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Architekturführer KÖLN - Zeitgenössische und Moderne Bauten und Quartiere, Verlag Walther König 2015 (Uta Winterhager, Barbara Schlei, Tobias Groß) ISBN 978-3863357207

Kölner Perspektiven: Städtebau – Architektur – Öffentlicher Raum
Jovis Verlag 2016, Herausgegeben vom Dezernat Stadtentwicklung, Planen, Bauen und Verkehr der Stadt Köln und Haus der Architektur Köln, Autorin Uta Winterhager

Sophie & Hans, Richard, Gustav und du, Kinderführer für das Arp Museum Bahnhof Rolandseck, 2016

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„Schönstes Buch 2016“ Preis der Stiftung Buchkunst für Architekturführer KÖLN - Zeitgenössische und Moderne Bauten und Quartiere, Verlag Walther König 2015 (Uta Winterhager, Barbara Schlei, Tobias Groß) ISBN 978-3863357207

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28. Februar 2025 deutsche bauzeitung

Luftschiffhangar in Mülheim an der Ruhr

Dass ein Luftschiffhangar die Zeppelinform aufnimmt, liegt nahe. Dass die Konstruktion der auch als Eventlocation nutzbaren Halle in Mülheim trotz enormer Spannweite allein aus Holz besteht und das gesamte Gebäude kreislauffähig ist, gelang Smyk Fischer Architekten in einem interdisziplinären Team mit Tragwerksplanern und Maschinenbauern.

Kurz vor der Abfahrt Essen-Kettwig gibt es eine Lücke im Gebüsch an der A52, für einen Augenblick erscheint ein silbrig schimmernder Kokon auf grüner Wiese. Wer hier ortsfremd ist, mag irritiert sein. Wer dagegen im Ruhrgebiet heimisch ist, kennt diese Landmarke und sicher auch ihren ikonischen Vorgänger, der ein wenig an eine dicke grüne Raupe erinnerte. Im November 2023 wurde der neue Luftschiffhangar auf dem Flughafen Essen/Mülheim in Betrieb genommen. Das Mülheimer Architekturbüro Smyk Fischer Architekten wurde von der WDL (Westdeutsche Luftwerbung Theodor Wüllenkemper) direkt mit dem Entwurf eines neuen Luftschiffhangars beauftragt (ab LP5 übernahm Gronau Plan, Wegberg). Nicht unbedingt der Anspruch, der mit dem Neubau der Landmarke verbunden war, sondern die Größe der Aufgabe, die ein Architekturbüro allein nicht würde bewältigen können, ließ Martin Smyk und Patrick Fischer mit großem Respekt an diese Aufgabe herangehen. Sie bildeten frühzeitig ein Team mit einem Tragwerksplanungs- und einem Maschinenbaubüro, in dem sie Höhe und Weite des Raums nicht nur bewältigen, sondern virtuos und nachhaltig gestalten konnten.

Im Kreis gedacht

Da es sich um einen Ersatzneubau für die 33 Jahre alte Halle handelte, waren die Dimensionen des neuen Hangars gegeben. Zwei Luftschiffe sollten auch weiterhin darin parken, »Theo« dauerhaft, »Hugo« zu Wartungszwecken und über den Winter. Doch der Neubau sollte mehr als eine bloße Garage werden, die WDL wollte den großen Raum gleichzeitig auch als multifunktionale Veranstaltungshalle nutzen, ihn wirkungsstark inszenieren können. War 1989 noch eine einfache folienbespannte Stahlkonstruktion ausreichend, wurden mit der erweiterten Nutzung auch die Anforderungen an Wärmeschutz, Schallschutz und Brandschutz deutlich komplexer. Diese ließen sich nur mit einer »harten« geschlossenen Hülle erfüllen. Damit stellte sich dem Planungsteam die nächste große Herausforderung. Denn eine harte Hülle, gleich welcher Art, würde sich nicht so einfach wie beim Vorgängerbau kapuzenartig aufklappen lassen, hier musste eine individuelle technische Lösung entwickelt werden.

Einig waren sich alle Beteiligten darin, dass der Neubau der Halle sowie der Rückbau des Bestands nachhaltig erfolgen sollte. Vier Monate dauerte der Rückbau der 92 m langen, 42 m breiten und 26 m hohen Halle. Sobald Theo im April ins Freie konnte, wurden die PVC-Planen abgenommen, dann die acht Stahlfachwerkträger abgebaut und schließlich Fundamente und Hallenboden abgebrochen. Der größte Teil der Fundamente und des Bodenaushubs konnte vor Ort gebrochen und als RCL-Schotter vor Ort wiederverwertet werden. Für den mittleren Teil des neuen Hallenbodens konnten 750 2 x 2 m große Stahlbetonplatten wiederverwendet werden, die Smyk Fischer zum passenden Zeitpunkt auf einer anderen Baustelle, einem ehemaligen Logistikzentrum, ausbauen ließen. Einige davon tragen noch Streifen einer früher einmal weißen Fahrbahnmarkierung, andere leichte Beschädigungen an den Kanten – keine Makel, sondern Zeichen dafür, dass der viel besprochene Re-Use hier tatsächlich geklappt hat.

An der Grenze des Machbaren

Neben den Argumenten der Nachhaltigkeit sprach bei allen Beteiligten auch eine allgemeine Begeisterung für das Material dafür, den Neubau als reine Holzkonstruktion zu realisieren. Inspiriert von dem im Verhältnis zur Hallengröße filigran erscheinenden Stahlfachwerk des Vorgängerbaus, sollte auch der Holzbau eine entsprechend leichte Ästhetik aufweisen. Konstruktiv wäre die naheliegende Lösung die Verwendung massiver Binder aus Brettschichtholz gewesen, wesentlich attraktiver erschien Smyk Fischer jedoch eine Fachwerkkonstruktion. Bei den gegebenen Maßen von Höhe und Spannweite erreicht man damit jedoch die Grenze des Machbaren. Ripkens Wiesenkämper und Marx Krontal Partner entwickelten eine innovative Tragwerkskonstruktion allein aus Holz. Das aus Brettschichtholz gefertigte Primärtragwerk besteht aus 15 gebogenen Zwei-Gelenk-Rahmen als aufgelöste Fachwerkkonstruktion mit einer Spannweite von 42 m. Eine Richtungsänderung gibt es jeweils an den Kalotten. Die Obergurte und Fachwerkdiagonalen sind zur Aussteifung in die darüberliegende Dachtragschale aus 10 cm dicken großformatigen Brettsperrholzplatten eingespannt. Jeder Träger besteht aus vier vorgefertigten Segmenten, die auf der Baustelle zusammengesetzt wurden. Nicht nur die Stöße der Segmente, auch die 592 Knotenpunkte der Fachwerkträger wurden mit jeweils acht Hartholzdübeln (Ø 25 mm) pro Anschluss von Strebe oder Gurt und vier Knotenplatten aus Furnierschichtholz (27 mm dick) als reine Holzverbindungen hergestellt. Kraftschlüssig wird die Verbindung, wenn das Buchenholz der Dübel nach dem Einfügen in die Bohrung die Feuchtigkeit aus den Trägern (BSH Fichte) aufnimmt und sich ausdehnt. Innovativ ist bei dieser Konstruktion die Übertragung der klassisch zimmermannsmäßigen und auch hier von Hand ausgeführten Holznagelverbindung in den Maßstab des zeitgemäßen Ingenieurholzbaus.

Die Dachschale aus 10 cm dicken großformatigen Brettschichtholzplatten dient nicht nur der Aussteifung der Konstruktion, sondern gewährleistet zudem Schall- und Wärmeschutz. Die erforderlichen Werte werden nach dem Folieren und Abdichten mit einer wiederum 10 cm dicken Schicht Mineralwolle erreicht. Um die charakteristisch gerundete Form des Hangars zu erzeugen, wurde die gesamte Konstruktion mit einer Aluminium-Stehfalzfassade überzogen. Die Hülle ist damit langlebig und wartungsarm und ebenso wie die Konstruktion sortenrein recycelbar. Nur an der Westseite reicht die Fassade nicht bis auf den Boden, hier lässt ein an den langen Flanken auslaufendes Tür- und Fensterband Tageslicht und Gäste in die Halle.

Ästhetischer Mehrwert

Die große Konsequenz der Planung erzeugt nicht nur einen außergewöhnlichen Baukörper, sondern auch einen fast wie das Innere einer Kathedrale wirkenden Raum. Beleuchtung, Rauchmelder und insbesondere die linearen Aluminium-Deckenstrahlprofile der Heizung sind mit eigener Rhythmik schlüssig in die Geometrie des Raums eingefügt.

Zum Ein- und Ausfahren der Luftschiffe muss der Hangar an einer Stirnseite in voller Höhe zu öffnen sein. In einer Machbarkeitsstudie untersuchte das Planungsteam Möglichkeiten zur Öffnung der östlichen Kalotte mit zwei großen Torflügeln und deren räumliche Wirkung. Sie erkannten das Potenzial der Funktion als potente gestalterische Geste, sahen aber auch, dass zur Umsetzung Maschinenbau-Expertise erforderlich war. Dr. Schippke + Partner (Hannover), Experten für bewegliche Brücken, entwickelten für die beiden jeweils 72 t schweren Torflügel eine auf Schienen fahrende Zugmaschine, die das gesamte Element um einen Gelenkpunkt dreht. Der jeweils rund fünf Minuten dauernde Öffnungsprozess wird von drei Personen gesteuert. Im geöffneten Zustand erinnert die Ostansicht des Hangars nun an einen gewaltigen Flügelaltar. Höchste Präzision ist dabei erforderlich, auch bei Wind dürfen sich Tore und Halle nicht bewegen. Dabei gelang es dem Planungsteam, die konstruktiven und technischen Erfordernisse, wie z. B. die massiv ausgeführten Randbinder von Toren und Halle, schlüssig in das System zu integrieren. Wie im gesamten Bau musste nichts kaschiert werden, alles darf ablesbar sein.

Die zum Fachwerk aufgelöste Konstruktion erwies sich als materialeffizient und wirtschaftlich, ein wichtiger Aspekt, da die russische Invasion in die Ukraine zur Bauzeit enorme Auswirkungen auf Preise und Verfügbarkeit von Baustoffen hatte. Mit der integralen und BIM-gestützten Planung und einem hohen Vorfertigungsgrad gelang es, den Hangar inklusive Abriss des Bestands im Zeitraum von April bis Ende Oktober 2022 so weit fertigzustellen, dass Theo vor dem Winter wieder unter das Dach kam. Die Errichtung der reinen Holzkonstruktion dauerte dabei nur zehn Wochen, Ausbau und Restarbeiten waren im August 2023 abgeschlossen. Was der Raumwirkung der Halle sehr zugutekommt, ist, dass sie konsequent ohne Einbauten, vollständig offen geplant wurde. Die dadurch fehlenden Nebenräume (Kantine, Gastronomie und Sanitärbereiche sowie Büros für die Verwaltung) werden in einem Pavillon Platz finden, der derzeit in einem zweiten Bauabschnitt direkt angrenzend errichtet wird. Erst dann wird das bereits mehrfach ausgezeichnete Projekt wirklich fertig sein.

24. Oktober 2022 deutsche bauzeitung

Qualitätsoffensive in maximaler Dichte

Wohngebäude in Düsseldorf

Was noch geht, wenn ein Stadtteil am Limit ist, zeigen TRU Architekten mit dem Wohnhaus Herzogstraße 79a/b in Düsseldorf. Der Neubau, ein Hinterhaus, ist einfach und gut. So ragt er aus dem dicht gewebten Teppich aus Teerpappe und Beton und setzt ein Zeichen für den Neuanfang. Aber reicht Bauen hier?

Die Herzogstraße liegt im Düsseldorfer Stadtteil Friedrichstadt: Hier ist Düsseldorf nicht schick, eher bürgerlich-rustikal und mit 19 984 Einwohnern/km² (Stand 12/2016) vor allem dicht: Es ist der am dichtesten besiedelte Stadtteil Deutschlands. Die Blöcke der gründerzeitlichen Stadterweiterung sind mit rund 190 m Kantenlänge sehr tief, doch anders als zum Beispiel in Berlin ist der Binnenraum vollkommen unstrukturiert. Gewohnt wird im Blockrand, die kleinen Läden, Büdchen und Kneipen im EG zeigen mit dem Herzog im Namen eine gewisse Ortsverbundenheit. Zwischen dem »Durst-Bunker« und einer Autowerkstatt, die zu besseren Zeiten ein Autohaus war, fügt sich ein Wohnhaus in die Reihe, schlichte Nachkriegsarchitektur mit Lochfassade, vier Geschosse auf erhöhten Sockel, Gauben lugen über die Traufe. Etwas außermittig sitzt im EG eine Tordurchfahrt, wie man sie hier häufiger sieht. Meist findet man in den Höfen Werkstätten oder Lager, An- und Weitergebautes, versiegelte Flächen, kein Grün. Lange sah es so auch im Hof der Herzogstraße 79 aus, wo ein kleiner Betrieb Druckmaschinen reparierte. Heute fällt der Blick durch das Tor auf einen noch zarten Ahorn, dahinter eine frische Fassade, eine Eingangstür aus hellem Holz.

Neu denken, neu bauen

Den privaten Eigentümern von Haus und Grund der Hausnummer 79 schien das aufgegebene Gewerbe kein gutes Gegenüber für das Vorderhaus zu sein. So wurde der Bestand im Hof bis auf die an der rückwärtigen Wand gelegene und dadurch einseitig belichtete zweigeschossige Halle reduziert. Darin sollten vier Wohneinheiten entstehen, in einem kleinen Neubau an der östlichen Brandwand zwei weitere, im Hof neben acht Stellplätzen auch etwas Grün.

Nachdem der Architekt, der bereits eine Vorplanung gemacht hatte, plötzlich verstorben war, übernahmen TRU Architekten. In Düsseldorf hatte das Berliner Büro bereits gebaut, eine Nachverdichtung gab es in ihrem Portfolio bis dahin jedoch nicht. Mit dem Ziel eine »relevante Nachverdichtung zu schaffen, ohne dass es unangenehm dicht wird«, so Karsten Ruf (Gründungspartner bei TRU Architekten), analysierten sie die Situation im Blockinnenraum, prüften das Baurecht und erkannten, dass durch einen kompletten Rückbau der verbauten Situation im Hinterhof ein grenzständiger, 15 m tiefer viergeschossiger Neubau mit zwei Höfen, einem sehr funktionalen ersten Hinterhof und einem zweiten Hinterhof als Privatgarten möglich würde. Da Abstandsflächen nur zum eigenen Vorderhaus einzuhalten waren, konnte das Bauvolumen im Vergleich zu der Vorplanung mit Bestand verdoppelt werden. Zwölf neue Mietwohnungen gibt es nun, davon zwei (je 100 m²) barrierefrei mit drei Zimmern im EG, jeweils vier Zweizimmerwohnungen (je 55 m²) im 1. und 2. OG, im 3. OG wieder zwei große Dreizimmerwohnungen. Die Erschließung des achsensymmetrisch geplanten Neubaus erfolgt über zwei getrennte Eingänge und Treppenhäuser.

Viel wenn und aber

Einfluss auf den Entwurf hatte auch ein möglicher Brandfall. Mit ihren Fahrzeugen kommt die Feuerwehr nicht durch die schmale Tordurchfahrt, im Hof muss sie daher mit Handleitern arbeiten. Bis zum 2. OG gelten die als zweiter Rettungsweg, für das 3. OG wurde der baulich über eine Verbindung der beiden Treppenhäuser hergestellt. Die Baustelleneinrichtung und die Transportlogistik für das komplett umbaute Grundstück bezeichnen die Architekten rückblickend als anspruchsvoll. Von der Straße aus wurde ein Kran mit einem Autokran über das Vorderhaus gehoben und dort im heutigen ersten Hinterhof aufgestellt, trotzdem blieben viele Handtransporte. Das Grundstück wurde vollständig geräumt, einzelne Kellerräume blieben und wurden verfüllt, die Bodenplatte perforiert, um Versickerungsfähigkeit herzustellen. Gegründet wurde der Neubau, der ohne Keller auskommen muss, mit Mikropfahlgründung durch die alte Bodenplatte bis in tragfähigen Grund. Gerüste mussten teilweise hängend errichtet werden, da die Garagendächer der Nachbarn nicht belastet werden konnten. Für die Bauherren waren die durch diese Maßnahmen entstehenden Mehrkosten kein Argument gegen die Entwicklung ihres Grundstücks.

Sichtbarkeit

Der im März 2022 fertiggestellte weiße Quader ragt heute scharf geschnitten aus dem niederen Grauschwarzbraun des Blockinnenraums empor. An den schmalen Kopfenden ist er geschlossen. Die Fassaden der beiden langen Flanken sind entsprechend ihrer Ausrichtung unterschiedlich gestaltet. Die Nordseite bildet das Pendant zum Vorderhaus mit einer Interpretation der Lochfassade. Wie eingestreut liegen die Fenster in verschiedenen Größen in der glatt geputzten Fläche. Die Fensterrahmen aus heller Fichte und die angeschrägten Einfassungen aus weißen Aluminiumblechen geben einen kleinen Hinweis auf die Handschrift der Architekten. Nach Süden in den Blockinnenraum gewandt, ist die Fassade voll verglast. Wie ein offenes Regal davorgestellt sind die Balkone; Platten und Schotten sind Sichtbetonfertigteile.

Sicht- und Sonnenschutz bieten die geschosshohen, 60 mm dicken edelstahlbewehrten Glasfaserbetonelemente, die bündig an der vorderen Kante der Balkone sitzen. Je nach Sonnenstand fällt durch das dichte Raster konischer Lochungen ein mit Lichtpunkten gesprenkelter Schatten in die Wohnungen – in die andere Richtung suchen die ersten Triebe der Balkonbepflanzung den Weg zur Sonne. Aus der Nähe zu sehen sind die Lochplatten nur aus dem Garten und von den Balkonen. Nachbarn der umliegenden Blockränder erleben den von TRU Architekten bewusst inszenierten Kontrast der formalen Strenge des aufgeräumten Schachbretts aus offenen und durchbrochenen Flächen zu dem tristen Chaos des Blockinnenraums.

Die Gärten der beiden Wohnungen im EG, die entsprechend ihrer besonderen Lage gestaltet wurden, sind nur aus dem eigenen Haus einsehbar. Noch teilen sie ihr Grün nicht mit der Nachbarschaft, denn die Spitzen der zwei Trompetenbäume werden noch etwas wachsen müssen, bis sie über die Dachlandschaft lugen und andere an ihrem Grün teilhaben lassen. Der erste Hinterhof ist bis auf die Baumscheiben der kleinen Ahornbäume versiegelt, die Oberfläche aus kunstharzversiegeltem Quarzsand im hellen Ton der Fassade wertet den hochfunktionalen Raum auf. Viel Platz für Grün blieb zwischen den zahlreichen Funktionen nicht, denn außer dem Zugang zum Hinterhaus mussten hier zwei Stellplätze (die übrigen konnten abgelöst werden), eine Rampe zum Fahrradkeller im Vorderhaus, Fahrradständer, eine neue Spindeltreppe als zweiter Rettungsweg fürs das Vorderhaus und zahlreiche Mülltonnen Platz finden.

Ist dies der Anfang?

Unumgänglich ist heute die Frage nach der Nachhaltigkeit des Projekts. Die Haustechnik ist da zu nennen, sicher auch die Tatsache, dass von der zuvor vollständig versiegelten Fläche nun gut ein Drittel entsiegelt oder vegetativ angelegt wurde. Rechnet man Garten, Baumscheiben und Gründach zusammen, liegt die Maßnahme deutlich über den im Bebauungsplan geforderten 20 Prozent Vegetationsfläche. Vorrangig für Karsten Ruf ist jedoch der Aspekt der Nachverdichtung. Während auf der grünen Wiese Ackerland Acker bleiben soll, bieten Höfe wie dieser ein großes Potenzial, den in den Innenstädten verzweifelt gesuchten Wohnraum neu zu schaffen und den Bestand gleich mit aufzuwerten. Wenn die Eigentümer wie in diesem Fall Bestandshalter (keine Projektentwickler) sind, ist es auch möglich, die neu geschaffenen Wohnungen für eine ihrer Lage und Qualität angemessene Miete anzubieten.

Beim Ortstermin mit Anno Lingens lässt uns ein Mieter einen Blick in sein Wohnzimmer werfen, die Nachbarn aus Vorderhaus, Autowerkstatt und Getränkehandel grüßen uns, man kennt sich offenbar. Auch während der Bauzeit sei das Verhältnis freundlich und kooperativ gewesen, was der Durchführung der Baumaßnahme in dem dicht bebauten Gefüge zugutekam. Jeder, dessen Wohnung ein Fenster in den Blockinnenraum hat, sieht den markanten Neubau im Hof der Herzogstraße 79. Sicherlich ist dies ein Pionierprojekt, eines, das Interesse weckt und Nachahmer finden wird.

Allerdings muss man sich genau hier auch die Frage stellen, wie viel Nachverdichtung der dichteste Stadtteil Deutschlands überhaupt noch verträgt. Genau durch dessen Mitte führt die Corneliusstraße, die stickigste Straße Düsseldorfs (Rheinische Post), Messungen belegen dies. Hier gibt es wenig Grün, die Hochsommerhitze steht zwischen den Häusern. Natürlich bieten die Höfe noch Flächen und untergenutzte Bausubstanz, sogar Leerstand im großen Maßstab, wie die seit 2013 geschlossene Immanuelkirche (Heinz Kalenboom, 1966), die im selben Block wie das hier besprochene Projekt liegt. Bauen alleine wird diesen Lebensraum nicht besser machen, nur noch dichter.

8. Mai 2019 deutsche bauzeitung

Freiheit im Raster

Akademie für Internationale Zusammenarbeit in Bonn

Die Architektur des neuen AIZ-Gebäudes sollte das Lernen nicht linear, sondern neugierig suchend, offen und reflektierend abbilden. Daraus resultiert eine schwarmartige Struktur, die von dem systemimmanenten Widerspruch aus Strenge und Freiheit des intelligenten Holzskelettbaus profitiert.

Es ist ruhig in Röttgen, Einfamilienhäuser vergangener Jahrzehnte säumen den Waldrand, der das Ende des Bonner Stadtgebiets markiert. Bewusst zurückgezogen unterhält die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) hier, neben dem im Regierungsviertel, ihren zweiten Bonner Standort. Eine Erweiterung erfuhr der Bestand mit dem Ende 2017 fertiggestellten Neubau der Deutschen Akademie für Internationale Zusammenarbeit (AIZ) von Waechter + Waechter Architekten und den Tragwerksplanern merz kley partner. Das Angebot der AIZ ist darauf ausgerichtet, sowohl Mitarbeiter der GIZ als auch deren mitreisende Partner auf einen Einsatz im Ausland vorzubereiten. Ein vierwöchiger Intensivsprachkurs in einer von 70 Landessprachen als Einzelunterricht ist hierbei genauso möglich wie ein fünftägiges Gruppenseminar zum Projektmanagement in internationaler Zusammenarbeit sowie ein begleitendes Selbststudium mithilfe der zahlreich zur Verfügung stehenden Medien.

Für Felix Waechter bildete der Wunsch, das aktive, offene Lernkonzept als räumliche Idee weiterzudenken und maßstäblich in die Landschaft einzuschreiben, den Ausgangspunkt für den Entwurf. So überzeugte im Wettbewerb 2014 die Radikalität der »vielfach gegliederten multimodalen und kommunikationsorientierten Lern- und Seminarlandschaft«, die ihre Freiheit aus der rasterbasierten Ordnung des Tragwerks generiert.

In einer sanft modellierten Landschaft, die sich durch gerade Reihen und sorgfältig geordnete Formationen lichter Baumgruppen vom angrenzenden Wald unterscheidet, steht das zweigeschossige »Lernhaus« wie eingepflanzt. Hölzern das Tragwerk, zahlreich die Stützen. Doch ist es kein Haus im klassischen Sinne, es ist ein Cluster, ein Schwarm, eine bewegte flache Struktur. Die Ordnung wirkt zufällig – ein System der Vor- und Rücksprünge, von keiner Seite aus zu entschlüsseln. Zur Klärung der Geometrie verhilft eine Grundrisszeichnung: Sie zeigt 78 Felder, davon 56 quadratisch und 22 bei gleicher Länge schmaler. Die zweiflügelige Figur entsteht durch die Kopplung eines Clusters mit einem spiegelverkehrten Pendant. Jeweils im Zentrum der beiden Gebäudeflügel bilden zwei offengelassene Rasterfelder einen Innenhof.

Kommunikation und Bewegung

Am Haupteingang – mittig an der schmalsten Stelle der Grundrissfigur – betreten die Besucher die zweigeschossige Lobby mit Rezeption und Café. Zwei sich gegenüberliegende Treppen führen von hier ins OG. Die Organisation der Flügel und Etagen folgt einem Prinzip, das sich trotz der amorphen Grundrissfigur leicht erschließt, auch dank der Orientierungshilfe durch die beiden Innenhöfe. Als Rundweg um sie herum angeordnet ist jeweils eine offene Kommunikationszone, die dem Lernen allein oder in Gruppen dient. Untergliedert wird dieser Bereich durch die Regale der Mediathek und sogenannte Lernstationen; eine davon klärt z. B. über die angemessene soziale Distanz in verschiedenen Ländern auf. Entlang der Außenfassade sind die insgesamt 44 Seminarräume platziert. Teilweise sind sie schaltbar, in jedem Fall aber durch die Glaswände vom zentralen Bereich aus einsehbar. Sämtliches Mobiliar ist beweglich, Tische und Hocker sind leicht und handlich, sodass sie sich einfach umgruppieren lassen. Auch Garderoben, Kopierer und »Sitznischen auf Rollen« können dem Bedarf entsprechend verschoben werden.
Letztendlich ist es das Tragwerk, das die Offenheit und Flexibilität – sowohl in der Anmutung als auch in der Nutzung – ermöglicht. Konrad Merz kam als Tragwerksingenieur erst nach dem Wettbewerb hinzu. Entwurfsimmanente Entscheidungen u. a. zum Raster, der Verwendung von Holz, dem Grundriss und der Dachform waren da längst gefallen, doch nun war der Ingenieur gefragt, das räumliche Raster in eine tragende Holzkonstruktion zu übertragen.

Weiterentwickelt und überprüft

Um den Anforderungen des Raumprogramms nachzukommen, und die wirtschaftlichen Vorzüge der modularen Bauweise optimal auszunutzen, hatten die Architekten den Grundriss von vornherein so angelegt, dass lediglich zwei unterschiedliche Rasterfeldgrößen (5,25 x 5,25 m und 3,50 x 5,25 m) ausreichen sollten. Die Planer ließen im Hof der Holzbaufirma das Mock-up eines Rastersegments einschließlich Dachelement aufbauen, um mit dessen Hilfe einen hohen Vorfertigungsgrad der im eingebauten Zustand weitgehend unbekleidete Holzmodule zu erreichen. So konnten die Planer Hand in Hand mit der Holzbaufirma sämtliche Details entwickeln und 1:1 überprüfen.

Der Holzskelettbau aus BSH-Fichte wurde auf dem UG errichtet, das, wie die aussteifenden Kerne und die notwendigen Treppenhäuser, in Stahlbeton ausgeführt wurde. Für die niedrigen Sockel und Brüstungen des EGs kamen, um die Holzkonstruktion zu schützen, Betonfertigteile zum Einsatz.

Ausgehend von einem Treppenhauskern wurde der Holzbau abschnittweise errichtet, beginnend mit den Stützen des EGs. Die kreuzförmigen Stützen sowie der darauf liegende Knotenpunkt aus Stahl sind so ausgebildet, dass Rohre für die Fallrohre der Dachentwässerung verdeckt darin geführt werden können. Wo dies der Fall ist, ist ein Stützenteil demontierbar.

Nach der Montage der Unterzüge wurden die aus Transportgründen zwei- oder dreigeteilten Deckenelemente des EGs eingehängt. Durch die Rasterlochung der Dreischichtplatten (ebenfalls Fichte), die ihre Untersicht bildet, sind sie ohne zusätzliche Bekleidung auch raumakustisch wirksam.

In das anschließend errichtete Holzskelett des OGs wurden dann die entsprechend den beiden Rasterfeldgrößen vorfabrizierten Elemente der Dachkonstruktion – zwei dreieckige Holz-Hohlkasten-Modulen und eine filigrane Stahlstütze – auf der Baustelle zusammengesetzt und am Stück eingebaut. Wie die Skelettkonstruktion und die Hohlkastenelemente der Decken erfolgte auch die Montage der Dachelemente mit bereits fertigen weiß lasierten und rastergelochten Sichtholzoberflächen.

Die Trennwände zwischen den Seminarräumen aus Glas oder in Leichtbauweise, analog zu den Deckenuntersichten mit raumakustisch wirksamen gelochten Dreischichtplatten beplankt, schließen unmittelbar an die Kreuzstützen an. Da das verwendete Holz alleine nicht genügend Masse zur Regulierung des Raumklimas mitbringt, wurde der Oberboden in ge­schliffenem Terrazzo mit integrierter Temperierung realisiert. Die Leitungsführung von Zuluft, Heizung und Elektrik wiederum verläuft in einem Hohlraumboden darunter. Vorausschauend geplant, kann jedes Rasterfeld mithilfe der Regelungstechnik individuell angesteuert werden, sodass bei Änderungen der Raumaufteilung keine aufwendigen baulichen Eingriffe für die Haustechnik anfallen.

Vielfältig gefordert

Waechter + Waechter hatten den Ehrgeiz, nicht nur die in der Auslobung geforderte DGNB Zertifizierung in Bronze sondern in Gold zu erreichen, und dies mit Erfolg.

»Aus Verantwortung vor der Schöpfung«, sagt Felix Waechter, »aber auch als Werbung für nachhaltiges Bauen bei den ausländischen Gruppen, die hier geschult werden.« Wichtige Komponenten des Energiekonzepts sind u. a. auch die hohe Ausnutzung des Tageslichts, das aus den Innenhöfen und durch die gläsernen Trennwände bis in die Tiefe des Gebäudes gelangt sowie die passive Sonnenenergienutzung über die großen, dreifach verglasten Fenster und Oberlichter.

Sonnenschutz bieten im OG vertikale Lärchenholzlamellen vor den Fenstern sowie innenliegende Vorhänge und außenliegende Screens im EG. Auch in den dreieckigen Fensterflächen der Oberlichter können Rollos ausgefahren werden, die bei Nichtgebrauch in der Konstruktion verschwinden. Gerade bei solchen Details hat sich das 1:1-Modell sichtlich bewährt. Dank der Vorfertigung konnte der Holzmodulbau zwar deutlich schneller als ein konventioneller Massivbau errichtet werden, günstiger war er jedoch nicht.

Im Betrieb bestätigt die antizipierte Wirkung die Wahl von Material und Konstruktion: Das durchgängige Raster lässt das Lernhaus hierarchielos wirken, und so zeigt sich die Kunst der Gestalter nicht in der Inszenierung des Tragwerks als Spektakel, sondern in der Minimierung seiner sichtbaren sorgfältig detaillierten Elemente. Die Offenheit dieser Struktur, die es vermeidet, Grenzen zu setzen, macht neugierig. Und das kann ja nur im Sinn der Bauherrin – der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit – sein.

2. Mai 2018 deutsche bauzeitung

Heinrich-Böll-Platz / Ma’alot in Köln

Es ist derselbe Ort: Ob man ihn nun Heinrich-Böll-Platz oder Ma’alot nennt, hängt davon ab, ob man den öffentlichen Raum oder das Kunstwerk meint. So prägnant sich die Platzgestaltung zwischen Dom und Rhein zeigt, so kostspielig gestaltet sich ein schon seit der Fertigstellung bestehender Nutzungskonflikt.

1975, genau fünf Jahre nach der Fertigstellung der Domplatte (Fritz Schaller), lobte die Stadt Köln einen Ideenwettbewerb aus, um das seit dem Krieg bestehende Vakuum zwischen dem schroff abgeschnittenen Domhügel und dem Rheinufer mit geballter Kultur zu füllen. Gleich zwei Museen und ein Konzertsaal sollten es sein, eine gewaltige Baumasse, die nicht nur ein Haus für das Schöne und Erhabene sein würde, sondern auch ein hochkomplexes Infrastrukturbauwerk, mit dem Höhen überwunden und neue Wegeverbindungen geschaffen werden sollten. Peter Busmann und Godfrid Haberer, die jungen Kölner, reichten einen Entwurf ein, der sich so forsch über die Ausschreibung hinwegsetzte, dass sie gleich in der ersten Runde ausschieden. Doch auf Betreiben des damaligen Dombaumeisters Wolff wurde ihre Arbeit zurück in das Verfahren geholt, und schließlich mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Ihr städtebaulicher Ansatz war es, den Rheinufertunnel bis unter die Hohen­zollernbrücke zu verlängern, wodurch eine fußläufige Anbindung der Uferpromenade an den Domhügel möglich wurde. Das Bauvolumen ordneten sie als Einzige so auf und im verlängerten Domhügel an, dass es in seiner Mitte einen Freiraum und in dessen Verlängerung wiederum eine Sichtachse auf den Domchor ausbildet.

Haus, Stadt, Kunst

1986 wurde der Komplex, bestehend aus Wallraf-Richartz-Museum, Museum Ludwig und Kölner Philharmonie, eröffnet. Trotz zahlreicher Änderungen, die der Entwurf seit dem Wettbewerb erfahren hatte, wurde der ursprüngliche Grundgedanke, kein Gebäude zu entwerfen, sondern die Stadt fortzuschreiben, auf sehr unmittelbare Weise umgesetzt.

Busmann + Haberer knüpften an die mittelalterliche Struktur an und rückten nah an den Domchor und das Römisch-Germanische Museum (Heinz Röcke, Klaus Renner 1974) heran, um Gassen, Passagen und Plätze auszubilden und so den Neubau kleinteilig und durchlässig erscheinen zu lassen. Während die Domplatte durch einen Belag aus hellem Granit nobel wirkte, setzten Busmann + Haberer mit roten Ziegeln auf Kontrast. Nicht nur die Fassaden, auch sämtliche befestigten ­Außenflächen sind mit dem kleinteiligen und vergleichsweise alltäglichen Material bekleidet bzw. belegt – durchaus als Zeichen des herrschenden ­Zeitgeists dafür, die Hochkultur breiteren Bevölkerungsgruppen zugänglich zu machen.

Wesen der Bewegung

Aus dem eher spielerisch angelegten Wettbewerbsentwurf war nach vielen Zwischenstadien eine deutlich aufgeräumtere Struktur geworden, eine schmale Gasse in der Achse des Domchors teilt das Museum in zwei Baukörper. Der kleinere, in dem sich die Restaurierungswerkstätten befinden, schirmt den Komplex zur Bahntrasse hin ab. Richtung Rheinufer springt der große Museumsflügel so weit zurück, dass ein an drei Seiten baulich gefasster Platz entsteht, der mit einer breiten Treppe zum Rhein hinunterführt. Hier nur eine städtische Grünanlage anzubieten, genügte den Architekten nicht: In diesem Außenraum, an dessen Gestaltung auch der Landschaftsarchitekt Hans Luz beteiligt war, sollte nicht das Sich-Niederlassen, sondern die Bewegung im Vordergrund stehen. An diesem Punkt kam der 1933 in Tel Aviv geborene Künstler Dani Karavan ins Spiel, dessen begehbare Skulpturen bei der documenta 6 (1977) für Aufsehen gesorgt hatten. Karavan setzte sich intensiv mit der komplexen Morphologie des Entwurfs und der Topografie des Domhügels auseinander und fügte schließlich Ziegelsteine, Granit, Eisenbahnschienen, Gusseisen, Rasen und Bäume zu einem 5 000 m² großen »Environment für das Wallraf-Richartz-Museum/Museum Ludwig in Köln« zusammen. Mit den Materialzitaten stellte er unmittelbare Bezüge her, zum Bahnhof, zum Dom, zum Museum, zum Fluss. Zwei in der Platzfläche verlegte Schienen laufen parallel in Ost-West-Richtung und führen die Besucher über den Platz. Während die eine 118,5 m lang in einem Granitband liegt und vom Domchor auf den 10,8 m hohen Stufenturm aus dunklem Gusseisen und ­hellem Granit führt, beginnt die andere im Zentrum einer leicht aus der Platzfläche gehobenen kreisförmigen Plattform genau über dem Mittelpunkt des Konzertsaals der Philharmonie und führt die Treppen hinunter zum Rheinufer. Der sehr formalen geometrischen Gestaltung liegt eine strenge Zahlenlogik zugrunde, die wiederum auf dem Achsmaß der Museumsfassade von 90 cm basiert. Als Passant folgt man den Markierungen im Bodenbelag ganz unwillkürlich so lange, bis ein Element des Environments den Weg verstellt und einen zum Richtungswechsel zwingt.

Dani Karavan nannte sein Environment Ma’alot und implementierte mit dem hebräischen Wort für Stufen oder Aufstieg die gewünschte Bewegung nicht nur in die Gestaltung, sondern auch in den Namen. Die mit Lavendelbeeten und Rampen skulptural angelegte Treppenanlage setzt Kommende und ­Gehende mit großer Geste in Szene. Erst aus der Vogelperspektive jedoch zeigt sich, dass der gewundene Anstieg sogar die Silhouette der Domtürme nachzeichnet.

Häufig wird Ma’alot als Holocaust-Mahnmal interpretiert. Hinweise dafür finden sich nicht nur in den verwendeten Bildern und Materialien des ­Environments, sondern auch in der Biografie des Künstlers. Karavan, der auch explizit politische Werke geschaffen hat, überlässt die Auslegung bei Ma’alot dem Empfinden des Betrachters.

Fest oder lose

Die beiden Identitäten des Orts zwischen Dom und Rhein – auf der einen ­Seite als städtischer Platz und auf der anderen Seite als Kunstwerk – sind ihm fast zum Verhängnis geworden: Als öffentlicher Raum muss er funktionieren, sicher und zugänglich sein, für Kunstwerke hingegen gelten diese Regeln nicht. Zwei große Problemstellungen galt und gilt es zu lösen, damit der Platz auch in Zukunft seiner Bestimmungen gemäß genutzt werden kann: Viele Stunden täglich, wenn im Konzertsaal unterhalb Proben oder Konzerte der Philharmonie stattfinden, darf der größte Teil der Platzfläche nicht betreten werden: Die fugenlos vergossene Decke verstärkt jedes Geräusch wie eine Trommelmembran und überträgt insbesondere das Rattern von Rollkoffern und Skateboards in den darunter liegenden Konzertsaal. Dieser Konstruktionsfehler entstand aus der großen Sorge, das Eindringen von Feuchtigkeit durch die Decke mit allen Mitteln zu verhindern. Für 6 Mio. DM, so eine Studie der Uni Stuttgart, hätte man unmittelbar nach Feststellung des Mangels, die Decke entfernen und durch einzelne voneinander entkoppelte Deckensegmente ­ersetzen können. Doch der Stadt fehlten nach dem Kraftakt des Museumsbaus die Mittel. Rund 170 000 Euro verschlingt die Bewachung des temporär abgesperrten Platzbereichs jedes Jahr, und so hätten sich die Kosten der nicht durchgeführten Deckensanierung schon längst amortisiert.

Obschon das Environment als Kunstwerk im Katalog des Museum Ludwig inventarisiert ist, gilt dafür die Verkehrssicherungspflicht des Amts für Straßen und Verkehrstechnik. Unter der starken Beanspruchung, insbesondere dem unerlaubten Befahren mit schweren Reinigungsfahrzeugen, hatte die Platzoberfläche über die Jahre hinweg massiv gelitten.

Gebrochene Granitplatten und herausstehende oder fehlende Ziegel wurden besonders in der von Fußgängern und Radfahrern stark frequentierten Verbindung zwischen Roncalliplatz und Hohenzollernbrücke zu gefährlichen Stolperfallen.

Karavan hatte die kleinformatigen Klinker im Sandbett verlegen lassen, Gras und Moos hätten Halt geben sollen. Für eine dauerhafte Lösung wollte die Stadt jedoch die Platzoberfläche bei der nötigen Sanierung fest mit Mörtel verfugen lassen. Es regte sich Widerstand; Künstler und Architekten forderten in die Reparaturmaßnahme einbezogen zu werden, unterstützt von der Initiative »BürgerInnen für Ma’alot«. Nach Jahren des Verhandelns und einigen von der TH Köln durchgeführten technischen Studien wurde mit der kostspieligen Sanierung begonnen: Granitplatten wurden aufgenommen und neu verlegt, gebrochene Exemplare ersetzt. Auf einer Fläche von 2 500 m² wurden die Ziegel vollständig durch einen nun 8 statt 5 cm hohen Stein ersetzt, der sowohl durch die größere Höhe als auch die eingesetzten Fugenkreuze – selbst in ungebundener Verlegung – ausreichende Stabilität aufweisen soll. Im April 2016 wurde schließlich die Sanierung nach 18 Monaten vorwiegend nächtlichen Arbeitens abgeschlossen.

Nur durch das Engagement einzelner Bürger sieht der Heinrich-Böll-Platz heute wieder so aus wie zu seiner Eröffnung 1986. Gelegentlich finden Tanz-Performances statt, die an das Wesen der Bewegung dieses immer wieder in Teilen stillgelegten Orts erinnern. Die Achse zwischen Hohenzollernbrücke und Domchor, die nicht unmittelbar von den akustischen Problemen betroffen ist, wird heute allerdings so stark frequentiert wie wohl noch nie zuvor: von Reisenden, Touristen und Pendlern – viele davon mit Rollkoffern. Und es ist interessant zu beobachten, wer von ihnen den Koffer über die Ziegel ­rattern lässt und wer sich für die glatte Granitspur entscheidet.

3. April 2014 deutsche bauzeitung

Rheinpark in Köln

Egal in welchem Zustand, die Kölner lieben ihren Rheinpark. Nach den Höhepunkten der Bundesgartenschauen 1957 und 1971 verwahrloste er zwar jeweils zunehmend, doch ging nur wenig dabei verloren. Seit einigen Jahren engagieren sich Stadt und Bürger dafür, das außergewöhnlich vielfältige gartengestalterische Erbe zu erhalten.

´Die Idee aus der Uferlandschaft zwischen Deutzer Messe und Mühlheimer Hafen einen Volkspark zu machen, stammt bereits aus den 20er Jahren. Schon damals schuf man hier einen Park mit funktionaler Zweigliederung: Spiel und Sport auf weiten Auenwiesen sollten den Großstädtern gut tun, ein gärtnerisch stärker kultivierter Bereich hinter dem schützenden Deich Ruhe und Kontemplation ermöglichen. Doch der Zweite Weltkrieg hinterließ auch auf dem Rheinparkgelände nur Bombenkrater und Trümmer. Und während ringsum die Stadt wieder aufgebaut wurde, entsorgte man hier den Schutt, der bald zu unübersehbaren Halden angewachsen war. Als Köln sich für die Ausrichtung der Bundesgartenschau 1957 bewarb, war der Wunsch groß, an dieser Stelle endlich wieder Raum für Spiel und Erholung zu schaffen.

Modelliert

»Blumen blühen am Rhein« hieß es, als die Gartenschau im April 1957 eröffnet wurde, doch die Pracht der 2,5 Mio. Pflanzen war nur eine ihrer zahlreichen Facetten. Unter der künstlerischen und technischen Oberleitung des städtischen Gartenbaudirektors Kurt Schönbohm waren die Trümmerberge und der Deich auf einem 2,3 km langen Streifen entlang des Rheins zu einer reizvoll welligen Landschaft modelliert worden, die vom Ufer aus leicht anstieg und unattraktive Ansichten von Hafen und Industrie verbarg. Schönbohm, der seinen Rahmenplan aus Elementen der prämierten Wettbewerbsbeiträge des Architekten Rembald von Steinbüchel-Rheinwall, der Gartenarchitekten Günther Schulze und Joachim Winkler und der Landschaftsarchitektin Hertha Hammerbacher erarbeitet hatte, verteilte unterschiedlich gestaltete Themeninseln, deren Dichte und Grad an Gestaltung zum Ufer hin abnahmen, über das Areal. Damit griff er zwar die historische Zweigliederung des Parks wieder auf, vermied jedoch den vormalig harten Bruch zwischen Landschaft und Garten. Mit der Rheinseilbahn, einem Sessellift und der Kleinbahn »Trans-Rheinpark-Express«, fügte er der Gartenschau noch eine attraktive technische Ebene hinzu.

Bis heute wurde an der seit 1989 denkmalgeschützten Anlage des Rheinparks nur wenig verändert. Man sieht dem Park jedoch an, dass er etlichen Hochwasserständen ebenso widerstehen musste wie dem Flächenfraß durch die angrenzende Messe und benachbarter Industrie. Seit 1966 »überfliegt« die Zoobrücke den Park an seinem Nordende und das Dauerrauschen der sechsspurigen Autobahn wurde Teil seiner Geräuschkulisse. Auch die BUGA von 1971 auf demselben Gelände hinterließ ihre Spuren. Doch gelang es, das Gesamtkunstwerk von 1957 nicht zu überzeichnen: dasselbe Planungsteam um Schönbohm ergänzte und modernisierte vorsichtig den Bestand.

Als großes Problem stellte sich in den 80er Jahren jedoch das fehlende Nachnutzungskonzept für das Gartenschaugelände heraus. Der Stadt fehlten die Mittel, und so ließ sie Beete verwildern und Sichtachsen zuwachsen, sanierungsbedürftige Spielgeräte wurden abgebaut und nicht mehr ersetzt, die Cafés standen leer. Nach und nach verblasste das Erscheinungsbild der einst so eleganten und modernen Parklandschaft. Erst großes bürgerschaftliches Engagement führte dazu, dass der Erhalt des Rheinparks zum lokalpolitischen Thema wurde. Nach einer umfangreichen Analyse wurde die Sanierung schließlich angegangen, sodass der Rheinpark sein 50-jähriges Bestehen im Jahr 2007 in einem angemessenen Zustand feiern konnte.

Hierarchielos

2001 saniert und neu bespannt prägt die leichte Überdachung (Frei Otto 1957) des Tanzbrunnens, das sogenannte Sternwellenzelt, noch heute die Rheinansicht des Parks. Nur als temporäres Eingangsbauwerk der Gartenschau geplant war hingegen der eindrucksvolle mit einem 700 m² großen Glasseide-Segel überspannte Stahlbogen, ebenfalls von Frei Otto, und wurde danach wieder abgebaut. Das Rosencafé im Norden des Parks (Fritz Ruempler) und das Restaurant Rheinterrassen (Hans Schilling) blieben zwar erhalten, doch Erweiterungen und Umbauten schränken mittlerweile deren Lesbarkeit und Zugänglichkeit erheblich ein. Wer den Park heute besucht, wird den Schwund der Architektur dennoch kaum bemerken, so beeindruckend sind die Weite und Vielschichtigkeit der Anlage. Großzügige geschwungene Wege durchziehen das Gelände und verknüpfen die einzelnen Themeninseln, Rosengarten, Flamingoteich, Spielhügellandschaft, Brunnengarten, um nur einige zu nennen, miteinander. Hier wurde das Bild einer neuen Zeit gezeichnet, ohne Hierarchie, ohne Raster, ohne Brüche.

Auch Architektur und Landschaft standen und stehen gleichberechtigt nebeneinander. Im Rosengarten wurden nach Entwürfen von Schulze und Winkler fünf Lauben gebaut, einfache Stahlkonstruktionen, die an drei Seiten mit Glas verkleidet waren. Im Laufe der Jahre mussten zwar die Gläser entfernt werden, doch die filigranen, weiß gestrichenen Stahlskelette zeigen noch heute, wie groß der Wunsch danach war, das Gebaute auf ein Minimum zu beschränken, es aufzulösen, damit es mit seiner Umgebung eins werde. Ähnlich reduziert gestaltet und von hoher grafischer Wirkung sind auch die Pergolen an den Wasserterrassen von Hertha Hammerbacher und die »Windharfen« ihrer Tochter Merete Mattern im Staudengarten.

Betoniert

Zur gestalterischen Einheit von Architektur und Landschaft trägt auch die abwechslungsreiche und sehr prägnante Verwendung von Beton bei. Fast könnte man von einem Fest für den Beton sprechen, mit so viel Ideenreichtum und Mut zum Experiment wurde er überall präsentiert. Der Werkstoff erlaubte neue Farben und Formen, strukturierte Oberflächen, filigrane Konstruktionen und er war günstig, schnell verfügbar und sehr modern. Und durchaus langlebig, wenn auch im Alter nicht unbedingt schöner, wie sich an der Vielfalt der erhaltenen Plattenbeläge, Treppenelemente und Brunneneinfassungen zeigt.

Ein trauriges Schicksal erleidet das Park-Café (Steinbüchel-Rheinwall), das im Ensemble mit Tropenhof, großem Blumengarten und Wassergarten das Zentrum der ursprünglichen Parkanlage gebildet hat. Auch heute noch führt das dreigeschossige Gebäude, das entgegen vielfacher Behauptungen keineswegs nur für eine temporäre Nutzung errichtet worden war, mit geschwungenen Terrassen, filigranen Rampen, fliegendem Dach und überschlanken Stützen das stilistische Repertoire der 50er Jahre vor. Doch seit Jahrzehnten verfällt der leer stehende Bau zusehends, eine wirtschaftliche Nutzung zu finden scheint unmöglich, seine Zukunft ist weiter ungewiss.

Immer wieder galt es, im Rheinpark individuelle Lösungen zu finden, die Geschichte und Gegenwart gleichermaßen gerecht werden. Bei der Sanierung der charakteristischen Pflasterungen, Betonverbundsteinen, Klinker und Grauwacke, geht die Stadt sehr zurückhaltend vor und ersetzt nur, was zur Gefahr wird. Denn einmal angehoben, so zeigt es sich, lassen sich die inzwischen mürben Beläge kein zweites Mal verlegen. Der Erhalt einzelner Parkelemente wie die Kieselmosaike des Brunnengartens ist sogar so aufwendig, dass er nur durch die Arbeit eines Unterstützervereins gesichert werden kann. Und ob die kostbaren Bronzestatuen aus den 50ern, die zunehmend häufig zerstört werden, weiter in der öffentlichen Grünanlage stehen können, muss noch entschieden werden. Als wahre Publikumsmagneten haben sich indessen über alle Jahrzehnte hinweg die großen, außergewöhnlich gestalteten Spielplätze und die variantenreichen Wasserspiele erwiesen.

Wirklich störend in dieser bunten Collage von Parkelementen sind die Gestelle der sogenannten Schaufenster mit Einblicken in die Geschichte des Parks, die vor einigen Jahren an den schönsten Stellen platziert wurden. Eine Grünanlage wie der Rheinpark in Köln braucht jedoch kein didaktisches Mobiliar, vielmehr soll er entdeckt werden und überraschen dürfen.

Publikationen

2020

JSWD—Ensembles

Ein Schwerpunkt des Kölner Architekturbüros JSWD ist das Arbeiten im Spannungsfeld von großmaßstäblichem Städtebau und solitärem Hochbau. Viele Entwürfe basieren auf dem Zusammenspiel mehrerer Häuser, die als Campus oder Quartier unterschiedlich große Ensembles bilden. Das Spektrum reicht dabei von der
Hrsg: Uta Winterhager, Nils Ballhausen
Verlag: JOVIS