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Temporär Modern
Der Standard

Resümee der Alpbacher Architekturgespräche

24. August 2002 - Gerfried Sperl
Was hat der Städtebau im Dorf zu suchen? In einem Ensemble, das vor Tiroler Balkonen mit Pelargonien, Petunien und Nelken überquillt? Diskussionen über Zustand und Zukunft der Architektur sind dem Alltag von Alpbach genauso fremd wie Vorträge über Gentechnik oder Klonen. Die Schafe der Tiroler Bergwelt sind mit Dolly (noch) nicht verwandt.

Um diese Spannung, die das Europäische Forum jedes Jahr schafft, sichtbarer zu machen, bedarf es einiger Zeichen. Das neue Konferenzgebäude duckt sich zwar übermäßig stark in den Hang hinter dem Hotel Böglerhof. Aber es atmet in die Richtung, wohin Tiroler Architekten seit Jahrzehnten das Bauen in den Alpen treiben wollen. Dass diesmal zwischen Hotel und Konferenzzentrum ein temporärer Bedenk- und Kulturraum errichtet wurde, ist ein wichtiger Schritt. Alpbacher Moderne?

Volker Giencke hat mit seinen Studenten einen Raum aus Holz und weißer Verkleidung entworfen, dessen Schlichtheit mit der überladenen Tiroler Folklore kontrastiert, der aber auch einen Verwandten hat: Die alte Blockhütte neben dem Schilift. Der Kontext figuriert damit auch als Hintergrund für die Themen der Architekturgespräche, die seit 2001 vom Tiroler Großbüro ATP (Achammer, Tritthart & Partner), unterstützt von mehreren Sponsoren mit Swarovski an der Spitze, organisiert werden.

Die Vorträge selbst hatten heuer zwei Hauptthemen - am ersten Tag die Zukunft der Großstadt, am zweiten die Spannung zwischen Qualitätsarchitektur und „Marken“ der Großindustrie, für die internationale „Stararchitekten“ Bau-Events entwerfen. Wolf Prix von Coop Himmelb(l)au hielt sich aber nicht bei der Beschreibung der neuen Autowelt für BMW in München auf, sondern knüpfte bei der Hagia Sophia als „gebautem Himmel auf Erden“ an, um (letztlich auch für sich selbst) festzuhalten: „Nur Stararchitekten können heutzutage etwas ändern.“.

Essentieller, teilweise brillant waren wissenschaftliche Analysen wie die der Soziologin Martina Löw oder des Architekturtheoretikers Peter Hall - was treibt die Stadt architektonisch an, wie kann inmitten der Globalisierung lokale Qualität entstehen?

Die Schwäche des Programms lag bei zwei oder drei mißglückten Formaten. Möglicherweise hätte man dann auch verhindern können, dass Raimund Abraham den Saal verließ, weil man ihn mit einem deutschen Standesvertreter konfrontierte. Das war nicht seine Welt. Ein Diskurs zwischen Peter Cook und Abraham wäre die spannendere Lösung gewesen. Aber man kann für das nächste Jahr ja daraus lernen.

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