Wie soll das Kolosseum genutzt werden?

Rockkonzerte im altehrwürdigen Kolosseum? Nein, so weit wird es nicht kommen, aber Italiens Kulturminister will das Amphitheatrum Flavium durchaus wieder bespielen. Und damit Geld verdienen.

Henning Klüver
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Kulturgüter als Veranstaltungsort: Der Löwenanteil von 20 Millionen Schweizerfranken fällt dem Kolosseum in Rom zu. (Bild: Imago)

Kulturgüter als Veranstaltungsort: Der Löwenanteil von 20 Millionen Schweizerfranken fällt dem Kolosseum in Rom zu. (Bild: Imago)

Italien diskutiert wieder einmal heftig über den Umgang mit Kulturgütern. Anlass geben unter anderem ein Hotelbau am Canal Grande in Venedig und die mögliche Nutzung des römischen Kolosseums als Veranstaltungsort. Umgerechnet rund 86 Millionen Schweizerfranken Steuergelder aus einem Sondertopf hat das Kulturministerium jetzt zur «Valorisierung», also zur kulturellen und touristischen Nutzung von denkmalgeschützten Einrichtungen, verteilt. Der Löwenanteil von 20 Millionen Schweizerfranken fällt dem Kolosseum in Rom zu. Während die antike Arena gerade mithilfe von Sponsoren restauriert wird, soll sie anschliessend auch für Publikumsveranstaltungen offenstehen. Also sollen die Untergeschosse wieder bedeckt werden, die seit den letzten grossen Ausgrabungen im späten 19. Jahrhundert offen liegen, und Zuschauerplätze an den alten Rängen entstehen. Wird es demnächst hier Rockkonzerte geben? Oder Fussballspiele des AS Rom? Kunsthistoriker und Kulturwissenschafter schreien entsetzt auf: Das römische Kolosseum werde seiner Kopie in Las Vegas gleichgemacht.

Damit die Kasse klingelt

Ach was. Italiens Kulturminister Dario Franceschini winkt ab. Weder Rockkonzerte noch Fussball. Platz sei nur für wenige hundert Zuschauer in einer unter den kritischen Augen der Denkmalschützer schnell auf- und abbaubaren Struktur geplant. Eine kleine Arena, ein «Kolosseum light» sozusagen. Und übers Programm – Schauspiel, klassische Musik, Jazz – wird ein künstlerischer Leiter entscheiden. Ähnliches soll schon kommendes Jahr im antiken Theater von Pompeji über die Bühne gehen. In Rom will man in drei bis vier Jahren so weit sein. Dem Minister gefällt die Idee, dass wieder Leben in die alten Spielstätten kommt. Und mit den Einnahmen etwa durch Fernsehübertragungen könnte man weniger bekannte Altertümer erhalten.

Aber braucht es wirklich ein «Kolosseum light» in der antiken Arena? Einer der Kritiker ist der Archäologe und Kunsthistoriker Salvatore Settis. Der Plan, hier TV-Produktionen mit Zuschauern abzuhalten, verstärke nur die weitverbreitete Überzeugung, Altertümer seien heute allein nützlich, wenn man darin Spektakel veranstalte. In Italien verliere man immer mehr den Sinn dafür, dass Pflege und Erhalt der Kulturgüter an erster Stelle der staatlichen Kulturpolitik stehen müsste – und nicht deren zweifelhafte «Valorisierung», die nämlich nur dazu führe, so Settis in einem Interview mit der Tageszeitung «La Repubblica», dass ausgesuchte symbolträchtige Bauten oder Denkmäler geschützt würden statt der Vielfalt, die den wahren Reichtum des Landes ausmache.

Klotz am Kanal

Salvatore Settis gehört auch zu den Kritikern eines Neubaus in Venedig direkt am Canal Grande. Hier geht es um Pflege und Erhalt des weltbekannten feingliedrigen Stadtbildes. Denn neben dem ehrwürdigen Hotel Santa Chiara an dem Piazzale Roma ist mit Genehmigung der Gemeinde ein Erweiterungsbau entstanden, ein grellweisser Betonklotz. Auf der Rückseite zum Busbahnhof könnte man so etwas noch hinnehmen. Aber an der Uferfront ist das ein Schlag ins Auge. «Eine Schande», kommentiert Settis. Ein «Monstrum» nennt der «Corriere della Sera» den Klotz, dem eine verwickelte Baugeschichte vorangegangen war. Erste Anträge zur Erweiterung des Hotels gab es bereits in den 1950er Jahren. Ein unheilvolles Gemisch von Schachereien mit Grundstücken, verschleppten juristischen Streitigkeiten und dem stillschweigenden Einverständnis der Denkmalschützer hat schliesslich zu diesem skandalösen Ergebnis geführt.

Da scheint es ins Bild zu passen, dass das Kulturministerium die Stellen von Wissenschaftern in den Ämtern, die für das kulturelle Erbe zuständig sind, gerade wieder verringert hat. Denn dafür ist kein Geld da. Armes Italien.