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Elektrisierendes Engagement

Umspannwerk in München-Schwabing

Obwohl sie das Gesicht unserer Städte entscheidend mitprägen, sind Technikgebäude selten ein Spielfeld für große Architektur. Das Umspannwerk Schwabing hingegen zeigt, wie sich auch vermeintlich einfache Bauaufgaben mit hohem Gestaltungsanspruch lösen lassen.

1. Dezember 2017 - Christian Schönwetter
Das neue Umspannwerk für den Stadtteil Schwabing ist bereits von Weitem zu ­sehen. Wer von den Münchner Pinakotheken kommt und die kerzengerade Arcisstraße nach Norden nimmt, fährt minutenlang durch eine gründerzeitliche Blockstruktur immer schnurstracks auf das Gebäude zu. Kurz vor ihrem Ende schwenkt die Straße leicht nach links – und genau in der Kurve steht das städtische Technikbauwerk und bildet den Schlusspunkt der Sichtachse. Ein solch markanter Standort verlangt nach anspruchsvoller Architektur und so war klar, dass hier kein reiner Zweckbau entstehen konnte. Auch der benachbarte Elisabethplatz, ein wichtiger Treffpunkt in Schwabing mit Marktständen und öffentlicher Grünfläche, verleiht dem Bau eine besondere Bedeutung im urbanen Gefüge.

Die Stadtwerke München beauftragten daher die Architekten Hild und K mit einer Studie für das neue Umspannwerk. Aufgabe war, eine ältere Anlage auf dem gleichen Grundstück zu ersetzen, die den gesamten Stadtteil mit Strom versorgt. Der technische Fortschritt ermöglichte dabei ein deutlich kleineres Werk, sodass Platz für Wohnungen und Büros frei wird. Diese werden bald in einem separaten Bauabschnitt nach einem Wettbewerbsentwurf von Bruno Fioretti Marquez Architekten entstehen.

Für das Umspannwerk selbst galt es eine Hülle zu finden, die technische Notwendigkeiten mit den repräsentativen Anforderungen in Einklang bringt, die sich aus der prominenten Lage ­ergeben. Der Körper, den Hild und K entwarfen, steht direkt am Bürgersteig und folgt dem leicht gekurvten Straßenverlauf in elegantem Schwung.

Dass man es mit einem Infrastrukturbauwerk zu tun hat, lässt die Fassade aus unbekleidetem rohem Beton erahnen. Gegliedert wird sie von drei großen Toren, hinter denen die Transformatoren in getrennten Kammern ihre Arbeit verrichten. Weil dabei viel Wärme entsteht, die abgeführt werden muss, weichen die Tore nach hinten zurück und geben in der Laibung Platz für Öffnungen frei. Über sie kann kühle Zuluft einströmen, die in den Kammern allmählich nach oben steigt und dann durch fensterähnliche Fas­sadenöffnungen oberhalb der Tore wieder austritt. Im Regelfall reicht dafür die natürliche Thermik, nur an heißen Sommertagen müssen Ventilatoren zugeschaltet werden. Im Innern sind die Wände rund um diese Öffnungen mit Schallschutzelementen bedeckt, um der Nachbarschaft den Lärm zu ersparen.

Die großen Tore tragen eine Bekleidung aus Kupfer. Sinnfällig verweist das für die Stromversorgung typische Material auf die Funktion des Gebäudes. Gleichzeitig erzeugt es die geforderte hochwertige Anmutung, weshalb es auch für die Türen und für die Streckmetallgitter vor den Lüftungsöffnungen verwendet wurde.

Obwohl die Fassade an keiner Stelle Einblicke ins Innere gewährt, haben Hild und K das Kunststück vollbracht, sie nicht abweisend wirken zu lassen. Das ist nicht zuletzt drei Sitzstufen zu verdanken, die in den Toröffnungen Platz gefunden haben. Weil Großtransformatoren mit dem Schwerlaster angeliefert werden und sich ­wegen ihres immensen Gewichts nur niveaugleich von der Ladefläche an ­ihren endgültigen Standort wuchten lassen, bekamen die Architekten die ­Vorgabe, dass die Trafokammern exakt 50 cm über Gehwegniveau liegen müssen – zufällig genau die übliche Sitzhöhe. Die Planer haben den Boden der Kammern einfach nach außen in die Toröffnungen weitergeführt und somit aus der Fassade eine informelle Sitzgelegenheit modelliert. Sie bereichert den öffentlichen Raum und wird häufig von Schülern des gegenüberliegenden Gymnasiums in Beschlag genommen.

Halbfertig vollständig

Etwas bizarr mutet zunächst der zinnenartige Dachabschluss des Bauwerks an. Er resultiert aus der verworrenen Planungs­geschichte. Um das wertvolle innerstädtische Grundstück voll ­auszunutzen, sollten über den Trafokammern zunächst zwei ­Bürogeschosse entstehen. Die Architekten entwarfen ein entsprechendes Gebäude, das sich an den Traufkanten der Nachbarhäuser orientierte. Doch ausgerechnet für das Areal des Umspannwerks gab ein alter Bebauungsplan eine niedrigere Höhe vor – die Stadt hätte also einen neuen aufstellen müssen. Da der Bauherr ein so langwieriges Verfahren nicht abwarten wollte, beschnitten die Architekten das geplante Gebäude auf der vorgeschriebenen Höhenlinie; und weil dort die Bürofenster lagen, hat das Haus nun vorläufig Zinnen, bis die beiden Geschosse ergänzt werden. Einem Bauwerk der öffentlichen Hand mag man eine solche Extravaganz zugestehen.

Auch das eigenwillige Betonband, das ein paar Zentimeter aus der Fassade vorspringt und um die oberen Lüftungsöffnungen mäandert, geht auf die ­Planungshistorie zurück. Im Unterschied zu den unbeheizten Trafokammern werden die Büroetagen einen Wärmeschutz benötigen. Das Band soll dann als Auflager für eine Dämmung und Vormauerung dienen, die sich von den oberen beiden Stockwerken 1 m die Fassade hinabziehen, um eine Wärmebrücke an der Geschossdecke zu verhindern.

Solange das Auflager auf seine endgül­tige Bestimmung wartet, dient es als ornamentales Element, das der Fassade mit seinem lebendigen Schattenwurf zusätzliche Plastizität beschert.

An Details wie diesem zeigt sich die große Sorgfalt, mit der das Umspannwerk geplant ist. Die Architekten haben nicht nur einen End-, sondern auch einen Zwischenzustand entworfen und darauf geachtet, dass schon das halbfertige Gebäude eine gute Figur macht. Lobenswert ist auch das Engagement der Stadtwerke München, die ihre Vorbildfunktion als öffentlicher Bauherr hier ernst genommen haben und bereit waren, ein paar Euro mehr als üblich zu ­investieren. Für die Bauaufgabe Umspannwerk haben alle Beteiligten einen neuen Standard gesetzt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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