Zeitschrift

db deutsche bauzeitung 04|2012
Monolithisch
db deutsche bauzeitung 04|2012

Fest verankert

Ferienhaus in Vitznau (CH)

Das Ferienhaus im Kanton Luzern überzeugt mit einer klaren, einfachen Formgebung und Materialität. Von außen steht v. a. die abstrakte, harte Betonschale im Vordergrund, die den Bau wie einen kantigen Stein vor einer mächtigen Felswand wirken lässt. Beim Nähertreten zeigt sich an den Gebäudeeinschnitten der warme, konsequent in Holz ausgeführte Innenkern, der Behaglichkeit ausstrahlt. Der Thematik des Anschlusses an das steil abfallende Gelände und dem Wunsch der Bauherren nach einem Holzhaus wird so architektonisch prägnant Rechnung getragen.

3. April 2012 - Matthias Benz
Das Ferienhaus befindet sich hoch über Vitznau, einer Gemeinde am östlichen Ufer des mehrfach verzweigten Vierwaldstätter Sees, der hier auf den Gebirgszug des Rigi trifft. Leicht außerhalb des Siedlungsgebiets, an einem steilen Hang liegend, tritt das Haus talseitig als dreigeschossiger Bau in Erscheinung, während bergseitig, von der Zufahrtsstraße aus, der Baukörper bloß eingeschossig ist. Noch steht das Einfamilienhaus alleine auf einer gegen Süden zum See hin abfallenden Bergwiese, doch zeugt bereits ein Lattengerüst von einem weiteren Bauvorhaben in unmittelbarer Nachbarschaft. Von hier genießt man einen eindrucksvollen Blick auf den Vierwaldstätter See und die Berge der Innerschweiz. Landschaftlich prägend vor Ort ist eine hohe Felswand aus Nagelfluh, die das Ferienhaus an seiner Rückseite spektakulär überragt.

Schutz vor Naturgefahren

Zu Beginn des Entwurfsprozesses wünschten sich die Bauherren ein Holzhaus. Aufgrund der Lage im steil abfallenden Gelände überzeugten die Architekten ihre Auftraggeber jedoch von der Idee eines steinernen Hauses mit hölzernem Innern: Ein konventionelles Holzhaus hätte einen klassischen Sockel benötigt, der in diesem Terrain zum dominierenden Bauteil geworden wäre.

Gleichzeitig forderten die Behörden eine Schutzwand, die bei Überschwemmungen das Wasser eines in der Nähe gelegenen Baches entlang der Zufahrtsstraße leiten soll. Die komplette Hülle in Ortbeton löst nun den Anschluss an den Hang ganz selbstverständlich. Außerdem kontrastiert sie in ihrer Scharfkantigkeit gelungen mit den freien Formen der Felswand, deren Farbigkeit sie präzise aufnimmt. Durch die Beigabe von Kies aus dem Weser-Gebiet in Norddeutschland erhielt das Betongemisch eine rötliche Färbung. Das Hochdruck-Wasserstrahlen entfernte die Zementhaut des Betons, was die rötlichen Körner der Zuschlagstoffe freilegte. Zugleich erhielt die Außenhaut durch das nachträgliche Bearbeiten eine raue Oberfläche mit einer gewissen Tiefe.

Tradition und Moderne

Von der Straße aus erreicht man über eine kurvenförmige Brücke, die auch als Zufahrtsweg zur Garage dient, einen Innenhof, der sich seitlich öffnet und mit einem Schiebetor geschlossen werden kann. Von ihm aus betritt man das offene Wohngeschoss, das von zwei Einbauten – der größere mit Küchenzeile, WC und Treppe, der kleinere mit offenem Kamin, Holzlager und Medienschrank – sowie einem weiteren Innenhof, der unmittelbar an die überdachte Terrasse anschließt, gegliedert wird. Während der Zugangshof geschlossen ist, öffnet sich der großzügige Wohnraum zum See hin. Die große Fensterfront und die Lage des Wohnzimmers hoch über dem natürlichen Geländeverlauf verleihen dem Bergpanorama eine eindrucksvolle Präsenz im Innern des Hauses. Die gelungene Inszenierung des Weges mit Richtungsänderungen setzt sich in den unteren Geschossen, in denen sich u. a. vier Schlafzimmer, Sauna und zusätzliche Loggien befinden, fort: Die beiden einläufigen Treppen sind zueinander um neunzig Grad gedreht angeordnet, die in den Gebäudekörper eingezogenen Außenbereiche stoßen an die großzügige Erschließungszone und erlauben so Ausblicke in verschiedene Himmelsrichtungen. Beim Entwurf der Schlafzimmer bezogen sich die Architekten auf Hotelzimmer und statteten sie mit frei stehenden Nasszellen aus: Dusche, WC, Waschbecken und Kleiderschrank wurden dabei zu einem Block zusammengefasst. Darin integriert ist eine aufklappbare Holzplatte, die als Gepäckablage oder Arbeitsfläche dient. Das Freistellen verleiht den Nasszellen eine Bedeutung, die über reine Nebenräume hinausgeht. Allerdings lassen die notwendigen großen Bewegungsflächen den eigentlichen Schlafbereich eher klein wirken.

Geschliffene, dreischichtige Blockholzplatten aus 35 mm dickem Lärchenholz bilden sämtliche inneren Oberflächen. Die Stabstruktur von rund 26 mm Breite und 2-2,50 m Länge wurde sichtbar belassen und farblos veredelt. So verhindert eine Lichtschutzbehandlung das Ausbleichen der Wände und ermöglicht das Umhängen von Bildern, ohne dass dunkle Flecken zurückbleiben. Dank einem wasserabweisenden Oberflächenschutz ist die Verwendung der Blockholzplatten auch in den Nasszellen möglich. Hier wurde der Bodenbelag allerdings gewachst. Einzig die Duschwanne ist aus Chromstahl und mit einem Lärchenholzrost überdeckt. Weitere Ausnahmen von der inneren Bekleidung mit Blockholz sind nur das Chromstahlblech in der Küche und das Stahlblech am offenen Kamin. Die Materialeigenschaften der Blockholzplatten, die plane Oberfläche mit fugenlos verleimten Stäben und die Verbindungen mit sichtbaren Keilzinken geben dem Innern eine Modernität, die den Bau weg vom heimeligen Chalet rückt. Trotzdem erinnert das Haus an traditionelle Bauten in den Bergen, wo oftmals eine steinerne Hülle einen Holzbau aufnimmt. Auch für die Böden der Loggien, die mit Flüssigkunststoff abgedichtet und mit einem gewachsten Holzrost belegt sind, sowie für die Fenster und die Rollläden wurde Lärchenholz verwendet.

Monolithisch detailliert, sicher ummantelt

Die zueinander versetzten Öffnungen der Fenster und der Loggien sind geschosshoch ausgebildet und verfügen über Glasbrüstungen als Absturzsicherung. Um die monolithische Wirkung der Außenhülle zu unterstützen, wurde an den Fensterbänken und am nach innen geneigten Dachrand auf Blechabdeckungen verzichtet. Stattdessen erfolgte auch hier die Abdichtung mit Flüssigkunststoff. Um ihr Aussehen an den Beton anzugleichen, wurden die Fensterbänke nach dem Abdichten mit feinen Körnern aus der Kiesmischung des Betons bestreut.

Innerhalb der schützenden Hülle aus Ortbeton befindet sich ein selbsttragender Holzelementbau aus vorfabrizierten, gedämmten Hohlkastenelementen. Damit konnte zumindest im Innern dem Wunsch der Bauherrschaft nach einem Holzhaus entsprochen werden. Der Holzbau muss dank der äußeren Betonhülle keine Schubkräfte aufnehmen und konnte daher optimiert werden. Nach dem Fundieren mit Pfählen und der Hangsicherung wurden zuerst die Kastenelemente aufgerichtet und mit einer Dampfsperre und einer zusätzlichen Dämmung versehen. Das Betonieren der 250 mm dicken Außenhaut konnte anschließend mit einer einhäuptigen Schalung erfolgen. Inzwischen beurteilen die Architekten den Bauablauf kritisch; rückblickend erscheint ihnen eine geschossweise und gleichzeitige Errichtung von Holzbau und Betonhülle wesentlich zweckmäßiger, da es für den Holzbauer einfacher ist, Ungenauigkeiten der Baumeisterarbeiten aufzunehmen als umgekehrt.

Den hohen Energiestandard hingegen würden die Architekten heute wieder anstreben. Eine hohe Dämmung, Dreifachverglasungen und eine kontrollierte Lüftung tragen dazu bei, dass das Ferienhaus die Anforderungen des schweizerischen Labels »Minergie Standard« erfüllt, auch wenn es nicht zertifiziert wurde. Die Heizung übernimmt eine Erdsonden-Wärmepumpe, die über Mobilfunk bereits aus der Ferne aktivierbar ist.

Gewappnet für den sich ändernden Kontext

Es liegt in der Natur der Sache, dass stark abstrahierte Bauten ihre Schwachstellen kaum verbergen können. So etwa beeinträchtigt eine talseitige Begradigung des Geländes für eine Liegewiese das Bild des Steins, der am Hang liegt. Auf der anderen Seite stört der gekurvte Zufahrtssteg mit seinen massiven Brüstungen die Klarheit des Baukörpers – auch wenn es die Absicht der Architekten war, die Straße bis in den Zugangshof zu führen. Von weiter oben erkennt man, dass die fünfte Fassade, das Dach, leider nicht im gleichen Abstraktionsgrad ausgebildet werden konnte wie die restlichen vier Fassaden: Die Aufbordung des Dachrands umfasst ein konventionelles begrüntes Dach, das aufgrund der Bauvorschriften verlangt war.

Trotz dieser Kritikpunkte zeigt das Ferienhaus einen möglichen Umgang mit einem nicht vorhersehbaren Kontext auf. Auch wenn es im Moment noch alleine auf der grünen Wiese steht – in Zukunft werden die Nachbarparzellen überbaut sein. »Reichtum« und räumliche Entfaltung sind deshalb ins Innere verlegt und die Außenräume so angelegt, dass sich beim Aufenthalt auf den eingezogenen Loggien die nähere Umgebung ausblenden lässt. Stattdessen wird der Blick in die Ferne auf den See und auf die Berge gelenkt. Der kraftvollen, monolithischen Hülle nimmt man ab, dass sie auch in einem veränderten Umfeld bestehen kann.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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