Warum aus Büros selten Wohnungen werden

Zürich hat zu viele Büros und zu wenig Wohnungen. Trotzdem finden Umnutzungen nur selten statt. Ein Beispiel im Seefeld verdeutlicht warum.

Andrea Martel
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Tilla Theus hat den früheren Swissmem-Sitz von Haefeli Moser Steiger in ein elegantes Wohnhaus verwandelt. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Tilla Theus hat den früheren Swissmem-Sitz von Haefeli Moser Steiger in ein elegantes Wohnhaus verwandelt. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Rekordhohe Leerstände bei Büroflächen, Schlangen von Bewerbern vor jeder freien Wohnung: Wer den Zürcher Immobilienmarkt studiert, gelangt über kurz oder lang zur Frage, weshalb sich diese beiden Märkte nicht gegenseitig ausgleichen. Warum werden die vielen, teilweise seit Jahren leeren Büros nicht im grossen Stil in Wohnungen verwandelt? Sind es die Bauvorschriften, die Umnutzungen verhindern? Geht es um die Rendite? Oder stehen neuen Nutzungen andere Hindernisse entgegen?

Nur wenige Beispiele

Zwar finden Umnutzungen durchaus statt. Sie sind jedoch statistisch nicht erfasst, und besonders viele sind es wohl tatsächlich nicht, wie eine Umfrage bei Immobilienfachleuten und den städtischen Behörden zeigt. In der Stadt Zürich dürften es nicht viel mehr als drei bis vier Projekte pro Jahr sein. Grössere neue Beispiele sind etwa die Ende Mai fertiggestellte Liegenschaft Schaffhauserstrasse 210, ein ehemaliges Geschäftshaus, in dem BFW Liegenschaften 46 Mietwohnungen realisiert hat, oder das Projekt TownTown von Moser Bau Immobilien in Zürich Wiedikon mit 35 neuen Eigentumswohnungen, das im Frühling abgeschlossen sein wird.

Kurz vor der Fertigstellung steht auch der Umbau des ehemaligen Swissmem-Verbandssitzes im Zürcher Seefeld. Im Auftrag von Ledermann Immobilien hat die Architektin Tilla Theus einen Teil des auffälligen Bürokomplexes – ein Spätwerk des berühmten Architekturbüros Haefeli Moser Steiger – zu Wohnungen umgebaut. Auf der dem See zugewandten Seite des Baus aus dem Jahr 1967 sind 23 luxuriöse Eigentumswohnungen entstanden, die in den nächsten Wochen bezogen werden. Die Nordseite des Gebäudes wird weiterhin für Büros genutzt.

Die Liegenschaft Kirchenweg 2-8 vor dem Umbau...(Bild: PD)

Die Liegenschaft Kirchenweg 2-8 vor dem Umbau...(Bild: PD)

... und kurz vor der Fertigstellung. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

... und kurz vor der Fertigstellung. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

An diesem Projekt «Kirchenweg» lässt sich gut illustrieren, wo die Herausforderungen bei Umwandlungen stecken – was es braucht, damit sie zustande kommen und warum wenige Investoren diesen Schritt wagen. Das Beispiel zeigt aber auch, dass unter geeigneten Rahmenbedingungen Umnutzungen eine Chance sein können.

Zonenordnung: Damit ein Bürogebäude zu Wohnraum umgewandelt werden kann, muss es in einer Wohn-, Misch- oder Zentrumszone stehen. Befindet es sich in einer Industrie- und Gewerbezone, ist eine Umnutzung kaum möglich oder zumindest mit einem hohen politischen Risiko verbunden. Allzu einengend ist diese Restriktion jedoch nicht: In der Stadt Zürich sollten Umnutzungen gemäss einer Studie von Implenia und JLL auf 86% der überbauten Flächen grundsätzlich möglich sein.

Auch der Haefeli-Moser-Steiger-Bau am Kirchenweg liegt in einer Wohnzone, so dass es diesbezüglich keine Probleme gab. Anders sieht es beispielsweise beim ehemaligen Siemens-Areal in Albisrieden aus: Die Besitzerin Swiss Prime Site würde das Gelände gerne mit einer Mischnutzung von Wohnen und Gewerbe überbauen, schliesslich liegt genau dieses Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten im Trend. Aufgrund des Zonenplans wird dies jedoch wahrscheinlich nicht möglich sein, denn die Stadt nimmt in der Regel keine Umzonungen vor, um das produzierende Gewerbe zu schützen.

Lage: Abgesehen vom Zonenplan muss natürlich auch die Lage stimmen, damit sich ein Bürogebäude als Wohnhaus eignet bzw. damit sich eine Umnutzung am Schluss auch rechnet. Beim Kirchenweg war dies gegeben, gehört das Zürcher Seefeld doch zu den begehrtesten Wohngegenden der Stadt. Die Liegenschaft grenzt zudem direkt an einen städtischen Park mit altem Baumbestand.

Gebäudestruktur: Öfter als die Zonenordnung steht die Struktur eines Bürogebäudes einer Umnutzung entgegen. Viele Geschäftshäuser sind zu breit, als dass darin gewohnt werden kann; speziell bei niedriger Raumhöhe gelangt zu wenig Tageslicht in die Mitte. Beim Kirchenweg war das Licht u. a. dank grosszügigen Raumhöhen und deckenhohen Fenstern kein Problem.

Gewisse Strukturelemente des Gebäudes bezeichnet Urs Ledermann sogar explizit als Pluspunkte. Ein Beispiel ist der repräsentative Empfangsbereich: Einen so grosszügigen Eingang würde man bei einem Wohnungsneubau nicht realisieren, weil bei Wohnhäusern aus feuerpolizeilichen Gründen pro zehn bis zwölf Wohnungen ein eigener Eingang verlangt wird. Die vielen Treppenhäuser fallen dann aus Kostengründen notgedrungen kleiner aus.

Denkmalschutz: Besonders kompliziert werden Umnutzungen in der Regel, wenn das zur Diskussion stehende Objekt unter Denkmalschutz steht, sind doch Änderungen am Gebäude unter diesen Umständen kaum noch möglich. Gerade bei der Umnutzung von Büros in Wohnungen sind jedoch Anpassungen notwendig. Dies betrifft auch die Aussenhülle, denn Wohnungen sind im Gegensatz zu Büros nur attraktiv, wenn sie Balkone oder andere Aussenräume haben.

Der Bau am Kirchenweg ist allerdings ein Beispiel dafür, dass eine Umnutzung auch bei einer geschützten Liegenschaft gelingen kann. Die spezielle Struktur des Gebäudes mit einem von aussen prägenden Eisenbetonskelett ermöglichte den Anbau von Balkonen, ohne den Charakter des Hauses zu verändern, weshalb die Denkmalpflege ihr Einverständnis gab. Keine Chance für Balkone gab es hingegen beispielsweise beim altehrwürdigen Gebäude der ehemaligen Post Selnau in Zürich. Die 1915 erstellte Telefonzentrale, die teilweise unter Denkmalschutz steht, wird deshalb nicht zu einen Wohnhaus, sondern zu einem Hotel mit 400 Zimmern umfunktioniert.

Am Kirchenweg war der Denkmalschutz indessen mit ein Grund, weshalb ein Teil der Liegenschaft weiterhin als Büros genutzt wird. Wie Ledermann im Gespräch erläutert, hätte er im nordseitigen Gebäudeteil gerne noch 30 kleinere Mietwohnungen erstellt, welche die grösseren Eigentumswohnungen ergänzt hätten. Diverse Spitäler aus der Umgebung seien mit diesem Begehren auf ihn zugekommen. Aber die Freiheit zur Umnutzung des vorderen Teils habe man sich teilweise mit dem Versprechen «erkauft», den hinteren Teil in seiner ursprünglichen Form zu erhalten.

Bauvorschriften: Auch die Bauvorschriften hätten eine rentable Umnutzung dieses Gebäudeteils verkompliziert: So wären auf der Nordseite nur 1- oder 1,5-Zimmer-Wohnungen erlaubt gewesen. Schwierig zu erfüllen gewesen wären zudem die Lärmschutzauflagen, weil das Gebäude auf jener Seite an die vielbefahrene Zollikerstrasse grenzt.

Markt: Ledermanns Entscheid, am Kirchenweg auf einem Teil des Grundstücks Wohnungen zu erstellen, fiel erst nach der Prüfung verschiedener Optionen. Auch die Weiternutzung als Büros oder als Co-Working-Space stand zur Diskussion, ebenso der Abriss oder eine Umnutzung als Hotel oder Schulgebäude. Während sich für die Schulhaus-Idee keine Mietinteressenten fanden, wären Büros laut Ledermann durchaus gefragt gewesen, doch das Klumpenrisiko eines Grossmieters habe ihm an dieser Lage nicht behagt. Für Co-Working wiederum sei das Gebäude nicht zentral genug gelegen. So kristallisierte sich die Wohnnutzung immer mehr als bevorzugte Lösung heraus, obschon bei einer solchen Umnutzung immer auch Flächen verloren gehen, weil bei Wohnungen dem Mieter nur die eigentlichen Wohnflächen in Rechnung gestellt werden können, während Büromieter ganze Stockwerke bezahlen.

Verkauf oder Vermietung war sodann die Frage. Ledermann, ein bekennender Häusersammler, hätte die Wohnungen gerne behalten und vermietet. Bei kalkulierten Mieterträgen von rund 450 Fr./m² im Jahr wären jedoch die grossen Wohnungen mit 200 m² und mehr enorm teuer geworden (mehr als 7000 Fr. /Monat), was als zu riskant eingestuft wurde. Zudem sind Wohnungen im Luxussegment anspruchsvoll im Unterhalt, da jeder neu einziehende Mieter angesichts des hohen Mietpreises eine neuwertige Wohnung verlangt. Für Eigentumswohnungen sprach zudem die Tatsache, dass es im Kreis 8 bis jetzt nur wenig Wohneigentum gibt – laut Ledermann sind es gerade einmal 10% der Wohnungen.

Kosten: Umnutzungen sind teuer. Laut Ledermann kostet ein Umbau im Schnitt etwa 5500 Fr./m², deutlich mehr als ein Neubau (rund 4500 Fr./m²). Am Kirchenweg wurden jedoch sogar rund 9000 Fr./m² investiert, was mit dem Denkmalschutz, aber auch mit aufwendigen Schallschutzmassnahmen zu tun hatte. Der Zusatzaufwand beim Bauen im Bestand ist aber nicht nur finanzieller Natur. Die Projekte sind auch deutlich anspruchsvoller: Stets komme es zu neuen Überraschungen, für die rasche Lösungen gesucht werden müssten, um teure Verzögerungen zu vermeiden, betont Ledermann. Wöchentliche Sitzungen aller Beteiligten seien deshalb unabdingbar. Inklusive Planung sind seit dem Kauf des Gebäudes mehr als sechs Jahre vergangen.

Zu günstig verkauft?

Wie gut die Rechnung aufgegangen ist? Absatzprobleme gab es jedenfalls keine. Obwohl keine Werbung gemacht und keine Homepage erstellt wurde, waren bereits im Frühling 2015, kurz nach dem Start des Verkaufsprozesses, sämtliche Wohnungen weg, und dies bei Durchschnittspreisen von über 19 000 Fr./m². Wie immer, wenn die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt, kann davon ausgegangen werden, dass der Preis wohl nicht ausgereizt war. Ledermann betont selber, ein Geschäft sei der Umbau nicht geworden, dafür seien die Investitionen zu hoch gewesen. Aber ein Gewinn ist der gelungene Umbau trotzdem.