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Wenn Passivhäuser Wellen schlagen
Der Standard

Auf dem Passivhaussektor hat sich wahrlich einiges getan. Low Energy und Hightech lassen sich heutzutage bereits mit allen Stückeln der High Architecture vereinen. jungerbeer treten mit der Villa K. in der Nähe von Wels den Beweis dafür an.

18. Februar 2006 - Wojciech Czaja
Vor zehn Jahren noch hat man panisch die Hände vorm Gesicht zusammengeschlagen, wenn in einer Gesprächsrunde das Wort Passivhaus gefallen ist. Da musste man unweigerlich an diese Biogebäude denken, die aussehen wie aus Dinkelmehl und Aloe Vera zusammengeklopft. Das watscheneinfache Rezept: Ein vollverglastes G'schau an der Südfassade, darauf ein schräges Pultdach, das wie ein Baseballkäppi in die Landschaft hinausragt. Mahlzeit.

„Nicht jedes Haus muss lautstark schreien: Hallo ich bin grün!“, hat der Vorarlberger Architekt Much Untertrifaller einmal gefordert. „Je weniger man die Ökologie einem Haus ansieht, desto gelungener ist es. Und genau das ist für viele Fundamentalisten ein großer Jammer.“ Doch diese visuell aufgezwungene Öko-Ära, von der Untertrifaller hier spricht, ist nun endgültig vorbei. Zumindest bei den Architekten des 21. Jahrhunderts. Das Passivhaus der Nullerjahre darf nun endlich auch fesch sein, und es darf auch ein bissl mehr nach Architektur aussehen.

Die Villa K. in Sipbachzell (jungerbeer Architekten) ist so ein Haus. Zwei kolossale Dachschwünge wellen sich über dem Haus, das bis auf eine kleine Rückzugskoje nur erdgeschoßig ausgeführt ist. Allein schon Größe und Proportion - üppige 600 Quadratmeter Wohnnutzfläche auf einer einzigen Ebene - machen es einem schwer, von einem klassischen Einfamilienhaus zu sprechen.

Wohnen in Zonen

Wie soll man dieses Refugium aus nicht enden wollender Flachheit und zwei Wellen darauf denn sonst benennen? „Unsere anfängliche Idee war die einer Landschaft“, erklärt Stefan Beer. „Aus diesem Grund soll das Dach nicht nur dem Innenraum einen Schutz geben, sondern auch eine Klammer für die Wohnlandschaft sein.“ Und in der Tat: Von einer Zimmeraufteilung à la „Trautes Heim, Glück allein“ kann man nicht sprechen. Eher sind es unterschiedliche Wohnzonen, die wie Gassen und Plätze das Gebäude durchziehen.

So gibt es beispielsweise ein Foyer, das sich bald schon in die privateren Bereiche für die Eltern, Kinder und Gäste verzweigt; auch ein großzügiger Arbeitsbereich und ein bebaumtes Atrium haben hier Platz gefunden. Architekt Beer: „Man wandelt durch eine Landschaft von sehr weichen Wänden, hinter denen sich immer etwas Neues befindet.“ Einmal ist dies eine freistehende Sichtziegelwand, ein anderes Mal ist es eine mit Akazienholz vertäfelte Rückwand im Wohnzimmer. Und sogar eine gewagte Komposition aus kräftig angepinselten Wandflächen in den Neonfarben Grün, Orange und Pink ist in diesen Gängen und Gässchen zu finden. Sehr heftig! Die Farben geben einem das Gefühl, sich nachts auf dem hell ausgeleuchteten Times Square zu befinden.

Über dem Wohnzimmer schließlich - Mittelpunkt und Marktplatz der Villa K. - schwebt die imposante Dachwelle, die unter sich bis zu sieben Meter Raumhöhe zulässt. Von hier aus kann man hedonistische Blicke in die Landschaft werfen, und dieser Blick fällt unweigerlich auch auf den eigens ausgehobenen Hausteich.

Fragt sich nur, was daran „passiv“ ist. Stefan Beer: „Natürlich erwartet man sich in der Regel das kleine Passivhaus-ABC, das da lautet: klein, kompakt und wenig Außenflächen.“ Die Villa K. ist - das ist nach wenigen Augenblicken unmissverständlich klar - nichts von alledem. Und dennoch ist es hier gelungen, die Grundregeln der passiven Bauweise anzuwenden:

Das Passivhaus-ABC

Hoch wärmegedämmter Holzbau, viel speicherfähige Masse, überall 3-Scheiben-Isolierglas, Luftdichtheit, kontrollierte Wohnraumbelüftung, Erdwärmetauscher und auf dem Dach ein Mischsystem aus Fotovoltaik und Warmwasser-Kollektoren.

Das gesamte Passivhauskonzept und die Haustechnik stammen vom Österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie (IBO). Der Beweis in Zahlen: Die Eckdaten für ein Passivhaus setzen einen maximalen Heizwärmebedarf von 15 kWh/m2 pro Jahr voraus. Die Villa K. in Sipbachzell ernährt sich jährlich von 14,8 kWh/m2.

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