Artikel

„Nur nicht den goldenen Mittelweg“
Der Standard

Der Wohnbau in Österreich ist in einer verzwickten Lage. Die Baukosten steigen, gleichzeitig werden die Ansprüche immer größer. Wie man mit dieser Schere umgeht, fragte Moderator Gerfried Sperl.

7. Mai 2008 - Wojciech Czaja
Bauen ist so teuer wie noch nie, darin war man sich beim vorgestrigen Montagsgespräch zum Thema „Kostenspirale im Wohnbau“ einig. „Die Zeit des billigen Bauens ist zweifellos vorbei“, sagte Carl Hennrich, Geschäftsführer des Fachverbandes Stein- und Keramikindustrie, „die Rohstoffpreise, vor allem im Bereich Stahl und Beton, haben seit Anfang 2006 einen Zuwachs im zweistelligen Bereich verzeichnet.“

„Die Bauwirtschaft ist im Vergleich zu früher gut ausgelastet und die Firmen sind nicht mehr gezwungen, um jeden Preis die Projekte zu ergattern“, sagte Karl Wurm, Obmann des Österreichischen Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen (gbv). Die Nachfrager seien gegenüber den Anbietern stark in der Überzahl: „Wir können von einem regelrechten Oligopol sprechen.“ Während die Baukosten, die Grundstückspreise und die Mieten kontinuierlich steigen, hinken Einkommen und Förderungen jedoch hinten nach. Fakt ist: Seit 1997 wird die Wohnbauförderung nicht mehr indexiert. Und das schlägt sich letzten Endes auf die Bewohnerinnen und Bewohner nieder.

Oder aber man wirkt dem entgegen: „Bei den Grundstücken können Sie nicht einsparen, bei den Baukosten auch nicht, und auch am Kapitalmarkt ist nicht zu rütteln“, so Wurm, „bleibt also nur noch der Bereich der Planung“.

Sehr wohl könnte man bei den Baukosten einsparen: „Die Vorschriften der Bauordnung und die Förderrichtlinien zu befolgen ist sehr teuer“, entgegnete Architektin Bettina Götz (ARTEC Architekten), „es gibt manche Fassadenplatten, mit denen auf der ganzen Welt Hochhäuser verkleidet werden. Nur in Österreich sind sie verboten, da sie nicht den Sicherheitsbestimmungen entsprechen.“

Nirgendwo auf der Welt gebe es einen so hohen technischen Standard wie in Österreich, sagte Georg Pendl, Präsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten. „Natürlich können wir die Ansprüche zurückschrauben und auf einem Niveau wie in Großbritannien bauen, doch wenn's dann irgendwo reintropft, kommen die Beschwerden.“

Und der Wiener Wohnbaustadt Michael Ludwig erklärte, einer der wichtigsten Aspekte im Wohnen sei die soziale Durchmischung. Dazu müssten zwei Spielregeln befolgt werden: „Der Wohnbau muss für sozial Schwächere leistbar bleiben, gleichzeitig aber müssen die Projekte interessant genug sein, um auch den gehobenen Mittelstand anzusprechen.“

Neue Situation

Österreich befindet sich in einer neuen Situation. Der Mittelstand bricht allmählich weg, die Mobilität der Bewohner steigt, es gibt immer mehr Haushalte, Scheidungsrate und Alterung nehmen zu. So lange wie möglich müsse man die Bewohner in ihren Wohnungen halten, Abstriche im Bereich Sicherheit, Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit seien nicht möglich, sagte Karl Wurm. „Wir werden es uns nicht leisten können, für die vielen älteren Bewohner neue Pensionistenheime zu bauen.“

Wie wird das Problem der Kostenspirale also gelöst? „Wir alle haben Hirnschmalz und Dynamik, und deshalb schaffen wir das“, war man sich einig. „Es geht nicht an, dass jeder weiter in seinem Bereich tätig ist und die Probleme auf andere abwälzt“, sagte Architektin Götz. Die Schere zwischen hohen Baukosten und gestiegenen Ansprüchen an die Architektur werde man nur gemeinsam lösen können. „Aber woran ich gar nicht glaube, ist der goldene Mittelweg.“
Zitate

Wir müssen endlich neue Modelle erarbeiten. Die Wünsche der Bewohner müssen bereits im Vorfeld berücksichtigt werden. Michael Ludwig

Ich bin nicht gegen innovative Architektur. Man muss nur berücksichtigen, dass der Endnutzer das auch zahlen kann. Karl Wurm

Die Herausforderung für die nächsten Jahre lautet: Wir müssen Wohnbau fürs untere soziale Drittel bereitstellen. Carl Hennrich

Das größte Problem sind die Generalunternehmer. Wenn man die Gewerke einzeln ausschreibt, hat man mehr Kontrolle. Bettina Götz

In Österreich gibt es überhöhte Sicherheitsstandards. Mir ist völlig unklar, woher das kommt, aber das ist der Konsens. Georg Pendl

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: