Zeitschrift

anthos 2015/4
Qualität und Dichte
anthos 2015/4
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Stadt in der Vorstadt

17. November 2015 - Igor Andersen, Camille Leviel
Das Planungsgebiet mit einer Grösse von rund 300 Hektaren liegt im Übergang zwischen Stadt und Land. Es ist ein für Agglomerationsränder ­typisches Mischgebiet, welches aus einem Dorf und ­mehreren Vorstadtquartieren besteht, die neben ­Gewerbe- und intensiv bewirtschafteten Landwirt­schafts­­flächen, Natur­schutzgebieten und Wildschutzkorridoren nationaler Bedeutung liegen. Das Areal entlang der strukturbildenden Eisenbahnstrecke im Waadtländer Norden bildet einen strategischen Schwerpunkt des «Projet d’agglomeration Lausanne-Morges PALM» und ist Ziel einer ehrgeizigen Politik zur Ansiedlung neuer Arbeitsplätze und Wohnungen.

Stadt, nicht «Vorort»

Der von einem interdisziplinären Team unter der Leitung von urbaplan erarbeitete Interkommunale Richtplan PDLi zielt darauf ab, die Entwicklung dieses Raums so zu orientieren, dass das aktuelle Paradigma der von Kernzonen ausgehenden Besiedlung überwunden wird. Stattdessen sollen mithilfe einer koordinierten Gesamtplanung die einzigartige landschaftliche Vielfalt des Gebiets, die bestehenden Gebäude und Siedlungen sowie der Erneuerungsrhythmus der bewohnten Gebiete einbezogen werden.
Der PDLi schlägt eine Gestaltungsmethode vor, die auf dem Willen nach einer hohen «urbanen Qualität» basiert: Unter dem Begriff verstehen die Planer die intensive Verflechtung von lokalen Atmosphären und Nutzungen einer Stadt mit der bestehenden landwirtschaftlichen Nutzung und vielfältigen neuen Freiräumen.

Den Kontext anreichern

Drei grosse Wildschutzkorridore und ein heute unterirdisch verlaufender Fluss durchqueren den Planungsperimeter. Das Entwicklungskonzept nutzt dieses hohe Renaturierungspotenzial und verhilft ihm zu einer grosszügigen Formgebung, die einerseits den räumlichen Kontext sichtbar macht und auf deren Naturelemente sich andererseits die Siedlungsflächen beziehen.
Die Aussengrenzen der Entwicklungszonen und der eigentliche Siedlungsrand werden mithilfe der identitätsbildenden Landschaftsstrukturen präzisiert. Beispielsweise durch Obstbaumgärten, die einen ­Zusammenhang zu den Dorfzentren herstellen oder durch den bewussten Einbezug der umgebenden Landschaft mit Ausblicken auf die Alpen, den Genfersee und den Jura.
Die Landwirtschaftsbetriebe in diesen Entwicklungszonen bleiben erhalten und bilden die Ansatzpunkte für eine neu zu erfindende Stadt-Land-Beziehung, welche die zukünftigen Einwohner für eine stadtnahe und qualitativ hochstehende landwirtschaftliche Produktion sensibilisiert.

Verbindungen weben

Die Schaffung einer hierarchisierten Typologie von öffentlichen Räumen bildet die Basis der städtischen Grundstruktur, welche die verschiedenen, über die Jahre zu erwartenden Bauvorhaben zusammenbindet. Das System aus verschiedenen Typen öffentlicher Räume soll der grossen Vielfalt der Freiraumfunktionen und -nutzer gerecht werden.
Die wichtigsten Parks, grossmassstäbliche öffentliche Orte, stehen in direkter Beziehung zu den identitätsbildenden Strukturelementen der Landschaft: Wälder, Wasserläufe, landwirtschaftliche Räume. Diese Parks, die sich aufgrund ihrer Grösse ebenso für entspannende Spaziergänge wie auch für sportliche Aktivitäten eignen, erfüllen soziale Funk­tionen, die sich mit der ökologischen Aufwertung der Räume verbinden lassen.
Eine gleichmässige Verteilung der kleineren Quartierparks innerhalb der Wohngebiete ermöglicht es, zahlreiche verschiedene Gestaltungsansätze und Nutzungswünsche zu erfüllen. Jeweils weniger als zwei Gehminuten von den Wohnungen der Nutzer entfernt, werden diese Quartierparks den Alltagsbedürfnissen gerecht: Spielplätze, schattenspendende Miniparks, Gemüsegärten und kleine urbane Plätze schaffen eine dynamische Ereignisvielfalt und geben den Quartieren ihren räumlichen Rhythmus.
Die Strassen als klassische öffentliche Räume öffnen sich durch einfache Gestaltungsprinzipien über ihre Erschliessungsfunktion hinaus für weitere Nutzungen: Sie bilden Sozial- und Nachbarschaftsräume zum einfachen Umherschlendern oder zum Kinderspiel.

Ein vielfältiges Wohnungsangebot fördern

Um der Vielfalt der Wohnbedürfnisse nachzukommen, nutzt das Projekt den kontrastreichen städtisch-landschaftlichen Kontext und definiert Sektoren mit unterschiedlichen Eigenschaften: städtische Intensität in den zentral gelegenen Orten in der Nähe der Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs, Durchdringung von Natur und Siedlung in den an Gewässer und Wälder anschliessenden Sektoren, Ruhe in den traditionellen Wohngebieten.
Jedes dieser Gebiete ist durch eine Hauptnutzung und ihre Gestaltungsprinzipien definiert. Ein Dichteziel und einfache morphologische Prinzipien wie die Nutzung der Erdgeschosse, die Gestaltung des Übergangs zwischen privaten und öffentlichen Räumen sowie die mittlere Bebauungshöhe ermöglichen die Gestaltung verschiedener Architekturtypologien und geben dem Sektor trotzdem eine gewisse Einheit.

Ein dynamischer, iterativer Erarbeitungsprozess

Die Erarbeitung der Gestaltungsprinzipien erfolgt mithilfe eines intensiven gemeinschaftlichen Entwurfsprozesses, der die Kompetenzen der kommunalen und kantonalen Ämter nutzt und die bestehenden Quartiersvereine und Interessenverbände aktiv beteiligt. Eine Reihe von partizipativen Workshops behandelt die «städtischen Qualitäten» und eine Ausstellung thematisiert den Begriff.

Données du projet
Plan directeur localisé intercommunal «Lausanne-Vernand – Romanel-sur-Lausanne»
Mandataire, équipe pluridisciplinaire: Urbaplan (urbaniste, spécialiste en environnement et pilote), Vogt (architecte-
paysagiste), BCPH (mobilité), François Kuonen (faisabilité foncière et financière), BBHN (géomètre), BG (hydrologie)
Superficie: 300 ha
Mise en vigueur: juin 2016

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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