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TEC21 2013|38
Neuer Saum für die Linth
TEC21 2013|38
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Ingenieurbau an der Linth

Die Sanierung des Linthwerks war eine anspruchsvolle multidisziplinäre Ingenieuraufgabe, von der Geotechnik über den klassischen Wasserbau bis zum Brückenbau. Im Zentrum stand die Aufgabe, für grösstmögliche Hochwassersicherheit zu sorgen – doch parallel dazu ist es den Ingenieuren gelungen, die gesamte Kanallandschaft unter ökologischen Aspekten neu zu gestalten und aufzuwerten.

Der Linthkanal quert den Schwemmkegel der alten Linth bzw. den aufgelandeten Tuggener See. Der Baugrund ist stark inhomogen und beinhaltet Alluvionen (Linthschotter) und feine, teilweise organisch versetzte Überschwemmungssedimente. Von der Roten Brücke (zwischen Schänis und Bilten; Ortsangaben im Plan auf S. 17, Abb. 01) bis zum Hänggelgiessen liegt das Gerinne des Linthkanals auf gleicher Höhe wie das Umland und die Hintergewässer. Hier, wo hydraulische Verbindungen zwischen Kanal und Umgebung ohne grosse Erdbaumassnahmen hergestellt werden können, wurde das weiter unten beschriebene Entlastungsbauwerk Hänggelgiessen zur Beherrschung des Überlastfalls errichtet. Weiter kanalaufwärts, bei Ziegelbrücke, liegt das Umland höher als der Kanal; der zufliessende Rautibach ist deshalb durch eine neue Fischaufstiegshilfe (Schlitzpass mit Borstenelementen) mit 42 Becken, die eine Gefällstufe von rund 8 m überwindet, mit dem Kanal verbunden (Abb. 02).

Dammsanierung und hochwasserentlastung am Linthkanal Der sanierte Kanal gewährleistet eine ausreichende Abflusskapazität mit Freibord bis zum Bemessungsabfluss HQB. Der Bemessungsabfluss am Linthkanal beträgt 330 m³/s bis 360 m³/s. Der Extremabfluss EHQ entspricht etwa einem 500-jährlichen Hochwasser HQ500 und ist mit 500 m³/s angesetzt. Nach der Sanierung ist die Dammsicherheit bzw. Damm stabilität nach SIA 260 / 261 / 267 wiederhergestellt, wobei ein globaler Sicherheitsfaktor von F = 1.3 für den Bemessungslastfall «Auflast gemäss Dammklasse Bemessungsabfluss» eingehalten wurde. Für die Überlastfälle «bordvoller Abfluss» und «Erdbeben» besteht eine ausreichende Sicherheit. Die flussbauliche Sicherheit des sanierten Kanals gewährleistet die Stabilität der Sohlenlagen und der Ufersicherungen bis EHQ.

Die Dämme wurden grossräumig mit Auflastfiltern saniert. Die mit anstehendem Material verstärkten Dämme weisen eine maximale Neigung von 2 : 5 auf und sind im Sohlen- und Fussbereich mit einem in Längsrichtung durchgehenden Kiesfilter versehen. Zusammen mit der Querschnittsvergrösserung der Nebengewässer ergeben die Dammverbreiterungen eine rechtsufrige Breitenzunahme des Linthwerks um 32 m mit zusätzlichem Landbedarf. Auf einer Flusslänge von rund 7 km wurde der steile (Neigung ca. 1 : 1) und teilweise vermörtelte Blocksatz mehrheitlich durch leicht strukturierte und kiesige Flachufer ersetzt (vgl. S. 19, Abb. 06). Zwischen Hänggelgiessen und Grynau sind die sanierten Dämme auch im Hochwasserfall mit Fahrzeugen bis 40 t Gewicht befahrbar. Die übrigen sanierten Dammabschnitte tragen Fahrzeuge bis 28 t, die nicht ausgebauten Dämme sind mit Fahrzeugen bis 5 t befahrbar. Acht neue Brücken mit Lastklasse 40 t über die Hintergräben und den F-Kanal erschliessen die Hauptdämme.

Mit der Anbindung des Altarms der früheren Linth im Hänggelgiessen an den Linthkanal entstand ein Naturraum mit grossen Wasserflächen (vgl. Titelseite), in dem die Strömungsgeschwindigkeit gering ist und in dem eine hydraulische Entlastung in den Rechten Hinter- graben möglich ist. Dieser dient üblicherweise der Entwässerung des rechten Talhangs und der Linthebene und wird im Extremhochwasserfall als Überlastrinne für den Linthkanal genutzt. Zu diesem Zweck wurde seine Kapazität so weit ausgebaut, dass er im Überlastfall bis zu 80 m³/s aus dem Linthkanal ableiten kann. Das entspricht der Differenz zwischen dem Extremereignis EHQ mit 500 m³/s und dem 300-jährlichen Hochwasser HQ300 mit 420 m³/s, das der Linthkanal im unteren Teil zwischen den hohen Dämmen bordvoll noch abführen kann. Damit ist das sanierte System Linthkanal bis zum EHQ-Abfluss überlastsicher. Die Entlastung in den Rechten Hintergraben kann durch das Entlastungsbauwerk Hänggelgiessen mit Überfallsektion, Stauklappe und Tosbecken (Abb. 01) so gesteuert werden, dass eine zeitliche Koinzidenz der Entlastung aus dem Linthkanal mit Spitzenzuflüssen aus der Schänner Ebene wenig wahrscheinlich ist. Das gesteuerte Wehr hat den Vorteil, dass Spielraum für die Regulierung besteht und die Entlastung erst ausgelöst wird, wenn keine Alternative mehr besteht. Das dürfte selten der Fall sein – das Bauwerk steht voraussichtlich meist im Trockenen und muss theoretisch nur alle 300 Jahre in Betrieb genommen werden.

Dammsicherheit und Schutzziele am Escherkanal

Der Escherkanal ist der unterste, kanalisierte und vom Linthwerk unterhaltene Flussabschnitt der Glarner Linth. Sein Normalprofil besteht, ähnlich wie beim Linthkanal (vgl. das Profil auf S. 17, Abb. 02), aus einem 10 bis 20 m breiten Mittelgerinne und beidseitigen rund 8 bis 9 m breiten Vorländern (Abb. 06). Die Glarner Linth ist gekennzeichnet durch kurze, rasch ansteigende und geschiebeführende Hochwasser. Im Siedlungsbereich Näfels/Mollis hat sich das Flussbett in den letzten 60 Jahren um bis zu 50 cm eingetieft. In den weiteren Abschnitten war es mehrheitlich stabil oder landete bis zu 25 cm auf. Für den Schutz der Linthebene wurde für den gesamten Escher- und Linthkanal als Richtgrösse etwa der hundertjährliche Hochwasserabfluss HQ100 als Bemessungsabfluss HQB gewählt. Für den Escherkanal liegt das Schutzziel bei HQB = 450 m³/s, der Überlastfall entsprechend dem 300-jährlichen Hochwasser HQ300 bei 550 m³/s und das Extremhochwasser EHQ = HQ1000 bei 680 m³/s.

Die minimalen Dammhöhen ergeben sich aus den Wasserspiegellagen und einem Freibord. Letzteres setzt sich aus der Geschwindigkeitshöhe v2/2g und einem Zuschlag für Unsicherheiten in der hydraulischen Berechnung (Geometrie, Rauigkeiten) zusammen. Im Escherkanal liegt die Geschwindigkeitshöhe zwischen 70 cm und 100 cm, der Zuschlag beträgt 50 cm, bei Brücken 70 cm. Der Escherkanal verfügt auf etwa 75 % der Gesamtstrecke über ein genügendes Hochwasserprofil und reicht für die Ableitung des Bemessungsabflusses aus. Im Siedlungs bereich Näfels/Mollis waren die Freibordbedingungen hingegen knapp und erforderten lokal kleinere Dammerhöhungen. Unterhalb der Vrenelibrücke vor dem Walensee konnte wegen der zum Teil fehlenden seitlichen Hochwasserschutzdämme der Ausbau durchfluss nur knapp durchgeleitet werden.

Im Escherkanal fliesst die Glarner Linth zwischen Hochwasserschutzdämmen, die höher als das umliegende Land sind. Bei einer Überflutung der Dämme darf das System nicht kollabieren. Deshalb haben die Ingenieure Eschers Konzept für den Flussabschnitt unterhalb Mollis mit einem linken Damm, der 25 cm höher als der rechte Damm ist, beibehalten. Auch die dominante Aussenseite des Damms blieb unverändert, das Erscheinungsbild von Eschers Werk wurde hier nicht angetastet. Wenn das Schutzziel von 450 m³/s überschritten und das Freibord voll ausgenutzt wird, überflutet das Wasser den rechten Damm und fliesst zwischen Escherkanal und rechtem Talhang (Kundertried und Chli Gäsitschachen) in Richtung Walensee ab (vgl. S. 17, Abb. 03 Mitte rechts).

Im Siedlungsbereich Näfels/Mollis sind hingegen Wohnhäuser, Verkehrsanlagen und Infrastrukturen bis an den Aussendamm des Escherkanals erstellt worden. Hier lässt sich der Überlastfall nicht mehr allein mit dem Projekt Linth 2000 lösen. Der Escherkanal ist auf einen Ausbaudurchfluss von 450 m³/s ausgebaut. Im Notfall dürfen unter voller Ausnutzung des Freibords maximal 550 m³/s den Escherkanal erreichen. Bei grösseren Wassermengen (Überlastfall, Restrisiko) muss der Kanton Glarus Massnahmen zur Beschränkung des Wasserzuflusses der Linth ergreifen.

Für den oberen Abschnitt des Escherkanals im Siedlungsbereich Näfels/Mollis liegt die globale Stabilitätssicherheit der Dämme beim HQB ohne Dammbelastung über 1.30. Aus geotechnischer Sicht drängten sich hier keine Massnahmen auf. Unterhalb des Siedlungsbereichs mit höheren Hochwasserschutzdämmen lag die globale Stabilitätssicherheit beim HQB ohne gleichzeitige Dammbelastung jedoch zwischen 1.0 und 1.1 – eine Verstärkung des linken Damms war hier zwingend erforderlich.

Unterhalb des Schiessplatzes Walenberg legten die Ingenieure im Chli Gäsitschachen eine rechtsseitige Flussaufweitung an. Die Einrichtung dieser grossen Flussaufweitung bedingte unter anderem die Verstärkung des linken Hochwasserschutzdamms auf der Innenseite des bestehenden Damms und einen neuen linksseitigen Uferschutz als massiver Blockwurf.

Der rechtsufrige Abschluss der Flussaufweitung ist als Flachdamm gestaltet, der im oberen Bereich zur Vermeidung von Seitenerosion mit Blocksatz verstärkt ist. Weitere Massnahmen sind die Sicherung der Sohle im Escherkanal oberhalb der Aufweitung, um der rückschreitenden Erosion im Gerinne vorzubeugen, die Anhebung der mittleren Sohle des Escherkanals und die Sicherung / Befestigung der Ufer. Innerhalb der neuen Flussaufweitung kann sich die Glarner Linth in Analogie mit dem ursprünglichen Gerinne natürlich entwickeln. Das verzweigte Gerinne mit Kiesinseln (Abb. 03) bietet für Flora und Fauna wertvolle neue Lebensräume.

An den Brücken über den Escherkanal waren individuelle Massnahmen erforderlich: Die Molliserbrücke wurde ersetzt (Abb. 05), ebenso der Chupferensteg, eine Stahlfachwerk brücke. Eine Stahlschürze gleicht das Freiborddefizit am Linthbrüggli aus (Abb. 04), hin gegen erlaubte die Stahlbeton-Vrenelibrücke keine bauliche Anpassung. Stattdessen wurde hier gleichzeitig mit der Erstellung der Hochwasseraufweitung Chli Gäsitschachen ein über flutbarer Damm geschaffen, der zusammen mit einer rechtsufrigen Flutmulde grosse Hoch wasser in den Walensee durchleiten soll.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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