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hochparterre 03|2011
Zeitschrift für Architektur und Design
hochparterre 03|2011
zur Zeitschrift: hochparterre

Leben im Manifest

23. Februar 2011 - Axel Simon
Der solothurnische Gärtnermeister Ueli Flury hat eine fixe Idee. Er möchte möglichst autark leben, ökologisch und gesund. Die Kinder sind weg, nun kann er ein Stöckli bauen, im hintersten Eck des Gartens neben dem Glashaus seines Blumenladens und dem alten Bauernhaus. Es war bisher der Familie Heim, doch bald wird es jenes einer anderen sein. Den Weg zur Erfüllung seiner Idee nimmt er ernst: Planer evaluierten ihm Bedürfnisse und Möglichkeiten, schliesslich unterbreiteten vier Architekturbüros ihre Studien. Die siegreichen und jungen Bieler spaceshop planten das Haus, das Flury zu einem guten Teil selbst baute. Heute lebt er auf 100 Quadratmetern in drei grossen Räumen, gebildet von zwei dicken Lehmwänden und raumhohen Fensterfronten mit Blick in den schönen Garten.

Nachhaltig und gesund ist das Haus: Der Grossteil des natürlichen Baumaterials hat keine zehn Kilometer Weg hinter sich. Abbruchsteine und alte Grabsteine bilden mit Trasskalkfugen die Kellermauern. Das Traggerüst ist aus Fichtenholz, kurz vor dem winterlichen Neumond im nahen Wald gefällt. Im nahen Dorf vermischte man den Lehm einer Baugrube mit Stroh. Aufgeschichtet und seitlich abgestochen bildet er die achtzig Zentimeter dicken Wände. Strohballen vom Feld des Nachbarn dämmen Boden und Decke. Fichtenbretter drauf, fertig. Kein Silikon, kein Kitt, kein Beton. Nur die Dachabdichtung aus Kautschuk, Fenster und Spenglerbleche entstammen der gemiedenen Welt der Industrie.

Das autarke Leben sichern zwei Kreisläufe: Im Energiekreislauf sorgt Photovoltaik auf dem Dach des Bauernhauses für mehr Strom als nötig und Stückholz aus dem nahen Wald für Wärme. Dem Bewohner wird warm beim Holzhacken, das Haus heizt ein zentraler Herd, der über einen Speicher im Keller die Heizkörper mit warmem Wasser versorgt und auch zum Kochen nützt. Im Wasserkreislauf kommt frisches Nass aus der eigenen Quelle, um nach Gebrauch in einer Sandpflanzen-Filteranlage gereinigt und zum Giessen in der Gärtnerei genutzt zu werden. Die Komposttoilette liefert zweimal jährlich Dünger. Nicht allgemeingültig sei sein Haus, sagt der Gärtnermeister, er sei kein Vorreiter. Sein Alltag ist nun ritueller, qualitätsvoller, umgeben von bergenden und borstigen Erdmauern.

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönighoenig[at]hochparterre.ch

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