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3. Juni 2013 Martina Heizel
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Spannender Verbund

Aaresteg Mülimatt, Brugg/Windisch CH

Als schmales, lineares Band löst sich der Steg vom Terrain ab und schwingt über drei Zwischenauflager hinweg über die Aare, um am anderen Ufer seine Fortsetzung zu finden. Dabei fügt sich die einfache und schlanke Konstruktion wie selbstverständlich in den sensiblen Flussraum ein.

Die mit 183 Metern derzeit längste Spannbandbrücke der Schweiz verbindet das neue Sportausbildungszentrum Mülimatt mit den bestehenden Sportanlagen auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses. Beide Neubauten sind Teil des Campus Brugg-Windisch der Fachhochschule Nordwestschweiz. Der Aaresteg stellt zudem eine attraktive lokale und regionale Langsamverkehrsachse dar, die Brugg und Windisch mit den Naherholungsgebieten verbindet und die Kantonsstrassen vom Fahrradverkehr entlastet.

Vierfeldrige Spannbandkonstruktion

Der gewählte Standort der Brücke ermöglichte nichtnur die Anbindung an das vorhandene Wegenetz, sondern auch eine Abstützung des Steges auf der Weberinsel, was für die Wahl des Tragsystems von grosser Bedeutung war. Mit den entstehenden Spannweiten von 35 – 78 – 35 – 35 Metern liess sich ein Spannbandsystem sowohl technisch als auch ästhetisch gut umsetzen. Entscheidend für die Realisierbarkeit dieses Systems war jedoch die Möglichkeit, die grossen Zugkräfte an den Brückenenden effizient in dem in etwa zehn Meter Tiefe vorgefundenen, tragfähigen Untergrund zu verankern.

Die geometrischen Rahmenbedingungen der Brücke wurde einerseits von der Topographie und der vorgegebenen Hochwasserkote bestimmt, andererseits musste die maximal zulässige Steigung von sechs Prozent für Rollstuhlfahrer eingehalten werden. Der hieraus resultierende mittlere Durchhang für die Hauptspannweite von 78 Metern betrug rund 1,10 Meter. Mit der Last und dem Durchhang war die Zugkraft im Spannband und damit auch der erforderliche Verankerungswiderstand an den Enden gegeben.

Ausgehend von den drei Zwischenauflagern, die als grosszügig gekrümmte stählerne Sattelrahmen ausgebildet sind, wurde die Stahl-Beton-Verbundlösung für die Gehwegplatte entwickelt. Die vier durchgehenden Stahlbänder liegen auf den vierteiligen Rahmensystemen der Auflagersattel auf. Gleitlager ermöglichen die Bewegung in Längsrichtung, wodurch sich die Horizontalkräfte auf die Rahmen stark reduzieren. In Querrichtung halten Führungsnocken die Bänder.

Zusammenspiel von Stahl und Beton

Die im Verbund mit den Spannbändern ausgeführte und an den Rändern nur 17 Zentimeter dicke Betonplatte ist teilweise vorgespannt. Die Stahlbänder wurden für den Betonierzustand bemessen. Im Endzustand wirken sie zusammen mit der schlaffen Bewehrung und den Vorspannkabeln in der Gehwegplatte im Verbundquerschnitt und dienen zur Aufnahme der zusätzlichen Zugkräfte, die durch Schwinden und Kriechen des Betons sowie in Folge von Temperaturschwankungen, Windeinwirkung und Nutzlasten entstehen.

Präzision in allen Bauphasen

Nach der Fertigstellung sämtlicher Fundationen in den Herbst- und Wintermonaten mit geringem Hochwasserrisiko erfolgte die Stahlbaumontage. Die Auflagersattel aus geschweissten Rechteckprofilen mitunterschiedlichen Wandstärken wurden komplett vorgefertigt und mit Hilfe eines fahrbaren Krans montiert. Anschliessend konnten die in 26 Meter langen Abschnitten angelieferten und vor Ort verschweissten Stahlbänder eingezogen, gespannt und an den Widerlagern befestigt werden.

Die Schalung wurde schwebend an den bereits eingespannten Flachstahlbänder montiert. Um das Tragwerk im Spannungsgleichgewicht zu halten, erfolgte das Betonieren der Gehwegplatte in nur einem Arbeitsgang. Von den Tiefpunkten aller vier Felder ausgehend, mussten innerhalb weniger Stunden 108 Kubikmeter Beton eingebracht und nachbehandelt werden.

Entwässert wird der Steg über ein zweiseitiges Quergefälle direkt in die Aare. Ein Belag aus Flüssigkunststoff, dessen Oberfläche durch Einstreuen von Duropsand rutschfrei ausgebildet ist, schützt die Tragkonstruktion vor eindringendem Wasser. Die helle Farbe der Versiegelung reflektiert das Licht der im Geländer eingebauten, nach unten gerichteten LED-Leuchten. Das energiesparende Beleuchtungskonzept minimiert die Lichtverschmutzung in die sensible, umliegende Flusslandschaft und begleitet die Menschen in der Nacht sicher und stimmungsvoll auf ihrem Weg über die Brücke.

3. Juni 2013 Martina Heizel
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Luftiges Stahlgeflecht

Hans-Wilsdorf-Brücke, Genf CH

Eine Folge verschlungener Ellipsen aus Stahl und linearer Elemente bilden das Tragwerk der Hans-Wilsdorf-Brücke. Mit ihrer ausgeprägten und eleganten Form stellt sie weit mehr als ein funktionales Verkehrsbauwerk dar: die Überquerung der Arve wird zu einem besonderen Erlebnis.

Die neue Brücke über die Arve verbindet das Stadtzentrum mit dem Stadtteil Praille/Acacias/Vernets, einem der wichtigsten Entwicklungsgebiete von Genf. Mit ihrer markanten Form stellt sie ein verbindendes und identitätsstiftendes Element zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Quartieren her.

Die Geschichte der Überquerung des Flusses an dieser Stelle reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück, als diese erst als Holzbrücke für die Landesausstellung von 1896 realisiert wurde. Diese Brücke wich zwanzig Jahre später, und erst Anfang der 50er-Jahre baute die Armee ein Provisorium. Bedrohliche Hochwasser führten immer wieder zu Sperrungen und Wiedereröffnungen. Erst vor ein paar Jahren bot sich durch die neuere Stadtentwicklung die Gelegenheit, die historische Achse wieder aufzunehmen und eine solide Stahlbrücke zu errichten, die dem grossen Uhrmacher und Gründer der Firma Rolex, Hans Wilsdorf, gewidmet ist.

Elliptische Hülle

Die 85,40 Meter lange Brücke ist eine Neuinterpretation der traditionellen Balkenbrücke und überspannt die Arve in einem kaum wahrnehmbaren, leichten Bogen ohne Zwischenabstützungen. Ihre architektonische und strukturelle Form ist das Resultat einer ausgefeilten Suche nach kunstvoller Zufälligkeit und wirtschaftlicher Ausführbarkeit des Stahlbaus.

Durch die röhrenförmige Tragstruktur mit einer Höhe von 8,50 Metern verläuft die Fahrbahn aus vorgespanntem Beton. Die elliptische Rohrform wird gebildet aus ineinander verschlungenen, elliptisch verlaufenden Hohlkastenprofilen. Die gesamte Tragstruktur setzt sich aus unterschiedlichen Elementen zusammen: drei längsverlaufenden unteren Kastenprofilen, zwei Eingangsportalen, zwei oberen Längsträgern, zwei Hauptbögen, den ellipsenförmigen Ringen sowie drei linearen Umhüllungsbögen, welche diagonal über die ganze Struktur verlaufen. Die Variation von zwei Typen unterschiedlich geneigter elliptischer Ringe bricht die Symmetrie des Bauwerks und verleiht der Gesamtkomposition mehr Dynamik.

Insgesamt wurden über 250 verschiedene parametrische Querschnitte berechnet und ausgeführt.

Modellhafte Bemessung

Der aussergewöhnliche Entwurf der Brücke erforderte komplexe statische Berechnungen. Den Ausgangspunkt bildete ein erstes Rechenmodell auf der Basis von Balken aus Rohrprofilen gleichbleibenden Querschnitts, welche einem Hohlkastenprofil von 400 mal 400 Millimetern entsprechen. Dieses Modell zeigte auf, dass zusätzlich zu den elliptischen Elementen, zwei längsverlaufende Bögen aus Vollstahl mit einem Durchmesser von 300 Millimetern notwendig sind, um übermässige Verformungen zu begrenzen. Die Berechnung der dynamischen Belastung der Tragstruktur erlaubte den Nachweis der Erdbebensicherheit und der Eigenfrequenz des Bauwerkes.

Das zweite Modell nahm für die elliptischen Ringe parametrische Querschnitte an, für die Ringe an den beiden Extremitäten der Struktur hingegen Schalen. Die zulässigen Verformungen und Spannungen in den tatsächlichen Querschnitten wurden durch eine nicht-lineare geometrische Berechnung überprüft. Dadurch erwiesen sich vier weitere, elliptische Ringe, zwei in der Mitte und zwei an den Enden, als notwendig. Zusätzlich wurden die Fusspunkte der Eingangsportale durch Aussteifungen ergänzt, um die Ableitung der auftretenden Kräfte in die Widerlager sicherzustellen. Mit Hilfe dieser Berechnungen und in enger Zusammenarbeit zwischen Planung und Ausführung konnte die Form, die Stahlgüte sowie die Dicke der Bleche, die von 20 bis 100 Millimeter variiert, optimiert werden.

Die Brückenkonstruktion liegt beidseits des Flusses auf einem Widerlager aus Stahlbeton auf. Je zwölf, 35 bis 40 Meter tiefe Pfahlgründungen leiten die auftretenden Kräfte in den tragfähigen Untergrund ab. Auf jedem Widerlager nehmen zwei seitliche Auflager die Vertikallasten auf, ein mittleres Auflager die Horizontal- und Querkräfte, die bei einem aussergewöhnlichem Hochwasser auftreten könnten.

Provisorische Arbeitsplattform

Bereits während der Bauzeit dienten die Widerlager gemeinsam mit fünf provisorischen Pfeilern im Fluss der Abstützung einer Arbeitsplattform, von der aus der Zusammenbau und das Verschweissen der unteren Teile des Stahlkonstruktion erfolgte. Auf die drei längsverlaufenden Kastenträger, quer verbunden durch die unteren Segmente der Ringe, wurde anschliessend die Fahrbahnplatte betoniert.

Die Stahlbetonplatte mit einer Dicke etwa 40 Zentimetern ist in Längs- und Querrichtung vorgespannt, was ihr eine hervorragende Stabilität verleiht. Über Kopfbolzendübel, welche vorzu in Aussparungen im Ortbeton eingelassen sind, ist sie fest mit der Stahl - konstruktion verbunden.

Nach dem Einbau der unteren Brückenteile begann der schwierigste Abschnitt der Baustelle: Ähnlich einem riesigen dreidimensionalen Puzzle wurden die in der Werkstatt vorgefertigten Elemente des oberen Stahltragwerkes zusammengesetzt. Spezielle Hebewerkzeuge waren nötig, um die bis zu 80 Tonnen schweren Teile im exakten Winkel zu platzieren. Zunächst mit provisorischen Verbindungen zusammengeheftet, konnten die Profile nach Überprüfung der genauen Ausrichtung zusammengeschweisst werden und die Konstruktion ihre Funktion als tragende Struktur aufnehmen.

Während der gesamten Montagezeit lag die Brücke auf der Arbeitsplattform auf. Erst zuletzt wurde das 3 000 Tonnen schwere Bauwerk ein wenig angehoben und nach dem Rückbau der Plattform ungefähr 30 Zentimeter tiefer auf den endgültigen Auflagern in Position gebracht.

Ausgezeichneter Stahlbau

Dank ihrer Breite von 15,50 Metern kann die Brücke zwei Fahrbahnen sowie je zwei Rad- und Gehwege aufnehmen. Die grosszügigen Abmessungen räumen dem Langsamverkehr eine privilegierte Stellung ein und binden so das Projekt in den Massstab des Quartiers ein. Nachts verwandelt sich das Brückenbauwerk zum Kunstobjekt: das warme rote Licht im Inneren und das bläulich weisse im Aussenbereich bilden die Zweifarbigkeit der alpinen Landschaft in der Morgen- und Abenddämmerung ab. Die Hans-Wilsdorf-Brücke widerspiegelt die kunstvolle Synthese zwischen architektonischer Skulptur und Ingenieurbauwerk und wurde für den Europäischen Stahlbaupreis 2013 nominiert, welcher im Oktober 2013 verliehen wird.

3. Juni 2013 Martina Heizel
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Schulweg mit Ausblick

Fussgängerverbindung, Chur CH

Die neue Fussgängerverbindung in Chur überbrückt nicht nur den Höhenunterschied zwischen Plessur und Halde, sondern inszeniert ihn als ereignisreichen Weg mit einer dichten Abfolge von Ausblicken auf die Kathedrale, die Altstadt, die Berge und das Plessur- und Rheintal.

Nach der Zusammenführung zweier ehemals autonomen Schulstandorte mussten Schüler und Lehrer manchmal mehrmals täglich den Weg zwischen der Kantonsschule Halde hoch oben neben der Churer Kathedrale und dem Schulhaus im 35 Meter tiefer gelegenen Plessur-Aue zurücklegen. Die einzige Verbindung stellte die steile, kurvige Verkehrsstrasse nach Arosa dar. Die neue Fussgängerverbindung führt zwar unter der Strasse hindurch, passt sich aber so weit wie möglich oberirdisch an den Hang geschmiegt der Topographie an und vermittelt so das Gefühl «in der Landschaft zu sein».

Damit die Verbindung auch für gehbehinderte Personen zugänglich ist, umfasst sie neben der Treppe einen seilgezogenen Schräglift. Dieser verbindet, weitgehend in den Hang eingelassen, auf direkter Linie das untere und obere Niveau. Da diese Achse für die Fussgänger viel zu steil wäre, verläuft die Wegstrecke nur teilweise parallel. Die Treppenstruktur setzt früher ein, begleitet die Lifttrasse ein Stück, biegt dann rechtwinklig ab, kehrt um 180 Grad und folgt ihr schliesslich, um oben gemeinsam mit dem Lift anzukommen.

Die rostrote Überdachung schützt die Benutzer vor Sonne und Regen und verwandelt den Infrastrukturbau kunstvoll in einen Hybrid aus Haus und Weg, ähnlich den in Oberitalien gebräuchlichen Arkadengängen, die den Berg hoch zu den Wallfahrtskirchen führen.

Spannender Materialkontrast

Der grösste Teil des Bauwerks berührt den Fels, ist aus dem Fels gehauen oder dem Felsen «angegossen». Hier kam roher Beton zur Anwendung. Die Dächer über diesem massiven Sockel sind aus wetterfestem Stahl gefertigt. Die dünne Stahlkonstruktion erlaubt die zeitgemässe Übersetzung des Bildes der Bogengänge und passt sich mit Leichtigkeit den topografischen Vorgaben und der urtümlichen Landschaft an. Die Sequenz der sechseckigen Öffnungen erinnert einerseits an Arkaden, andererseits an die Öffnungen von Wabenträgern, wie sie im Stahlbau zur Vergrösserung der statischen Höhe angewandt werden.

Leichte Hülle

Die dünnen Seitenwände aus nur 12 Millimeter starkem Stahl verleihen der Konstruktion eine beinahe papierhafte Anmutung. Unterstützt wird dieser leichte Eindruck durch die nicht sichtbare Befestigung der Stahlhülle an den massiven Teilen. 23 mit den Betonbauarbeiten eingebaute Stahlkonsolen und 50 Distanzstücke halten die Bleche auf Abstand. Das Dach ist, von unten nicht erkennbar, als astenkonstruktion ausgeführt und sorgt für die nötige Steifigkeit.

Dank der grossen Öffnungen in den bis zu 6,5 Meter hohen Wandblechen können die Schüler während des Auf- und Abstiegs unterschiedliche Ausblicke geniessen. Durch die riesige Toröffnung in der Stützmauer führt die Treppe ins Innere, um auf der anderen Seite der Strasse wieder an die Oberfläche zu stossen. Die seitlichen Wandelemente setzen sich aus je vier Stahlblechen zusammen und bilden so den Rahmen für die wabenförmige, sechseckige Öffnung. Die aneinander gereihten Elemente sind mit vertikalen Rippen als äussere Stützen verstärkt. Damit erhält die flache Konstruktion auch eine räumliche Dimension.

Sämtliche Blechstösse wurden von Hand voll verschweisst. Um eine flache, geradlinige Konstruktion zu erhalten, musste der Wärmeverzug wieder genau gerichtet werden. Das saubere Abschleifen aller Schweissnähte war Voraussetzung für eine einwandfreie Oberflächenbeschichtung im Inneren.
Für den luft- und wasserdichten, bis zu 5,1 Meter breiten Dachkasten wurden 8 und 10 Millimeter starke Bleche verwendet. Zwischen den beiden Dachblechen eingeschweisste Stahlrippen versteifen die Konstruktion. Die Entwässerung erfolgt über eine auf den Dachelementen integrierte Rinne mit seitlichem Ablauf. Diese wurde, aufgrund möglicher Wasseransammlungen, mit einem speziellen Oberflächenschutz behandelt.

Aussen rostig, innen hell

Um die Innenseiten der Stahlbleche hell und «sauber» zu gestalten, wurden sie bereits im Werk sandgestrahlt und mit einer zweifachen weissen Farbbeschichtung versehen. Ein abschliessender Deckanstrich in glänzend weisser Farbe, der nach Beendigung der Bauarbeiten über der gesamten Stahlfläche im Innern aufgebracht wurde, reflektiert das einfallende Tageslicht und verleiht der stählernen Hülle Leichtigkeit. Den Kontrast dazu bilden die matten, in Orange- und Brauntönen changierenden Aussenseiten, die dem zwischen Rebbergen und Steinmauern eingebetteten Bauwerk zu Schwere und Farbigkeit verhelfen.

15. Oktober 2012 Virgina Rabitsch
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Spiel mit Transparenz und Spiegelungen

Laufen sie durch oder nicht? fragt sich wohl jeder Architekt, der die kühnen Träger aus der Glasfassade ragen sieht. Die Sporthalle in Burkertsmatt zeigt, wie solche Details im Zeitalter der Energieeffizienz und Nachhaltigkeit gelöst werden. Ästhetischer Minimalismus mit viel technischem Know-how realisiert.

«Sport im Park», mit dieser Projektidee gewann Rolf Mühlethaler den Wettbewerb für das regionale Sport-, Freizeit- und Begegnungszentrum Burkertsmatt in Widen am Mutschellen. Der Gebäudekomplex mit seinen verschiedenen Aussenanlagen folgt der natürlichen Topographie des Hasenberges. Der präzis geschnittene Baukörper liegt am Fuss des Hanges und bildet mit dem gegenüberliegenden Islerenwald den Raum für die Leichtathletikanlage. Fussgänger- und Fahrradverbindungen, Hangmauern, Baumreihen und der offen gelegte Pflanzerbach gliedern das offene Gelände und verleihen dem Ort die gewünschte Identität als Park. Mit dem transparent gestalteten Baukörper lässt der Architekt Innen- und Aussenraum ineinander fliessen und schafft einheitliche Fassaden ohne ausgeprägte Vorder- und Rückseiten.

Über eine grosszügig angelegte Zugangsrampe gelangt man zum Halleneingang auf der öffentlichen Terrasse, der Bel Etage, von der man die Leichtathletikanlage, die Fussballfelder und das Beach-Volleyballfeld überblicken kann. Hier, im eigentlichen Obergeschoss, befinden sich das Foyer und die Vereinsküche sowie die Zuschauertribünen. Im Erdgeschoss sind die Sporthalle, die Garderobenanlagen, der Jugendbereich und die Technikräume untergebracht. Auf demselben Niveau befindet sich die Aussentribüne zur Leichtathletikanlage und zu den Fussballfeldern.

Dank der kompakten und zentralen Anordnung zwischen den Hallen- und Aussenanlagen können die Garderoben je nach Veranstaltungsdichte getrennt oder gemeinsam für Innen- und Aussenanlässe genutzt werden.

Ausgeklügelte Horizontalaussteifung

Die Tragkonstruktion der Sporthalle Burkertsmatt ist auf drei statische Hauptelemente reduziert: Hauptstützen (HEB 320), Blechträger (1400/300 mm) und Dachblech. Die über 50 Meter frei gespannten Dachträger liegen jeweils auf zwei 9 Meter hohen Stützen, die auf der Bodenplatte des Erdgeschosses fundiert und auf Niveau Obergeschoss in der Stahlbeton-Tribüne seitlich gehalten sind. Die Aussteifung der Konstruktion gegen horizontale Erdbeben- und Windkräfte wird über das als Scheibe ausgebildete Dachblech und die eingespannten Stützen erreicht. Tatsächlich stellte für den Ingenieur die Stabilisierung der schlanken Blechträger gegen das seitliche Ausknicken (Kippen) des Druckflansches bei der Tragwerkskonzeption die grösste Herausforderung dar. Um die Stabilisierung zu gewährleisten, wurde das Dach mit Trapezblech, Verlegehilfe-Blech und einem zusätzlichen Verstärkungs-Z-Blech als statische Scheibe ausgebildet. Träger, Dachbleche und die integrierten Verstärkungsbleche wurden mit Nieten und Nägeln statisch miteinander verbunden. Diese Scheibenkonstruktion dient nun zugleich der horizontalen Lastabtragung der Erdbeben und Windkräfte auf die eingespannten Stützen.

Die mit den Stützen verschraubten sichtbaren Blechträger wurden wegen ihrer Länge vor Ort jeweils an zwei Stellen verschweisst und die Montageschweissnähte mittels Ultraschall geprüft. Die Träger, die in der Mitte 120 Millimeter überhöht wurden, kragen auf der einen Hallenseite um 5, auf der gegenüberliegenden um 1,6 Meter über die nach innen versetzte Fassade hinaus. Dort, wo sie die Glasfassade durchdringen, sind die innenliegenden Träger von den auskragenden Partien mit einer Schicht Wärmedämmung getrennt und nur punktuell mit Stahlplatten und Schrauben verbunden. Zugstangen eben den Fassadenstützen minimieren die vertikalen Verformungen der Träger in diesem empfindlichen Bereich.

Dosierte Transparenz

Die Fassaden bestehen aus einer selbsttragenden Pfosten-Riegel-Konstruktion mit einer Rasterbreite von 1,68 Metern und einer Gesamthöhe von 6,83 Metern. An den Fassadenstützen (IPE 180) befinden sich auf einer Höhe von 2,3 Metern Fugenhalter in Form von Flachstahl-Auslegern. Auf ihnen ruhen die oberen Glaselemente. So können die Vertikallasten aus der Fassade in die Stahlbetonkonstruktion des Sockelgeschosses abgeleitet werden. Die Fassadenstützen sind im Randbereich der Dachkonstruktion so eingespannt, dass sie einen kleinen Teil der Dachlasten abtragen. Ausserdem übernehmen sie die auf die Fassadenpfosten wirkenden Windlasten.

Spezialverglasungen mit eingebautem Vlies aus Seidengespinnst in den unbeschatteten Ost- und Westfassaden verhindern störendes Blenden. Gleichzeitig lässt diese abgestufte Transparenz die Halle in Nord-Südrichtung um so offener und transparenter erscheinen. Die Landschaft fliesst förmlich durch das Gebäude hindurch.

Die Ruhe selbst

Grau- und Silbertöne prägen den Innenausbau sowie das äussere Erscheinungsbild. Nur der auf dem Betonsockel aufgesetzte Glaskörper hebt sich ab und spiegelt die Farben der Umgebung und des Himmels. Im Innern wurden die technischen Einrichtungen konsequent in die Wände und Decken integriert. So wirkt auch die vom Trapezblech profilierte Deckenuntersicht der Sporthalle äusserst ruhig und elegant. Ein Ort für Sport und Bewegung, der Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt.

15. Oktober 2012 Virgina Rabitsch
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Ein «Blütenblatt» aus Stahl und Glas

Die 60 Meter lange Halle neben der Autobahn bei Saint-Maurice beherbergt ein Kontrollzentrum für den Schwerverkehr. Unter der Blechverkleidung versteckt sich ein ausserordentlich komplexes und dichtes Stahltragwerk. Das Gebäude entspricht dem Minergiestandard und den Normen für erdbebengerechtes Bauen.

Ein grossflächiger Schwarzbelag, darauf ein siebeneckiges begrüntes Flachdach mit Oberlichtern, die scheinbar zufällig wie Konfettis darüber gestreut sind, und am Boden verteilt ein paar Blumen. So ungefähr präsentiert sich die Projektidee für das Fahrzeugkontrollzentrum in Saint-Maurice (VS). Das Projekt ging aus einem Architekturwettbewerb hervor, den das Büro meier + associés aus Genf gewann. Übertragen in den Massstab eins zu eins, stellt die asphaltierte Ebene einen grossen Parkplatz für Lastwagen dar. Die «grünen Blumen», die den Asphalt durchdringen, sollen als Naturflächen die Versickerung des Meteorwassers sicher stellen, und unter dem grossen Dach befinden sich die diversen Räumlichkeiten des Kontrollzentrums. Das Raumprogramm war breit gefächert: Ein Kontrollzentrum für Lastwagen, die auf dem Walliser Strassennetz verkehren, sowie Abstellplätze, auf denen diese Fahrzeuge im Falle von Unwetter in den Alpen warten können. Ausserdem waren eine Halle für periodische Kontrollen der leichten und schweren Fahrzeuge für das Unterwallis sowie ein regionaler Polizeiposten verlangt. Im Schnitt macht das Gebäude den auf dem Gelände vorhandenen Höhenunterschied zum Thema, das auch mit der Raumaufteilung im Innern wieder aufgenommen wird. Im Nordwesten, im höher gelegenen Teil, befindet sich der Eingang zu den Büros des regionalen Fahrzeugkontrollzentrums. Von diesem Bereich aus überschaut man die über zwei Geschosse reichende Kontrollhalle, die eine Spannweite von 21,5 Metern aufweist und im Süden von den Räumlichkeiten der Polizei begrenzt wird.

Ein Präzisionspuzzle

Das Stahlskelett des Gebäudes beeindruckt mit seinen imposanten Dimensionen. Besonders faszinierend war das Dach, dessen Träger der Primärkonstruktion eine maximale Höhe von 1700 Millimetern und eine Länge von etwas mehr als 60 Metern aufweisen, während der Bauphase. Für das Stahlbauunternehmen bedeutete der Transport dieser Träger eine grosse logistische Herausforderung. Sie wurden in der Werkstatt in je zwei ungefähr 30 Meter langen Teilen vorfabriziert.

Das Tragsystem besteht aus ausbetonierten Stahlstützen, Zwischendecken aus Beton sowie aus geschweissten Blechträgern von variabler Höhe. Um die Erdbebensicherheit des Tragwerks zu gewährleisten, waren zwei Aussteifungsebenen notwendig. Die eine übernimmt die einwirkenden Kräfte der Pfetten auf der Ebene des Dachblechs, welches das Substrat der Dachbegrünung trägt, die andere, im unteren Bereich der Dachträger, kanalisiert die Belastungen der durchlaufenden Balken und leitet sie in die vertikalen Tragelemente ein. Frédéric Rossoz von der Firma Sottas betont denn auch: «Wir haben viel Zeit für die Planung aufgewendet, denn nicht nur das Tragwerk war komplex, zusätzlich mussten wir die Leitungen der technischen Installationen in die Trägerebene einbauen.» Tatsächlich sind in den Stegen der Träger Löcher mit verschiedenen Durchmessern, die genau auf die Leitungsführung der Haustechnik abgestimmt sind.

Für den Ingenieur bestand eine der grössten Herausforderungen darin, eine «einfache» Tragstruktur zu entwerfen, welche die komplexen geometrischen Ansprüche erfüllt und in der konstruktiven Ausbildung die verschiedenen architektonischen Aspekte berücksichtigt. Äusserst anspruchsvoll war es auch, mit ein und derselben Aussteifung im Dach sowohl die Stabilität der hohen Träger als auch die Erdbebensicherheit der Tragstruktur gewährleisten zu können.

Im Hinblick auf die geforderten Spannweiten, die Tragwerksform und die grossen Auskragungen drängte sich der Stahlbau für dieses Projekt auf.

Korrosionsschutz

Der Stahl wurde mit Sandstrahlen und zwei Anstrichen im Innern, bzw. drei Anstrichen im Bereich des Vordachs vor Korrosion geschützt. Die Werkstattschweissnähte bei den Verbindungsplatten der Hauptträger und den Kopfplatten der Aussteifungselementen sind QB geprüft. Das Tragwerk ist jedoch nur noch im Bereich des Vordachs sichtbar, da die inneren Oberflächen mit Metallkassetten verkleidet sind. Damit soll der industrielle Charakter des Gebäudes unterstrichen werden. Aussen wurden die Fassaden mit einer Haut aus verzinktem Streckmetall umhüllt.

Schwebende Grünfläche

Baubeginn war im März 2010 und Fertigstellung genau nach Plan im Dezember 2011. Die Montage des Stahlbaus dauerte neun Wochen, dazu kamen vier Wochen für das Verlegen der Dachbleche. Der Stahl-Glaskomplex mit seinem Dach, das wie ein Stück des natürlichen, nach oben verschobenen Bodens über der künstlichen Oberfläche schwebt, soll von der Autobahn aus als Aushängeschild der neuen Institution wahrgenommen werden.

29. August 2012 Virgina Rabitsch
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Brandschutz

Unter Brandschutz versteht man alle Massnahmen, die der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorbeugen und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten ermöglichen. An erster Stelle steht dabei der Personenschutz. Er umfasst im einzelnen folgende Massnahmen:

Rauch- und Wärmeabzug

Neben dem Feuer darf insbesondere die Gefährdung durch Rauch nicht unterschätzt werden. Im Brandfall fordert dieser die meisten Todesopfer und verursacht zudem oft erhebliche Sach- und Betriebsunterbrechungsschäden. Für den Personenschutz können deshalb Massnahmen, die einer raschen Abführung der Rauchgase dienen, entscheidend sein. Dafür sind im Dach- oder Wandbereich der Halle Rauchabzugsvorrichtungen vorzusehen, die sich im Brandfall selbsttätig öffnen. Sie sollen gleichmässig über die Hallengrundfläche verteilt sein. Des Weiteren begrenzen Rauch- und Wärmeschürzen im Decken- und Dachraum die Ausbreitung von heissen Brandgasen und gewährleisten für eine definierte Zeitdauer eine ausreichend rauchfreie Schicht über dem Boden.

Fluchtwege und Rettungswege

Fluchtwege dienen im Brandfall dem raschen und sicheren Austritt von jedem Punkt in der Halle bis ins F reie oder in einen gesicherten Bereich. Anzahl, Anordnung, Form und Bemessung der Fluchtwege richten sich nach behördlichen Vorschriften.

Zugänglichkeit

Zum Personenschutz zählen auch diejenigen Massnahmen und Vorrichtungen, die das Eindringen von Rettungspersonal in das Gebäude betreffen. Dazu gehören die Zufahrtswege für Rettungsfahrzeuge und die Feuerwehr ebenso wie die Fluchtwege als Einstiege sowie weitere Öffnungen, die das Eindringen in das Gebäude ermöglichen.

Brandabschnitte

Um den durch einen Brand entstehenden Schaden zu begrenzen, werden Brandabschnitte ausgebildet. Die Grösse der Brandabschnitte ist behördlich geregelt. Sondermass nahmen, wie der Einbau einer Sprinkleranlage, ermöglichen die Ausbildung grösserer Brandabschnitte.

Feuerlöscheinrichtungen

Brandmeldeanlagen dienen einem möglichst raschen, effizienten Feuerwehreinsatz. Für die Feuerwehr zugängliche Hydranten und Wasserreservoirs bilden die Voraussetzung einer effektiven Brandbekämpfung. Zu den automatisch wirksamen Feuerlöscheinrichtungen zählen u.a. Sprinkleranlagen.

Baulicher Brandschutz

Wände, Fachwerke, Binder und Stützen bilden die tragende und aussteifende Konstruktion eines Gebäudes. Diese muss auch während eines Brandes für die Zeitdauer der Lösch- und Rettungsmassnahmen ihre Standsicherheit behalten, um das Risiko von Verletzungen für die Rettungskräfte so gering wie möglich zu halten.

Der gängigste bauliche Brandschutz ist die Verkleidung, die entweder direkt oder unter Bildung von Hohlräumen (z. B. für Installationen) auf die Stahlteile angebracht wird. Verbundkonstruktionen, bei denen die Stützen und Träger teilweise oder gar vollständig ausbetoniert werden, sind eine weitere sinnvolle und verbreitete Brandschutzmassnahme. Dabei sind die Stahlstützen häufig von einem Stahlmantel umgeben, welcher beim Betonieren als Schalung dient. Der Hüllbeton schützt das innere Stahlprofil vor übermässiger Wärmeeinwirkung und kann selber noch eine tragende Funktion übernehmen. Wird umgekehrt eine Stahlrohrstütze mit Beton gefüllt, erfolgt unter Brandeinwirkung eine Lastumlagerung, sodass fortan der Betonkern die tragende Funktion übernimmt.

29. August 2012 Virgina Rabitsch
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Binder und Stützen

Trageigenschaften

Innerhalb der hier vorgestellten Bauweisen zur Konstruktion einer Halle stellt das System aus Stütz en, Bindern und Pfetten und zusätzlichen aussteifenden Verbänden einen Baukasten dar, der vielfältige Variationsmöglichkeiten erlaubt und an grosse und kleine Spannweiten und unterschiedliche Funktionen anpassbar ist.

Im Hinblick auf den Momentenverlauf stellt das System «Träger auf zwei Stützen» den ungünstigsten Fall dar. Diese Trägeranordnung führt zu einem maximalen Moment in Feldmitte und damit zu grossen Schnittkräften und Verformungen, die durch einen entsprechenden Materialeinsatz kompensiert werden müssen. Träger mit Kragarmen, Zweifeldträger und Durchlaufträger hingegen bewirken ein geringeres Feldmoment und eine günstigere Verteilung der (inneren) Kräfte. Dies gilt besonders für die Pfetten. Daher werden die Pfetten meist als Durchlaufträger aus geführt und liegen dabei auf den Bindern auf. Die aus der Hülle resultierenden Horizontalkräfte (Wind) werden über eine Unterkonstruktion aus Pfosten und Riegeln in die Tragkonstruktion eingeleitet. Horizontalverbände in der Dachebene nehmen die Kräfte auf und leiten sie über die Binder in Vertikalverbände ein. Die Vertikalverbände befinden sich in den Wandebenen und dienen zur Ableitung der Kräfte zum Stützenfusspunkt. Es ist nicht notwendig, jedes Feld mit einem aussteifenden Verband zu versehen. Zur Ableitung der Längskräfte genügt bei kleinen Hallen meist ein Verbandsfeld, das etwa in Hallenmitte angeordnet sein sollte. Für grössere Hallen sind dafür mindestens zwei Verbandsfelder notwendig.

Stützenformen

Der Stützenquerschnitt wird durch die Art der Beanspruchung geprägt. Reine Pendelstützen ohne Zwischenhalterungen (normalkraftbeansprucht) sollten wegen der allseitig gleichen Knickbeanspruchung aus statischen Gründen in beiden Achsen annähernd gleiche Steifigkeit aufweisen. Bei eingespannten Stützen und Stützen mit Zwischenhalterungen oder mit Kranbahnlasten wird das Profil entsprechend der maximal belasteten Profilachse gewählt.

Eingespannte Stützen sollten nur dann gewählt werden, wenn eine Lösung mit Vertikalverbänden nicht möglich, die Knicklänge gering ist und viele Stütz en zur Horizontallastabtragung aktiviert werden können. Die Einspannung kann über Köcherfundamente oder Ankerbarren erfolgen. Die Ausbildung der Binderanschlüsse und der Fussplatten sollte so erfolgen, dass Aussteifungsrippen möglichst vermieden werden.

Binderformen

Binder sind ebene biegebeanspruchte Tragelemente. Für die Biegebeanspruchbarkeit eines Trägers sind jene Querschnittsbereiche massgebend, die in der Biegeebene möglichst weit von der Schwerachse entfernt liegen. Die Momententragfähigkeit hängt deshalb von der Querschnittsform des Trägers ab. Daher hat der Querschnitt eines Doppel-T-Profils eine für die Biegebeanspruchung optimale Massenverteilung. Im Stahlbau ist diese Querschnittsform synonym für einen Biegeträger. Mit zunehmender Spannweite ist es sinnvoll, den Querschnitt des Tragprofils der Beanspruchung noch besser anzupassen. Bei einem Lochstegträger oder Wabenträger, der durch Auftrennen und Wiederzusammensetzen eines Doppel-T-Profils hergestellt wird, ist die Massenverteilung wesentlich günstiger als beim Ausgangsprofil.

Geschweisste Blechträger mit dünnen Stegen bieten hier oftmals eine wirtschaftliche Alternative. In Fachwerkträgern werden die Gurtprofile durch Füllstäbe auf Abstand gehalten. An den Knotenpunkten greifen idealerweise nur Zug- und Druckkräfte an.

Beim Vierendeelträger sind zwischen den Gurtprofilen nur senkrechte Pfosten angeordnet, wodurch die einzelnen Tragglieder biegebeansprucht sind. Vierendeelträger erfordern deshalb immer einen höheren Materialeinsatz als ein vergleichbarer Fachwerkträger.

Sie haben jedoch den Vorteil grosser, ungestörter Öffnungen. Voraussetzung für wirtschaftliches Konstruieren ist eine möglichst einfache konstruktive Ausbildung der Knotenpunkte. Die Ausbildung von echten Gelenken ist nicht üblich. Durch Schraub- und Schweissverbindungen entstehen mehr oder weniger steife Verbindungen. Die dadurch entstehenden Nebenspannungen bleiben jedoch bei der Dimensionierung eines Fachwerkträgers unberücksichtigt.

19. Juli 2010 Johannes Herold
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Ein Spiegel der Natur

Firmensitz Richemont International, Genf

Der neue Firmensitz von Richemont schreibt sich in den umgebenden Garten ein, als sei das Gebäude Teil eines Ganzen. Farbe, Licht, Spiegelung, Transparenz und Schattenspiel – Natur und Raum sind zu einem facettenreichen Ensemble gefügt, das die Grenzen dazwischen verschwimmen lässt.

Tatami ist das japanische Einheitsmass, das dem einer Schlafmatte entspricht. Aus dem Vielfachen dieses Moduls ist das japanische Haus zusammengesetzt. Es spiegelt damit die Natur – denn auch die Natur ist eingeschrieben in die Gesetze des Kosmos: das Kleine ist das Grosse. Ob der Architekt Jean Nouvel diesem Prinzip zu entsprechen versuchte, ist Spekulation. Der Architekt gibt zu, vom Ort mit den Jahrhunderte alten Zedern und den leichtblättrigen Laubbäumen in den Bann gezogen worden zu sein: die Stille, das Zeitlose, das leicht abfallende grüne Terrain, im Blick der Genfersee und zwischen dem alten Baumbestand die historischen Holzhäuser, denen der Neubau Nachbar werden soll. Wie bauen, um diesem magischen Ort die Seele nicht zu rauben?

Der weltweit tätige Konzern Richemont investiert vor allem in Luxusgüter sowie in Gold- und Diamantenminen. Für seinen europäischem Standort im Nobelvorort Bellevue bei Genf erwarb das Unternehmen einen privaten Park mit insgesamt acht denkmalgeschützten Holzhäusern aus dem Jahr 1869. Diese Häuser sollten mit diversen Nutzungen ausgestattet werden, wobei für den eigentlichen Hauptsitz ein Neubau im Park vorgesehen war. Entstanden ist eine leichte, hochtransparente und vielschichtige Architektur, die sich ihrer Umgebung vollständig hingibt. Die Entmaterialisierung wird durch das Spiel von Reflektion, halbtransparenten und mit Pflanzen und Schattenmotiven bedruckten Gläsern, Durch- und Einblicken zelebriert. Es entsteht ein Gefl echt aus Raum, Ausblicken und Naturschauspiel. Die Räume werden je nach Funktion mit Gläsern unterschiedlicher Durchsichtigkeit und Beschaffenheit begrenzt.

Modulares Stahlgitter

Insgesamt wurden drei Neubauten aus Stahl realisiert – zwei kubische Volumen sowie ein langgestreckter, abgestufter Baukörper. Das Längsgebäude setzt sich aus zwei parallelen Raumschichten zusammen, die durch eine mittlere Schicht aus Licht- und Grünräumen verbunden sind. Dem abfallenden Terrain folgt die Geometrie der Bauvolumen durch die Abstufung einzelner Geschosshöhen, so dass sich drei Teilvolumen abzeichnen.

Das feingliedrige Stahlgitter folgt einem streng modularen Raster. Ein Betonkern für die Treppenanlagen steift das Stahlskelett aus, so dass keine Windverbände notwendig sind. Um den kleinstmöglichen Querschnitt der Stützen im Fassadenbereich zu erreichen, wurde ein Vollstahlprofi l gewählt. Damit haben die tragenden Vertikalstützen dieselbe Abmessung wie die Fassadenrahmen, nämlich acht Zentimeter. Die Stützen sind mit einer Thermobeschichtung behandelt und brandsicher dimensioniert.

Die Geschossdecken bestehen aus Walzprofilen mit breitem Flansch und einer Verbunddecke aus Holoribblech mit Betonüberguss von 16 Zentimetern. Der Deckenverbund zwischen Blech und Beton wird entweder durch runde Kopfbolzen oder durch Warzenblech geschaffen.

Die Dachstruktur über dem langgestreckten Innenhof des Hauptgebäudes ist aus geschweissten Rechteck-Hohlprofilen gefertigt, um die Verbindungen der Konstruktion möglichst unsichtbar zu halten. Während die Vollstahlstützen ohne Behandlung einen Feuerwiderstand von 30 Minuten aufweisen, mussten die Deckenträger mit einem dämmschichtbildenden Brandschutzanstrich versehen werden.

Brückenlabyrinth

In der Zwischenzone des Gebäudes verbindet ein Brückensystem die beiden Raumschichten auf zwei Ebenen. Die Passerellen sind aus Stahlblech gefertigt, das mit Längs- und Querrippen versteift ist. Je nach Nutzung sind die Passerellen zwischen 90 und 130 Zentimeter breit und haben bis zu 5,60 Meter Spannweite. Die Plattformen bestehen aus zwei übereinanderliegenden orthotropen Platten, die verschraubt sind. Die Geländer bestehen nur aus einer fugenlosen Glasscheibe. Sämtliche Brückenteile sind mit einer Brandschutzbeschichtung für 30 Minuten Widerstand geschützt.

Die beiden kubischen Neubauten, welche sich im nördlichen Teil des Parks befi nden, nehmen den Dialog mit dem Hauptgebäude auf und sind im selben Prinzip gebaut. Die bestehenden Holzhäuser dienten den Architekten als Anschauungsmaterial und Inspiration für die Materialwahl und Detailgestaltung. Im Untergrund verbinden eine Parkgarage und diverse Zugänge die Gebäude untereinander.

19. Juli 2010 Johannes Herold
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Klimaneutrale Arbeitsoase

Zentrale Merck Serono, Genf

Der neue Geschäftssitz des Pharmakonzerns Merck Serono ist ein Manifest für optimale Arbeitsbedingungen und nachhaltiges Bauen. Dank Spitzentechnologie und Konzepten für mehr Life-Balance wurden anregende Arbeitsplätze und Erholungsräume geschaffen, die zum Erfolg des Unternehmens beitragen.

Der Bauplatz ist komplex: Nahe am Gleisfeld des Genfer Stadtbahnhofs ist das historische Industrieareal seit den 50er Jahren zu einem blockartigen, städtischen Gebilde herangewachsen. Etliche Gebäude stehen unter Denkmalschutz und sollten in das neue Gesamtkonzept integriert werden. Das Pharma-Unternehmen Merck Serono übernahm das ehemalige Areal der Firma Sécheron SA und baute es zu einem «Campus» um, der alte und neue Bausubstanz in ein städtisches Gesamtwerk integriert. Zwischen den Bauten für Forschung und Verwaltung sind gedeckte und offene Gemeinschaftszonen angeordnet. Eine Hauptachse, die «Mainstreet», wird zum zentralen Element, das den Campus an den öffentlichen Raum anbindet.

Die amerikanischen Architekten Murphy/Jahn nutzten das Image des Konzerns in der Spitzenforschung, um innovative Technologie für ein nachhaltiges Klimakonzept einzusetzen. Tageslicht, natürliche Belüftung, passive Solarenergie und die Idee, dass ein Gebäude sich selbst reguliert, standen bei der Planung im Vordergrund, statt wie üblich «just design and style». Die natürlichen Ressourcen werden maximal genutzt, wobei sich die technischen Installationen sinnvoll ergänzen, sowohl beim Heizen, als auch bei beim Kühlen. Dies führt zu einem Hightech-Gebäude, das jedoch ein Minimum an Energie verbraucht.

Stadt in der Stadt

Der bestehende Gebäudekomplex wurde im Zuge einer Sanierung vollständig entkernt und mit dem Neubau ergänzt, der mit Ausnahme der letzten Etage und der Dachkonstruktion in Massivbauweise ausgeführt ist. Dominiert wird das Stadtgeviert von einem mäandernden Neubau, der sich in mehreren Stufen durch die Freiräume der Parzelle bewegt. Er überragt die bestehenden Gebäude um drei bis vier Geschosse und hüllt sich in eine mannigfach reflektierende gläserne Haut, so dass die Orientierung zum Hauptbau hin auf dem ganzen Areal gewährleistet ist.

In den Zwischenräumen liegen weit gespannte Passerellen sowie Treppen- und Liftanlagen in Stahl. Die Dachkonstruktion dient auch als Aufhängevorrichtung für die Stahl- und Metallfassaden des Gebäudes. Die durchlässige Hülle ist ein wichtiger Teil des Klimakonzeptes. Um die Fassaden noch transparenter erscheinen zu lassen, sind schräge Glaselemente aus extraweissem Glas mit einer Überlappung von einem Meter wie Schindeln übereinander geschichtet. Sie verbergen die Lüftungsöffnungen, die sich dezentral bedienen lassen und sichern damit die Zuluft. Der Sonnenschutz liegt aussen. In den Büros weisen die Decken eine Betonkernaktivierung auf, die Doppelböden integrieren die Installation der Gebäudetechnik und dienen überdies zur Quelllüftung. In Verbindung mit Wärmetauschern und Wärmepumpen sowie Kühlaggregaten wird das Seewasser zum Heizen und Kühlen genutzt.

Markantes Segel

Das Kernstück der Anlage bildet das Forum – ein 25 Meter hoher Glasbau in Form eines Viertelkreises, dessen fächerförmiges Dach sich hydraulisch öffnen lässt. Es handelt sich hier um das weltweit grösste zu öffnende Glasdach. Das 1000 Quadratmeter grosse Forumdach ebenso wie die 12 Meter hohen, acht Meter breiten, drehbaren Glastore und der aussenliegende Sonnenschutz sind wichtige Bestandteile des Klimakonzeptes des Gebäudes. Die maximale Öffnungshöhe des Daches beträgt 4,7 Meter. Die Primärstruktur des Daches liegt im Freien – das Isolierglas ist davon mit einem Abstand von 25 Zentimeter abgehängt. Die Hauptträger bilden eine Reihe radial angeordneter Hohlkastenträger, die bei geöffnetem Dach bis zu 26 Meter frei auskragen. Je nach Beanspruchung sind sie zwischen 140 und 50 Zentimeter hoch und haben unterschiedliche Blechdicken. Ein Randträger verbindet alle Hauptträger.

Ein Drehrohr mit einem Durchmesser von 35 Zentimeter, das an ein Hydrauliksystem angebunden ist, erlaubt das Öffnen und Schliessen des Daches. Damit ist die ganze Dachkonstruktion ausgesteift. Die Drehachse ist auf zehn Stahlrohrstützen aufgelagert.

Abhebesicherungen im Drehrohr verhindern ein Abheben der Drehachse im Falle eines Erdbebens. Das Gegengewicht des Daches ist ein ausgesteifter Hohlkastenträger, teilweise mit Beton gefüllt und wiegt 110 Tonnen. Der Ober- und Untergurt des Kastens wird aus Blechen gebildet, die mit T-Trägern versteift sind. Die Montage des Forumdachs erfolgte abschnittweise nur mit Hilfe eines Autokrans und Hubbühnen – ein Traggerüst war nicht erforderlich.

Lichte Freiräume

Die Haupttragelemente der Forumfassade bestehen aus einem Druckring, vorgespannten Seilen und etwa 25 Meter hohen Stahlstützen. Der Druckring ist gelenkig an den Deckenrändern angeschlossen, mit den Spiralseilen bildet er im Grundriss eine speichenradartige Struktur. Die Sekundärträger sind Holhlkastenquerschnitte, die gelenkig mit den Stahlstützen verbunden sind. Zwischen den Horizonalträgern sind vertikal Glasschwerter angeordnet, welche die Windlasten aufnehmen.

Beeindruckend sind die 12 Meter hohen Glastore, die an Stahlrohren als Drehachsen fixiert sind. Die horizontalen Windlasten der Türen übernehmen auskragende und gevoutete Stahlschwerter.

Der Stahl- und Metallbau bleibt grösstenteils sichtbar und zeichnet sich durch die sorgfältige Detaillierung aus. Stahl wirkt bei diesem innovativen Bürogebäude als Botschafter für Grosszügigkeit, Eleganz und Präzision. Die Konstruktion besticht durch ihre filigrane Erscheinung und reagiert mit Leichtigkeit auf die hohen technischen Anforderungen. Das Projekt wurde deshalb vom Stahlbau Zentrum Schweiz mit dem Prix Acier 2009 ausgezeichnet.

Gebaute Firmenphilosophie

Die Mainstreet als Hauptachse durch den Gebäudekomplex bietet eine Vielzahl an Galerien, Passerellen und Treppenanlagen zur Unterstützung der Kommunikation und der freien Zirkulation. Im Foyer empfängt den Besucher eine wandhohe Lichtinstallation namens «Layers of Life», die durch vorgelagerte Galerien mit transluzenten Böden unterstrichen wird. Diese Installation kombiniert und verdichtet die Elemente Wasser und Wachs mit einer Spiegelwand und Mulitmedia-Design. Symbolisiert wird damit die menschliche DNA. Blöcke aus natürlichem, gelben Bienenwachs sind, entsprechend der abstrahierten Form eines Gen-Codes, auf einer Gesamtfläche von rund 400 Quadratmetern angeordnet. Hinter dieser Wachswand bilden künstlicher Regen und eine Spiegelwand weitere Schichten, welche durch Unterbrüche in der Wachswand sichtbar und sinnlich erfahrbar werden.

11. Januar 2010 Steeldoc

Gläserne Welle

Baldachin Bahnhofplatz Bern

Eine gläserne Welle überdacht den neuen Bahnhofplatz von Bern. Der Baldachin überspannt die Haltestellen von Tram und Bus sowie einen grossen Teil des öffentlichen Platzes, der als neues Tor zur Altstadt an städtischer Prägnanz gewonnen hat. Unter der eleganten, leichten und transparenten Grossform, bleibt der Blick auf die historischen Fassaden der Stadt erhalten.

Nach jahrelangem Ringen hat die Bundeshauptstadt einen neuen überdachten Bahnhofplatz. Aus dem chaotischen Verkehrsknotenpunkt im Herzen von Bern ist eine weiträumige und lichte Flaniermeile geworden. Das Dach gliedert die Fläche, die nun hauptsächlich Platz ist und den Verkehr aus ihrem Mittelpunkt an den Rand gedrängt hat. Die Heiliggeistkirche – das vertikale Prunkstück am Bahnhofplatz – wird durch die Weichheit und Transparenz des Daches nicht bedrängt, sondern umschmeichelt. Von jedem Punkt des Platzes aus, ist ihr hoher Glockenturm zu erkennen. Aus der Distanz betrachtet bietet der Baldachin vier unterschiedliche Ansichten: von der Spitalgasse aus nimmt man nur eine fein geschwungene Linie wahr. Zurückhaltend wirkt er aus der Richtung des Bahnhofs. Überraschend ist die Perspektive aus der Christoffelgasse, da hier die Stahlkonstruktion mit den am tiefsten Punkt zusammenlaufenden und frei über den Platz hängenden Trägern dominiert. Einer Metapher gleich schwingt sich der Baldachin vom Bubenbergplatz aus gesehen an der Stelle, an welcher das historische Tor gestanden hatte, von drei Metern auf seine maximale Höhe von zehn Metern empor.

Geschichtete Tragstruktur

Der Baldachin ruht auf einer Tragstruktur aus sechs Kastenträgern auf insgesamt zwölf eingespannten Stahlstützen. In Längsrichtung verlaufen die zweifach gekrümmten Sekundärträger, welche die Dachform alsWelle definieren. Zwischen diesen Sekundärträgern liegen Tertiärträger, an welchen die Punkthalterungen für insgesamt 528 Glasplatten, alle mit unterschiedlicher Geometrie, angebracht sind. Die Gläser werden von oben gehalten und verbinden sich zu einer hauchdünnen, geschlossenen Membran. Die mehrfache Krümmung der Dachfläche stellte hohe Anforderungen an die Präzision der Ausführung während Produktion, Transport und Montage.

Haut aus Glas

Die gläserne Haut prägt in ihrer Homogenität den überspannten städtischen Raum. Da die Tragstruktur des Baldachins komplett über der Glasfläche liegt, verbinden sich die Glasscheiben zu einer Membran von beachtlicher Transparenz. Für die Glasaufhängung wurden Bügel an die vorgebohrten Tertiärträger geschraubt. Um die ideale Anpassung an die verschiedenen Winkel der Dachneigungen aufzunehmen wurde eine Konsole mit Gelenk gefertigt. Ein feiner Siebdruck auf der Glasunterseite mit 25 Prozent Punktanteil dient der Entspiegelung der Glasunterseite sowie dem sommerlichen Wärmeschutz. Gleichzeitig wird damit die gewünschteTransparenz erhalten.

Präzision in der Ausführung

Mit der Montage der Stahlkonstruktion wurde von der Mitte aus begonnen, zuerst Richtung Süden und dann Richtung Bahnhof. Um den täglichen Trambetrieb uneingeschränkt aufrecht zu erhalten sowie für die allgemeine Sicherheit wurde eine fixe Arbeitsbühne gebaut, welche in Stufen dem Verlauf des Baldachins folgte. Die ersten drei Primärträger wurden von der Bühne aus auf die Stützen gehoben. Die Sekundär- und Tertiärträger wurden danach mit Baukranen sukzessive eingebaut und mit Montagelaschen fixiert. Nach dem Ausrichten wurden die Sekundärträger biegesteif an die Primärträger verschweisst. Die Montage der bis zu 400 Kilogramm schweren Gläser erfolgte mit einem Rollwagen mit Hydraulikzylinder. Dadurch konnten die Scheiben behutsam in die Halterungen eingefahren werden.

Prix Acier 2009

Das Bauwerk überzeugt durch seine zurückhaltend elegante Form und die äusserst filigrane und transparente Konstruktion in einem bedeutenden, historischen Kontext der Bundeshauptstadt. Die präzise und auf das Wesentliche reduzierte Detaillierung des Stahlbaus und seine weiche Gesamtform nehmen Bezug auf die Funktion des Platzes als hochfrequentierter, öffentlicher Ort und als einladende Geste für Ankömmlinge und Stadtbürger. Das Bauwerk wurde deshalb mit dem Schweizer Stahlbaupreis Prix Acier 2009 ausgezeichnet.

4. Dezember 2009 Johannes Herold
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Lichter Baukasten

Ecole de la Maladière, Neuenburg

Zwischen den Bäumen eines Parks im Quartier de la Maladière von Neuenburg wirkt der Baukörper der neuen Schule fast wie eine Skulptur von Bernard Tschumi. Die tragende Gebäudehülle aus Stahl ist gleichzeitig eine erdbebensichere Struktur und ermöglicht grösste Gestaltungsfreiheit sowohl für die Fassade als auch im Innern.

Das Quartier de la Maladière ist ein aufstrebendes Wohn- und Geschäftsviertel der Stadt Neuenburg. Die Lage des Schulhauses im Park eines ehemaligen Friedhofes ist exquisit. Das Volumen geht deshalb durch eine differenzierte kubische Komposition auf die Vorzüge der Umgebung ein. Einmal bietet es durch einen Rücksprung des Sockelgeschosses einen grosszügigen, gedeckten Vorplatz für den Eingangsbereich, während im Obergeschoss eine Terrasse mit Weitblick entsteht.

Das strenge Fassadenraster mit grosszügigen, quadratischen Öffnungen entspricht der tragenden Gebäudestruktur und bietet gleichzeitig den Rahmen für eine verspielte, farbige Flächengestaltung. Durch Stapelung der Räume über vier Geschosse bleibt viel von der Grundstücksfläche unverbaut. Dass diese Tragstruktur gleichzeitig auch beispielhaft punkto Erdbebensicherheit ist, zeichnete sich erst während des Planungsprozesses ab.

Erfrischend anders

Das klassische Raumprogramm für ein Schulgebäude wurde hier so spielerisch und abwechslungsreich wie möglich umgesetzt. Jedes Schulzimmer hat eine besondere Ausrichtung und Lichtatmosphäre. Untergeschoss und Erdgeschoss nehmen die Turn halle, den Kindergarten, den Mehrzwecksaal sowie die Wohnung des Abwarts auf. In den beiden Obergeschossen befinden sich die eigentlichen Räume der Primarschule. Die 12 Klassenzimmer sind, entsprechend der Ausformung des Baukörpers, in Längs- oder Querrichtung angeordnet – anders als dies typischerweise in Schulgebäuden anzutreffen ist. Je nach Lage werden sie von bis zu drei Fassaden umschlossen, durch deren quadratische Fenster viel Tageslicht in die Schulräume gelangt.

Das Fassadenbild wird durch das markante Raster der aussen bündigen Fenster gleicher Grösse sowie der sichtbaren Trennfugen zwischen den Fassadenpaneelen aus glasfaserverstärktem Kunststoff geprägt. Die Farbgestaltung der Paneele mit hellen Gelb- und Grüntönen variiert das Thema Rahmen.

Komplexes Raumgefüge

Im Prinzip ist die Tragstruktur ein Stahlskelett auf einer Betonwanne. Um die komplexe kubische Form des Volumens auszusteifen, wurden in jeder Fassadenebene Vierendeel-Rahmen aus massivem Stahlblech eingesetzt, welche über drei Geschosse reichen und zwei oder mehr Fensterachsen einfassen. Diese Rahmen mit steif verbundenen Ecken wirken wie Scheiben – damit sind diagonale Verbände sowohl in der Vertikalen wie auch in der Horizontalen überflüssig. Gleichzeitig nehmen diese Scheiben die Lasten der Auskragung auf. Dadurch kann auch das Innere vollkommen frei von aussteifenden Elementen gestaltet werden.

Die insgesamt fünf Fassadenscheiben bestehen aus biegesteif verbundenen Stahlblechteilen, die gelenkig auf die Betonwände des Untergeschosses gesetzt sind. Um eine hohe Qualität der Schweissnähte zu gewährleisten, wurden Teilstücke bereits in der Werkstatt vorgefertigt und auf der Baustelle zu ganzen Fassadenteilen zusammengeschraubt. Hilfskonstruktionen stützen die Rahmen bis zur endgültigen Aufrichtung. Danach erfolgt die Montage des übrigen Stahltragwerks aus Lochstegträgern und Profilstützen. Die in das Stahltragwerk eingebauten Verbunddecken bestehen aus Trapezblech mit Ortbeton.

Mit Stahl gegen Erdbeben

Die Erdbebensicherheit ist neben der freien Grundrisseinteilung ein weiterer Vorteil des gewählten Tragsystems. Ausschlaggebend dafür sind seine Leichtigkeit und die Fähigkeit, Schwingungen abzudämpfen. Dies kann durch die optimale Abstimmung der Steifigkeiten der tragenden Bauelemente erreicht werden. Die Stahlbauweise bietet aufgrund der günstigen physikalischen Eigenschaften, wie z.B. hohe plastische Verformbarkeit, generell entscheidende Vorteile gegenüber anderen Konstruktionen. Im vorliegenden Fall leiten die dreistöckigen Vierendeel-Rahmen die Schwingungen in beiden Richtungen über die Fassade ab. Die Verbindungen der Stahlrahmen selbst wurden steif ausgebildet, die Anschlüsse an die übrige Konstruktion halbsteif und die Auflagerpunkte der Stahlrahmen auf der Betonwand des Untergeschosses gelenkig. So ist die Tragstruktur zwar ausgesteift, aber insgesamt duktil.

Die Gebäudehülle ist hoch wärmegedämmt und erfüllt damit auch den Minergiestandard. Die weitgehend trockene Bauweise unter Verwendung von Profilen aus Recyclingstahl, die hohe Flexibilität in der Anordnung der Räume und die Möglichkeit, die Konstruktion am Ende des Lebenszyklus einfach zurückzubauen, sprechen für die Nachhaltigkeit dieses Gebäudes.

10. Juli 2009 Johannes Herold
Martina Helzel
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Haute Couture

Volière Bois de la Bâtie, Genf

In einem kleinen Waldstück mitten in der Stadt Genf steht diese federleichte Voliere, die sich in ihrer Struktur ganz den umstehenden Bäumen angleicht. Die aus Stahlrohr verschweissten Baumstützen folgen nur scheinbar einem natürlichen Wuchs – dahinter steckt ein raffiniertes Modell für die Optimierung des Tragsystems.

Das kleine Waldstück «Bois de la Bâtie» liegt auf einem Hügel der Stadt Genf. 1874 als öffentlicher Park mit einem Teich und einer künstlich angelegten Insel eröffnet, wurden nun unter einem Dach zwei neue Vo lieren errichtet, um im Falle einer drohenden Vogelgrippe den über hundert Vögeln des Parks Schutz zu bieten. Auf verschlungenen Wegen nähern sich die Besucher dem leichten, netzumspannten Raum, der mit dem umgebenden Wald zu einer Einheit verschmolzen scheint. Dieser behutsame, fast unsichtbare Eingriff in die Natur, die Klarheit der Struktur sowie die materialoptimierte konstruktive Umsetzung würdigte die Jury des Schweizer Stahlbaupreises Prix Acier 2009 mit einer Anerkennung.

Formfindung im Raumgitter

Das Dach entwickelt sich in freier Form und wird von Baumstützen getragen. Die Kontur dieses Daches folgt der Begrenzung durch die umstehenden Bäume und formt damit ebenfalls eine Art Baumkrone. Die insgesamt 16 Baumstützen scheinen natürlich gewachsen zu sein, gleicht doch kein «Baum» dem anderen. Sie sind jedoch durch ein streng modulares System definiert, welches den Aufwand für Fertigung und Montage reduziert. So folgt jeder «Baum» dem Rastermass des Raumgitters in Form eines stehenden Quaders mit einer Grundlänge von drei mal drei und einer Höhe von neun Metern. Dieses Raumgitter liefert die notwendigen Bezugspunkte für die Planung, Herstellung und Montage vor Ort.

Die Baumstützen wurden mit Rundrohren in verschiedenen Wandstärken ausgeführt – abhängig von den jeweils aufzunehmenden Kräften. Der gleichbleibende Durchmesser führt zu geometrisch bestimmten Verbindungen ohne hierarchische Ordnung und vermeidet dadurch komplexe Verschneidungen, so dass die konstruktive Umsetzung zügig und schlüssig möglich ist. Auch die Anschlusspunkte für Dach und Bodenplatte folgen diesem Raumgitter. So sind zwölf verschiedene Punkte für das Dach und vier für die Lastabtragung im Fundament möglich. Die Lage der Astgabeln, welche zugleich die unterschiedlichen Typen der «Bäume» bestimmen, folgt ebenfalls dem Raumgitter. Die horizontale Aussteifung des gesamten Gebäudes wird durch vier Baumstützen in V-Form gewährleistet, die systematisch verteilt zwischen den anderen zwölf angeordnet sind.

Das optimierte Stützenmodell

Die natürliche Schlichtheit dieser Baumstützen ist das Ergebnis eines ausgefeilten Entwicklungsprozesses: In Anlehnung an die Erkenntnisse von Antonio Gaudí diente in einer ersten Phase ein Modell mit hängenden Ketten zur Überprüfung des Systems. Ausgehend von einem realen Versuchsmodell wurde anschliessend mit Hilfe eines virtuellen Modells die Geometrie der baumartigen Stützen überprüft. Das virtuelle Modell wurde auch für die Untersuchung von Beanspruchungen herangezogen, welche auf die Tragstruktur einwirken können, wie Schnee, Wind oder Erdbeben.

Der digitale Prozess des Entwerfens lieferte die Grundlage für die dreidimensionalen Werkzeichnungen und für die Bearbeitung der Rohre mittels computergesteuerter Maschinen. Bei der Montage der Elemente in der Werkhalle und vor Ort kam das Raumgitter als Schablone erneut zum Einsatz. Handarbeit erforderte lediglich das Vernähen der Netzbahnen aus Edelstahl, welche als Hülle zwischen Dach und Bodenplatte gespannt wurden. Diese filigrane, fast unsichtbare Membran hüllt die in Grünund Weisstönen gestrichene Baumstruktur in eine Art Spinnengewebe, das wiederum den Bezug zur umgebenden Natur unterstützt.

10. Juli 2009 Johannes Herold
Martina Helzel
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Stahlpilz

Metallwerkstatt Dynamo, Zürich

Im Spannungsfeld denkmalgeschützter Ensembles und Bauten aus den siebziger Jahren behauptet sich die neue Metallwerkstatt des Jugendkulturhauses Dynamo als eigenständiger Baukörper. Konstruktion und Verkleidung zeigen den Werkstoff und seine Verarbeitung präzise, unmittelbar und direkt.

Im Zuge umfangreicher Sanierungsarbeiten wurde in unmittelbarer Nähe zur Limmat eine neue Arbeitsstätte für junge Menschen mit zusätzlichem Büro- und Lagerraum erstellt. Die gut eingerichtete Werkstatt bietet den Benutzern um fangreiches Werkzeug für die Bearbeitung von Metall wie Schweissen, Stanzen oder Plasmaschneiden. Während des ganzen Jahres werden hier zudem zahlreiche Kurse, Workshops und Ausstellungen angeboten.

Aufgrund der beengten Platzverhältnisse wurden diejenigen Räume, die einen Abschluss erfordern, wie etwa das beheizbare Büro sowie das Lager für Material und Werkzeug, in den Kern des Gebäudes verlegt, während die eigentliche Werkstatt im Freien liegt. Das auf allen Seiten auskragende Vordach bietet einen gedeckten und stützenfreien Arbeitsbereich, der das ganze Jahr über genutzt werden kann. Grossflächige Flügeltüren sind vollständig in die Fassade integriert und machen so gegen Aussen sichtbar, wann die Werkstatt in Betrieb ist. Bei Betriebsschluss werden alle Türen mechanisch verriegelt und schützen so die dahinterliegenden Räume vor Vandalismus und Einbruch. Der Büroraum ist autonom in die Stahlkonstruktion eingestellt und im Inneren an Boden, Wand und Decke vollflächig mit OSB Platten belegt. Zur Verbesserung der Belichtung sind im Bereich vor dem Büro drei längliche Oberlichter in das Dach eingeschnitten.

Wechselspiel

Auf einem trapezähnlichen Grundriss tragen in die Bodenplatte eingespannte Stützen aus Profilstahl einen weit auskragenden Dachrost in gleicher Form, jedoch mit fast doppelter Fläche. Diese Tragkonstruktion ist an Fassade, Dachuntersicht und Dachrand mit einem industriell gefertigten, tiefgezogenen Lochblech aus Stahl überzogen. Abhängig von Blickwinkel oder Tageszeit sorgt diese Hülle für reizvolle Wechsel in der Wahrnehmung der Fassade: so wirkt der Pavillon einmal verschlossen, ein anderes Mal gewährt er Einblicke in die dahinterliegenden Räume. Der grosse Dachüberstand unterstreicht mit seinen Schattenwürfen die Tiefe des Baukörpers. Im Sonnenlicht verwandelt sich die Fassade in einen gleissenden, geschlossenen Metallvorhang. Durch die Beleuchtung des Inneren erscheint der Pavillon bei Nacht jedoch leicht und transparent.

Anerkennung Prix Acier 2009

Für den wirtschaftlichen Umgang mit dem Material, die sorgfältige Detaillierung bis hin zur Beschriftung und das raffinierte Wechselspiel zwischen Einfachheit im Äusseren und Komplexität im Inneren wurde die Metallwerkstatt mit einer Anerkennung des Schweizer Stahlbaupreises Prix Acier 2009 gewürdigt.

10. Juli 2009 Johannes Herold
Martina Helzel
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Happy landing

Einfamilienhaus, Chardonne

Wie eben erst gelandet, stützt sich das spektakuläre Einfamilienhaus am Steilhang des Genfer Sees ab. Die flugerprobte Bauherrschaft hat ihre Berufspassion auch in ihrem Wohnsitz umgesetzt: wie über eine Gangway steigt man seitlich in diesen schwebenden Wohnkörper aus Stahl und Glas ein und geniesst von hier einen unverbauten Blick aus der Höhe.

Nach einer zweijährigen berufsbedingten und privaten Reisezeit ohne festen Wohnsitz, suchten die Bauherren nach einem erschwinglichen und ansprechenden Domizil. Ein schmales Hanggrundstück mit Blick auf den Genfer See und die Alpen wurde als Bauplatz erworben mit der Auflage, dass lediglich ein geringer Teil des Terrains überbaut und das Haus nicht höher werden sollte, als die angrenzende Strasse. Angesichts dieser engen Vorgaben schlug das Architektenteam auf geständerten Quader aus Stahl und Glas. Diese schwebende Konstruktion lässt die Topographie praktisch unberührt und schafft so viel Freiraum für die Nutzung des Geländes als Garten.

Freie Grundrissnutzung

Die Räume mit ihren unterschiedlichen Nutzungen reihen sich im langgestreckten Baukörper nacheinander auf – dabei wechseln sich Nasszonen und Raumeinheiten ab. Die modulare Stahlstruktur definiert die Raumsequenzen. Die Küche in Kombination mit dem Esszimmer und der Wohnraum bilden den Abschluss zum See hin. Um Platz zu sparen, wurden Elemente wie Wandschränke, Cheminée sowie die Gebäudetechnik in die querliegenden Zwischenwände integriert. Mit Ausnahme der zum See gerichteten Stirnseite mit raumhohen Schiebefenstern sind alle Fenster festverglast. Für die erforderliche Luftzufuhr sorgen Klappen, die hinter den vertikalen Rahmen angeordnet sind.

Typologie Brücke

Die Box wurde wie eine Brücke als Vierendeel-Rahmentragwerk in vier Modulen konzipiert. Sie ist in Richtung Berg auf einer Betonwand und seeseitig auf zwei schlanken, schräggestellten Stützen aufgelagert. Die horizontale Steifigkeit in Querrichtung ist durch eine Blechverbunddecke in der Boden-Ebene und einen Dachverband unter dem Dachblech gewährleistet. Die Kräfte aus der Dachebene werden in der hinteren Stirnfassade durch einen Vertikalverband, im vorderen Bereich durch Rahmenwirkung in die Schrägstützen und weiter in die Fundamente geführt. Somit bleibt das Innere frei von Stützen oder tragenden Wänden und ermöglicht dadurch die optimale Ausnutzung des Grundrisses. Die Erschliessung erfolgt seitlich über eine hydraulische, einziehbare Treppe. Im Bereich der Böschungsmauer des Terrains steht ein Kellerraum zur Verfügung, der jedoch nur über eine Aussentreppe zugänglich ist.

Diese ungewöhnlich reduzierte und gleichzeitig raffinierte und sorgfältig detaillierte Lösung eines Wohnhauses in Brückenform würdigte die Jury des Schweizer Stahlbaupreises Prix Acier 2009 mit einer Anerkennung.

9. März 2009 Johannes Herold
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Ohne Stahl kein Hochhaus

Der Schweizer Architekt Rolf Läuppi gilt als Pionier in der Entwicklung von Hochhäusern in Stahl. Was ihn besonders interessiert ist die Nachhaltigkeit von Bausystemen. In einem Gespräch mit dem Stahlbau Zentrum Schweiz antwortet er auf die Frage, weshalb in der Schweiz nicht häufiger in Stahl gebaut wird.

Stahlbau Zentrum Schweiz: Die aktuelle Hochhausdiskussion in der Schweiz widerspiegelt ein gesellschaftliches Bedürfnis. Sind Sie ein Verfechter von Hochhäusern für die Schweiz?

Rolf Läuppi: Hochhäuser sind in erster Linie Imageträger. Man baut Hochhäuser in eine Stadtlandschaft, um Akzente zu setzen und um Investoren eine Möglichkeit für ihre Corporate Identity zu bieten. Im Sinne einer Verdichtung mit Zentrumsfunktion sind hohe Häuser zwar sinnvoll, wie zum Beispiel in der City von Frankfurt, aber in Schweizer Städten verträgt es meiner Meinung nach keine wirklichen Wolkenkratzer. Ein Hochhaus muss in einer vernünftigen Relation zu der Umgebung stehen. Dies wiederum heisst, dass Hochhäuser in der Schweiz meist zu klein geraten.

Sie meinen, die Hochhäuser in der Schweiz müssten aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus eigentlich höher sein? Gibt es denn einen Break Even Point der Höhe?

Der Messeturm in Basel ist mit 120 Meter beispielsweise zu niedrig, um wirtschaftlich gut zu sein. Er sollte eigentlich 150 bis 200 Meter hoch sein. Es geht ja um die Gewinnung von Nutzfläche und da sind Faktoren wie die Anzahl der Kerne, die Ausbildung der Liftanlagen sowie die Erschliessung entscheidend. Bei einer Gebäudehöhe von 15 Geschossen müssen bereits alle Vorschriften für Hochhäuser erfüllt werden. Dies führt bei dieser Gebäudehöhe zu einem suboptimierten Kosten-Nutzen-Verhältnis. Bei etwa 50 Geschossen kann ein Optimum erreicht werden. Irgendwo bei 80 Geschossen hört die Wirtschaftlichkeit sowieso auf. Bei Rekord-Hochhäusern wie in Dubai spielt das aber alles keine Rolle. Dort steigt der Quadratmeterpreis mit zunehmender Höhe bis auf das Achtfache – und Investoren sind bereit, das zu bezahlen. Dort geht es eben um das Prestige, ganz oben zu sitzen.

Sie haben in Zürich mehrere grosse Überbauungen und Hochhäuser in Stahlbauweise vorgeschlagen. Wie erklären Sie sich, dass keines der geplanten Bauwerke in Stahl ausgeführt wurde?

Lassen Sie mich zuerst etwas Allgemeines zum Stahlbau sagen. Mit Stahl bauen fängt im Kopf an: die Fragestellungen sind klar zu formulieren, die Anforderungen an das Raumprogramm und die Abläufe im Gebäude zu strukturieren und alles ist in eine entsprechende Planung umzusetzen. Bauen mit Stahl verlangt Disziplin – dies betrifft auch den Bauherrn. Er muss die Vorteile des Stahlbaus und seine Gesetzmässigkeiten kennen. Es gibt Gebäude, die sich speziell für den Stahlbau eignen, z.B. jene, die den Gesetzmässigkeiten des Materials entsprechen und die sich einfach über ein Raster strukturieren lassen.

Was sind denn diese Gesetzmässigkeiten beim Stahlbau?

Die klare Trennung von Tragstruktur und Ins tallation zum Beispiel. Man sollte nie mit Lüftungen, Installationen etc. ins Tragsystem eingreifen, wie das meistens bei Betondecken gemacht wird. Auch das bedeutet Nachhaltigkeit! Was mache ich mit einem Be tonbau, bei welchem neben der Armierung auch noch die Leerrohre etc. eingelegt werden? Was geschieht damit beim Rückbau? Es muss mühsam und aufwendig getrennt werden, kostet Zeit und Energie und verursacht Emissionen durch Staub. Hinzu kommt der rasante Wandel bei der IT-Technik und der Elektroinstallation. Es ist nicht sinnvoll, die Leitungen fest zu verlegen, respektive in den Beton einzugiessen. Beim Stahlbau ist alles von vornherein bereits getrennt. Dies zeigt einmal mehr, wie effizient sich ein Gebäude über die Jahre nutzen lässt, wenn die dem Material immanenten Gesetzmässigkeiten eingehalten werden.

Hochhäuser würden sich also für die Stahlbauweise besonders eignen?

Ja klar. Für Stahl spricht zum Beispiel, dass zu jeder Jahreszeit gebaut werden kann, weil die Nachlaufzeiten für das Austrocknen wie bei der Betonbauweise weitgehend entfallen. Während oben das nächste Geschoss errichtet wird, kann im Erdgeschoss bereits mit der Montage von Fassaden begonnen werden. Zudem werden keine Gerüste benötigt, da die Fassadenelemente in die Stahlkonstruktion eingehängt werden. Diese Elemente können aufgrund der geringen Toleranzen im Stahlbau vorgefertigt und zum Termin der Montage angeliefert werden. So wies beispielsweise der Messeturm in Basel bei einer Höhe von 120 Meter lediglich eine Gesamtabweichung von 1 Millimeter pro Geschoss auf. Für die Fassade waren keine Justierschrauben notwendig.

Ihre eigenen Hochhausplanungen in Stahl konnten Sie nur im Mobimo-Tower in Zürich verwirklichen. Der Bau ist heute 8 Jahre alt. Wie beurteilen Sie das angewendete Bausystem aus heutiger Sicht?

Das Mobimo-Hochhaus ist immer noch beispielhaft. Es zeigt, dass man Minergie-Standards auch mit Stahl erreichen kann. Das ursprüngliche Hochhaus aus den 70er-Jahren war ja schon ein Stahlbau, weshalb sich die Aufstockung von 3 Geschossen in Stahl leicht umsetzen liess. Dem Gebäude wurde eine Doppelfassade als Energiegewinnungsanlage vorgehängt. Im Sommer dient diese Schicht als Klimaanlage. Vorbildlich war die Trennung von Tragwerk und Gebäudeinstallationen. Beim Mobimo-Tower haben wir einen klassischen Stahlbau mit Holorib-Decken. Alle Installationen wurden unten abgehängt. So konnte der gesamte technische Ausbau innert kürzester Frist ersetzt und aufgerüstet werden. Die Technikzentrale kam in den Keller und oben konnte man Nutzfläche gewinnen. Mit Stahl lassen sich Struktur und Installation klar trennen, was sich mittelfristig für den Bauherrn auszahlt.

Sie haben das Business Center Andreaspark in Zürich komplett in Stahl geplant. Ausgeführt wird es in Beton. Wieso?

Die Stahlvariante war etwas teurer. Diese Kosten wären durch die Vorteile der Stahlbauweise auf anderen Gebieten wieder wettgemacht worden. Nach dem Aufrichten der Stahlstruktur und der Montage der Slim-Floor-Decken hätten die Fassadenelemente lediglich eingehängt und der Doppelboden montiert werden können. Somit wäre das Gebäude innert kürzester Frist bezugsfertig gewesen! Das zeigt, wie kurzfristig man auch heute noch kalkuliert: es zählt einfach der Preis bei der Auftragsvergabe. Ich bin sicher, dass die Ausführung in Beton am Ende teurer zu stehen kam. Interessant wäre hier die Gegenüberstellung des Vorprojektes in Stahl mit der Ausführung in Beton. Vor allem auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit!

Stichwort Nachhaltigkeit. Sie gelten als Pionier des nachhaltigen Bauens. Wie weit sind wir heute damit?

Ich habe schon vor 20 Jahren nachhaltige Gebäude in Stahl entwickelt. Am Ende wurden alle Projekte in Beton ausgeführt, weil die Betondecke pro Quadratmeter etwas billiger war. Die Vorteile der Stahlbauweise sind ja nicht nur wirtschaftlich, sondern eben auch ökologisch von Bedeutung. Stahl ist ein Recyclingprodukt, die Bauweise ist leicht, flexibel, einfach demontierbar und äusserst materialoptimiert – beim Stahlbau kommen nur so viele Elemente auf die Baustelle, wie unmittelbar benötigt werden: keine Materialverschwendung! Weil beim Stahlbau vorausgedacht wird und man damit Planungs- und Fabrikations fehler, die teuer und ineffizient sind, vermeidet. Das zeigt sich auch im Unterhalt: die Konstruktion ist immer zugänglich und kontrollierbar.

Was braucht es, damit Investoren auch die ökologischen Vorteile des Stahlbaus nutzen?

Der Stahlbau war bis jetzt immer im Nachteil wegen der hohen Präzision, die er erfordert. Das bedeutet quasi eine Planungs-Investition, die keiner übernehmen will. Aber was uns in nächster Zeit beschäftigen wird, ist die Definition von standardisierten Bauteilen. Im Flugzeugbau ist es schon lange üblich, die Eigenschaften der Bauteile zu beschreiben, so dass jedes Element überall auf der Welt beschafft werden kann. Diese Situation werden wir auch im Bauwesen bekommen. In den skandinavischen Ländern und Amerika baut man bereits die ersten Gebäude nach diesem System. Das könnte der Durchbruch für den Stahlbau sein, weil man dann alles vorab definieren muss. Dabei wird auch eine ökologische Bewertung von Bauteilen verlangt, verbunden mit einer Deklaration woher die Produkte kommen, wie sie produziert werden, welches die Umweltauflagen sind.

Inwiefern ist das Zukunftsmusik für die Schweiz?

Ansätze dafür gibt es heute in der Schweiz mit dem Bauteilkatalog. Aber es fehlt eine Kontrollinstanz, die das fertige Objekt untersucht und bewertet. Das Ziel müsste ein Gebäudepass sein, z.B. müsste bei der Bauabnahme eine Thermographie geliefert und Bauschäden an der Aussenhaut bekannt gemacht werden. Ganz dringend muss der Energieverbrauch aufgeführt werden – auch bei einer Sanierung sollte der Passivhausstandard gefordert werden.

Energieeffizienz ist auch beim Hochhausbau ausschlaggebend. Gibt es den grünen Wolkenkratzer?

Das Business Center Andreas Park ist das erste als Passivhaus zertifizierte Hochhaus mit dezentraler Haustechnik und aktiver Kühlung. Bei der Simulation zeigte sich ganz klar, dass ein energieeffizientes Gebäude mit Erdsonden nicht schwer, sondern leicht gebaut sein sollte.

Ich würde mir heute zutrauen, einen grünen Wolkenkratzer in Stahl zu bauen.

1. September 2008 Elisabeth Schabus
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Schutzschild gegen die Spuren der Zeit

Fast 5000 Quadratmeter unbehandelter Stahl umhüllen das Sammlungszentrum des Schweizer Landesmuseums wie eine Rüstung. Das archaisch anmutende Material beginnt, die Spuren der Zeit zu tragen – so wie die gelagerten Exponate ihre Spuren in der Zeit hinterlassen haben. Das Gebäude versinnbildlicht das Verhältnis der Schutzhülle zum Inhalt, die Grenze zwischen Vergänglichkeit und Beständigkeit.

Am Anfang war ein ungenutzter, ehemaliger Militärkomplex in Affoltern am Albis und die auf sieben Depots verteilten Sammlungsbestände der Schweizer Landesmuseen mit rund 800'000 Objekten. Heute ist daraus ein Ort von starker Identität geworden – zum Sammeln, Erhalten und Forschen. Das neue Sammlungszentrum der Musée Suisse Gruppe (MSG) kann nun sämtliche Bestände aufnehmen, die seit der Gründung des Schweizer Landesmuseums vor über 100 Jahren an verschiedenen Orten gelagert werden mussten. Erstmals erhält auch das interessierte Publikum Zugang zu den Depots, Ateliers und dem Labor.

Die ehemalige Zeughausanlage der Landesverteidigung von 1937 wurde bereits1980 saniert und zu einem Komplex aus drei rechteckigen Gebäudekörpern erweitert. Ziel der jüngsten Intervention war es, für die neue Nutzung als Sammlungszentrum des Landesmuseums so viel vorhandene Bausubstanz wie möglich zu nutzen und gleichzeitig einen funktionalen Gebäudekomplex mit zeitgemässem Energiekonzept zu schaffen. Die Hülle des Gebäudes aus massiven, rohen Stahlplatten symbolisiert Kraft und Beständigkeit – paradoxerweise gerade durch den sichtbaren, aber schadlosen Alterungsprozess des Stahls.

Interdisziplinäre Nutzung

Die Anlage fasst die drei bestehenden Gebäudekörper durch Korridore zusammen. Dazwischen liegen zwei Innenhöfe. Der Gebäudekomplex bildet damit ein flexibles System, das an einen Strichcode als moderne Metapher für präzise Zuordnung und Individualität erinnert. Tatsächlich garantiert er für eine Vielzahl hoch spezialisierter Experten optimale Arbeitsabläufe und fördert den interdisziplinären Austausch zwischen Wissenschaftlern, Historikern und Restauratoren. Der grösste monolithische Baukörper ist das eigentliche Objektzentrum, bezeichnet als Gebäude 1. Es gewährleistet auf rund 10'000 Quadratmetern und drei Geschossen optimale klimatische und sicherheitstechnische Bedingungen für die Aufbewahrung der Sammlungsbestände. Im zweigeschossigen Gebäude 2 sind die Ateliers der Konservatoren und Restauratoren sowie das Labor der Konservierungsforschung und Materialanalytik untergebracht. Im Gebäude 3 befindet sich das Dienstleistungszentrum mit zentralem Empfang und den Räumen für die Registrierung, den Leihverkehr und die fotografische Dokumentation. Neben einer Fachbibliothek mit kleinem Lesesaal stehen ein Seminar- und Schulungsraum sowie Arbeitsplätze für Gäste, Mitarbeiter des Landesmuseums sowie für externe Wissenschafter zur Verfügung.

Unbehandelter Stahl in nuancierter Anwendung Identitätsstiftendes Element der ganzen Anlage ist die monolithische Fassade aus unbehandeltem Stahlblech, das bereits nach kurzer Zeit eine rostrote Färbung annimmt. Die 12 Meter hohen und 2,80 Meter breiten Stahlplatten des Objektzentrums sind getrennt durch eine horizontal verlaufende gezackte Linie. Sie repräsentiert die «Höhenabwicklung entlang der Schweizer Grenze», vom südlichsten Grenzpunkt bei Chiasso (232 m ü. M.) bis zum höchsten am Monte Rosa (4633 m ü. M.). Diese Fuge ist nicht nur bautechnisch notwendig, sondern verweist symbolisch auf den Inhalt des Gebäudes: Schweizerisches Kulturgut. Der bestehende Massivbau des Objektzentrums wurde mit einer 30 cm dicken Isolationsschicht verkleidet. Der begehbare Luftraum zwischen dieser Isolationsschicht und der Stahlfassade beträgt 1,30 Meter. Bei der Fassade der Gebäude 2 und 3 handelt es sich um eine Pfosten-Riegel-Konstruktion, bei der die vorhandenen Stahlträger der Tragstruktur als Unterkonstruktion genutzt werden konnten. Hier dient das Stahlblech lediglich als Brüstung.

Bewusst wurde auf die Verwendung von sogenannt «wetterfestem Stahl» verzichtet, jedoch eine entsprechende Schichtstärke für die zu erwartende Korrosionsabtragung berücksichtigt. Bei der konstruktiven Ausbildung der Stahlplattenhalterung wurde darauf geachtet, dass sich kein stehendes Wasser bilden kann. Die Stahlplatten weisen an der Rückseite vertikal ausgerichtete, rundum angeschweisste Einhängelaschen auf, welche bei der Montage in U-förmige Konsolen eingeführt werden, so dass dem abfliessenden Wasser kaum Widerstand geboten wird. Die horizontale Justierung erfolgte mittels Schiften der Konsolen. Der mögliche Ausfall einzelner Aufhängungen im Laufe der Lebensdauer wurde bei der Dimensionierung berücksichtigt. Eine Vielzahl von horizontalen Halterungen übernehmen die vertikalen Lasten.

Ökologische Verantwortung

Ein zentrales Anliegen der Bauherrschaft war die Nachhaltigkeit der Konstruktion und der Nutzung. Das Projekt belegt ausschliesslich bereits bebautes Land. Das Energiekonzept erfüllt den Minergie-P-Standard. Passive, krisenresistente Systeme und die nachhaltige Nutzung von Erdwärme durch Erdsonden sind nicht nur ökologisch vorbildlich, sondern erfüllen auch die hohen Anforderungen der Lagerung musealer Objekte. Der rostende Stahl führt zwar während seiner langen Lebensdauer zu einem gewissen Materialverlust, doch sind diese Korrosionsprodukte von Baustahl im Gegensatz zu denjenigen von höher legiertem wetterfesten Stahl für das Erdreich unbedenklich. Dem massiven Kostendruck wurde mit der Zentralisierung der Ressourcen und einem objektorientierten Entwurfsprozess begegnet, so dass das Projekt schliesslich unter dem Budget der Machbarkeitsstudie abgeschlossen wurde.

In diesem Projekt sind die Bedeutungen von Bewahren und Vergehen sinnbildlich umgesetzt. Der schützenden Hülle und der Einbindung des Objektes in seine Umgebung fallen besondere Bedeutung zu. Der Stahl als sinnliche und lebendige Haut, als Geschichtsträger und als «Werkzeug des Menschen» hat hier seine Bestimmung als Zeitzeuge gefunden.

1. September 2008 Elisabeth Schabus
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Herr der Ringe

1517 Ringe aus Stahl formen die tragende Fassade der Hochzeitskapelle des Hyatt Regency Hotels in Osaka. Dem japanischen Architekten Jun Aoki ist es gelungen, der Tragstruktur jegliche Schwere zu nehmen und den zeremoniellen Raum in ein Spiel aus Licht und Schatten zu tauchen.

Viele Japaner lieben es, zusätzlich zu einer traditionellen japanischen Trauung im Kimono, auch noch nach westlicher Art in einer Kapelle ihre Hochzeit zu feiern – natürlich in weiss. Jedes grössere Hotel hält deshalb mindestens eine «weltliche» Kapelle für seine Gäste bereit. Das Hyatt Regency Hotel in Japans zweitgrösster Geschäftsmetropole, Osaka, hat gleich zwei davon – einen Gartenpavillon namens «Pristine Chapel» (die Unberührte) und die hier vorgestellte «White Chapel», die schlicht «Eternity» (Ewigkeit) genannt wird. Ein hoffentlich gutes Omen für die Verbindungen, die dort entstehen.

Wenn der japanische Architekt Jun Aoki seine ephemere, strahlend weisse Hochzeitskapelle beschreibt, wird es physikalisch: Damit Volumen entsteht, müsse es ein Gefäss geben, in dem sich das Volumen wie ein Gas ausbreiten könne. Die Konstruktion solle so luftig und rein sein, als verwende man nur flüchtiges Gas, um das Raumvolumen zu bilden. Schon mehrfach hat der Architekt das Thema untersucht und es offenbar hier erstmals umgesetzt: nämlich dem Stahl jegliche Schwere zu nehmen und die Tragstruktur zu immaterialisieren. Die Bildhauerin Noe Aoki hat diese ornamentale Struktur entworfen, und gemeinsam mit den Ingenieuren wurde daraus eine Tragstruktur entwickelt.

Tragende Leichtigkeit

Als luftig kann man diese Konstruktion allemal bezeichnen. Dass das Fassadenornament trägt, ist kaum vorstellbar. Eher wirkt der durchschimmernde Vorhang aus weissen Stahlringen wie ein von der Decke hängendes, dreidimensionales Mobile. Doch tragende Stützen sind nur in der offenen Vorhalle auf der Nordostseite zu sehen. Tatsächlich besteht die tragende Struktur dieser Fassade aus einem Geflecht aus aneinander geschweissten Stahlringen. Auf einem gemeinsamen Ring als Grundfläche sind jeweils gegen unten und oben drei Ringe pyramidal angeordnet. So entsteht ein sich wiederholendes Element aus sieben Ringen. Oben und unten sind diese sechs Meter hohen Elemente an kurze Stahlzylinder geschweisst, welche in der Decke bzw. im Bodenfundament eingespannt sind. In diesen Zylindern ist auch jeweils ein Halogen-Stahler als Beleuchtung integriert. Die Ringfassade wurde in insgesamt neun Teilstücken im Werk vorgefertigt und vor Ort mit der Stahlkonstruktion des Daches verknüpft.

Das Dach aus einem Stahlträgerrost ist zum Rand hin bis auf eine Linie verjüngt und liegt auf drei Tragelementen auf: einmal auf einem Massivkern, dann auf einer Stahlstützenreihe in der Vorhalle und der Nordseite sowie schliesslich auf dem Stahlringgeflecht in der Südfassade. Die vertikalen Lasten sowie der Winddruck und die Erdbebenkräfte werden komplett von diesem Tragwerk übernommen.

Spiel mit dem Licht

Die Klimahülle bilden fugenlose, transparente Glasscheiben – gegen Windkräfte durch Horizontalstäbe von der Ringstruktur abgefangen. Im Innenraum ist eine durchscheinende Haut aus feuerhemmendem Baumwollstoff gespannt, welche völlig entmaterialisiert wirkt. Auf diesen weissen Flächen zeichnet sich am Tage als schemenhaftes Schattenspiel die Ringkonstruktion ab. Nachts strahlt die Kapelle durch fluoreszierende Lichtbänder am unteren und oberen Ende der Fassade und durch die Beleuchtung der Ringstruktur stimmungsvoll von innen. Das Lichtspektakel wird durch die Spiegelung der beleuchteten Kapelle auf der Wasserfläche vor dem Hotel noch unterstrichen. Dieser sinnliche Umgang mit dem Licht und vielleicht auch die symbolhafte Anlehnung der Ringstruktur an Verlobungsringe dürfte für den überwältigenden Erfolg der Kapelle verantwortlich sein: Bereits im ersten Jahr wurden in der «White Chapel» mehr als 200 Trauungen vollzogen.

9. Juni 2008 Steeldoc

Demarkationslinie zwischen Himmel und Erde

Der Bauplatz ist ungewöhnlich. Das Flachdach eines Wiener Bürogebäudes haben die Architekten Degulan Meissl lediglich gepachtet und darauf eine gefaltete Raumskulptur als «Haus auf dem Haus» gebaut. Ebenso ungewöhnlich ist der schwebende Raumeindruck, der durch die stützenfreien Spannweiten des Stahlfachwerks erreicht wird. James Bond lässt grüssen.

Die Aufstockung ist von der Strasse her kaum wahrnehmbar und erfüllt wider Erwarten die strengen Bauvorschriften für Flachdachaufbauten der Stadt. Ein Bürogebäude aus den 60er Jahren hat damit einen dynamischen Abschluss erhalten, eine Art extravaganten Hut, der die Begegnung zwischen alt und neu, zwischen statischem Körper und dynamischer Form zelebriert. Der Neubau führt die Giebellinie zwischen den beiden angrenzenden Häusern fort und schliesst gewissermassen eine Baulücke. Dabei schafft er durch seine Faltung und Raumstaffelung eine durchlässige Grenze zwischen dem strengen Altbau und dem bewegten Wiener Stadthimmel. Obwohl der Entwurf baurechtlich als Flachdachaufbau gilt, konnte in Abstimmung mit der Baubehörde eine neue Interpretation gefunden werden. Die strassenseitige Auskragung des Gebäudes ist zum Beispiel aus baurechtlicher Sicht eine Gaube.

Die Grundfigur von Ray1 basiert auf der längsrechteckigen Form des Sockelbauwerks. Daraus entwickelt sich ein Baukörper von skulpturalem Charakter. Der Zugang erfolgt über den knapp sechs Meter aus der hofseitigen Gebäudefront auskragenden Kubus, der achsversetzt auf dem Treppenhaus-Risalit sitzt. Ein lang gestreckter, mit flachen Treppen langsam ansteigender Gang führt in den loftartigen Wohnbereich, der sich als Raumkontinuum fliessend nach oben entwickelt. Die plastische Gestaltung der Aussenhaut schafft auch im Innenraum Zonen mit verschiedener Wertigkeit. Nischen und Möbel entwickeln sich direkt aus dem Formenverlauf der Architektur heraus und schaffen einen fliessenden Übergang von äusserer Hülle zu innerer Wohn-Landschaft. Der weiträumige Wohnbereich mit der zentralen Küche liegt etwa einen Meter höher als die separierten Schlafzonen. Eine grosse, lederbezogene Liegelandschaft öffnet sich in einer über die Grundstücksgrenzen expandierenden Gebäudefaltung. Sie liegt über die ganze Breite vollständig auf tragendem Glas auf und scheint so vom Boden losgelöst zu schweben.

Eine Eckverglasung lässt sich vollständig zur Terrasse hin öffnen und erweitert damit den Wohnbereich um einen spektakulären Aussenraum. Der Terrasse ist ein schmales, mit Sitzstufen versehenes Bassin vorgelagert, so dass auf ein Geländer verzichtet werden konnte. So entsteht eine harmonische Verbindung von ruhendem Ort und räumlicher Bewegung.

Um auf das Tragwerk des Altbaus reagieren zu können, wurde die Aufstockung als Stahlskelettbau realisiert. Durch ein homogen verdichtetes Stahlrohrsystem werden die Lasten über die gesamte Fläche gleichmässig verteilt und vor allem über die Giebelwände in den Altbestand eingeleitet. Die entwurfsimmanenten Faltungen der Dachlandschaft führen zu einem weitgehend stützenfreien Raumfluss.

Für Haus Ray 1, das seinen Namen der Bauherrentochter verdankt, gab es weder ökonomische Restriktionen noch ideelle Einschränkungen, da die Architekten ihre eigenen Bauherrn waren. Ein umfassendes Ineinanderwirken von Tragwerksplanung und Entwurfskonzept führte zu dieser Architektur als Stadt-Landschaft.

9. Juni 2008 Steeldoc

Luxus-Mansarden für die Grossstadt

Aus dem Mansard-Geschoss eines historischen Wiener Stadtblocks sind exklusive Appartements entstanden. An der äusseren Form der alten Mansard-Dächer wurde kaum etwas geändert – die Konstruktion ist allerdings ein leichtes, lichtdurchflutetes Stahlgehäuse, ausgestattet mit edelsten Materialien und Klimatechnik.

Es ist eine der besten Adressen für gehobene Wohnansprüche im historischen Zentrum von Wien. Kein Wunder, hat die Bauherrschaft das Projekt durch einen europäisch ausgeschriebenen Projektwettbewerb ausgelobt. Der 5-geschossige Gebäudeblock von 1860 wird durch vorspringende Mittel- und Eckrisalite gegliedert. Da einige der ursprünglichen Dachaufbauten im 2. Weltkrieg zerstört und nach dem Krieg durch unsensible Ergänzungen mehr schlecht als recht «repariert» worden waren, wurde eine Komplettsanierung des Dachgeschosses mit einer Nutzungsänderung zu Wohnzwecken ins Auge gefasst. Im Sinne des Denkmalschutzes sollte der historische Umriss des Gebäudes als Gestaltungsmaxime dienen.

In Anlehnung an die ursprüngliche Form des Gebäudes projektierten die Architekten insgesamt 12 exklusive Wohnungen, die man für sich genommen als Stadt-Villen bezeichnen könnte. Die neuen Wohnungen werden über drei neue, vor den Altbau positionierte Lifttürme erschlossen. Die bestehenden Treppenhäuser dienen lediglich als Fluchtwege im Brandfall. Von den Aufzügen aus erreicht man die Wohnungen durch fingerartig ausgebuchtete Erschliessungsflure. Die organischen Gehwege sollen die Flexibilität für zukünftige Entwicklungen garantieren und gleichzeitig Identifikation und Nachbarschaft fördern.

Die bis zu 420 m² grossen Maisonetten mit Terrasse, Einliegerwohnung, zwei Bade- wie Schlafzimmer bieten einen atemberaubenden Ausblick auf den Wiener Ring. Der Benutzer navigiert in einem Raumkonstrukt, dessen enorme Technikausstattung in den Innenräumen nicht wahrzunehmen ist. Jede Wohnung verfügt über einen eigenen 6 m² grossen Haustechnikraum. Alle Leitungen sind in 50 bis 100 cm hohen Doppelböden untergebracht. Die räumliche Exklusivität bezieht sich auch auf die Materialwahl im Innenausbau, welche gemäss den Vorstellungen der jeweiligen Eigentümer offen stand. Auch die Transparenz der Fassade und der Zwischenwände wurde durch die Wahl von geschlossenen, transparenten oder offenen Elementen den individuellen Vorlieben der Hausherrschaften angepasst.

Leichte Tragstruktur auf alten Mauern Um Fundamentverstärkungen in den Untergeschossen zu vermeiden, sollte eine gleichmässige Lastabtragung entsprechend den darunter liegenden Geschossen erreicht und das Gewicht der Konstruktion optimal an die entsprechenden Bestandsverhältnisse angepasst werden. Die gesamte Dachform verläuft auf die Gebäudetiefe als durchgehende Kurve mit unterschiedlichen Radien. Die Primärstruktur wurde dabei durch Stahlträger mit einem Achsabstand von 4-6 Metern gelegt. Die Lastabtragung erfolgt über die Aussen- und Mittelmauer, wodurch die Lastzunahme auf das bestehende Objekt gleichmässig verteilt werden konnte.Die Zugkräfte in den Hauptrahmen werden durch Zugbänder in der Fussbodenkonstruktion aufgefangen. Die Längsaussteifung erfolgt über die Flächenwirkung der Galerieebenen und der nordseitigen Dachebene. Die Primärkonstruktion besteht demnach aus geschweissten, paraboloid gekrümmten Stahlbögen in einem Abstand von etwa 15 Metern. In jedem vierten Feld wird die Konstruktion durch Diagonalstäbe zur Aufnahme von Längs- und Querkräften ausgesteift.

Die Sekundärkonstruktion besteht aus Elementdecken aus Stahlbeton und aus hochgedämmten Holzleichtbauelementen im Dachbereich. Die Betondecken wurden aus bauphysikalischen Erwägungen eingebaut. Durch die Wahl einer Stahlkonstruktion war die Flexibilität während der gesamten Planungs- und Bauphase gewährleistet, so dass auch kurzfristige Umplanungen möglich waren. Diese Flexibilität zahlt sich auch bei zukünftigen Umnutzungen oder Anpassungen aus.

Zur Strasse hin wurde die bauchige Dachhaut mit grau vorbewitterten Zinkblechen eingedeckt. Die flächenbündigen Verglasungen sind mittels darüber liegenden Aluminiumlamellen beschattet. Zur Hofseite öffnen sich Terrasseneinschnitte, die ebenfalls durch Sonnenschutzlamellen in Form gehalten sind. Im Scheitelpunkt der Bögen und im Bereich der Galeriedecken wurde die Lamellenverteilung dichter gewählt, während die Abstände auf Augenhöhe grösser sind. Da der Verglasungsanteil von 70 Prozent eine hohe Erwärmung im Sommer erwarten lässt, wurde eine stille Kühlung mittels Klimaplatten an den Decken und im Schrägdachbereich installiert. Man kann nachvollziehen, dass das Berühren gekühlter Wandflächen im heissen Wiener Sommer ein durchaus angenehmes Gefühl sein muss. Ziel der Planer war es, bei einer Aussentemperatur von 34 Grad im Innenbereich maximal 26 Grad spürbar zu machen, deswegen gibt es zusätzlich noch Heiz-Kühl-Estriche, kontrollierte Wohnraumlüftung und klassische Umluft-Quellluft-Fancoils.

10. Dezember 2007 Steeldoc

Stadion Letzigrund, Zürich

Fliegendes Atoll im Stadtraum

Das schwebende, weit auskragende Stahldach des Stadion Letzigrund wird von tanzenden Stützenpaaren getragen. Ein breiter, leicht ansteigender Umgang lässt sowohl den offenen Stadionraum als auch die Stadt erfahren. Hinter der Poesie und Leichtigkeit der Form steckt ein Höchstmass an anspruchsvoller Präzisionsarbeit.

Jedes Stadion ist ein Koloss im Stadtgefüge. Der Massstabssprung zwischen der urbanen Bebauung und einem Schiff, das bis zu 30000 Menschen fasst, ist zwangsläufig gigantisch. Gegen aussen schotten sich die meisten Stadien mit einer abweisenden, geschlossenen Hülle ab – denn alle Blicke richten sich aufs Spielfeld. Für die Stadt Zürich war dieser Aspekt einer der neuralgischen Punkte. Denn das neue Stadion Letzigrund sollte in einem Stadtteil errichtet werden, wo sich im Laufe der Stadtentwicklung Wohn- und Geschäftsquartiere dicht aneinander fügten. Die Anwohner fürchteten den starren Koloss, der mit Ausnahme einiger fulminanter Stunden pro Woche die meiste Zeit über menschenleer, teilnahms- und nutzlos den wertvollen Lebensraum besetzt. Die Architekten entwickelten also ein Konzept für das neue Stadion, das dieses Teil des Stadtgefüges werden lässt. Einmal durch die räumliche Einbindung und Gestaltung, dann durch eine lebendige Nutzung des Areals und der Infrastruktur ausserhalb der Spielzeiten.

Städtebauliche Einbindung

Die Topographie des Ortes kam dieser Idee entgegen. Unter dem bestehenden alten Stadion befand sich nämlich eine ehemalige Kiesgrube, die den Beweis lieferte, dass hier ohne weiteres in den Boden gegraben werden konnte. Als positiver Nebeneffekt wurde das Aushubmaterial auch gleich für die Betonarbeiten der Stadionfundamente verwendet. Analogien fanden die Architekten in antiken Stadien, wie beispielsweise dem Amphitheater von Syrakus, dessen Spielfeld ebenfalls tiefer liegt als die Stadtebene. So kommt es, dass das Stadion sich gegenüber der Stadt lediglich um maximal 14 Meter erhebt, das Spielfeld aber 7 Meter unter dem Stadtniveau liegt. Vom Haupteingang her betritt man das Stadion sogar ebenerdig und flaniert mit einer quasi unbemerkten Steigung von 2 Prozent leicht aufwärts auf einer breiten Promenade mit Blick sowohl auf die Stadt wie in den sich absenkenden Stadionraum. So schiebt sich der Stadionkörper so leise in die Höhe, dass sich das Volumen eher als gebaute Topographie ausnimmt. Die höchste Stelle befindet sich an der dem Eingang gegenüberliegenden Längsseite des Ovals, und von dort aus geht die Neigung wieder abwärts und das Oval schliesst sich. Man muss sich diese Geometrie vorstellen, als liege ein ovaler Suppenteller in leichter Schieflage in einem Sandbett.

Fliegendes Atoll und tanzende Stützen

Das Dach ist ein schützender Baldachin und schwebt wie ein ringförmiges Atoll über der oval geschwungenen Promenade und den Zuschauertribünen. Dieses Dach verkörpert die Dynamik des Geschehens. Seine Untersicht ist glatt und wie mit einem Pinselstrich um die Arena gezogen – zum Spielfeld und zur Stadt hin leicht aufgeworfen. Um diesen schwebenden Effekt zu erreichen, wird das Dach von tanzenden Stützenpaaren getragen, so dass sich der weitläufige Raum unter dem Dach ungerichtet auszudehnen scheint und sich die Dachkante mit dem Himmel verwebt. Diese Stützenpaare stehen nicht nur schräg, wobei jede in eine andere Richtung zeigt, sie sind auch noch in sich verdreht. Die architektonische Idee dahinter ist die Ausblendung ihrer Funktionalität – obwohl diese nicht von der Hand zu weisen ist – zugunsten der visuellen Autonomie des schwebenden Daches. Die Verdrehung ist aber auch das Resultat der unterschiedlichen Geometrien des Tribünenkörpers und des Daches, die auf verschiedenen Radien und Zentren basieren. Die Stützen als Verbindungsstück der beiden Ebenen passen sich an den Stützenfüssen der Geometrie der Tribünen an, an den Stützenköpfen der Geometrie des Daches.

Komplexe Geometrie

Ein Aspekt der geometrischen Eigenheit des Daches ist die Anordnung der innen liegenden, 20 Meter hohen Flutlicht-Masten, welche ein massgebender Faktor der Nachtinszenierung des Stadions sind. Diese Masten sind leicht nach aussen geneigt und säumen in absolut gleichmässigen Abständen den inneren Ring der Dachkante. Das bedeutet, dass die tragenden Achsen des Stadiondaches nicht auf ein gemeinsames Zentrum laufen, was ja sonst in den inneren Kurven des Ovals engere Abstände zur Folge hätte. Zudem ist das Dach auf der Seite der Haupttribüne tiefer, und das Oval selbst ist nicht symmetrisch, sondern hat eine längere grade Längsseite - wegen der Laufbahn für die Leichtathletik- Wettkämpfe - und damit zwei verschiedene Kurvenachsen, nämlich eine engere und eine weitere.

So hat jedes Segment des Daches andere Abmessungen und natürlich auch andere Krafteinwirkungen. Das Stahldach des Stadion Letzigrund hat eine der bisher grössten Auskragungen eines Bauwerks in der Schweiz, nämlich bis zu 33 Meter gegen das Stadioninnere. Insbesondere im Verhältnis zu der Grösse des Daches sind die Stützen überaus filigran. Weit auskragendes Dachtragwerk Haupttragelemente des Stahldaches sind insgesamt 31 Vollwandbinder mit einer maximalen Länge von 40 Metern, die jeweils auf einem Stützenpaar aufliegen. Während die Auskragung über der Haupttribüne 33 Meter beträgt, sind es an der gegenüberliegenden Seite knapp über 20 Meter. Die Träger haben eine variable Höhe zwischen 1.10 und 3.45 Meter, bei einer Länge zwischen 29 und 43 Meter. Auch die Materialdicke der Stahlbleche variiert zwischen 20 bis 100 mm. Das maximale Gewicht eines Trägers liegt bei 52 Tonnen.

Die Binder wurden vorverformt gefertigt, damit sie unter ihrem Eigengewicht die gewünschte Form erhalten. Die Überhöhung an der Spitze des Binders mit der grössten Auskragung beträgt 34 Zentimeter, um nebst der Auskragung auch die Last der daran montierten Lichtmasten zu tragen. Die Felder zwischen den Dachbindern werden von Pfetten überspannt, welche als Durchlaufträger mit Spannweiten bis zu 24 Meter wirken. Die Trägerhöhe der Pfetten ist, bis auf die der innersten Pfette, konstant 60 Zentimeter. Den Dachabschluss am Innenrand bildet ein Profil HEA 700, das über den Stadionkurven um die schwache Achse gebogen ist und sich dem Grundriss der darunter liegenden Laufbahn anpasst. In jedem dritten Dachfeld sind Dilatationsfugen in den Pfetten angeordnet, welche temperaturbedingte Bewegungen zulassen.

Die tanzenden Stützenpaare

Die Stützen sind im Raum geneigt und haben einen sich stetig verjüngenden Querschnitt, wobei Kopfund Fussplatte ausserdem noch zueinander verdreht sind. Die Verdrehung beruht auf der unterschiedlichen radialen Achsenlegung der Tribünengeometrie und der Dachgeometrie. Der Winkel dieser Verdrehung bestimmt auch dieVerdrehung des jeweiligen Stützenquerschnitts und beträgt im Maximum 19 Grad. Weil das Dach über der Haupttribüne höher ist als auf der Gegenseite, haben die Stützen unterschiedliche Längen. Daraus folgt, dass jede Stütze ihre eigene Geometrie und Belastung hat, was für die Berechnung und für die Ausführungsplanung einen grossen Aufwand bedeutete.

Die Stützen bestehen aus kastenförmig geschweissten, tragenden Stahlblechen mit einem inneren Vollstahlkern und wurden nach der Bewehrung mit Beton ausgegossen. Im sichtbaren Bereich wurde wetterfester Stahl verwendet, der eine durch den Rostprozess entstandene rötlich-braune Färbung annimmt, die paradoxerweise gleichzeitig den Korrosionsschutz bildet. Da die Stützen bei der Herstellung im Werk um den entsprechenden Winkel (bis 19 Grad) verdreht werden sollten, musste deren Materialstärke auf maximal 20mm begrenzt werden, damit die Verdrillung überhaupt möglich war. Hülle und Kern Aufgrund der asymmetrischen Auskragung des Daches besteht das Stützenpaar aus einer Zugstütze und einer Druckstütze. Die Druckstützen haben einen grösseren Querschnitt und sind mit Längseisen bewehrt. Zusätzlich verläuft ein runder Vollstahlkern von der Kopfplatte der Stütze in die untere Ecke, wo die grössten Druckspannungen auftreten. Kopfbolzendübel an den Mantelblechen tragen zur Verbundwirkung bei und verhindern das Ausbeulen des Stützenmantels. Im Innern der Druckstützen sind ausserdem Rohre für Elektroleitungen und die Abführung des Dachwassers untergebracht. Die Druckstützen wurden im Werk auf dem Kopf stehend im oberen Teil ausbetoniert und nach dem Aushärten auf die Baustelle geliefert. Zum Zeitpunkt der Montage betrug das Stützengewicht bis zu 18 Tonnen, die fast vollständig in der oberen Stützenhälfte konzentriert waren, während die untere Hälfte zugleich den Bewehrungskorb für die Einspannung in die Auflagerwand bildet und erst nach dem genauen Einpassen ins Fundament einbetoniert wurde.

Die Zugstützen haben einen Zugstützenkern, der aus H-förmig verbundenen Blechen zusammengesetzt ist. Zudem befinden sich um den Stützenkern herum Längseisen. Die Zugkräfte des Kerns werden über Kopfbolzendübel, jene im Stützenmantel über Bewehrungseisen in die Auflagerwand eingeleitet. Am Stützenkopf verbindet ein 650 kg schwerer Doppelbolzen die Zugstütze mit dem Dach. Die Krux der Montage Grundvoraussetzung für das Gelingen dieser überaus komplexen und anspruchsvollen Stahlkonstruktion war natürlich auch eine äusserst genaue Montage, insbesondere der Stützen. Denn eine Abweichung der Stützenköpfe aus ihren Sollpunkten hätte zu einer 10-fach grösseren Abweichung am Innenrand des Stadiondaches geführt. Die Stützen wurden deshalb mit Hilfsstützen und Schablonen in die richtige Position gebracht und erst dann ins Fundament einbetoniert. Die Produktion der Träger erfolgte in zwei eigens dafür eingerichteten temporären Werkstätten in der Nähe der Baustelle. Für den Nachttransport der bis zu 40 Meter langen und 52 Tonnen schweren Träger wurde eine spezielle Auflagerkonstruktion erfunden. Dank einem hydraulischen Raupenkran, der auch eine Neigungskorrektur der Träger in ihrer Längsachse erlaubte, waren Montagezeiten von unter 2 Stunden pro Träger erzielt worden.

Laudatio der Jury

Das Stadion Letzigrund ist der grösste und bedeutendste Schweizer Stahlbau des Jahres 2007. Die anspruchvolle Berechnung und Ausführung der komplexen Dachform erforderte von allen Beteiligten ein Höchstmass an Kreativität und Präzision, welche zudem unter starkem Kosten- und Termindruck geleistet wurden. Das Stadion zeugt von einer poetischen, als städtischer Raum erfahrbaren Sportarchitektur und von der Effizienz und Professionalität der Planung und Ausführung.

10. Dezember 2007 Steeldoc

Limmatsteg mit Promenadenlift, Baden/Ennetbaden

Wegfigur zwischen den Elementen

Wo früher noch eine Seilfähre die beiden Gemeinden Baden und Ennetbaden verband, gibt es heute eine neue Wegverbindung aus einer Brücke und einem Turm. Die Raumskulptur aus einem liegenden und einem stehenden Stahlfachwerk markiert urbane Präsenz und fügt sich stimmungsvoll in die wilde Flusslandschaft ein.

Wo früher noch eine Seilfähre die beiden Gemeinden Baden und Ennetbaden verband, gibt es heute eine neue Wegverbindung aus einer Brücke und einem Turm. Die Raumskulptur aus einem liegenden und einem stehenden Stahlfachwerk markiert urbane Präsenz und fügt sich stimmungsvoll in die wilde Flusslandschaft ein. Das Ensemble ist eine Wegfigur – eine begehbare Skulptur aus einem liegenden und einem stehenden Element des gleichen Typus. Stahl und die filigrane Fachwerkstruktur nehmen Bezug auf die Geschichte Badens als frühe Industriestadt und erste Eisenbahnstation der Schweiz. Das dichte Laub der alten Platanen hängt tief über das grünblaue fliessende Wasser und reicht in der Baumkrone praktisch bis hinauf auf die Stadtterrasse. Die beiden Fachwerkkörper inszenieren diese Bewegung, indem sie die Verbindung über das Wasser und durch die Baumkronen hinauf in die Stadt begehbar und erlebbar machen. Nicht umsonst ist diese Wegpassage seit dem Tag ihrer Eröffnung zur attraktivsten und meistbegangenen Promenade für die Badener und Ennetbadener geworden. Horizontale und vertikale Bewegung Das konstruktive Prinzip des Brücken- und des Turmkörpers ist dasselbe. Über dem Wasser liegt ein räumliches Fachwerk; die beiden Seiten bilden sich aus filigranen raumhohen Fachwerkbindern (Warren- Fachwerk), deren Ober- und Untergurte zusammen mit den Querträgern zu Vierendeelträgern verbunden sind. Dadurch bildet sich quasi ein offener Hohlraum. Dieser Aufbau wiederholt sich im Turm so, als wäre die Brücke lediglich aufgestellt worden. In der Vertikalen wird das Fachwerk jedoch immer körperhafter. Der stehende Fachwerkbinder nimmt zur Hangseite hin skulpturale Masse an und bildet sich oben zu einem geschlossenen Turmkopf aus. Die Passerelle, die vom Turmkopf auf die Stadtterrasse führt, hat zwar noch den Vierendeelträger als Gehweg, doch die tragenden, seitlichen Teile sind als geschlossene Kastenträger ausgebildet. Diese materielle Verdichtung verankert den Turm und die Stadt-Passerelle im Hang und spielt mit Stämmen und dem Geäst des üppigen Baumbestandes.

Die glimmende Farbigkeit

Farblich spielt die Brücke mit dem archaischen Farbton von wetterfestem Stahl (Corten-Stahl). Dieser «Naturton» kontrastiert als Komplementärfarbe mit dem grünen Laub und dem blau-grünen Wasser. Je nach Tageslicht verändert die Brücke ihre Leuchtkraft. Nachts kommt sie durch eine wunderbar inszenierte indirekte Beleuchtung zum Erstrahlen. Die Gehwege sind mit linear geführten Lichtbändern untermalt. Der Widerschein vom engmaschigen Gitterrost der Gehfläche erhellt wiederum indirekt das ganze Stahlskelett und bringt dieses zum Glimmen. Ebenfalls wird die Panorama-Aufzugkabine als vertikale Verbindung mit einem vollflächigen Deckenlicht erhellt. Mit punktuellem Licht wurden die «Orte» markiert, das heisst Vorplätze, Podeste der Evakuationszone, die Schachtgrube des Aufzuges sowie der Aufzugsmaschinenraum.

Aufgelöste Strukturen

Der Brückenkörper ist als aufgelöster Kasten ausgebildet. Läuft man über den Gehweg aus Gitterrost, bemerkt man die Verjüngung der Querschnitte der Ober- und Untergurtprofile. Diese «Ausdünnung» ergibt sich durch die geringere statische Anforderung in der Brückenmitte und führt zu einer höheren Filigranität und Leichtigkeit der Struktur. Auch die Profile des Aufzugsturmes verjüngen sich mit zunehmender Höhe stufenweise, so dass sie der Perspektive entgegenwirken und den Turm optisch verkürzen. So gleicht der Turm in der Ansicht einer Jakobsleiter – aus der Sicht der Aufzugskabine gleicht die Limmatbrücke in analoger Weise einer Wasserleiter, deren verstärkte Enden und die schlanke Mitte den Kräfteverlauf in der Horizontalen abbilden. Hochtransparente Verglasungen trennen beim Turm den eigentlichen Aufzugsschacht von der Evakuationszone. Die lautlose Fahrt durch die Turmstruktur von der Stadtterrasse über den Ölrainhang hinunter zur Limmatpromenade hat etwas Befreiendes und eröffnet dem Betrachter verschiedene Perspektiven auf den Flussraum, die üppige Vegetation und die Konstruktion selbst. Bei der Brücke bilden die gleichen Verglasungen die Geländerbrüstungen. Das Glas wurde zum Schutz der Vögel mit Ornamenten bedruckt – ein Beitrag des Künstlers Beat Zoderer an die «Kunst am Bau». Durch die Gitterroste des Gehbelags sieht man das Wasser fliessen.

Spektakuläre Montage

Der Einsatz von Stahl ermöglichte die Vorfabrikation der Bauteile in der Werkstatt, was den beengten Platzverhältnissen und der schützenswerten Umgebung Rechnung trug. Durch die gewählten Querschnittsabmessungen konnte beim Steg auf einen Mittelpfeiler in der Limmat verzichtet werden. Der Steg wie auch der Liftturm wurden in je zwei Teilen mit Spezialtransporten auf die Baustelle gebracht. Die zwei Teile des Steges wurden auf dem Montageplatz auf Ennetbadener Seite verschweisst. Dann erfolgte die Montage des 52 Tonnen schweren Steges mit Hilfe eines 500-t-Raupenkranes. Dank dem Einsatz eines so grossen Kranes konnte auf ein Hilfsjoch in der Limmat verzichtet werden. Die beiden Teile des Liftturmes (je 24 Tonnen schwer) wurden ebenfalls von der Ennetbadener Seite aus versetzt und erst in ihrer endgültigen Lage miteinander verschweisst. Das Versetzen der 12 Tonnen schweren Passerelle erfolgte mit einem 120-t- Pneukran von der Oelrainstrasse aus.

Laudatio der Jury

Von der Jury gewürdigt wurde die Angemessenheit des Eingriffs in einem sensiblen Gefüge aus Urbanität und Naturlandschaft. Die Wahl des Tragsystems, die Materialisierung sowie die sorgfältige und detailgenaue Ausformulierung der architektonischen und strukturellen Idee trägt dieser Lage Rechnung. Die Vorfertigung im Werk und die spektakuläre Montage am Stück zeigen die Qualitäten des klassischen Stahlbaus auf, die jedoch zu einer eigenständigen, bewegenden Interpretation des Ortes und seiner Erschliessung geführt haben.

26. April 2007 Steeldoc

Die Arche Noah an der Seine

Im Pariser Musée du Quai Branly fusionieren Architektur und Stammeskunst zu einem Gesamtkunstwerk. Der Neubau von Jean Nouvel ist ein schwebendes Brückengebäude aus Stahl, das im Innern einen einzigen grossen Ausstellungsraum formt.

Das Museums für aussereuropäische Kunst und Kultur in Paris, nach seiner Lage am Quai Branly kurz «Musée du Quai Branly» genannt, ist der erste Pariser Museumsneubau seit dem prominenten Centre Pompidou aus dem Jahre 1977. Und es ist das einzige «Grand projet», das unter dem Präsidenten Jacques Chirac realisiert wurde. Trumpf des Museums ist die Architektur von Jean Nouvel, dem eine beeindruckende Fusion von Form und Inhalt gelungen ist. Am Quai Branly, der an der Seine entlang von der Esplanade des Invalides zum Eiffelturm führt, empfängt den Besucher eine 12 Meter hohe geschwungene Glaspalisade mit Pflanzen-Serigraphien, hinter der kleine Pfade durch eine Hügellandschaft mäandern. Diese führen zur Museumsgalerie, einem 220 Meter langen, geknickten Kastenbau, der zum grössten Teil auf 26 aleatorisch verteilten Pfeilern steht. Markant stechen aus der Nordfassade dreissig «Schachteln» heraus, auf deren Glasrauten blaugrüne Landschaftsbilder gedruckt sind. Diese Schachteln sind mit Holzpaneelen in kräftigen Farben verkleidet und formen im Innern des Ausstellungsraumes intime Kammern, die der Inszenierung besonderer Stücke dienen. Die Fassadengestaltung soll Hütten vor einem Urwald evozieren. Gekrönt wird der ganze Bauteil von der flachen Glaskuppel des Museumsrestaurants.

Schwungvoller Aufstieg in den Dschungel

Unter der 10 Meter hohen Brücke hindurch gelangt der Besucher zu einem «Tal», das zum Haupteingang führt. Auf dieser Seite des von Gilles Clément gestalteten Parks wachsen Kirsch- und Magnolienbäume, und zwei Becken mit Wasserpflanzen bilden eine Art natürliche Grenze zur Rue de l'Université. Betreten wird das Museum durch eine blendend weisse und kreisrunde Galerie: Ihr Herzstück ist ein durch alle Stockwerke hindurchragender transparenter Zylinder, in dem die Sammlung von 9000 Musikinstrumenten Platz gefunden hat. Membranen an der Aussenhaut des Glaskörpers übertragen die Klänge Trommeln, Leiern oder Pfeifen als leises, akustisches Flüstern.

Von der Empfangshalle aus steigt eine 180 Meter lange sinusförmige Rampe um den Zylinder herum zur Galerie empor und schwingt sich über einen 2000 Quadratmeter grossen Raum für Wechselausstellungen. Dann verengt sich der Weg zu einem dunklen Tunnel und mündet endlich in die Weite des Ausstellungssaals. Dieser Aufgang ist eine Mischung aus Initiationsweg und Entdeckungsreise.

Die 4750 Quadratmeter grosse Galerie verzichtet völlig auf Wände, ist aber wegen der Dichte der Ausstellungsvitrinen nie ganz zu überblicken. Die 9 Meter hohe, bis zu 35 Meter breite und rund 200 Meter lange Halle durchzieht in der Länge ein zentraler Zirkulationsweg, der durch eine Art Wall eingefasst wird. In diesen mit Leder tapezierten Wall sind Sitzgelegenheiten und interaktive Bildschirme eingelassen. Den zentralen Weg umgeben die vier geographischen Abteilungen: Afrika, Amerika, Asien und Ozeanien. Die Farbe des Bodens zeigt jeweils an, in welcher Weltgegend man sich befindet. Von den rund 300 000 Objekten sind 3 500 dauerhaft in der Galerie zu sehen, die übrigen sollen innerhalb der kommenden 12 Jahre in Wechselausstellungen gezeigt werden.

Struktur und Fassade

Der 220 Meter lange Baukörper besteht aus zwei unabhängigen Teilen, die durch eine Dilatationsfuge voneinander getrennt sind. Die beiden Geschossdecken werden aus einem geschweissten Gitterwerk aus Stahlbalken gebildet und ruhen auf Rundrohrstützen aus Stahl, die oben und unten gelenkig gelagert sind. Die Aussteifung in Querrichtung wird durch drei Stahlbetonkerne im westlichen Teil sowie durch einen Stahlbetonkern und einem Stahlrahmen im östlichen Teil erreicht. Acht horizontale Verstrebungen, die einerseits an den Betonkernen, andererseits am Stahltragwerk der beiden Geschossebenen fixiert sind, gewährleisten die Abtragung der Horizontalkräfte.

Die Decken bestehen aus einer Verbundkonstruktion aus Betondeckenelementen auf Stahlkoffern. Die Galeriegeschosse mit einer Fläche von 2000 Quadratmetern sind von den Balken der obersten Terrassendecke abgehängt. Die Fassade zur Seite des Quai Branly ist am obersten Dachrand aufgehängt und besteht aus einem Rautengitter aus Rundrohrprofilen, von aussen mit Kastanienholzlatten beplankt.

Verwaltung, Medienzentrum und Universität

Neben dem Ausstellungsgebäude steht direkt am Seineufer der Verwaltungsbau des Museums in einer von Vegetation überzogenen Verkleidung: Es ist eine tropisch-grüne, tropfende Fassade, überwuchert von einem dichten Pelz aus 180 verschiedener Pflanzenarten – ein hängender Garten auf Polyamidfilz. Dahinter folgt, durch luftige Gangways mit dem Bürotrakt verbunden, das Medien-Zentrum: Vertikale Metall-Läden, die auf roten, Samurai-Schwertern ähnelnden Schienen laufen, begrenzen den Lichteinfall des Hinterhauses, in dem die Bibliothek (mit 180 000 Bänden), die Photo- und die Musik-Sammlung untergebracht sind. Zur Parallelstrasse abgeschlossen wird das Gelände durch das schlichte Universitätsgebäude. Seine Signaturen sind, durch die Glasfassade erkennbar, schwarz-weisse Ornamente und Deckengemälde, gestaltet von acht Künstlern: Ureinwohnern aus Australien (nicht abgebildet).

26. April 2007 Steeldoc

Aus dem Laib des Berges

Das Material aus dem Berg wurde am Gotthard zu einem Volumen geschnürt, um daraus eine Gedenkstätte zu machen. Im Innern bilden Stahl und Glas eine filigrane Vorrichtung für eine lebendige Ausstellung, welche die Geschichte des längsten Eisenbahntunnels der Welt erzählt.

Der Basistunnel durch den Gotthard wird vermutlich im Jahre 2013 den Norden der Schweiz mit dem Süden verbinden. Das Jahrhundertbauwerk von 57 km Länge hat eine Bauzeit von rund 25 Jahren und wird das Herzstück der neuen Hochgeschwindigkeitslinie durch die Alpen sein. Mit bis zu 250 km/h werden dann die neuen Personenzüge durch den längsten Eisenbahntunnel der Welt rasen. Rund 24 Millionen Tonnen oder 13,3 Millionen Kubikmeter Ausbruchmaterial soll am Ende bei der Untertunnelung angefallen sein – das entspricht dem fünffachen Volumen der Cheopspyramide. Der grösste Teil davon wird sofort wieder zu Beton gemischt. Ein anderer Teil wird für die Errichtung von zwei Besucherzentren verwendet, welche das Nord- und Südportal flankieren.

Ein Besucherzentrum wurde bereits fertiggestellt. Es setzt ein deutliches architektonisches Zeichen vor das Südportal und soll damit für Besucher und Reisende eine nachhaltig positive Wahrnehmung der neuen Gotthard-Achse auch nach Abschluss der Bauarbeiten sicherstellen. Das rohe, dem Berg entnommenen Material ist integraler Bestandteil sowohl des Gebäudes wie der Ausstellung, die auf sinnliche Weise in die Thematik des Tunnelbaus herantastet. Der Besucher wird von der steinernen Materie gefangen genommen, soll ihre Masse fühlen, ihre Trägheit und Wucht. Erzählt wird die Geschichte einer bisher 18 Jahre dauernden Baustelle.

Stahlstruktur und Steinhülle

Für die Hülle des Gebäudes wurden die aus dem Berg gesprengten Gneisbrocken mit einer Korngrösse von 10 bis 15 Zentimeter verwendet. Mit Steinschlagnetzen ist das grobe Material in «Form» gebracht und zu grossen, quaderförmigen Paketen verschnürt. Diese Pakete bilden die räumliche Grundstruktur des Besucherzentrums.

Die Hauptnutzungen sind als leichte, zweigeschossige Stahlkonstruktion in einer lang gestreckten Glasvitrine, die zwischen die Steinpolster geklemmt ist, untergebracht. Die Nebenräume sind als massive Stahlbetonkuben in die Steinschüttungen integriert oder durchdringen diese, um als gerahmte «Monitore » an der Aussenfassade den Blick auf das Geschehen im Inneren freizugeben. In den Kuben befinden sich die Verkaufszone, ein Bistro, sowie Tagungs- und Konferenzräume.

Flexible Ausstellungsflächen

Im Innenraum kontrastieren die Hightech-Materialien Stahl und Glas mit dem natürlichen Urgestein des Berges. Lichtprojektionen auf den Glasflächen, textile Membrane, Flachbildschirme und Multimedia-Technik finden hier ein faszinierendes, archaisches Bühnenbild. Die flexible Gestaltung der Ausstellung ist ohne grossen materiellen Aufwand möglich. Hier lebt der Kontrast zwischen den titanischen Anstrengungen, die Materie zu durchdringen um Verbindung zu schaffen, mit der luftgleichen Leichtigkeit zeitgenössischer Kommunikation. Zu hoffen bleibt nun, dass auch das Pendant im Norden zu seiner Manifestation kommt.

9. Februar 2007 Steeldoc

Industriebau aus dem Baukasten

Stahlprofile eignen sich für modulare und flexible Bausysteme. Seit den frühen 60er Jahren wurde in der Schweiz an solchen Systemen gearbeitet, um sie für die Nutzung und die Anforderungen des Industriebaus zu optimieren. Einer der Pioniere des Systembaus in Stahl ist Fritz Haller, der mit seiner Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Schweizer Stahlbaukultur geleistet hat.

Fritz Haller gehört zu den Vertretern der so genannten «Solothurner Schule» – ein Begriff, den die Architekturkritik für eine Gruppe von Architekten verwendet, die sich in den 50er und 60er Jahren der Verwirklichung eines funktionalen und pragmatischen architektonischen Konzeptes verschrieben hatte. Die geografische Zuordnung war eher zufällig, als dass sich daraus eine Zugehörigkeit hätte ableiten lassen. Nebst Fritz Haller zählt man Namen dazu wie Alfons Barth, Franz Füeg, Max Schlup und Hans Zaugg. Sie bauten Schulen, Kirchen, Verwaltungsgebäude und Produktionshallen – losgelöst von der Idee der Anpassung an den historischen Kontext. Charakteristisch für ihre Arbeit war das Zusammenfügen vorgefertigter Teile und das Denken in «mechanischen Systemen», die auf die Optimierung konstruktiver Lösungen abzielten.

1963 realisierten der Architekt Fritz Haller und der Ingenieur Paul Schärer ein Fabrikationsgebäude für Fensterbeschläge, sowie ein dazugehöriges Bürogebäude in Münsingen im Kanton Bern und die passenden Büromöbel dazu. Es entstanden die Baukastensysteme MAXI, MIDI, MINI und das Möbelsystem unter dem Namen USM Haller. Noch heute, über 40 Jahre später, ist das Möbelsystem USM Haller unverändert und eines der weltweit erfolgreichsten Beispiele des Systemmöbelbaus. Die Stahlbau-Systeme sind modular aufgebaut und berücksichtigen Installationsführung, Nutzungsfreiheit und Erweiterbarkeit. Seit den 60er-Jahren werden damit Schulen und Produktionsgebäude gebaut, wie beispielsweise das Ausbildungszentrum der SBB in Murten oder der Naturwissenschaftstrackt der Kantonsschule in Solothurn. Die Weiterentwicklung eines System-Modells für hochinstallierte Gebäude blieb über Jahrzehnte eine Herausforderung für den Architekten Fritz Haller, die er in seinem Büro in Solothurn und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Industrielle Bauproduktion der TU Karlsruhe zu einer lebendigen Forschungsarbeit machte. Er erhielt 1992 den Ehrendoktor der Ingenieurwissenschaften der Universität Dortmund.

Im nachfolgenden Beitrag schildert Fritz Haller seine Überlegungen und Beweggründe, die zur Entwicklung der Stahlbausysteme führten und welche Grundsätze auch heute für das industrielle Bauen gültig sind. Wir danken Fritz Haller für die Autorschaft.

2. November 2006 Martin Mensinger
Ralph Schläpfer
Steeldoc

Gemischtes Doppel: Stahl und Holz im Verbund

Leicht, ökologisch, montagefreundlich – Holz- und Stahlbau haben viele gemeinsame Stärken. Und wo sie sich unterscheiden, lassen sie sich ideal ergänzen. Ist der Stahlbau für eine flexible und schlanke Tragstruktur geeignet, bietet ihm der Holzbau flächige und leistungsfähige Decken- und Wandelemente, welche die gewünschte Behaglichkeit der Räume mit sich bringen.

Für viele Bauherren und Investoren ist die umweltfreundliche und schonende Bauweise heute zu einem Image-Faktor geworden. Der Holzbau gewinnt in der Schweiz an Terrain – auch bei öffentlichen und mehrgeschossigen Bauten. Der Stahlbau macht mit ausserordentlichen Tragstrukturen, mit leichten und filigranen Überdachungen und Brückenbauten von sich reden. Im angelsächsischen Raum ist der Stahlbau auch im Geschossbau und oft im Wohnungsbau die führende Bauweise. Schlank, leicht und umweltfreundlich zu bauen hat Zukunft. Angesichts der sich rasant entwickelnden Nutzungsanpassungen von Gebäuden und der Belastung durch Baulärm, Staub und Behinderungen bei Bauvorhaben, sollte die schnelle, effiziente und praktisch fehlerfreie Leichtbauweise aus Holz- und Stahlelementen als Standard gelten. Warum heute der Grossteil der Bausubstanz noch aus Beton gebaut wird, liegt wohl am vermeintlichen Planungsaufwand, den Architekten und Ingenieure fürchten, wenn sie sich an eine Bauweise wagen, deren Lösungen ihnen weniger geläufig sind.

Gemeinsame Stärken Für die gemeinhin angenommenen Schwächen wie Schallschutz, Brandschutz und Korrosions- bzw. Holzschutz kommen heute bewährte Lösungen und Konstruktionsprinzipien zur Anwendung, deren Bekanntheitsgrad zugunsten der hybriden Bauweise gefördert werden sollte. Holz ist atmungsaktiv und gleicht den Feuchtigkeitshaushalt der Räume aus, was sowohl im Winter als auch im Sommer eine angenehme Klimati- sierung der Raumluft bewirkt. Holz wächst nach und bindet CO2. Der Stahlbau glänzt mit den höchsten Recyclingwerten aller Baustoffe, hat eine lange Lebensdauer und lässt sich umweltschonend und sparsam montieren und demontieren. Beide Bauweisen garantieren kürzeste Bauzeiten und grosse Flexibilität in der Erweiterung, Ergänzung oder Umnutzung von Bauten. Im Doppelpack ist also die Stahl-Holzbauweise punkto Nachhaltigkeit kaum zu übertreffen.

Verbindung von Holz und Stahl Holz und Stahl sind seit jeher Zweckgemeinschaften eingegangen – gerade bei Verbindungen. Einer der ersten Stahlbauten der Geschichte ist die Brücke von Coalbrookdale in England aus dem Jahr 1779. Während sie sich formal an den Bogenbrücken aus Mauerwerk orientiert, ist ihre Verbindungstechnik aus dem Holzbau entlehnt. Da zum Zeitpunkt des Baus weder das Nieten, das Schrauben noch das Schweissen erfunden waren, sind die Verbindungen wie im Holzbau «verzapft».

Die Entwicklung der verschiedenen Verbindungstechniken verhalf dem Stahlbau zu seiner Stellung als schnelle und industrielle Bauweise, sie ermöglichte indirekt auch den Erfolg des modernen Holzbaus. Ohne die leistungsfähigen Verbindungselemente aus Stahl wären die heute realisierten Holzbauten praktisch undenkbar, denn mit den traditionellen Verbindungstechniken lassen sich nur relativ geringe Kräfte übertragen. Stahl dient dem Holzbau zudem zur Aussteifung und Stabilisierung und zur Überbrückung grosser Spannweiten. Wird Stahl generell für die Tragstruktur und Holz für die flächigen Elemente eingesetzt, kommen die Stärken beider Materialien sinnvoll zum Tragen.

Vorfabrikation und Modularisierung Sowohl der Stahlbau als auch der Holzbau beruhen auf der industriellen Vorfertigung. Dies bedingt eine präzise Planung und legt die Standardisierung und Modularisierung von Bauelementen nahe. Im Stahlbau wurde die Idee der Modularisierung bereits an der Londoner Weltausstellung 1851 im Kristallpalast von Paxton unter Beweis gestellt. Mit einer Gesamtfläche von rund 93’000 m² ist er bis heute wahrscheinlich der grösste Modulbau. Die Idee des modularisierten Bauens ist dem Stahlbau in vielfältiger Form erhalten geblieben: Der Stahlbaumarkt bietet unzählige Systeme für unterschiedlichste Zwecke an. Auch im Holzbau wird im Werk vorfabriziert, oft kommen ganze Hausteile mitsamt Isolation, Installationen und Öffnungen auf die Baustelle und werden dort nur noch zusammengefügt. Gerade bei mehrgeschossigen Bauten ist die Modularisierung der Decken- und Wandelemente ein entscheidender Kostenfaktor. Bei der Kombination beider Bauweisen kann auf ähnliche Fertigungs- und Montagetechniken zurückgegriffen werden, was die Schnittstellen vereinfacht.

Flächenelemente aus Holz Im Holzbau stehen eine Vielfalt von flächigen Decken- und Wandelementen als ausgereifte Produkte zur Verfügung. Hohlkastenelemente, Brettstapeldecken oder massive Brettschichtholzplatten usw. bieten sich als schlanke Deckenkonstruktionen an. Viele dieser Produkte haben gute bis sehr gute Trittschallwerte und eignen sich teilweise auch als Akustikdecken. Die Installationsführung kann durch die Hohlkastenelemente gezogen werden, so dass die Untersicht der Decken und somit die Holzsstruktur sichtbar bleibt. Sind die Stahlträger in die Decke integriert, so ist der Deckenquerschnitt erheblich schlanker, was Raum spart und eine flächige Wirkung der Deckenuntersicht ermöglicht. Unter Umständen kann beim Brandschutz des Stahlträgers auch die Holzüberdeckung berücksichtigt werden. Hohlkasten- oder Massivholzdecken sowie beplankte oder Massivholzwände erreichen je nach Abmessungen ohne weiteres einen Feuerwiderstand von 30 bis 60 Minuten.

Brandschutz Holz brennt, aber isoliert, und Stahl brennt nicht, aber erwärmt sich rasch. Beide Baustoffe haben also ein spezifisches Brandverhalten. Im Holzbau wie im Stahlbau sind in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte im Brandschutz gemacht worden. Die neuen Brandschutzvorschriften berücksichtigen standardmässig bauliche und technischen Massnahmen (Sprinkleranlagen). Drüber hinaus kann ein objektbezogenes Konzept mit technischen und organisatorischen Massnahmen weitergehende Erleichterungen bringen, wenn das Schutzziel gleichwertig erreicht wird.

Massgebend für den Brandschutz von Tragstrukturen ist grundsätzlich die Dauer des Feuerwiderstandes (R) eines Bauteils, zudem ist bei flächigen Bauteilen die Fähigkeit zur Bildung von Brandabschnitten, d.h. die Dichtigkeit (E) sowie die Isolationsfähigkeit (I) zu berücksichtigen. Beim Zusammenspiel der beiden Baumaterialien kommt den Stahlbauteilen im Wesentlichen nur tragende Funktion zu (R), Holzbauelemente können zudem auch brandabschnittsbildende Wirkung haben (EI). Holzbauteile erreichen heute mit geeigneten Massnahmen die Klassen REI 30 und REI 60, womit auch mehrgeschossige Bauten in Holz möglich werden. Wird das Tragwerk aus Stahl erstellt, muss dieses den geforderten Feuerwiderstand erfüllen (z.B. R 30 oder R 60), die flächigen Holzelemente dienen dann zur Bildung von Brandabschnitten (EI 30 oder EI 60). Die Dichtigkeit wird durch die Ausbildung der Fugen definiert.

Sowohl Stahl- als auch Holzbauteile lassen sich durch Überdimensionierung, Verkleidung oder durch technische Massnahmen schützen. Sprinkleranlagen bieten für beide Bauweisen erhebliche Erleichterungen: bei tragenden Bauteilen erlauben die Brandschutzvorschriften, dass die Anforderung an die Feuerwiderstandsdauer bei vielen Nutzungen ohne speziellen Nachweis um 30 Minuten reduziert werden darf, oder es kann beim Holz auf nicht brennbare Verkleidung verzichtetet werden. Eine grosse Neuerung für den Stahlbau bringen Brandschutzanstriche bis zur Feuerwiderstandsklasse R 60, so dass Stahlträger und Stützen in den meisten Fällen auch in Bauwerken mit hoher Brandbelastung sichtbar bleiben können.

Zur Lösung des Brandschutzes sei hier auf die einschlägige, aktuelle Literatur zum Brandschutz verwiesen, welche die geeigneten Brandschutzmassnahmen und Nachweise leicht verständlich und nachvollziehbar vermittelt. Sowohl die Publikationen des Stahlbau Zentrums Schweiz als auch der Lignum wurden von der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen als «Stand der Technik-Papier» akzeptiert und können zur Brandschutzplanung verwendet werden. Sie sind hier unter «Literatur» aufgeführt.