Zeitschrift

db deutsche bauzeitung 12|2017
Redaktionslieblinge
db deutsche bauzeitung 12|2017

Zeichen der Wertschätzung

Wertstoffhof und Strassenreinigungsdepot in Augsburg

Ein zeitgemäßes städtisches Straßenreinigungsdepot ­unter einem Dach mit einer Wertstoffsammelstelle zu verwirklichen, ist sowohl technisch als auch organi­satorisch deutlich komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. KNERER UND LANG Architekten entwickelten dafür in Augsburg in regem Austausch mit dem Bauherrn eine ebenso funktionale wie gestalterisch prägnante und überzeugende Lösung, ohne dabei die ­Nutzer aus dem Auge zu verlieren.

1. Dezember 2017 - Martin Höchst
Die Stadt Augsburg möchte den Bereich Straßenreinigung und Abfallwirtschaft durch eine Neustrukturierung nachhaltig und wirtschaftlich ausrichten. Um die Anzahl der Standorte für die Wertstoffsammlung sowie für die Infrastruktur der Straßenreinigung zu reduzieren, wurden drei Neubauten – strategisch günstig auf das Stadtgebiet verteilt – als kombinierte Wertstoff- und Straßenreinigungsdepots ausgeschrieben. Das erste davon ist bereits seit 2012 in Betrieb, das Depot am Holzweg von KNERER UND LANG Architekten hat im Dezember 2016 seinen Dienst aufgenommen und der dritte Neubau wird derzeit errichtet. Durch das Integrieren von Waschanlagen und Streusalzlagern, die bislang ebenfalls an separaten Standorten untergebracht waren, sollen Fahrten vermieden und damit auch der Kraftstoffverbrauch und Emissionsausstoß der Fahrzeugflotte verringert werden. Die Personalräume der Straßenreinigung an den vormaligen, in die Jahre gekommenen Standorten bedurften überdies einer deutlichen Verbesserung.

Die drei Neubauten wurden an Standorten geplant, an denen die anfallenden Geruchs- und Lärmemissionen anrainerverträglich gestaltet werden konnten. Kleinere innenstadtnahe und sanierungsbedürftige Depots und Wertstoffhöfe können nun nach und nach aufgegeben werden.

Augsburg, die drittgrößte Stadt Bayerns, ist v. a. durch ihren sehenswerten historischen Stadtkern bekannt, hat aber auch eine lange Geschichte als Industriestandort. So nahm mit der »Schüleschen Kattunfabrik« 1771 die erste Textilmanufaktur auf dem europäischen Kontinent ihren Betrieb auf. Seit dem 20. Jahrhundert und bis heute prägt die Maschinenbauproduktion das Stadtgebiet mit ausgedehnten Industrie- und Gewerbearealen v. a. zwischen der Kernstadt und den im Laufe der Jahrzehnte eingemeindeten Teilorten. So auch im Norden Augsburgs, wo der Holzweg die beiden Stadt­teile Oberhausen und Löwenbräu miteinander verbindet und dabei den Wechsel von Industrie und Gewerbe im Süden hin zu Kleingartenanlagen im Norden markiert. An einer Ecke, an der der Holzweg als Brücke über die vierspurige B17 führt, lag bereits seit Jahren ein Festplatz brach. Mit ihm fand die Stadt Augsburg nach aufwendiger Suche endlich auch im Norden des Stadtgebiets ein Baugrundstück für einen Depotneubau, das sowohl die erforderliche Größe als auch eine sehr gute Verkehrsanbindung aufweist.

Wagenburg der Strassenreiniger

Um das vorgegebene umfangreiche Raumprogramm auf dem vormaligen Festplatz unterzubringen, rückten KNERER UND LANG Architekten – nach einem VOF-Verfahren beauftragt – die Außenkanten ihres U-förmigen Gebäudes bis an die mehrfach verschwenkten Baugrenzen heran. Seine Fassaden zeigen sich dadurch entlang des Holzwegs und zur B17 hin besonders plastisch. Analog zu den amorphen Umrissen wurde – statt einer Abtreppung – eine Verschleifung der unterschiedlichen erforderlichen Gebäudehöhen gewählt. Vom Holzweg aus betrachtet führt dies zusammen mit der Holz­lattenbekleidung, die nur punktuell von wenigen Fensteröffnungen unterbrochen wird, zu einer äußerst abstrakten Wirkung. Die Absicht der ­Architekten, die Dimension des Baukörpers mittels »weicher« Materiali­sierung und Farbwahl etwas zu entschärfen, ist nachvollziehbar: Durch die Tiefenwirkung des Fassadenaufbaus verliert das beträchtliche Bauvolumen tatsächlich an Wucht und lenkt die ganze Aufmerksamkeit des ortsunkun­digen Besuchers auf die Zufahrt an dem Gebäudeabschnitt, an dem die ­Fenster­­öffnungen – da nicht durch die Holzlatten kaschiert – als solche zu erkennen sind. Hier wird aus dem Volumen ein Gebäude. Im Moment der Einfahrt erschließt sich das Gebäude im Nu: Ein riesiger asphaltierter Hof wird, statt von Holzlatten wie ­außerhalb, ­nun von einer leuchtend blauen Trapezblechfassade U-förmig gefasst. Fensteröffnungen, Türen und Tore, im ­selben Farbton beschichtet, verweisen durch ihre variierenden Größen darauf, dass sich hier unterschiedliche Nutzungen nebeneinander aufreihen.

Die bewegte Oberkante der äußeren Fassade findet rund um den heiter stimmenden Hof ihr Pendant im Auf und Ab ­eines angemessen deutlich wahrnehm­baren Dachüberstands. Im Norden, direkt gegenüber der Einfahrt, wandelt sich dieser sehr elegant zur einfachen Überdachung der orangefarbenen Wertstoffcontainer.

17 Container und fünf Pressen sind ordentlich in einer Reihe aufgestellt und durch ihre übergroßen Beschriftungen – von Elektroschrott bis Papier – problemlos auffindbar. Hier im vorderen Teil des Hofs zwischen Wertstoffen und dem Personalgebäude wird geparkt und werden Wertstoffe entladen. Der hintere Bereich des insgesamt 11 000 m² großen Areals ist den Straßenreinigern vorbehalten: Der Hofbereich dient als Rangierfläche, rechts und links befinden sich die beiden Fahrzeughallen für 30 kleinere sowie 17 große Fahrzeuge, ergänzt durch zwei Waschanlagen.

Die Fahrzeughallen sind jeweils mit doppelter Tiefe ausgeführt, sodass abhängig von der Jahreszeit wechselnde Aufbauten oder Fahrzeuge für Reinigungs- bzw. Winterdiensteinsätze direkt dahinter abgestellt werden können. Eine Fußbodenheizung gewährleistet ein Temperaturniveau von mindestens 5 °C, um auch bei eisiger Witterung ohne Verzug mit dem Winterdienst beginnen zu können. Die Halle zur Lagerung von Streusalz zwischen den Fahrzeughallen schließt das Gebäude-U nach Westen hin als Hochpunkt ab. Hier lagert sowohl reines Streusalz für Straßen als auch ein Salzsplittgemisch für Geh- und Radwege. Holzschalungen schützen die Betonwände vor dem aggressiven Schüttgut. Die beeindruckende Dimension des Raums erlaubt das Kippen ­eines Sattelzuganhängers, wofür eine lichte Höhe von 9 m benötigt wird.

Neben den einzuplanenden Aufprallkräften und teilweise erheblichen Spannweiten sprach auch der Feuchteeintrag durch die beiden Waschanlagen gegen die ursprünglich favorisierte Holzkonstruktion. Stattdessen kam eine Mischbauweise aus Ortbeton und Betonfertigteilen zum Einsatz. Die tragende Struktur zeigt sich ebenso sorgfältig ausgeführt und geplant wie die größtenteils sichtbar geführten, zahlreichen Leitungen der Haustechnik. Von der Abwasserwiederaufbereitung der Waschanlagen über die Wärmerückgewinnung aus der Abluft des Personalgebäudes bis hin zur PV-Nutzung auf den extensiv begrünten Dachflächen: Bei der Haustechnik wurde Wert auf den Vorbildcharakter des städtischen Gebäudes gelegt.

Angemessen

Besonders die Qualität der Aufenthaltsräume und Umkleiden sei im neuen Gebäude deutlich besser als an den vormaligen Standorten, berichtet der ­Leiter des »Wertstoff- und Servicepunkt Holzweg« Bedros Isler. Im OG des Personalgebäudes ermöglicht ein Ruheraum den Straßenreinigern ein kurzes Nickerchen in der Pause.

Der helle Aufenthaltsraum und eine gut ausgestattete Küche im EG bieten beste Voraussetzungen für eine angenehme Frühstückspause. Wie die ­Sozialräume zeigen sich auch die Büros und der Besprechungsraum schnörkellos und großzügig und dank durchdachter Details sehr haltbar. Viel Tageslicht, weiß geschlämmtes Sichtmauerwerk und ein graubrauner Kautschukbelag schaffen eine angenehm aufgeräumte Atmosphäre.

Austausch und Abstimmung zwischen Planern und Bauherrn während des ganzen Planungsprozesses seien intensiv gewesen, meint Architektin Eva-­Maria Lang und lobt die konstruktive Zusammenarbeit. Wenn dabei die Bedürfnisse der Hauptnutzer des Gebäudes, die bei Wind und Wetter Straßen und Plätze von Unrat und Schnee befreien, angemessen und respektvoll behandelt werden, dann kann gelungene Architektur auch als Zeichen der Wertschätzung betrachtet werden. In Augsburg am Holzweg kann man sich davon ein Bild machen.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

Tools: