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db deutsche bauzeitung 2018|05
Außenraum
db deutsche bauzeitung 2018|05

Grünes Wohnzimmer

Lohsepark und denk.mal Hannoverscher Bahnhof in Hamburg

Mit dem Lohsepark in der Hamburger HafenCity haben Vogt Landschaftsarchitekten einen abwechslungsreich gestalteten grünen Stadtraum geschaffen, der sich als langes Band von Wasser zu Wasser erstreckt. Das integrierte denk.mal Hannoverscher Bahnhof erinnert an die Deportation von über 8 000 Juden, Sinti und Roma.

2. Mai 2018 - Robert Uhde
Was ist nicht schon alles über die Hamburger HafenCity gesagt und geschrieben worden. Über zu viel Grün hat sich dabei noch niemand beklagt. Umso größere Bedeutung kommt deshalb dem 2017 abschließend fertiggestellten Lohsepark zu. Die 4,4 ha große Parkanlage erstreckt sich als 550 m langes und 80 m breites Band vom Ericusgraben im Norden bis zum Baakenhafen im ­Süden und schafft eine markante grüne Fuge innerhalb des extrem dicht ­bebauten Umfelds. Die topografische Staffelung, der Wechsel von offenen Rasenflächen und Elementen des klassischen Landschaftsparks sowie die ­Integration unterschiedlicher Spiel- und Sportflächen schaffen dabei ein abwechslungsreiches und vielfältig nutzbares Gesamtgefüge, das sich ganz explizit an der Tradition des Hamburger Volksparks orientiert.

Staffeln

Mit der Planung des Projekts war 2010 nach einem internationalen Wettbewerb das Büro Vogt Landschaftsarchitekten mit Sitz in Zürich, London und Berlin beauftragt worden, das auch bereits die Außenanlagen am Hauptsitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt a. M. realisiert hat und das ­momentan an der Planung des Areals am Tacheles in Berlin beteiligt ist: »Um die vorhandenen Raumqualitäten der extrem schmalen Grundstücksfläche ­zwischen den bereits bebauten Abschnitten der HafenCity im Westen und den noch zu bebauenden Flächen in Richtung Osten und Südosten hervorzuheben, haben wir die Idee einer freigehaltenen Mittelzone entwickelt, die von ­einer differenzierten Baumbepflanzung an den Rändern flankiert wird«, beschreibt Architekt Günther Vogt einen der zentralen Planungsgedanken.

Entstanden ist dadurch eine freie Blickachse von Nord nach Süd: »Das Wasser ist zwar nicht von jedem Standpunkt aus sichtbar, prägt aber dennoch die Raumwirkung«, so Günther Vogt. »Denn die offenen Wasserflächen durchbrechen die dicht bebaute Fassadenlandschaft und bringen ausreichend Licht und Luft in den Park.« Begleitet wird das Konzept von einer präzisen räumlichen Staffelung der Parkfläche in drei Höhenstufen: »Die in den meisten Bereichen ausgeführte Parkebene von 6,50 müNN fungiert dabei als Vermittler zwischen dem historischen Niveau von 5,50 müNN und der neuen, hochwassergeschützten Stadtebene von 8,00 bis 8,50 müNN«, erklärt Günther Vogt. Umgesetzt wird die Idee u. a. durch die vier an den Längsseiten eingefügten »Bastionen«, die als klar gefasste Landmarken und vielfältig nutzbare Terrassen das Stadt­niveau in den tiefer liegenden Park schieben und eine barrierefreie Erschließung über Zugangsrampen ermöglichen. Der projektspezifisch für die Brüstungen der Bastionen entwickelte, aus einer Wabenstruktur abgeleitete Klinkerformstein unterstreicht dabei den Wunsch nach Transparenz und Offenheit. Die Planer gestalteten außerdem eine langgestreckte Sitzbank aus mit­einander verbundenen Einzelstühlen, die sich je nach Einsatzort flexibel formen lässt und die auch bei Steigungen eine ebene Sitzfläche bereitstellt.

Ergänzt wird das Konzept durch drei »Follies«, die als Elemente des traditionellen Landschaftsparks das klassische Erscheinungsbild der Grünanlage ­unterstützen.

Neben einem Säuleneichenhain als Umgrenzung eines Streetball-Felds und einem kleinen Wald aus bekletterbaren Hainbuchen findet sich darunter auch eine »Umzäunte Wildnis« – ein kleiner »Urwald«, der als ­Experiment sich selbst überlassen werden soll. Bereichert wird das Pflanzkonzept durch Gehölze wie Lederhülsenbäume sowie durch Obstbäume in historischen Sorten, die frei geerntet werden können. Eine Bewohnerinitiative kümmert sich engagiert um die Bewirtschaftung der Bäume.

Verbinden

Als große Herausforderung bei der Planung des Projekts erwies sich die Einbindung der beiden Stirnseiten des Parks, die durch die viel befahrene Überseeallee im Süden bzw. die Stockmeyerstraße im Norden vom sonstigen Park abgetrennt werden.

Vergleichsweise einfach gestaltet sich die Situation in Richtung Ericusgraben, wo die durchgehende Blickachse in Richtung des am gegenüberliegenden Ufer aufsteigenden Ericus-Contor mit seiner markanten Torsituation eine offene Verbindung zwischen Nord und Süd schafft. Jenseits der Stockmeyerstraße trifft der Blick hier überraschend auf eine sanft abfallende Uferböschung aus Gräsern, Stauden, Röhricht und Schilf, die als ökologische Ausgleichsfläche einen gelungenen Kontrast zu den sonst mit Kaimauern gefassten Gewässern des Tidehafens schafft.

Deutlich urbaner präsentiert sich der südliche Abschnitt des Lohseparks,
der ebenso wie die direkt angrenzende HafenCity Universität bereits 2013 ­fertiggestellt worden war. Um trotz der verkehrsreichen Überseeallee einen möglichst organischen Übergang in Richtung Baakenhafen zu erreichen, ­haben die Planer mehrere Bäume auf der Mittelinsel der Überseeallee ­gepflanzt und die ansteigende Topografie des Parks weitergeführt. Der ­Brückenschlag ist ­damit fraglos gelungen, die Durchtrennung der Parkfläche bleibt aber zwangsläufig bestehen. Als zentrales Gestaltungselement integrierten die Planer außerdem eine große Freitreppe in Richtung Wasser, die den ­Höhenunterschied von 3 m zwischen Stadtebene und Uferpromenade überbrückt und gleichzeitig auch als vielfältig nutzbare Sitzgelegenheit und ­Tribüne fungiert: »Je nach Wetter können Passanten und Studierende so ganz entspannt den Sonnenuntergang über der Elbe erleben oder den regelmäßig hier stattfindenden Tanzveranstaltungen beiwohnen«, so Projektleiter ­Johannes Hügle.

Hier wie an sämtlichen anderen Stellen legten die Planer Wert auf charakteristische Materialisierungen. Ein schönes Detail ist z. B. der für die Freitreppe sowie für die angrenzende Rampenanlage verwendete Kolumba-Ziegel, der mit seinem extrem schlanken Format einen modern interpretierten Bezug zur backsteinernen Speicherstadt schafft. Einen ebenso deutlichen Bezug zum Standort zeigt das durchgehend verwendete, im Hafengebiet auch sonst überall vorhandene und überaus robuste historische Großsteinpflaster, das hier für eine verbesserte Begehbarkeit allerdings geschnitten wurde.

Um den Park zu einem »Volkspark« mit hoher Akzeptanz werden zu lassen, wurde das Projekt von Beginn an durch verschiedene Bürgerbeteiligungs­verfahren begleitet. Dabei führten die Landschaftsarchitekten auch Workshops mit Kindern durch. Ein direktes Ergebnis dieses engen Austauschs ist die 2 000 m² große, auch von den angrenzenden Kitas genutzte Kinderspielfläche. Um den Wunsch der Kinder nach Versteckmöglichkeiten aufzugreifen, entwickelten die Planer hier u. a. ein kleines Hüttendorf aus geflochtenen ­Linden. Angrenzend findet sich außerdem eine begehbare Grotte, die mit ­ihren übereinander geschichteten Ebenen aus Stampfbeton und eingearbei­teten Intarsien wie Torf, Geröll, Kiesel, Lehm oder Glas subtil das auch sonst für den Park bestimmende Thema der Topografie aufgreift.

Erinnern

Ein integraler Bestandteil des Parks ist der Lohseplatz mit seinen alten Bestandsbäumen und dem angrenzenden denk.mal Hannoverscher Bahnhof. Um einen Ort der Erinnerung an die über 8 000 Juden, Sinti und Roma zu schaffen, die zwischen 1940 und 1945 von hier aus deportiert wurden, zeichnet eine durch prismenartig gefaltete Stützwände begrenzte Fuge den ehemaligen Gleisverlauf nach und verbindet den Lohseplatz als Teil des ehemaligen Bahnhofsvorplatzes quer durch den Park mit dem historischen Bahnsteig. Dort angelangt schaffen 20 Betonwerksteintafeln mit den in Glas eingelassenen Namen der Deportierten sowie ein großer Gedenktisch einen würdevollen, gemeinsam mit Opferverbänden und Hinterbliebenen entwickelten Gedenkplatz. Verstärkt wird die besondere Atmosphäre des Orts durch eine vermeintlich ungeplante Vegetation aus Birken, Robinien und Wildrosen – Pioniergehölzen also, die sich üblicherweise auf Gleisschotterflächen verbreiten.

Trotz seiner vielfältigen stadträumlichen, sozialen und ökologischen Funktionen wirkt der Lohsepark nirgends überfrachtet, sondern überzeugt durch seine betont großzügige Gestaltung, die Kinder, Sportler, Radfahrer oder Flaneure gleichermaßen anspricht und die für ein harmonisches Miteinander ausgewiesene Bereiche für die unterschiedlichen Gruppen vorsieht. Auch der Gedenkort bleibt ganz bewusst ein optionales Angebot, das die sonstigen, eher heiteren Nutzungen nicht überlagert. Die klare Formensprache einerseits und die charakteristischen Details und Materialisierungen andererseits – ergänzt durch eine subtil eingesetzte funktionale Beleuchtung mit einfachen Bodenleuchten, Lichtstelen und Pendelleuchten –, lassen dabei eine spezifische Atmosphäre entstehen, die gelassen zwischen Ruhe und urbaner Lebendigkeit changiert. Kein Wunder also, dass der Park inzwischen nicht nur von den Anwohnern, sondern auch von Hamburgern anderer Stadtteile gerne als Treffpunkt genutzt wird; als grünes Wohnzimmer inmitten der sonst so dicht ­bebauten HafenCity.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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