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Hintergrund 53
Herr und Frau Schreber
Hintergrund 53
zur Zeitschrift: Hintergrund
Herausgeber:in: Architekturzentrum Wien

Small is beautiful

Der Kleingarten – eine Bauaufgabe für ArchitektInnen

30. Juli 2012 - THALERTHALER
Zu unseren Projekten im Büro zählten in den vergangenen Jahren mehrere Planungen von Kleingartenwohnhäusern. Die Beschäftigung mit Häusern dieser Kleinheit besitzt für uns einen großen Reiz, da die hier entwickelten räumlichen Lösungen für uns durchaus auch im größeren Maßstab anwendbar sind. In folgenden vier Abschnitten wird die grundsätzliche Problematik des Kleingartens und des Bauens in dieser eher architekturresistenten Enklave näher betrachtet.

Die BewohnerInnen

Die AuftraggeberInnen sind zumeist keine Gärtner mit grünem Daumen, sondern junge Familien mit Kleinkindern, auf der Suche nach ihrem Einfamilienhaustraum. Sie sind dabei durchwegs architekturfreundlich eingestellt, über das Internet aufgeklärt, durch Häuslbauermessen gebrieft und, von Freunden und Bekannten mit guten Tipps reichlich versorgt, auf der Suche nach einem Architekten, welcher pünktlich, günstig und ausdauernd für sie tätig ist. Da sich die meisten BauherrInnen schon lang mit der Thematik des Wohnens im Eigenheim beschäftigen, haben sie bereits ihre genauen räumlichen Mindesterfordernisse eruiert.

Ein Zimmer für jedes Kind mindestens 12 m², ein Zimmer für die Eltern nicht unter 20 m², ein Schrankraum, ein Bad, noch ein Bad, eine große Wohnküche, ein Abstellraum, ein zusätzliches WC, ein Arbeits-Fernseh-Gästezimmer, der Keller vollwertig und so groß wie möglich.

Damit liegt man dann verlässlich über der zulässigen Gebäudegröße.

Selbstverständlich soll das Haus bestens wärmegedämmt, die Fenster dreifach verglast, kontrolliert belüftet oder sogar ein Passivhaus sein. Die Materialien müssen höchst ökologisch sein und ressourcenschonend eingesetzt werden, da man ja über den Zustand der Umwelt Bescheid weiß. Was man nicht so genau weiß, ist, wo die zwei Autos abgestellt werden sollen.

Auf jeden Fall zu klein für die Fülle an Wünschen ist dafür das Budget, es orientiert sich oft am günstigsten Fertigteilhaus. Die Sonderwünsche, wie zum Beispiel eine Sauna, eine Werkstatt, ein Büro, ein Heimkino, ein Fitnessraum etc. sind da noch nicht berücksichtigt. Hier beginnt die Arbeit an den Wünschen, Notwendigkeiten und Zwängen, bis ein realistisches Raumprogramm vorhanden ist.

Am meisten bedauert wird, dass kein Autoabstellplatz auf dem Grundstück möglich ist, schließlich braucht man zwei Autos, um das Traumhaus verkehrstechnisch zu erreichen, und die Nachbarautos verstellen bereits vor Baubeginn die raren Parkflächen. Der Traum vom Haus im Grünen zeigt sich nach Schuleintritt der Kinder erstmals von seiner strapaziösen Seite, da diese zur Schule gebracht und abgeholt werden müssen. Da auch alle sonstigen Tätigkeiten und Veranstaltungen der Taxidienste der Eltern bedürfen, schrumpft der Freizeitwert erheblich. Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist bei Kleingartengebieten nicht die erste Priorität. Auch Spontanbesuche von Freunden können am versperrten Zugangstor zum Paradies scheitern.

Das Grundstück / der Kleingarten

In seiner ursprünglichen Form war der Kleingarten als Selbstversorgergarten gedacht, diese Aufgabe ist mit der neuen Nutzung und den Wohnvorstellungen der BauherrInnen nicht mehr kompatibel. Der Kleingarten wird in erster Linie als günstiges Bauland betrachtet. Da man keine Zeit für einen aufwendigen Nutzgarten erübrigen kann, wird der Garten von den Neo-KleingärtnerInnen als private Erholungsfläche und Schaugarten angelegt. Um den Vereinsregeln zu entsprechen, wird der verpflichtende Obstbaum angepflanzt. Der Kleingarten stellt für viele Wiener Familien allerdings die gerade noch finanzierbare Variante des Häuschens im Grünen dar, da die Parzellen in Pacht, manchmal auch im Eigentum von der Gemeinde Wien vergeben werden.

Bereits das Auffinden des Grundstückes stellt die Ortskenntnisse mitunter auf eine harte Probe und oft erhebliche Anforderungen an den fahrbaren Untersatz, wenn der Kleingarten in Wienerwaldnähe liegt. Falls die Straße komplett fehlt und nur ein schmales Weglein zur Parzelle führt, sollte sogar der abgebrühteste Architekt umkehren.

Die Aussicht und Lage sind allerdings oft reizvoll, ein romantischer Garten, oft noch mit Obst- und Gemüsegarten vom Vorbesitzer. Die eingezäunte Parzelle vermittelt den trügerischen Eindruck von klaren Grundgrenzen, nur steht der Zaun oft nicht auf der eigenen Parzelle.

Wird der Kleingarten von den Eltern oder Großeltern übergeben, ist das der günstige Fall, andernfalls ist eine langwierige Suche mit erheblichen Ablösen die Regel. Selten sind die Kleingärten im Eigentum erhältlich. Das Standardgrundstück liegt in einem Kleingartenverein und ist ein Pachtgrund der Gemeinde Wien. Die Statuten dieses Vereines sind einzuhalten und ergänzen die sonstigen Bestimmungen und Regeln für ein Kleingartenhaus. Der Vereinsobmann muss dem Bauprojekt schriftlich zustimmen.

Das Grundstück ist im Regelfall bebaut und der Bestand muss erst entfernt werden. Die vorhandene Infrastruktur ist spärlich, es fehlen nahezu immer ein wintertauglicher Wasseranschluss, ein öffentlicher Kanalanschluss und ein Gasanschluss in näherer Umgebung. Der Stromanschluss ist meistens als Freileitung vorhanden. Generell ist die bestehende Infrastruktur nicht für die jetzt einsetzende flächendeckende ganzjährige Bewohnbarkeit ausgelegt.

Die grundsätzlichen Probleme des Einfamilienhauses treten hier noch schärfer zutage. Die Infrastruktur im Kleingarten ist nicht für die neuen „verkleinerten Einfamilienhäuser“ mit allem erdenklichen Wohnkomfort ausgelegt.

Die Verkehrserschließung ist wie die Parkplatzsituation ungelöst. Der Verkauf von unzähligen Miniparzellen führt zu einem stadtplanerischen Dilemma, da sich viele dieser Kleingärten in zentraler Lage befinden und diese Flächen für die Stadtentwicklung nicht mehr verfügbar sind, sondern einer vernünftigen Entwicklung vielmehr im Weg stehen. Die großen zusammenhängenden Kleingärten sind öffentlich kaum zugänglich, jeder Besucher wird mit Argusaugen beobachtet und als Erholungsgebiet dienen sie nur noch den AnrainerInnen.

Die Planung

Die Kleinheit als Begriff zieht sich als roter Faden durch die Planung eines Kleingartenwohnhauses. Die Parzellen sind sehr klein, um trotzdem eine möglichst große zusammenhängende Gartenfläche mit geschützten Freiräumen zu erhalten, sind Gebäudesituierung und Gebäudeform wesentliche Kriterien.

Die grundsätzliche Herausforderung für uns besteht immer darin, trotz der geringen Grundflächen eine großzügige räumliche Wirkung zu erzeugen und jedenfalls enge räumliche Situationen zu vermeiden.

Da die Gebäude aufgrund der Vorgaben hinsichtlich Kubatur, Grundfläche und Gebäudehöhe begrenzt sind, ist es unserer Ansicht nach wichtig, objekthaft zu denken und nicht den Irrtum zu begehen, ein verkleinertes Einfamilienhaus zu planen. Ein bildhauerischer, skulpturaler Umgang mit dem zulässigen Gebäudevolumen führt eher zu neuen Ansätzen, als ein vergleichsweise funktionaler Zugang.

Aufgrund der geringen Gebäudeabmessungen treten nämlich übliche Ausführungen bei Fenstern, Türen, Dachdeckungen, Geländern, Entwässerungen wesentlich stärker und überproportioniert in Erscheinung. Die Wünsche der BewohnerInnen müssen oft in transformierter Form umgesetzt werden, so war beim Haus Z der Wunsch eines Erkers für das Bad aufgrund der Kubaturbeschränkung nicht umsetzbar, ein schräges Glasdach erfüllt aber genauso den Wunsch nach Licht und Aussicht.

Um räumliche Großzügigkeit zu erzeugen, sollte man das Denken in Geschossen vermeiden und vielmehr das Gesamtvolumen als Raumgenerator heranziehen. So soll beispielsweise ein räumlicher Bezug vom Keller bis ins Obergeschoss angestrebt werden, einerseits, um Blickachsen zu erzeugen, andererseits, um höhere Räume zu generieren und die Belichtung zu verbessern. Gänge als reine Verkehrsfläche, insbesondere innenliegende unbelichtete Flächen, werden vermieden, vielmehr können Erschließungen als Arbeitsplatz, Spielflur, Raumerweiterung genutzt werden. Wesentlich ist ein direkter fließender Gartenbezug.

Die Materialwahl ist ebenfalls eine entscheidende Frage hinsichtlich der erzielbaren Nutzfläche. Hier ist der Holzbau gegenüber dem Massivbau eindeutig im Vorteil. Verglasungen als Raumabschluss erzeugen nicht nur einen besseren Gartenbezug, sondern ergeben auch mehr Nutzfläche.

Die Materialität der Fassade ist aufgrund der Gebäudegröße ebenfalls eine genau zu planende Komponente, unsererseits wird immer die Reduktion im Sinne des Objektgedankens angestrebt.

Das Bauen

Hier stößt man, insbesondere beim Rohbau, schnell an die Grenzen des Möglichen. Der seitens der BauherrInnen unverzichtbare Keller ist oft kaum vernünftig realisierbar, die Zufahrten sind zu eng oder zu wenig tragfähig. Die Bauabwicklung wird aufgrund fehlender Lagerfläche für Baumaterialien und Fahrzeuge eine logistische Herausforderung. Die An- und Ablieferung ist kaum ökonomisch sinnvoll zu bewerkstelligen. Die Arbeitszeiten sind oftmals durch die Vereinsregeln beschränkt, da dürfen während der Hauptsaison der Kleingartennutzung keine lärmerzeugenden Baumaßnahmen getätigt werden.

In letzter Zeit hat es sich als zunehmend schwierig erwiesen, verlässliche und fähige Firmen für derartige Bauaufgaben zu finden. Einige Holzbauunternehmen haben sich allerdings spezialisiert und übernehmen bereits den Großteil der Rohbaugewerke ab Keller als Generalunternehmer. Das ist unserer Ansicht nach die sinnvollste Art für die Umsetzung anspruchsvoller Planungen, da damit noch am ehesten Qualität und Terminplan einzuhalten sind.

Abschließend kann gesagt werden, dass wir der Bauaufgabe sehr zwiespältig gegenüberstehen, einerseits ist es eine sehr reizvolle Aufgabe – gerade aufgrund der sehr einschränkenden Vorgaben –, eine räumlich vielfältige und für die BauherrInnen optimale Lösung zu finden, andererseits wird durch die Bebauung und die Übereignungen der Kleingartengebiete die Möglichkeit vergeben, die Flächen sinnvoll in die Stadtentwicklung einzubeziehen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Hintergrund

Ansprechpartner:in für diese Seite: Martina Frühwirthfruehwirth[at]azw.at

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