Die ETH Zürich hat ein Problem mit Israelhassern im Architekturdepartement. Das zeigt auch der geplante Auftritt eines Hamas-Unterstützers

Den Terror der Hamas feiert er als Befreiung, mit den israelischen Geiseln hat er kein Mitleid. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – ist der französische Aktivist Léopold Lambert in Hochschulkreisen populär. Nun kommt er nach Zürich.

Lucien Scherrer 4 min
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«Schön, wie eine zerstörte Gefängnistür»: Palästinenser durchbrechen einen israelischen Grenzzaun, 7. Oktober 2023.

«Schön, wie eine zerstörte Gefängnistür»: Palästinenser durchbrechen einen israelischen Grenzzaun, 7. Oktober 2023.

Mohammed Fayq Abu Mostafa / Reuters

Traurig und mit «gebrochenem Herzen» richtet sich die Redaktion des Architekturmagazins «The Funambulist» am 20. Oktober 2023 ans Publikum. Grund für die Trauer ist nicht die Tatsache, dass die Hamas wenige Tage zuvor in Israel eingedrungen ist, um über 1200 jüdische Zivilisten auf grausamste Weise zu töten und Hunderte zu entführen, unter dem Gejohle des Mobs in Gaza.

Nein, das in Paris gestaltete, englischsprachige Architekturmagazin sorgt sich einzig um die Palästinenser, die der «kolonialen Gewalt» der israelischen «Siedler» ausgesetzt seien. Der «massive schöne Impuls der Solidarität für ein freies Palästina» müsse nun aufrechterhalten werden, damit die «Dekolonialisierung» möglich werde. Das auf der «Funambulist»-Website und in den sozialen Netzwerken verbreitete Statement endet mit der Parole «Palestine will be free, from the River to the Sea», illustriert ist es mit dem Bild eines Baggers, der am 7. Oktober einen Grenzzaun durchbricht.

«Schön, wie eine zerstörte Gefängnistür» fand das die «Funambulist»-Redaktion.

Gegen Israel gerichtete Vernichtungsphantasien

Der Chefredaktor des Magazins heisst Léopold Lambert. Seine Äusserungen lassen auf ein linksextremes, von postkolonialen Ideologien beeinflusstes Weltbild schliessen: Islamistische Terroristen sind Freiheitskämpfer, gegen Israel gerichtete Vernichtungsphantasien Pflicht für jeden anständigen Menschen. Selbst die Geiselnahmen der Hamas rechtfertigt Lambert. Einer seiner Helden ist ein islamistischer Terrorist, der 2021 aus einem israelischen Gefängnis ausgebrochen ist.

Mit dieser Haltung ist der Hamas-Unterstützer in der internationalen Architektenszene keineswegs isoliert. Er ist mit seinem Magazin an der Biennale in Venedig aufgetreten, wird vom Institut français gefördert. Seine Aufrufe finden Anklang, seine Posts ebenfalls. Dies unter anderem im Architekturdepartement der ETH Zürich.

Dort wird der Franzose am 10. April einen Vortrag halten mit anschliessendem Workshop. «Bewaffnete Architektur» heisst der Titel der Veranstaltung, gemäss Beschreibung geht es um Architektur als Instrument des «Siedlerkolonialismus» in Palästina. Lambert wird als Architekt angekündigt, der sich der «Kultivierung der internationalen Solidarität» verschrieben habe. Dass diese Solidarität Organisationen wie der Hamas gilt, wird nicht erwähnt. Ebenso erfährt man nicht, dass er mit «Siedlern» nicht nur israelische Fanatiker meint, sondern alle Israeli – egal, welcher Herkunft.

Der ETH-Präsident will derzeit kein Interview geben

Lamberts Auftritt kommt für die ETH-Führung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn derzeit muss sich die Institution grundsätzlich fragen, ob sie in ihrem Architekturdepartement ein Problem mit Israelhassern hat. Letzte Woche zeigte der Stuttgarter Architekturprofessor Stephan Trüby in einem Gastbeitrag für die NZZ auf, wie sich dort eine lautstarke Fraktion von propalästinensischen Aktivisten breitmacht. Gleich 27 Mitarbeiter des Architekturdepartements haben im November einen Aufruf unterzeichnet, in dem der Hamas-Terror unterschlagen wird. Israel dagegen wird Genozid vorgeworfen.

In den sozialen Netzwerken rufen Doktoranden und Assistentinnen zur Intifada auf, manche verbreiten den Slogan «From the River to the Sea», mit dem Linksextremisten und Hamas-Anhänger zur Vernichtung Israels aufrufen. Eine Studierenden-Gruppe, die sich am Departement Architektur für mehr Diversität einsetzt*, verurteilt das ethnisch diverse und queerfreundliche Israel als Apartheidstaat. Sie interessiert sich aber nicht für die sexuelle, rassistisch motivierte Gewalt der Hamas. Auch einzelne Professoren offenbaren stark aktivistische Züge, etwa indem sie gegen Israel gerichtete (Boykott-)Aufrufe unterzeichnen.

Die ETH versicherte im Zuge der Publikation von Trübys Artikel, man nehme das Problem ernst und wolle mit den Betroffenen reden. Eine Interviewanfrage an den ETH-Präsidenten Joël Mesot lehnte die Medienstelle letzte Woche ab. Die Frage, wo die Institution die Grenze zwischen Aktivismus und Wissenschaft ziehe, bleibt bis anhin unbeantwortet. Auch was den geplanten Auftritt von Léopold Lambert betrifft, will man zuerst «die Situation mit der notwendigen Sorgfalt und ohne Druck» abklären. «Sollten sich Massnahmen als notwendig erweisen», so schreibt die Mediensprecherin Franziska Schmid, «werden wir diese selbstverständlich ergreifen.»

Verschwörungstheorien über Wildschweine

Organisiert wird Lamberts Auftritt von Unmasking Space, einer studentischen Gruppe innerhalb des Architekturdepartements, die Stimmen Gehör verschaffen will, «die derzeit in der Institution zu wenig Beachtung finden». Dabei wird die Stimme des «Funambulist» sehr wohl gehört. «Lesen, lesen und nochmals lesen», schrieb eine Assistentin, als das Magazin im November 2023 ein «Lexikon über palästinensischen Verlust und Widerstand» veröffentlichte. Eine ETH-Gastprofessorin ist für Lamberts Magazin sogar als Autorin tätig. Und bereits 2017 wurde der Franzose vom Architekturforum Zürich eingeladen.

Dass man von Lamberts Haltung nichts gewusst habe, werden die Veranstalter also kaum behaupten können. Die ETH ist nicht die einzige Institution, die mit der Präsenz von radikalen Aktivisten konfrontiert ist. An der Universität Bern wurde das Institut für Studien zum Nahen Osten aufgelöst, die Leiterin verwarnt und ihr Ehemann entlassen, weil er den Terror der Hamas bejubelt hatte. In Basel geriet der Fachbereich Urban Studies in die Kritik. Dies unter anderem, weil in einer Doktorarbeit behauptet wurde, Israel setze Wildschweine ein, um die Ernten palästinensischer Bauern zu vernichten.

Der Dekan der Universität, Martin Lengwiler, relativierte die Vorwürfe in den Medien. Aber er stellte sich der Diskussion. Von der ETH kann man das bis jetzt nicht behaupten.

*Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Version des Artikels hiess es, die «Diversity-Abteilung» habe sich entsprechend geäussert. Das weckt den falschen Eindruck, dass die Diversity-Stelle der ETH gemeint war.

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