschaft, Soziale Arbeit sowie ein Arbeitspsychologe beteiligt.

Für das Forschungsprojekt wurden vier Fokusbereiche festgelegt, die den Faktor Mensch und die Ansprüche einer zeitgemässen Unternehmenskultur an das System Büro in den Mittelpunkt stellen (Abb. 1 bis 4): Einfluss auf die physische und die psychische Gesundheit, Unterstützung von Kommunikationsprozessen, Flexibilität in der Struktur sowie Diversität, das heisst Berücksichtigung unterschiedlicher Fähigkeiten und Bedürfnisse der Nutzenden. Untersucht wurden 46 Bürogebäude von 26 Unternehmen und Behörden. Die Bürotypen umfassten Zellenbüros, Grossraumbüros bis hin zum Multispace. Diese Büros wurden von den Forschenden vor Ort begutachtet und mittels eines Katalogs aus 120 Kriterien zu den vier Faktoren Standort, Gebäude, Raum und Arbeitsplatz beurteilt. Zudem wurden insgesamt 1400 Mitarbeitende zur Zufriedenheit mit der Büroumgebung und zu ihrer Gesundheit befragt sowie die Geschäftsleitung zu ihren Anforderungen an Bürogebäude und zur aktuellen Situation.

Mitarbeitende wollen «Einfluss nahme» und «Privatheit»

Die Befragung der Unternehmen ergab, dass die Unterstützung von Kommunikations- und Gesundheitsaspekten generell als am wichtigsten bewertet wurden. Flexibilität und Diversität nimmt bei den befragten Unternehmen einen geringeren Stellenwert ein. Der Vergleich mit der aktuellen Situation zeigte auf, dass die Bürogebäude den Ansprüchen der Unternehmen oftmals nicht genügen. Als entscheidend für die Zufriedenheit und Gesundheit der Mitarbeitenden im Büro stellten sich die Faktoren «Einflussnahme» und «Privatheit» heraus. Mit Privatheit ist die Möglichkeit zur Regelung von sozialer Nähe und Distanz gemeint; sie beinhaltet also die Möglichkeit, sich gegenüber sozialen Interaktionen zu öffnen (beispielsweise um Informationen auszutauschen) oder sich von diesen zurückzuziehen (z. B. um ungestört zu arbeiten oder um vertrauliche Gespräche zu führen). Einflussnahme (Kontrolle) umschreibt die Möglichkeiten, die Arbeitsumgebung und den funktionalen Komfort (Licht, Klima, Gestaltung des Arbeitsplatzes) zu verändern und zu modifizieren, sodass sie die Arbeit unterstützen.

Je mehr Personen sich im Büroraum aufhalten, desto geringer sind Privatheit und Einflussnahme. Im Gegenzug nehmen mit der Anzahl Personen Lärm, Ablenkungen und Störungen zu, die wiederum einen direkten negativen Einfluss auf die Gesundheit und die Zufriedenheit ausüben (Abb. 5) und für die Unternehmen damit Kosten durch Produktionsausfall verursachen.

Über 70 % aller Befragten sind «oft bis immer» durch Geräusche und Gespräche abgelenkt (Abb. 6).2 Die Gründe für die akustischen Ablenkungen sind hauptsächlich Gespräche zwischen Kolleginnen und Kollegen sowie Telefongespräche. Dadurch werden 65 % der Befragten «oft bis immer» während der Arbeit gestört. Bei den visuellen Ablenkungen sind es immer noch über 40 % der Befragten, die sich dadurch gestört fühlen. Dies wirkt sich auf die Konzentration und damit auf die Leistungsfähigkeit aus. Fast 40 % geben an, dass sie dadurch «oft bis immer» Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren. Bei 49 % der Befragten fehlen Räume für spontane Besprechungen und bei 61 % auch die Möglichkeit, sich für ungestörtes Arbeiten zurückzuziehen.

Kombibüro wird am besten bewertet

So ist es denn auch nicht erstaunlich, dass die klassischen Einzelbüros (Abb. 7) in der Studie in Bezug auf Gesundheit und Zufriedenheit gut abschneiden, denn die Mitarbeitenden haben genügend Privatheit und Einflussmöglichkeiten an ihrem Arbeitsplatz. Allerdings entspricht dieser Bürotyp nicht den Anforderungen vieler Unternehmen, die den spontanen Wissensaustausch durch die Bürostruktur fördern möchten. Zudem ist die Bürostruktur durch die starr eingezogenen Wände wenig flexibel, um an geänderte Bedürfnisse der Unternehmen angepasst zu werden. Ein weiterer negativer Aspekt ist der hohe Raumbedarf und die dadurch grossen Flächenkosten pro Arbeitsplatz.

Der Bürotyp, der sowohl die Kommunikation unterstützt als auch Rückzug und damit Privatheit ermöglicht, ist das Kombibüro (Abb. 8). Dieses besteht aus Zellenbüros. Gegenüber der klassischen Zellenbürostruktur ist die Korridorzone jedoch verbreitert und enthält verschiedene Zonen, die für Teamarbeit oder spontane Besprechungen genutzt werden können. Die Wände zwischen den Büros und der Mittelzone sind verglast. Sie ermöglichen dadurch den Sichtkontakt und dienen der besseren Belichtung. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes zeigen, dass dieser Bürotyp in Bezug auf Zufriedenheit mit der Arbeitsumgebung, der Kommunikation, der Privatheit und der Einflussnahme am besten bewertet wird.

Multispace-Büros schneiden am schlechtesten ab

Klassische Gruppen- und Grossraumbüros unterstützen durch die offene Struktur die Kommunikation zwischen den einzelnen Mitarbeitenden und den Teams. Die Raumstrukturen sind vielfältig und flexibel nutzbar. Allerdings schneiden sie schlechter ab hinsichtlich Lärm, Ablenkungen und Störungen. Zwar wird durch immer besser schallgedämmte Gebäudehüllen und die immer leiseren Geräte der Grundschallpegel niedriger, dadurch werden aber die menschlichen Stimmen als umso störender empfunden. Zudem haben die Mitarbeitenden in diesem Bürotyp wenig Privatheit und Einflussmöglichkeiten z. B. auf Licht und Temperatur. Multispace-Büros sind eine spezielle Ausformung eines Gruppen- oder Grossraumbüros. Mit diesem neuen Konzept, das Kommunikation und Teamarbeit ins Zentrum stellt, wird versucht, ein möglichst angenehmes Arbeitsumfeld zu schaffen. Die Bürofläche ist in eine Vielzahl von Arbeitsorten und -flächen gegliedert, die eine breite Spanne an Tätigkeiten ermöglichen: Arbeiten (allein oder im Team), Erholen, Kommunizieren, Nachdenken oder sogar Wohnen (Abb. 9). Die Layouts dieser Multispace-Konzepte können sehr unterschiedlich sein, was schliesslich über deren Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Im hiervorgestellten Forschungsprojekt schnitten Multispace-Bürokonzepte erstaunlicherweise bei der generellen Zufriedenheit und der Gesundheit der Mitarbeitenden noch schlechter ab als Grossraumbüros. Eine mögliche Ursache dafür ist die unmittelbare Nähe von offenen Kommunikations- und Arbeitsplatzflächen, die auch bei diesem Bürolayout zu Störungen und Ablenkungen führen kann. Besser ist es, die Kommunikationsflächen zusammenzufassen oder akustisch abzutrennen.

Regeln für die Planung: Sitz-, Lauf- und Rede-Typen trennen

Das perfekte Bürokonzept, das für jedes Unternehmen Geltung hat, gibt es nicht. Es gibt jedoch Regeln, die bei der Planung berücksichtigt werden können, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich optimal arbeiten lässt. In einem Bürogebäude arbeiten Mitarbeitende mit unterschiedlichen Funktionen und Tätigkeiten zusammen. Dabei sind die Tätigkeiten stärker bestimmend für die Gestaltung arbeitsgerechter Büroräume als die Funktion. Die Störpotenziale entstehen in offenen Bürostrukturen wie Gruppen- und Grossraumbüros dadurch, dass Kommunikation und konzentrierte Arbeit einen Zielkonflikt bilden. Bei der Planung und Einrichtung von Bürolayouts ist deshalb ein spezielles Augenmerk auf die Tätigkeiten zu legen. Diese lassen sich grob in drei Typen einteilen: Der Sitz-Typ, der sich mehrheitlich am Arbeitsplatz aufhält und wenig telefoniert, der Lauf-Typ, der sehr viel im Büro unterwegs ist, und der Rede-Typ, der sehr viele Telefonate und Sitzungen hat. Die drei Mitarbeitenden-Typen haben unterschiedliche Anforderungen an das räumliche Umfeld und das Raumangebot. Eine Analyse der Mitarbeitenden- Typen ist deshalb bei der Planung des Bürolayouts unabdingbar. Ein auf sie abgestimmtes Raum- und Arbeitsplatzangebot trägt wesentlich dazu bei, Störungen zu verhindern und damit die Produktivität der Mitarbeitenden zu unterstützen. Ein vielfältiges Angebot an Räumlichkeiten ermöglicht es, den je nach Tätigkeit passenden Ort aufzusuchen (Abb. 10), z. B. für Teamarbeit, laute Telefonate, konzentriertes Arbeiten. Je grösser und je vielfältiger das Raumangebot ist, das zur Verfügung steht, desto zufriedener sind die Mitarbeitenden mit der Arbeitsumgebung, weil dies den Bedürfnissen nach Privatheit und Einflussnahme entgegenkommt. Bei der Konzeption der Räumlichkeiten ist darauf zu achten, dass diejenigen, die an ihren Büroarbeitsplätzen arbeiten, so wenig wie möglich gestört und abgelenkt werden. Für Team- und Projektarbeit sind deshalb Gruppenarbeitsräume einzuplanen. Für konzentriertes Arbeiten oder private Gespräche sind akustisch abgetrennte Einzelarbeitsräume anzubieten. Kaffee- oder Kopierzonen dienen oftmals für spontane Besprechungen. Damit an diesen Orten Gespräche möglich sind, ohne andere Arbeitskollegen und -kolleginnen zu stören, sind diese von den Arbeitsplätzen akustisch und optisch abzutrennen. Die Möglichkeit für einen Powernap in einem Ruheraum fördert die Konzentration und berücksichtigt die unterschiedlichen Bedürfnisse und körperlichen Verfassungen der Mitarbeitenden.

Das Forschungsprojekt «human building office» zeigte, dass die Situation an den Büroarbeitsplätzen für die Unternehmen und die Mitarbeitenden generell nicht optimal ist. Unternehmen und Investoren müssen daher das grösste Augenmerk dem Konflikt zwischen Flächenkosten und Produktivität der Mitarbeitenden schenken. Nur so können im Sinne der Nachhaltigkeit Lösungen für zukunftsfähige Bürogebäude gefunden werden, in denen die Mitarbeitenden ihr Leistungspotenzial optimal entfalten können und ihre physische und psychische Gesundheit nicht beeinträchtigt wird.

Aus den Untersuchungen im Forschungsprojekt wurde ein Planungstool erstellt. Dies dient den beteiligten Wirtschaftspartner/innen bei Neu- und Umbauten dazu, die nötigen Zielvereinbarungen mit ihren Kunden und Kundinnen zu treffen. Damit können geeignete Strukturen und optimale Arbeitsbedingungen, die den Anforderungen der Unternehmen und den Bedürfnissen der Mitarbeitenden entsprechen, gewährleistet werden.


Anmerkungen:
[01] Credit Suisse: Economic Research. Immobilienmarkt 2008. Fakten und Trends. Zürich; 2008
[02] Durchschnitt über alle untersuchten Bürotypen

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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