Zeitschrift

anthos 2013/4
Lebendiges Wasser
anthos 2013/4
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Y-Parc, Yverdon-les-Bains

Anstatt den einzelnen Unternehmen Auflagen zur Freiraumgestaltung zu machen, werden auf dem ­Gelände des Technologieparks Y-Parc die ökologischen Flächen und offenen Entwässerungskanäle als Gesamtprojekt gestaltet. Die Aussenanlagen dieser Gewerbezone im Werden erhalten so eine dauerhafte Struktur, ein zusammenhängendes grün-blaues Gerüst.

25. November 2013 - John Aubert, Marco Rampini
Yverdon-les-Bains verfügt über den ersten und grössten Technologiepark der Schweiz: Y-Parc, 50 Hektare der Innovation gewidmete Fläche mit einer Aufnahmekapazität für 9000 Arbeitsplätze. Zurzeit beschäftigen dort 120 schweizerische und internationale Unternehmen mehr als 1000 Personen. Das städtebauliche und landschaftliche Projekt für das Gelände soll langfristig das Funktionieren der Anlage und die Qualität ihrer Freiräume sichern. Ziel ist es, auch Unternehmen mit hohen Ansprüchen an eine attraktive Umgebungsgestaltung gerecht zu werden. Um den landschaftlichen Rahmen für Y-Parc zu schaffen, wurde bewusst auf die Elemente Wasser und Natur gesetzt sowie auf die räumliche Grosszügigkeit des gemeinschaftlichen Freiraums.

Landschaft als städtebauliches Gerüst

Y-Parc entstand aus dem Nichts auf landwirtschaftlichen Flächen. Der Geist des Ortes entspringt der umgebenden Landschaft: Die Jura-Bergkette überragt die flache, geometrisch geteilte Flussebene des Orbe, eine weite und intensiv genutzte Fläche. Das Gelände wird von der Autobahnbrücke und ihren Böschungen umfasst und durch die Eisenbahnlinie begrenzt.

Ein 900 Meter langer Kanal durchquert die Anlage und begründet ihre räumliche Struktur. Den Kanal begleitet eine mit Bäumen bestandene, mit Bänken und Tischen versehene Promenade. Quer zum Kanal angelegte Gräben ergänzen das Wassersammelsystem und teilen das Gelände in langgestreckte Bauparzellen. Durch die landschaftliche Gestaltung und die Grösse des Areals entsteht insgesamt eine ökologisch wertvolle Einheit. Ein öffentlicher Platz in zentraler Lage ist vorgesehen: Knotenpunkt der verschiedenen Transportmittel, gemeinschaftlicher Parkplatz mit P + R-Flächen und den lokalen Dienstleistungen.

Der Kanal und die Promenade lenken den Blick in die Weite, während Gräben und Zugangswege die Perspektive Richtung Jura freimachen. Kanal, Gräben, Strassen und Baumreihen nehmen die grundlegenden Gestaltungselemente der Orbe-Ebene auf: Geometrie, Geradlinigkeit, Flachheit. Sie entsprechen dem Massstab des Ortes, er ist weit und durchgehend. Dank der klaren Struktur sind Regenwasser- und Verkehrsflüsse sowie ein rationeller Parzellenzuschnitt gewährleistet. Die Verbindungen von Y-Parc mit der Ebene werden über bestehende Elemente hergestellt. Landwirtschaftswege gehen über in bepflanzte Promenaden oder in den Fussweg am Hang der SBB-Linie.

Die Kunst vorausschauend zu gestalten

Die Gebäude des Technologieparks müssen die Bedürfnisse der sich ständig weiterentwickelnden industriellen Produktion erfüllen. Die Landschaftsarchitektur dagegen schafft eine öffentlich zugängliche und dauerhafte Grundstruktur, die gemeinschaftlich unterhalten wird. Die volle Entwicklung eines solchen Technologieparks dauert viele Jahre. Seine öffentlichen Räume wurden zu Beginn erstellt, um auch die ersten sich ansiedelnden Unternehmen gebührend zu empfangen. Diese im Voraus an einem unberührten Ort gebaute landschaftliche Struktur definierte das Grundgerüst des Gesamtprojekts. Heute ist Y-Parc von seinen öffentlichen Räumen mit den gewünschten landschaftlichen und ökologischen Qualitäten auch visuell geprägt.

Die Natur machen lassen

Sparsam eingesetzte Mittel und die natürliche biologische Vielfalt produzieren gemeinsam die urbane Landschaft. Kanal und Gräben blieben nach ihrem Bau unbehandelt. Das damit zur Verfügung gestellte Substrat wurde in erstaunlicher Geschwindigkeit spontan von der Natur besiedelt. Vielfältige wassergebundene Ökosysteme entwickelten sich. Die Tierwelt folgte mit Zug- und Raubvögeln, Amphibien, Libellen und weiteren. Mit grossflächiger Bodenvorbereitung und üppiger Pflanzung griff das Projekt auf land- und forstwirtschaftliche Methoden zurück. Es ist langfristig ausgelegt und arbeitet mit den natürlichen Prozessen, nicht gegen sie. Diese Herangehensweise findet sich auch bei den verwendeten Materialien: Beton mit Besenstrich für die Promenade, Wege mit wassergebundenen Decken, Spundbohlen als Stütz­elemente, glatter Beton für die Ausstattung. Es wurden einheimische Arten verwendet – Eichen, Weiden, Spitzblättriger Ahorn, Erlen – und zahlreiche ungeschnittene Strauchhecken gepflanzt. Die Anlage wurde zur Zertifizierung als Naturpark bei der Stiftung Natur und Wirtschaft angemeldet.

Ein beispielhaftes Projekt?

Die öffentlichen Freiräume Y-Parcs wurden von der Eigentümergemeinschaft, bestehend aus der Stadt Yverdon, der kantonalen Versicherung ECA und dem Kanton Waadt, finanziert. Als Gegenleistung für diese Vorinvestition, und da von einer rationellen Bodennutzung ausgegangen wird, wurde die Nutzungsdichte der Fläche verdoppelt. Wenn es auch noch zu früh ist, um den Einfluss der öffentlichen Anlagen auf die privaten Investitionen abschliessend zu beurteilen, so ist doch bereits klar, dass die Neubauten eine deutlich höhere Dichte erreichen und von besserer Qualität sind, als die vorhergehenden. Das ist ermutigend.

Y-Parc wird zu einem lebendigen und vielfältigen Quartier werden. Der Bau einer RER-Station (regionaler Schnellzug) ist vorgesehen, mit dem dieser Entwicklungsschwerpunkt mit Tausenden Arbeitsplätzen und den 3000 Einwohnern des Stadtviertels Pierre de Savoie endgültig alle Funktionen anbietet. Die heute im Voraus geschaffenen Freiräume werden dann voll genutzt und zur hohen sozialen und landschaftsarchitektonischen Qualität des Ganzen beitragen. Mit Y-Parc möchten wir zeigen, dass die städtebauliche Planung eine ganz andere Gestaltung zukünftiger Städte vorausdenken kann und dass die Landschaftsarchitektur diesen eine dauerhafte Form gibt.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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