Schönheit unter 25 Tonnen Kupfer

Von Architekt John Pawson mit Eiche hell und warm ausgekleidet: das riesige Foyer des Design-Museums, das nun 10.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche bietet. Die neue Adresse ist: 224–238 Kensington High Street , London W8 6AG.
Von Architekt John Pawson mit Eiche hell und warm ausgekleidet: das riesige Foyer des Design-Museums, das nun 10.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche bietet. Die neue Adresse ist: 224–238 Kensington High Street , London W8 6AG.(c) REUTERS (STEFAN WERMUTH)
  • Drucken

London. Makellos, elegant, vielleicht eine Spur zu perfekt: Das neue Design-Museum im teuren Stadtteil Kensington soll ein „Museum der Ideen, nicht der Gegenstände“ sein.

Bestes Design stand an der High Street Kensington im Westen Londons immer schon hoch im Kurs: Die erlesensten Marken sind in diesem Nobelbezirk mit eleganten Shops vertreten. Nun hat dort – in den Räumen des ehemaligen Commonwealth Institute – das Design-Museum ein neues Zuhause gefunden – und wird vom Publikum gestürmt.

Besonders am Wochenende muss man mit langen Schlangen rechnen. Die kann man dazu nutzen, einen Blick auf das geschwungene Kupferdach zu erhaschen, einem der Schmuckstücke des Baus. Was wie ein „gigantisches Pringle mit scharfen Ecken“ (so das Londoner Stadtmagazin „Time Out“) aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als elegante Konstruktion aus 25 Tonnen Kupfer, die über dem Gebäude zu schweben scheint. Ist man dann ins Innere vorgedrungen, steht man in einem riesigen Foyer, das von Architekt John Pawson mit Eiche hell und warm ausgekleidet wurde.

Mit 10.000 Quadratmetern bietet das neue Design-Museum dreimal so viel Ausstellungsfläche wie seine alte Heimstatt am südlichen Themse-Ufer, das einst von Designpapst Terence Conran gegründet worden ist. Conran ist auch im neuen Gebäude involviert: nicht nur als Ideen-, sondern auch als Geldgeber. Er steuerte 17,5 Millionen Pfund aus eigener Tasche zu den Kosten von 83 Millionen Pfund für die Neugestaltung des Gebäudes bei, an der auch das Büro von Stararchitekt Rem Koolhaas beteiligt war.

Zu den Sponsoren gehört auch die Swarovski Foundation, die ein Learning Centre finanziert hat. „Wir sind begeistert, ein Teil der neuen Vision des Design Museums zu sein“, sagt Stiftungsvorsitzende Nadja Swarovski. Diese neue Vision erklärt Direktor Deyan Sudjic so: „Wir sind ein Museum der Ideen, nicht der Gegenstände.“

Loch im europäischen Wohnzimmer

Wie die Idee Form angenommen hat, kann man in der Dauerausstellung „Designer Maker User“ mit Designklassikern sehen: vom Ford T bis zum Symbol für die Londoner U-Bahn, von der Kalaschnikow bis zum Schifffahrtscontainer. Die temporäre Ausstellung „Fear and Love – Reactions to a Complex World“ indessen zeigt in elf Installationen zeitgenössische Reaktionen auf eine Welt, die aus den Fugen zu geraten scheint. Im „Pan-European Living Room“ klafft an Stelle der britischen Nationalfarben ein Loch.

Im Design-Museum hingegen ist nichts aus den Fugen geraten. Alles ist hier gekonnt und perfekt, vielleicht eine Spur zu perfekt. Die Gestaltung ist makellos, die Materialien sind elegant, der Gesamteindruck des Gebäudes ist ungebrochen. Nichts widerstrebt hier. Aber ein Moment des Staunens kommt nicht auf. Es könnte sich auch um ein nobles Hotel, ein Luxusgeschäft oder einen teuren Terminal handeln. Ein wenig gilt, was Direktor Sudjic über den neuen Heimatbezirk seines Museums sagt: „Kensington ist heute sehr wohlhabend. Aber manchmal macht Reichtum einen Ort langweilig.“

Mathematik-Galerie von Zaha Hadid

Einen Gutteil der Finanzierungskosten brachte der Verkauf der alten Heimstätte an die Architektin Zaha Hadid, die dort – ganz nahe der Tate Modern – ihr Archiv unterbringen und eine Galerie einrichten wollte. Trotz ihres Todes im März bestimmt Hadid das kulturelle Geschehen in London weiter mit. Im Dezember eröffnete in der Serpentine Sackler Gallery im Hyde Park eine Schau ihrer frühen Zeichnungen und Entwürfe – und im nahegelegenen Science-Museum eine von Hadid gestaltete Galerie, die sich der Mathematik und ihrem Einfluss auf das Leben widmet. Angeordnet um Leitbegriffe wie „Form and Beauty“, „Life and Death“ oder „Trade and Travel“ geben über hundert Objekte aus dem Museumsbestand eine Vorstellung davon, wie man alles Leben in Zahlen gießen kann – oder zumindest versuchen kann: Man sieht etwa eine Maschine für die Berechnung richtiger Tipps bei Hundewettrennen.

In seinem Anspruch ebenso rührend ist ein Modell der London School of Economics aus dem Jahr 1952, das die britische Volkswirtschaft als simplen Kreislauf schematisiert. Ein seltsames Flashback, gerade in Zeiten des Brexit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.