Zeitschrift

TEC21 2012|33-34
Risikomanagement
TEC21 2012|33-34
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Verborgene Gefahr

13. August 2012 - Christian Kellerhals
Die Abteilung Infrastruktur des Bundesamts für Strassen führt ein aufwendiges Risikomanagement durch, um die Qualität des Nationalstrassennetzes sicherzustellen. Deutlich wird dabei, dass die Gefahren nicht nur in der ­Natur lauern, sondern auch in den Büros – und dass sich ähnliche Herausforderungen auch in vielen Planungsbüros und Unternehmen stellen.

Die Risiken für die Abteilung Infrastruktur des Bundesamtes für Strassen (Astra), die Ursachen und die Wirkung der umgesetzten risikovermindernden Massnahmen werden laufend vom Risikoeigner, d. h. meist dem Abteilungsleiter einer Verwaltungseinheit, überwacht.

Die Situation wird jährlich neu analysiert, bewertet und je nach Expositionen (Höhe des Risikos) werden weitere Massnahmen zur Risikosteuerung durch den Risikoeigner definiert, den amtsinternen Risikocoach aggregiert und durch die Geschäftsleitung genehmigt. Falls für ein Risiko trotz hoher Exposition keine sinnvollen Steuerungsmassnahmen mehr möglich sind, wird geprüft, ob Notfal, Krisen oder Kontinuitätsplanungen für den Ereignisfall vorzubereiten sind. Die Abteilung bewertet ihre ­Risiken anhand von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmass. Dabei werden der mögliche finanzielle Schaden, der Personenschaden, die Beeinträchtigung der Aufgaben­erfüllung, negative Auswirkungen auf die Umwelt und ein allfälliger Reputationsschaden ­untersucht. Zusätzlich wird für jedes Risiko ein Entwicklungstrend angegeben.

Dargestellt werden die Risiken in ihrer Nettoexposition, d. h., die Wirkung bereits ergriffener Massnahmen wird berücksichtigt. Im Folgenden werden die wichtigsten Risiken kurz vorgestellt.

Ungenügende Projektaufsicht aus strukturellen Gründen

Mit der Reorganisation aufgrund der Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA) 2008 wurde der Abteilung Infrastruktur neben ihrer bisherigen Rolle als Aufsichtsbehörde auch die Verantwortung für den Bau, Unterhalt und Betrieb der Nationalstrassen übertragen. Die Abteilung erfüllt somit neben einer Aufsichts und Genehmigungsfunktion auch operative Aufgaben.

Daraus ergibt sich das Risiko, dass Letztere ungenügend beaufsichtigt werden, was Mehrkosten und Reputationsschäden zur Folge haben kann. Massnahmen, die dieses Risiko auf ein tragbares Mass reduzieren, umfassen eine klare Kompetenzteilung innerhalb der Abteilung, ein umfassendes Auditkonzept sowie Sensibilisierungs und Ausbildungsmassnahmen. ­Aufgrund der anstehenden Grossprojekte, wie der Nordumfahrung Zürich oder der dritten Röhre Belchentunnel (BL / SO), nimmt dieses Risiko tendenziell zu.

Korruption

Bei 600 laufenden Projekten, 5000 Verträgen und einem Budget von über 2 Mrd. Fr. pro Jahr ist das Korruptionsrisiko hoch. Ist die Schadenssumme gross und haben bestehende Kontrollmechanismen versagt, verliert die Abteilung an Glaubwürdigkeit, was sie in der Erfüllung ihrer Aufgaben erheblich behindern würde. Es gibt daher klare Vorgaben, wie die Verhaltensrichtlinien zur Korruptionsbekämpfung, das Beschaffungshandbuch, die Unterschrifts und Kompetenzregelung und die Weisungen zum Rechnungswesen. Zudem werden die Mitarbeitenden regelmässig geschult und interne und externe Audits durchgeführt.[1]

Personalmangel

Frei werdende Stellen kann die Abteilung namentlich im Ingenieurbereich oft nur zeitverzögert besetzen. Steigende Anforderungen und temporäre Vakanzen können bewirken, dass die Leistung der Abteilung qualitativ und quantitativ absinkt. Zudem nimmt der Arbeitsdruck auf die Mitarbeitenden besonders an Schlüsselpositionen zu. Dies kann Abgänge zur Folge ­haben, die schwierig zu ersetzen sind. Die Abteilung stuft dieses Risiko als hoch ein, besonders weil die Eintrittswahrscheinlichkeit eines durch Personalmangel verursachten Schadens vergleichsweise hoch ist.

Gegenmassnahmen beinhalten die Zurückstellung von Projekten, wenn Personalengpässe entstehen, Wissensmanagement in der Abteilung und motivationsfördernde Massnahmen, um die Mitarbeiterbindung zu erhalten und nach Möglichkeit zu verstärken.

Neue Aufgaben, wie die Erweiterung des Nationalstrassennetzes um 376 km (derzeit im Parlament), werden eine weitere Erhöhung des Personalbestands erfordern. ­Dieses Risiko weist daher eine steigende Tendenz auf.

Externe Projektaufsicht

Der Personalbestand der öffentlichen Verwaltung für die Betreuung der Nationalstrassenprojekte wurde seit der NFA bei gleichbleibendem Bauvolumen um fast einen Viertel reduziert. Damit wurde dem politischen Wunsch nach einer schlanken Verwaltung stattgegeben. Gleichzeitig werden jedoch die Anforderungen bezüglich Controlling, Budgetmanagement und Berichterstattung laufend erhöht. Die Abteilung lagert daher gewisse Aufgaben, wie Projektadministration, Koordination und Elemente des Controllings, an die Privatwirtschaft aus. Dadurch entsteht das Risiko, dass Projektwissen in der Abteilung verloren geht und sie von Aussenstehenden abhängig wird. Mangelnde Aufsicht kann Mehrkosten, Baumängel und/oder Bauverzögerungen zur Folge haben. Das Risiko wird dank folgender Gegenmassnahmen als mittel eingestuft: Stärkung der Führung des Projektmanagements[2], Förderung des Erfahrungsaustausches unter den amtsinternen Projektleitern, starke Gewichtung der Qualität in Ausschreibungen für Bauherrenunterstützer, Vertragskontrollen mittels externer Audits.

Ungenügender Schutz vor Naturgefahren Gerade in Bergregionen verursachen Naturgefahren wie Steinschlag, Wasser, Rutschungen und Lawinen grosse Schäden. Bei einem Grossereignis auf einem bekanntermassen exponierten Abschnitt könnten unter Umständen Ansprüche gegenüber dem Amt geltend gemacht werden,[3] und das Vertrauen in die Abteilung würde beeinträchtigt. Häufig haben ­solche Ereignisse auch grosse volkswirtschaftliche Schäden zur Folge, indem wichtige Verbindungsachsen für längere Zeit unterbrochen werden. Dank bereits umgesetzten Massnahmen an den heikelsten Stellen kann dieses Risiko heute als mittel eingestuft werden. Um die Priorisierung weiterer Massnahmen gegen Naturgefahren zu verbessern, nimmt die Abteilung eine netzweite ­Risikoanalyse nach einheitlichen Vorgaben vor.

Berichterstattung Die Abteilung erstattet jährlich Bericht an die Geschäftsleitung des Astra, die danach die aggregierten Risiken an das Departement (Uvek) weiterleitet. Die konsolidierten Risikoberichte aus den Departementen bilden schliesslich die Basis für die Berichterstattung an den Gesamtbundesrat. Ausserordentliche Risikosituationen werden dem Bundesrat umgehend und ausserhalb der normalen Berichterstattung gemeldet.


Anmerkungen:
[01] Die Audits werden von der eidgenössischen Finanzkontrolle, dem Finanzinspektorat Astra und dem Rechtsdienst Astra durchgeführt, indem bestimmte Themen in ausgewählten Projekten auditiert werden
[02] Zur Stärkung der Führung wurde die Funktion «Bereichsleiter Projektmanagement» geschaffen, als direkter Vorgesetzter und erste Ansprechperson für die Projektleiter
[03] Werkeigentümerhaftung gemäss Art. 58 des Schweizerischen Obligationenrechts. Dieser lautet: «Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen. Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind.»

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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