Zeitschrift

tec21 2005|1-2
Zukunft Wasserkraft
tec21 2005|1-2, Foto: Lada Blazevic
tec21 2005|1-2, Foto: Lada Blazevic
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Erneuerung Kraftwerk Küblis

Wasserkraftwerke haben eine lange Lebensdauer. So verrichteten die Maschinen im Kraftwerk Küblis im Prättigau, in einer der ersten grossen Hochdruckanlagen in Graubünden, während über 80 Jahren ohne nennenswerte Aktualisierungen zuverlässig ihren Dienst. Erst die vor einem Jahr erfolgte Neukonzessionierung bedingte die umfassende Erneuerung der elektromechanischen Ausrüstung, die gegenwärtig unter weitgehender Erhaltung der sakral wirkenden Architektur erfolgt.

12. Januar 2006 - Remo Baumann, Aldo Rota
Die Konzession für die Prättigauer Kraftwerke ist am 7. November 2001 nach 80 Jahren abgelaufen. Ein neuer Konzessionsvertrag, wiederum für die Dauer von 80 Jahren, wurde in der Folge mit den betroffenen Gemeinden ausgehandelt und Ende 2004 von der Bündner Regierung genehmigt. Darauf nahm die Werkeigentümerin Rätia Energie die Arbeiten am aktuellen Sanierungskonzept, das Investitionen von 58Mio.Fr. mit dem Schwerpunkt Erneuerung bzw. Umbau der Anlagen in Küblis vorsieht, in Angriff.

Kraftwerkstufe Klosters–Küblis

Die im Oktober 1922 nach nur zweieinhalbjähriger Planungs- und Bauzeit in Betrieb genommene Kraftwerkstufe Klosters–Küblis ist als Hochdruck-Laufwerk ausgelegt (Bild 1). Die Landquart wird unterhalb des Bahnhofs Klosters mit einem Wehr gefasst (Bild 2) und in einen Druckstollen geleitet, der 2005 gleichzeitig mit der Zentrale Küblis instand gesetzt wurde. Die Wasserfassung nimmt auch das Unterwasser der Zent-rale Klosters auf, die als Speicherwerk 11Mio.m3 Nutzinhalt des auf 1559mü.M. gelegenen Davoser Sees verarbeitet. Bei Volllast alimentiert die Zentrale Klosters die folgende Stufe Klosters–Küblis mit 5.5 m³/s, was einem Drittel ihrer Betriebswassermenge von 16.5 m³/s entspricht. Der betonierte, 10.5km lange Druckstollen von Klosters zum Wasserschloss Plävigin oberhalb Küblis weist ein Gefälle von 3‰ auf. Der Druckstollen von Klosters endet im Wasserschloss Plävigin auf ca. 1200mü.M. oberhalb Küblis, in das auch Wasser aus dem Schanielatobel zugeführt wird. Im Rahmen der laufenden Sanierung werden die Triebwasserwege und die Installationen der Stufe Klosters–Küblis bis Ende 2005 umfassend instand gesetzt und erneuert.

Vom Wasserschloss Plävigin fällt das Betriebswasser in einer offen verlegten einsträngigen Druckleitung, die sich bis zur Verteilleitung unten von 180cm auf 150cm Durchmesser verjüngt, über eine Höhendifferenz von rund 300 m zur Zentrale Küblis. Die heutige Druckleitung ersetzte 1978 die ursprüngliche dreisträngige Anlage und wird nach der Erneuerung der Zentrale unverändert weiterverwendet.

Zentrale Küblis

Das Gebäude der Zentrale Küblis weist einen kreuzförmigen Grundriss auf. Der Hauptarm dieses Kreuzes ist ca. 87 m lang und 16 m breit. Im Hauptarm ist der Maschinensaal mit einer Giebelhöhe über Boden von ca. 17 m untergebracht. Im westlichen Seitenarm befinden sich die Werkstatt und die Schmiede. In der Durchdringung der drei Gebäudearme sind alle für den Gesamtbetrieb notwendigen Anlagenteile, insbesondere der Kommandoraum, angeordnet. Auf der Ostseite des Hauptarmes ist das ca. 5 m breite, 70 m lange und maximal 8 m hohe Kugelschiebergebäude (Rohrhaus) mit Schrägdach angehängt. Gegen Osten wird das Schiebergebäude durch den 144 m langen Unterwasserkanal abgegrenzt (Titelbild).

Das Zentralengebäude steht auf Fundamentmauern aus Stampfbeton. Die tragenden Bauteile, wie Decken, Deckenbalken und Maschinenfundamente, sind in schwach bewehrtem Stahlbeton ausgeführt. Das Mauerwerk der Aussenwände wurde mit gemörtelten Tuffsteinen aus einer nahen Abbaustelle erstellt.

In der Zentrale Küblis standen im Endausbau sechs Maschinengruppen mit horizontalachsigen einstrahligen Peltonturbinen, die zusammen bei einem Bruttogefälle von 365 m und einer Betriebswassermenge von 16.5 m³/s eine Leistung von maximal 43.9MW ins Eisenbahn- und Industrienetz abgeben konnten.

Erneuerung der Zentrale Küblis

Die elektromechanischen und elektrotechnischen Anlagen des Kraftwerks Küblis sind im letzten Jahr vollständig erneuert worden. Die zentrale Massnahme ist der Ersatz der sechs bestehenden Maschinengruppen durch zwei horizontalachsige Maschinengruppen mit je zwei zweidüsigen, beidseits des Dreiphasengenerators angeordneten Peltonturbinen (Bilder 4 bis 7). Die neuen Maschinengruppen weisen, bei unverändertem Gefälle und Durchfluss, mit zusammen 45.6MW bei der Nenndrehzahl von 428.35min–1 eine um 4% höhere Leistung als die Gesamtleistung der alten Anlage auf. Zu den neuen Maschinengruppen gehören vier neue Kugelschieber und eine neue Verteilleitung im Rohrhaus.
Die zwei Synchrongeneratoren sind mit zwei neuen Maschinentransformatoren (Blocktransformatoren) von 26MVA Leistung verbunden, die ihre Ausgangsspannung von 8kV auf die Übertragungsspannung von 50kV transformieren. Es wird kein Einphasenstrom der Frequenz 162/3Hz für Bahnzwecke mehr produziert. An Stelle der Bahnstromanlage wird eine neue 50kV/50Hz-Schaltanlage für Dreiphasenstrom erstellt (Bild 8). Die gesamte neue Anlage kann ferngesteuert oder von einem zentralen, zwischen den Maschinengruppen in einer verglasten Kabine angeordneten Leitstand bedient werden.

Bauarbeiten

Bei der Demontage der alten Maschinen und Armaturen fielen ca. 950t Stahl, Grauguss, Kupfer und andere Metalle an. Bei zwei Maschinengruppen wurden PCB-haltige Materialien verwendet, sodass sie durch spezialisierte Unternehmen entsorgt werden mussten. Die neuen Maschinensätze wiegen je ca. 270t.
Für die Unterbringung der neuen Maschinengruppen und weiterer Komponenten mussten ca. 1700 m³ leicht bewehrter Stahlbeton und ca. 300 m³ Lockergestein abgebaut und abtransportiert werden (Bild 3). Für die Erstellung der neuen Maschinenfundamente mit den zugehörigen Unterwasserkanälen und weiterer Bauteile wurden ca. 2000 m³ normal bewehrter Stahlbeton mit ca. 220t Bewehrungsstahl und ca. 300 m³ Füll- und Magerbeton verbaut.

Neubeginn

Die Vorarbeiten für die Erneuerung der Zentrale Küblis begannen im Herbst 2004. Am 29.3.2005 wurde das gesamte Kraftwerk abgeschaltet und anschliessend mit dem Rückbau begonnen. Die Montage der beiden neuen Maschinengruppen begann im August 2005, ihre Inbetriebsetzung ist gestaffelt bis 23.12.2005 bzw. bis 13.2.2006 vorgesehen. Die Innenausbauarbeiten zur Wiederherstellung der ursprünglichen Charakteristik werden sich bis in den Frühling 2006 erstrecken.

Die alte Anlage produzierte im Mittel der Jahre 1976– 2002 177.5 GWh elektrische Energie, davon 55.5GWh (31%) im Winter. Für das erneuerte Kraftwerk Küblis sind Werte in derselben Grössenordnung zu erwarten.

Die neue Konzession beinhaltet verschiedene Umweltauflagen, insbesondere die Dotierwasserabgabe an den Wasserfassungen. Das ungenutzt fliessende Dotierwasser bewirkt eine jährliche Produktionseinbusse von 9% gegenüber dem Betrieb unter der alten Konzession. Die theoretische Minderproduktion wird durch den verbesserten Wirkungsgrad und die optimierte Steuerung der erneuerten Anlagen zu zwei Dritteln ausgeglichen.
Literatur
Clavuot, C., und Ragettli, J.: Die Kraftwerkbauten im Kanton Graubünden. Verlag Bündner Monatsblatt, Chur 1991, S. 68–93. ISBN 3 905 241 07 2

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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