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db deutsche bauzeitung 2018|04
Sportbauten
db deutsche bauzeitung 2018|04

Wertarbeit

Schönberghalle in Pfullingen

Für eine klassische Bauaufgabe im kleinstädtischen Kontext fand das junge Architekturbüro eine klassische Lösung. Klare Strukturen in Sichtbeton, funktionale Angemessenheit, angenehme Materialkontraste und ortsbezogene Durchlässigkeit heben die robuste Dreifeld-Sporthalle weit über den Durchschnitt hinaus.

6. April 2018 - Ursula Baus
Pfullingen liegt am Fuße der Schwäbischen Alb, charmant umgeben von ­einem Biosphärengebiet. Streuobstwiesen und eine beschauliche, hügelige Landschaft charakterisieren die idyllische Lage des Orts, um dessen Kern die üblichen Einfamilienhausgebiete gewachsen sind. Auch den legendären ­baden-württembergischen Mittelstand findet man hier; über ein Gewerbe­gebiet ist die Siedlungsfläche mit der Nachbarstadt Reutlingen zusammen­gewachsen. Das Vereinsleben ist rege – die Pfullinger Handballer spielten einst sogar in der Bundesliga –, und mit sechs Schulen empfiehlt sich Pfullingen als familientauglicher Wohnort für derzeit 19 000 Einwohner. Und – das ist ungewöhnlich – man erlaubt sich einen Gestaltungsbeirat.

In Louis Laiblin (1861-1927), dem Sprössling einer Pfullinger Papierfabrikanten-Familie, fand der Ort zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Förderer der Künste und den Bauherrn eines bemerkenswerten Aussichtsturms (1905) ­sowie der Ton- und Turnhalle (1904-07). Mit beiden Bauten war der damals an der TH Stuttgart lehrende Theodor Fischer beauftragt worden. Seine »Pfullinger Hallen« bilden mit einer Eisenbeton-Tonne den Kern eines Schul-, Freizeit- und Sportgeländes, das nun jüngst um eine Sporthalle erweitert worden ist. Diese Dreifeldhalle für Schul- und Vereinssport ist das Ergebnis eines Wettbewerbs im Jahr 2013, wobei es auch darum ging, das Terrain zwischen den Pfullinger Hallen im Süden, der Laiblin-Schule im Osten, dem Stadion im Norden und dem Freibad im Westen neu zu ordnen.

Selbstbezogene Perfektion

Nach Norden steigt das Gelände an, sodass es nahelag, den zweigeschossigen Baukörper hier ein Stück weit ins Gelände zu schieben. Längsseitig bildet seine Südseite das Gegenüber des Theodor Fischer-Gebäudes. Nun lässt Fischers kompakter Bau bereits in seinem Grundriss eine differenzierte Baukörperstruktur erkennen, die auf die Eigenheiten des Orts abgestimmt ist und funktionale Unterschiede im Baukörper ablesbar macht – etwa die Turnhalle und die mit Wandmalereien angereicherte Tonhalle. Dem setzt sein neues Gegenüber leider wenig entgegen, was ernsthaft oder spielerisch einen räumlichen Dialog aufnehmen würde. Auch wenn es in der Schönberghalle vorrangig um Sport geht – Ramba-Zamba zu Fasching oder Hochzeitsanfragen werden abschlägig beschieden, Messeveranstaltungen immerhin ­akzeptiert –, gäbe das Raumprogramm durchaus eine plastisch wirksamere Baukörperkontur her. So ist die neue Schönberghalle als Baukörper zunächst konventionell zu nennen – ein Quader mit klaren Kanten, ein Beton-Flachdachbau mit verglastem EG, auf sichere Distanz zur Umgebung gesetzt.

Mit derartigem Konzept kann man weder in Pfullingen, noch in Wuppertal oder am Prenzlauer Berg etwas grundsätzlich falsch machen. Der Banalität entkommt die Halle in Pfullingen allerdings deutlich, weil sie aus der Funktionalität gestalterische Qualität gewinnt. Die funktionale Perfektion tritt außenräumlich mit zwei separierten, gestalterisch wichtenden Zugängen in Erscheinung: Die Sportler gehen im EG hinein, und dieser Zugang sieht als Holzfassaden-Stück eben nicht wie ein Dienstbotenzugang oder eine Anlieferung aus. Der Besucher-Eingang hangaufwärts trumpft daneben nicht mit Opulenz auf, sondern gewinnt durch – einmal mehr – Funktionalität an Ausdruckskraft. Neben dem verglasten Haupteingang ist ­eine kleine, außen mit Holz in Erscheinung tretende Küche gelegt, die bei entsprechenden Anlässen außenräumlich genutzt werden kann und Gastlichkeit vermuten lässt. Auf der Gebäudesüdseite lässt sich durch ­einen verglasten Fassadenanteil im OG der Gymnastiksaal ablesen, von dem aus man durch ein internes Fenster auch in die große Halle schauen kann.

Leider ist hangaufwärts entgegen den Wünschen der Architekten noch ein weiterer Parkplatz angelegt worden. Obwohl überall jetzt vom kostenlosen ÖPNV die Rede ist – wenn es ihn denn gäbe, mit vielen halbstündlich von 6-23 Uhr verkehrenden Buslinien.

Innenräumlich führt die Architektur mit zwingender, selbstverständlicher Konsequenz die Nutzer dorthin, wo sie hingehören. Besuchern und Sportlern sind ihre eigenen Bereiche bestens erschlossen. Die Zuschauertribüne kommt mit drei holzbestückten Reihen unprätentiös daher. Sehr klein in Schwarz auf Grau gesetzte Raumbezeichnungen wurden von den Nutzern zwar mit großen Symbolbildern ergänzt, aber nirgends sind die Sichtbeton-Wände durch angeklebte Plakate, Kritzeleien oder sonstiges Dekor verunstaltet.

In der Halle verschwinden Lagerräume hinter einer holzbekleideten Wand, was ein harmonisches Bild ergibt und gut funktioniert. Das atmosphärische Zusammenspiel von Beton und Holz ist ausgewogen, Farbe vermisst man an keiner Stelle. Haustechnik tritt nicht auf Teufel komm raus in Erscheinung, keine Lüftungsrohre, Kabelkanäle und dergleichen stören den Raumeindruck. In der akustisch wirksamen Lamellendecke (ballwurfsicher, nicht-brennbar) sind Technikelemente und allerlei Sportgeräte eingelassen. Die Holzbekleidung rangierte im Gemeinderat als heißer Streichkandidat; über den Spar­willen siegte letztlich der Wunsch nach Ästhetik und Nutzungsflexibilität. Von den Hauptbindern aus vorgespannten Stahlbeton-Fertigteilen und den Nebenträgern aus Stahl ist nichts zu erahnen.

Die großflächigen Verglasungen auf der Nordseite im EG und auf der Südseite im OG erlauben reizvolle Durchblicke durchs ganze Gebäude – das alles ist räumlich sehr gut gefügt.

Die Architekten arbeiteten raumbildend mit unkaschierten Materialien – Beton, Sichtestrich mit chemischer Oberflächenverdichtung, Holz und Glas. Und so richtet sich unverzüglich die Aufmerksamkeit auf die Ausführungsqualität. Die Sichtbeton-Fertigteile sind nicht lasiert, sondern anthrazit eingefärbt, außerdem hydrophobiert, sodass sie nach nunmehr zwei Jahren immer noch makellos aussehen.

Die Öffentliche Hand muss europaweit ausschreiben, was immer mal wieder hinterfragt werden kann. Denn unter ökologischen Gesichtspunkten wäre es womöglich sinnvoll, nur die am Ort sitzenden Unternehmen zu beauftragen. Nichts müsste von weit her über die Autobahnen oder mit den Güterzügen herbeitransportiert werden; Referenzprojekte von Firmen ließen sich en passant in Augenschein nehmen. Aber nun kommt beispielsweise die Decke aus der Nähe von Leipzig. Wer genau auf den Innenausbau schaut, sieht hier und da nicht ganz Perfektes – Argusaugen entdecken z. B. in den Sanitärräumen, dass das Fugenbild nicht überall aufgeht. Hat man doch beim Materialpurismus und bei klaren Kisten im Süddeutschen stets die Perfektionsarchitektur der Schweizer vor Augen.
Zur energetischen Versorgung steht das Blockheizkraftwerk der benachbarten Schule zur Verfügung, das auch die Hallen, das Freibad und ein Wohnquartier mit Wärme und Strom beliefert. In dasselbe Netz speist die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Sporthalle ein.

Die Schönberghalle ist ein den örtlichen Verhältnissen leicht angepasster Klassiker und eine funktional angemessene Bereicherung im stadträumlichen Kontext. Sie überzeugt als Lösung einer Standard-Aufgabe weit über Durchschnitt – sie ist Tag für Tag von 7.30-22 Uhr belegt, weist nach zweijähriger Benutzung keine Verschleißspuren auf und zeichnet sich insofern auch durch Robustheit aus: im besten Sinne Wertarbeit.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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