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Profil

Studium an der TU Dresden, ab 1991 an der Universität für angewandte Kunst in Wien
1996 – 2000 Projektleiter im Architekturbüro Delugan_Meissl, Wien
2000 Mitbegründer und Teilhaber des interdisziplinären Architektur- und Designbüros Superreal mit Sitz in London und Wien
2000 – 2012 Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Architektur
Seit 2005: Büro Döllmann Design + Architektur

Lehrtätigkeit

2005 – 2008: Lehrauftrag an der Kunstuniversität Linz, Institut für Raum&Designstrategieen

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Bauwerke

Presseschau

2. Dezember 2025 Harald A. Jahn
Spectrum

Sie mögen, wie unsere Straßenbahnen aussehen? Dieser Mann ist dafür verantwortlich

Brüssel, Wien – und nun auch Graz. Die von Peter Döllmann designten Straßenbahnen prägen das Bild von immer mehr Städten.

In den vergangenen Jahren hat sich das Image des öffentlichen Verkehrs gewandelt. Waren die altersschwachen „Bims“ in den 1970er-Jahren noch eine ungeliebte Notlösung für alle, die sich kein Auto leisten konnten, wurde die Netzkarte für den öffentlichen Verkehr inzwischen zu einem Lifestyle-Accessoire. Auch Wien hat die Straßenbahn wiederentdeckt, neue Linien wurden eröffnet, weitere sind in Bau. Der „Flexity“ ist dabei das Aushängeschild der Wiener Linien, entworfen hat ihn Peter Döllmann, Architekt und Industriedesigner. Aber es ist nicht sein einziger Flexity: Während in Wien gerade die letzten Züge ausgeliefert werden, rollt das neueste Modell gerade in Graz auf die Gleise. In Brüssel haben sich die Menschen dagegen längst an den dortigen Wagen mit seinen Anklängen an Jugendstilformen gewöhnt.

Züge sollen Stadtbild beruhigen

„Die Straßenbahn soll sich in das Bild der Stadt einschreiben“, meint Döllmann. Er hofft, dass sein markanter Wagen den Wienern bald ebenso vertraut ist wie die rot-weißen Hochflurwagen, die nun langsam von den Straßen verschwinden. Da aktuelle Elektroautos die Antriebstechnik in „zackiges“ Design übersetzen und aggressiv wirken, vermeidet Döllmann solche Formen, die Züge sollen das Stadtbild beruhigen.

Anders als bei Konsumgütern steht bei Industrial Design nicht die äußere Form im Fokus, sondern die Funktion. Solides Ingenieurwissen macht den Unterschied, eine Designausbildung reicht nicht, die Verbindungen zum Maschinenbau sind stark. Das Straßenbahndesign muss unterschiedliche Nutzergruppen zufriedenstellen und sich gleichzeitig jahrzehntelang täglich bewähren. Und sie prägen das Bild der Stadt auf Jahrzehnte. Ein Pkw ist nach einigen Jahren obsolet, die ältesten in Wien verkehrenden „Bims“ sind dagegen seit den 1970er-Jahren unterwegs!

Es wird um Millimeter gerungen

Während in Eisenbahnzügen viel Platz für alle Komponenten ist, müssen sich Tramways durch enge Altstädte schlängeln und die Dimensionen ihrer Vorgänger einhalten. Das Fahrwerk muss extrem kompakt konstruiert werden, um im Fahrgastraum möglichst wenig zu stören. Dabei werden die Sicherheitsnormen ständig angepasst und verschärft: Vor dem Fahrerplatz sind Crashdämpfer und viel Technik verbaut, hier wird um Millimeter gerungen, um über all das ein immer noch attraktives Frontdesign zu stülpen. Die Annäherung an die endgültige Form ist dabei von unzähligen Entwicklungsschritten geprägt, ein Friedhof von mindestens 100 3D-Modellen ist Ergebnis dieses Vortastens.

Fahrgäste wollen Griffstangen nicht angreifen

Die Abstimmung des Innenraums ist ein noch längerer Prozess. In vielen Städten hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass hochwertige Umgebung und WLAN im Wagen Vandalismusschäden stark reduzieren. „Nudging“ heißt das Zauberwort: Designentscheidungen lenken die Nutzer, ohne dass sie es spüren. Die französische Designerin Régine Charvet-Pello hat etwa fünfzehn Verkehrsbetriebe beraten, sie sagt: „Design dient nicht nur der Optik. Wir sprechen die Gefühle der Menschen an und steuern ihr Verhalten unbewusst. Aber wir gehen weiter und beziehen uns auf die Geschichte der jeweiligen Stadt, auf ihren Charakter. Auch das Sounddesign korrespondiert damit – für die Haltestellenansagen werden oft lokal bekannte Sprecher eingesetzt, typische Melodien leiten die Durchsage ein. Die Materialwahl bestimmt mit, wie sauber das Verkehrsmittel empfunden wird. Die von Tausenden Menschen angefassten Griffstangen werden als unhygienisch empfunden, so legen wir viel Augenmerk auf Material und Textur, aber auch auf die Form: Viele Fahrgäste haben kleine Strategien, um die Stangen nicht angreifen zu müssen, sie nutzen die Armbeuge oder lehnen sich nur dagegen; die Form der Haltegriffe sollte dem entgegenkommen.“

Leider ist gerade in Wien bei der Innenausstattung viel Luft nach oben. Während man in Brüssel oder Linz auf Ledersitzen Platz nimmt, sitzt man in Wien auf roten Plastikpritschen, obwohl die Mehrkosten für derartige Dinge bei Preisen von zwei bis drei Millionen pro Wagen nicht ins Gewicht fallen.

Der Aufenthalt in vollen Fahrzeugen wird von vielen Menschen als unangenehm empfunden, wie im Lift wird im Gedränge die persönliche Distanzzone nicht eingehalten. Häufig werden daher auch die Sitze so angeordnet, dass die zufälligen Blicke der Menschen nicht in direktes Anstarren übergehen. Dabei berücksichtigt Design auch Genderthemen: Die Einführung breiterer Mutter-Kind-Sitze war plausibel, inzwischen geht man wieder davon ab, weil sich immer wieder Männer auf dem vermeintlichen Doppelsitz zu jüngeren Frauen dazuquetschen und diese sich belästigt fühlen.
Als Nächstes: Salzburg und Linz

Das aktuellste Projekt von Döllmann ist extrem komplex: Ein „Tram-Train“, der von Eisenbahnstrecken auf urbane Tramwaynetze wechseln kann und unter anderem in Linz und Salzburg umsteigefreie Direktverbindungen zwischen Stadt und Umland schaffen soll. Die verschiedenen Vorschriften von Bahn und Tram sind aber eine Herausforderung, bei der Erfüllung aller Normen kommt es auch zu skurrilen Erfahrungen: Als Behindertenverbände zum Test an einem lebensgroßen Fahrzeugmodell eingeladen wurden, waren die Rollstuhlfahrer vom voluminösen barrierefreien WC wenig begeistert – sie eröffneten den überraschten Planenden, dass sie es in einer schwankenden Straßenbahn sowieso nie benützen würden, zu groß wäre die Sturzgefahr, zu kurz die Reisedauer – ein inzwischen fast typisches Beispiel des Overengineerings aufgrund überzogener Vorschriften und Normen, die nicht nur niemandem nützen, sondern vieles unbezahlbar machen. Statt überschießender Normierung wäre Pragmatismus und regelmäßige Evaluierung angebracht. Älteren Nutzern zuzuhören und deren wirkliche Bedürfnisse zu erfragen, würde wertvolle Erkenntnisse bringen, die beim Arbeiten nach der „reinen Lehre“ übersehen werden. Ein Ausweg scheint allerdings schwer möglich: In den Normungsgremien sind auch Hersteller vertreten, die Interesse am Hochtreiben der Vorschriften haben – Verkehrsbetriebe reden meist nicht mit, und zu gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut.