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Profil

Tobias Hagleitner hat 2008 an der Kunstuniversität Linz im Fach Architektur diplomiert und 2018 promoviert. Seit 2007 freischaffend in den Bereichen Baukunst, Gestaltung und Architekturkommunikation. Als Architekturkritiker schrieb er u. a. für die OÖNachrichten, in Vorarlberg für die vom vai Vorarlberger Architektur Institut kuratierte Reihe zur Baukultur „Leben & Wohnen“ in den VN. Er ist freier Mitarbeiter und Kurator im afo architekturforum oberösterreich (2020/21 interimistischer Leiter) und Redakteur für die nextroom-Sammlungstätigkeiten von afo und vai.

Lehrtätigkeit

seit 2012 Lehraufträge zu Raum, Architektur und Kunst im öffentlichen Raum an Kunstuniversität Linz und KU Linz

Veranstaltungen

10/2025–04/2026 Mädchen* sein!?, Lentos Kunstmuseum Linz (Ausstellungsarchitektur gemeinsam mit Margit Greinöcker)
11/2023–04/2024 Stadtlabor, Nordico Stadtmuseum Linz (Gestaltung und Kuratierung gemeinsam mit Klaudia Kreslehner)
09/2023–09/2030 Linz Blick, Dauerausstellung Nordico Stadtmuseum Linz (Gastkurator)
04/2023–09/2023 schee schiach Ep. 1 & 2, afo architekturforum oberösterreich (Co-Kurator)
11/2021–02/2022 Kühne, Schulte, Gegenwart. Soziale Stadtbausteine der Zwischenkriegszeit in aktueller Perspektive, afo architekturforum oberösterreich (Konzept und Gestaltung)
11/2020–03/2021 Das gewisse Etwas. Über die Begeisterung für Architektur in fünfundsechzig Dingen, afo architekturforum oberösterreich (Konzept und Gestaltung)
05/2021–09/2021 Sehnsuchtsort Schule, afo architekturforum oberösterreich (Kurator mit Teresa König und Uschi Reiter)
01/2020–07/2020 Egon Hofmann–Linz. Künstler Industrieller Kosmopolit, Nordico Stadtmuseum Linz (Ausstellungsgestaltung mit Margit Greinöcker)
03/2019–08/2019 Es zog mich durch die Bilder. Kubin@nextcomic-Festival, Landesgalerie des OÖ Landesmuseums (Ausstellungsgestaltung)
03/2017–04/2017 Erfahrene Landschaft II, Architektur Haus Kärnten (Kurator, Konzept und Gestaltung)
05/2016–07/2016 Erfahrene Landschaft I, afo architekturforum oberösterreich (Kurator, Konzept und Gestaltung)
09/2013–02/2014 Kunterbunt. „Klasse Kunst“ zum Thema Farbe, Landesgalerie Linz (Ausstellungsgestaltung mit Margit Greinöcker)
04/2013–06/2013 Innenansicht Suedost. Vorarlberg, vai Vorarlberger Architektur Institut (Co-Kurator und Gestaltung mit Azra Akšamija, Margit Greinöcker et al.)
07/2012–08/2012 Innenansicht Suedost. Linz, afo architekturforum oberösterreich (Co-Kurator und Gestaltung mit Azra Akšamija, Margit Greinöcker et al.)

Auszeichnungen

2022 Forschungspreis Architektur der zt: Bundeskammer
2013 START Stipendium „Architektur und Design“ des bmukk
2011 Schütte-Lihotzky-Projektstipendium
2008 Kunstpreis der Diözese Linz
2008 Talentförderungsprämie Land Oberösterreich

Bauwerke

Artikel

11. März 2017 Oberösterreichische Nachrichten

Die besten Reparaturen

Daidalos: Eine 30er-Jahre-Villa in Linz, ein Dreiseithof bei Kematen und die ehemaligen Pferdeställe im Steyrer Schloss Lamberg wurden nominiert.

Rund 70 Projekte wurden beim oberösterreichischen Architekturpreis Daidalos eingereicht. Eine Mehrheit der Projekte bewarb sich um den Sonderpreis „Gelungene Reparatur“. Eingereicht werden konnten Revitalisierungen, Sanierungen, Ergänzungs- und Erweiterungsbauten.

Die architektonischen Updates sollten Altbestand auf sinnvolle, ökonomisch und ökologisch intelligente Weise erneuern. Das rege Interesse zeigt, wie wichtig die Hinwendung des Bau- und Förderwesens zum Erhalt des vorhandenen Raums wäre.

In Hinblick auf die Klimaziele ist es meist sinnvoller, vorhandene Masse zu optimieren und weiter zu nutzen, statt mit großem Energie- und Rohstoffaufwand neu zu bauen. Die emotionale Komponente kommt hinzu: Alte Häuser, bestehende Straßenzüge, historische Städte werden geliebt. Sie erzählen Geschichte, sind mit Erinnerungen und Erlebnissen verbunden, sie sind ein Teil von uns.

Feingefühl für diese Qualitäten, die es im Neubau so nicht gibt, zeigte sich besonders anhand zahlreicher Höfe, die für Wohnen oder Gewerbe adaptiert wurden, oder bei Gebäuden, die mitten in Dorf und in der Stadt ihren angestammten Platz haben und durch einen Umbau zu neuem Leben erweckt wurden.

Folgende Objekte wurden für den Sonderpreis nominiert:

Ambiente halten: Hoch über Enns- und Steyrfluss prägt Schloss Lamberg das Stadtbild von Steyr. Im Südwesttrakt der Anlage labten sich einst die Pferde an der Tränke. Seit der Sanierung durch Hertl.Architekten finden in den Räumlichkeiten Hochzeiten und Feste statt. In enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt entstanden zwei elegante Speisesäle und eine Bar mit Cateringküche. Sie genügen modernsten Ansprüchen und erhalten doch das barocke Ambiente in der 300 Jahre alten Raumhülle.

4. März 2017 Oberösterreichische Nachrichten

Die besten Freiräume

Architekturpreis Daidalos: Die Jury nominierte ein Kunstprojekt auf dem Eferdinger Stadtplatz, einen Ortsplatz mit Flugdach und eine Lokalbahnstation im Innviertel.

Rund 70 Projekte wurden beim oberösterreichischen Architekturpreis Daidalos eingereicht. In der Kategorie „Freundlicher Freiraum“ waren Maßnahmen im Ortskern und Außenraumgestaltungen gefragt, aber auch Bauten, die ein Ensemble oder einen Straßenzug aufwerten und damit zur positiven Entfaltung der Gemeinde beitragen.

Dass sich nur ein Fünftel aller Beiträge um den Preis in dieser Sparte bewarb, unterstreicht ein Problem: Fachlich versierte Freiraumplanung ist zu wenig gefragt. Es fehlen Geld und Engagement, um öffentlichen Raum anspruchsvoll zu gestalten. Die Dominanz des Autoverkehrs tut ein Übriges. Restflächen ohne Qualität bestimmen das Bild in der Stadt und auf dem Land.

Dass durchaus Potenzial vorhanden wäre, zeigte sich bei den Einreichungen. Es gab Beispiele für Freiraumplanung im privaten wie öffentlichen Wohnbau und kommunale Bauten, die interessante Plätze oder Zentren bilden. Vor allem von jüngeren Teilnehmern wurden die sozialen Aspekte im öffentlichen Raum in den Vordergrund gerückt: Landschaft und Stadt gemeinsam gestalten, bearbeiten, verändern – das war das Motto dieser Projekte. Im Folgenden präsentieren wir die drei Nominierten.

Dach als Dorfmitte

Die Innviertler Gemeinde Handenberg liegt auf einem Hügel, der von Kirche und Friedhof markant besetzt ist. Nach einem Abbruch sollte der Ortsplatz neu gestaltet werden. Heidl Architekten und Landschaftsarchitektin Barbara Bacher gewannen den von Bürgerschaft und Gemeinde sorgfältig vorbereiteten Wettbewerb.

Sitzgelegenheiten und die frei auskragende Betonkonstruktion des Flugdachs wurden mit Teich, Friedhof und Nachbarhäusern zu einer attraktiven Ortsmitte arrangiert. Sorgsam konzipierte Weg- und Blickachsen schaffen neue Aufenthaltsqualität. Der Straßenverkehr konnte verlangsamt werden.

Mit dem weit auskragenden Dach, aus einem Guss betoniert, ist eine architektonisch hochwertig gearbeitete Nutz-Skulptur entstanden. Sie schützt 80 Quadratmeter Platzfläche vor Sonne und Regen und dient als Treffpunkt und Begegnungszone. Vorbildlich findet die Jury besonders den transparenten Planungsprozess mit 1:1-Umsetzung des Wettbewerbs.
Haltestelle als Platz

Durch die Verlängerung der Salzburger Lokalbahn erhielt Ostermiething im äußersten Westen Oberösterreichs vor zwei Jahren direkten Anschluss ans Schienennetz. Das bot eine einmalige Chance für den Ausbau der örtlichen Infrastruktur. Architekt Udo Heinrich wusste sie zu nutzen.

Der Bahnsteig, die eigentliche Kernfunktion, ist nur ein Teil des vielschichtig überlegten Gesamtentwurfs, bei dem Details so genau formuliert sind wie die landschaftliche Einbettung, innere Abläufe so sehr wie die äußere Erscheinung. Warteraum, WC, Bäcker-Kiosk, Personal- und Technikraum sind als kleine Hauskuben ausgebildet. Sie tragen die dünne, durchgehende Dachplatte. Dazwischen ergeben sich attraktive Aufenthaltsbereiche.

Eine große Ausnehmung in der Decke lässt eine Platane hindurchwachsen. Sie schützt den „Sommerwarteraum“ darunter. Inmitten der Unordnung aus Gewerbe- und Wohnbebauung bildet der Bahnhof in seiner gestalterischen Präzision einen Ruhepol. Er kann zum Kristallisationspunkt einer vernünftigen städtebaulichen Entwicklung in den wenig definierten Randlagen der Gemeinde werden.

Kunst als Impuls

Das Alltägliche neu entdecken und damit ungewohnte Perspektiven auf die Stadt zu eröffnen, war das Ziel von collective ika, Margit Greinöcker und Architekt Christoph Weidinger. Im Rahmen des Festivals der Regionen in Eferding 2013 holte das Team Versatzstücke aus dem Umland, um ihnen auf dem Stadtplatz eine neue Funktion zu geben. Ein Silo wurde zum Aussichtsturm, ein Stadel zur Bühne, unter dem Folientunnel fanden Bar und Infopunkt des Festivals Platz. Für kurze Zeit wurde der Verkehr zurückgedrängt, ein lebendig genutzter Stadtraum entfaltete sich, es wurde gefeiert und diskutiert.

Die Intervention ermöglichte nach Ansicht der Jury ein Erlebnis von Stadt, wie sie im Idealfall sein könnte. Auf diese Weise lieferte die temporäre Maßnahme Impulse, Materialien und Ideen für die weitere Entwicklung.

Daidalos 2017

Der oberösterreichische Architekturpreis Daidalos wird heuer zum dritten Mal von den OÖNachrichten und ihren Partnern vergeben – in den Kategorien „Mutiges Experiment“ (Bauwerke) und „Freundlicher Freiraum“ (Ortsentwicklung). Sonderpreis: „Gelungene Reparatur“ (Sanierung). Die Gala findet am 23. März in der Tabakfabrik Linz statt. Dann wird man wissen, welche drei Projekte gewonnen haben.

25. Februar 2017 Oberösterreichische Nachrichten

Die besten Experimente

Architekturpreis Daidalos: Die Jury nominierte ein strohgedämmtes Haus in den Bäumen, ein Bauwerk ganz aus Holz und ein Industrieareal mitten in der Stadt.

Rund 70 Projekte wurden beim oberösterreichischen Architekturpreis Daidalos eingereicht. In der Kategorie „Mutiges Experiment“ waren Gebäude gefragt, die wie ein Versuch in der Wissenschaft sind: Bauten, die neue Kenntnisse liefern, eine Theorie oder ein Produkt erproben, Baukultur voranbringen.

Gut ein Viertel der Projekte wollte nach diesen Kriterien beurteilt werden. Das Spektrum reichte von Produktionsbetrieben über Wohn- und Bildungsbauten bis hin zu Shops oder Interventionen im Privatbereich. Der Wunschtraum der Jury, gänzlich neue Ansätze der Planung oder innovative Wohnmodelle kennenzulernen, erfüllte sich nicht.

Bereitschaft zum Experiment und Unerschrockenheit zeigten sich dennoch in raffinierten Konstruktionen, ökologischen Gebäudekonzepten oder in der Konsequenz, mit der architektonische Ideen über Jahre verfolgt und ausgebaut werden.

Nicht jedes der Projekte zeichnete sich durch besonderen „Mut“ im engeren Sinn aus. Gemeinsam ist ihnen aber das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Bauherrschaft und Architekt. Das ist Grundbedingung für Architektur. Nur so können gute und manchmal hervorragende Bauten entstehen.

Im Folgenden präsentieren wir die drei Nominierten der Kategorie „Mutiges Experiment“.

Auffällig war die hohe Beteiligung junger Teams, die auf hohem Niveau arbeiten und deshalb auch in allen drei Sparten Nominierungen ergatterten. Eines davon ist das Architekturbüro mia2/ARCHITEKTUR, dessen „Baumhaus“ in Steyr nominiert ist.

Rund 70 Projekte wurden beim oberösterreichischen Architekturpreis Daidalos eingereicht. In der Kategorie „Mutiges Experiment“ waren Gebäude gefragt, die wie ein Versuch in der Wissenschaft sind: Bauten, die neue Kenntnisse liefern, eine Theorie oder ein Produkt erproben, Baukultur voranbringen.

Gut ein Viertel der Projekte wollte nach diesen Kriterien beurteilt werden. Das Spektrum reichte von Produktionsbetrieben über Wohn- und Bildungsbauten bis hin zu Shops oder Interventionen im Privatbereich. Der Wunschtraum der Jury, gänzlich neue Ansätze der Planung oder innovative Wohnmodelle kennenzulernen, erfüllte sich nicht.

Bereitschaft zum Experiment und Unerschrockenheit zeigten sich dennoch in raffinierten Konstruktionen, ökologischen Gebäudekonzepten oder in der Konsequenz, mit der architektonische Ideen über Jahre verfolgt und ausgebaut werden.

Nicht jedes der Projekte zeichnete sich durch besonderen „Mut“ im engeren Sinn aus. Gemeinsam ist ihnen aber das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Bauherrschaft und Architekt. Das ist Grundbedingung für Architektur. Nur so können gute und manchmal hervorragende Bauten entstehen.

Im Folgenden präsentieren wir die drei Nominierten der Kategorie „Mutiges Experiment“.

Auffällig war die hohe Beteiligung junger Teams, die auf hohem Niveau arbeiten und deshalb auch in allen drei Sparten Nominierungen ergatterten. Eines davon ist das Architekturbüro mia2/ARCHITEKTUR, dessen „Baumhaus“ in Steyr nominiert ist.

Das Entwickeln der städtischen Struktur, die Atmosphäre innen wie rundherum, scheinen das gemeinsame Anliegen von Geschäftsführung und Architekten zu sein. Die Backsteingebäude aus dem Jahr 1900 werden überlagert, verbunden und ergänzt von schlichten, hochenergieeffizienten Baukörpern.

Zentrale Wandbereiche und Fassaden sind mit mehr als 300 heimischen Pflanzen in üppiges Grün getaucht. Die gemeinsam mit Patrick Blanc entwickelten vertikalen Gärten gehören zu den ersten in Österreich und schaffen ein natürliches Flair und angenehme Erholungsräume inmitten der Produktions- und Verwaltungsbauten in Wels.

26. November 2016 Oberösterreichische Nachrichten

Mehr Freiräume schaffen

Der gemeinsame Raum entscheidet über die Qualität des öffentlichen Lebens.

Wenn über Architektur geredet wird, steht meist das einzelne Objekt im Mittelpunkt, das schicke Wohnhaus, der prächtige Kulturbau, der stolze Büroturm. Dabei ist das alles halb so wichtig. Entscheidend ist der räumliche Zusammenhang.

Mit „Freundlicher Freiraum“ hebt der Daidalos deshalb jene unterschätzte und oft vernachlässigte Kategorie des Planens und Bauens hervor, die sich um den Raum dazwischen kümmert. Es geht um Projekte zur Ortskernbelebung, um Platz- oder Parkgestaltungen, die die Entwicklung eines Ortes prägen und zum Besseren verändern.

Wichtig für Groß und Klein

Gefragt sind zudem Gebäude, die interessante Außenräume schaffen, die den Straßenraum angenehmer machen oder attraktive Höfe und Gärten bilden. Mit dem Wörtchen „frei“ ist die wichtigste Qualität bereits auf den Punkt gebracht: Ein freundlicher Frei-Raum ist einer, der zulässt statt verbietet, der ermöglicht statt verhindert, ein Raum, in dem nicht jede Nutzung peinlich definiert und reguliert ist. Freiraum ist dort, wo noch Platz ist für eigene Ideen und kreatives Handeln, für ein bisschen Spaß.

Das Problem: Echte Freiräume sind vom Aussterben bedroht. Die offene Wiese, die Brachfläche, das Waldstück, die leer stehende Fabrik – vor allem Kindern und Jugendlichen fehlen diese Biotope. Gerade so, wie Öko-Nischen für seltene Tiere und Pflanzen auf künstliche Weise möglichst naturnah rekonstruiert werden, müssen die notwendigen Lebensräume für den menschlichen Nachwuchs wiederhergestellt werden. Statt Freiheit gibt es meist nur einen umzäunten Rasen, drei traurige Birken, Schaukel, Rutsche, Sandquadrat. Dabei müsste sympathischer Freiraum als Ausgleich in dichten Wohngebieten selbstverständlich sein.

Der Daidalos will positive Beispiele aus Oberösterreich bekannt machen (im Bild eins aus Vorarlberg: der Jugendplatz „Habedere!“ in Lustenau).

Nicht nur Heranwachsende brauchen guten öffentlichen Raum, um sich wohlzufühlen. Auch die Großen haben ein Recht darauf. Die Plätze einer Stadt, die Parks und Märkte, die Ortskerne der Dörfer sind gesellschaftliche Schnittstellen. Keine Social Media Plattform wird das so schnell ersetzen können. In diesen Räumen sieht man sich und tauscht sich aus, unterschiedliche Gruppen treffen aufeinander, es kommt auch zu Reibung und Konflikten.

Architektur kann und soll das nicht verhindern, aber sie kann dafür sorgen, dass Begegnung überhaupt stattfindet. Sie kann mit freundlicher Atmosphäre zum positiven Lebensgefühl beitragen. Sie kann einem Ort und seinen Bewohnern Aufgeschlossenheit und Freiheit vermitteln.

Belebende Impulse

Ob sich der öffentliche Raum freundlich und frei anfühlt, das liegt nicht zuletzt am Umgang mit dem Verkehr. Dass ein Ort zu neuem Leben erwachen kann, wenn die Autos erst einmal verbannt sind, lässt sich an vielen Beispielen hierzulande und weltweit beobachten (besonders imposant in Seoul, wo eine Stadtautobahn rückgebaut und in einen Park verwandelt wurde).

Umgekehrt gibt es gerade in Oberösterreich das Problem der Verödung von Gemeinden, die durch Umfahrungsstraßen und Fachmarktkorridore vom Handelsstrom abgeschnitten werden und dann mangels Frequenz ihren Kern und ihre historische Bedeutung verlieren. Gerade in diesen Orten und zerstreuten Siedlungen ist der bewusste Umgang mit dem öffentlichen Raum besonders wichtig. Professionelle Gestaltung kann die nötigen Impulse zur Wiederbelebung bringen.

Manchmal fehlen die Mittel, um eine Verbesserung dauerhaft herzustellen. Stattdessen wird mit einer temporären Maßnahme der erwünschte Zustand erprobt. Solche Architekturprojekte auf Zeit können ebenfalls eingereicht werden.

12. November 2016 Oberösterreichische Nachrichten

Mehr Mut zum Experiment

Architekturpreis Daidalos: Verantwortung und Risikomanagement gehören zum Bauen. Gute Architektur braucht aber auch ein Quantum Courage.

„Experiment“ in der Architektur? Futuristische Formen oder High-Tech-Wohnmaschinen kommen in den Sinn. Die Kategorie „Mutiges Experiment“ beim OÖN-Architekturpreis Daidalos meint mehr: Bauwerke, die so sind wie Experimente der Wissenschaft. Gebäude als Versuchsanordnungen, um neue Kenntnisse zu gewinnen, um eine Theorie oder ein Produkt zu erproben, um die Entwicklung von Kultur und Zivilisation zu beleben.

Wer beim Bauen experimentieren will, wird schief angesehen. Schließlich ist bekannt, wie ein Haus konstruiert werden muss, damit es nicht zusammenbricht. Es gibt Normen und Standards. Es ist erprobt, welcher Grundriss funktioniert und überhaupt, wie alles günstig und vernünftig bleibt. So denken manche. Das wäre nicht ganz falsch, wenn Zeit und Gesellschaft immer dieselben blieben. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die Veränderungen gehen flott voran – sozial, ökologisch wie technologisch. Gerade beim Bauen braucht es deshalb gewagte Projekte, die ergründen, welche Lebensräume künftig möglich sind.

Was sind solche Experimente? Denken wir zuerst an die ganz „normalen“ Häuser, an Architektur zum Wohnen. Während sich Lebensformen immer mehr ausdifferenzieren, bleiben die Bauformen in überkommenen Mustern stecken. Die Wirklichkeit wird kaum berücksichtigt.

Es fehlt an attraktiven Ideen zur Verdichtung, an Wohnmodellen, die Gemeinschaft und Rückzug sinnvoll kombinieren, an Konzepten für Durchmischung der Funktionen in der Stadt. All das bräuchte es, um die ressourcenintensive Zersiedelung und die Unkultur des Einfamilienhauses einzudämmen (Beispiel im Bild: Wohnanlage Eppan in Südtirol von feld72).

Es braucht Vorzeigeprojekte

Voraussetzung ist die couragierte Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung, Fachplanung und Architektur. Das gilt genauso für öffentliche Bauten, für die Arbeitswelt oder Bildungseinrichtungen.

Nur in klugen Experimenten kann erprobt werden, welche architektonischen Konzepte für aktuelle Ansprüche eigentlich geeignet sind. Für einen starken Wirtschaftsstandort wie Oberösterreich sind hier Vorzeigebeispiele besonders wichtig, und es gibt sie zum Glück gelegentlich (Beispiel: Schul- und Kulturzentrum Feldkirchen von fasch&fuchs, einer der Daidalos-Preisträger vor zwei Jahren).

Ungewöhnliche Techniken

Mut zum Experiment ist auch in der Bautechnik gefragt, bei der Arbeit der Ingenieure und Fachplaner. Umweltschonende Energiekonzepte, intelligente Konstruktionsmethoden oder raffinierte Tragwerke können Bauten von herausragender Schönheit hervorbringen und ungeahnte Wege in die Zukunft erschließen. Für die Materialwahl gilt Gleiches. Dank moderner Verarbeitung könnte auf traditionelle umweltverträgliche Baustoffe zurückgegriffen werden.

Häuser aus Stroh sind denkbar (beispielsweise in Vorarlberg von Georg Bechter) oder Industriebauten aus Lehm (z. B. Ricola von Herzog & de Meuron in Laufen). Die Möglichkeiten im Holzbau sind dank steter Innovation längst nicht ausgeschöpft. Im Massivbau mit Ziegel und Beton gibt es spannende neue Systeme, die nur angewandt werden müssten. Die verantwortungslose Praxis, Sondermüll als Dämmung aufzukleben, könnte Geschichte sein. Wichtig ist bei Experimenten, vorab die richtigen Fragen zu stellen. Nur dann ergeben sich erhellende Ergebnisse.

Beim Bauen heißt das, nicht einfach zu bauen, was gewollt wird, sondern zuerst gründlich nachzudenken, was gebraucht wird. Deshalb können das Gütesiegel „Mutiges Experiment“ auch jene Projekte erhalten, denen ein besonderer Planungsprozess voranging, etwa intensive Bürgerbeteiligung, die gemeinsame Planung einer Baugruppe oder andere unkonventionelle Wege, neuen Raum zu entwickeln (mögliches Beispiel der Zukunft: kooperatives Planungsverfahren im Linzer Stadtteil Ebelsberg, derzeit in Vorbereitung).

24. Oktober 2015 Oberösterreichische Nachrichten

Grüße aus Pilsen: Geht doch!

Nicht nur als Europäische Kulturhauptstadt bietet sich Pilsen zum Vergleich mit Linz an. Es gibt einen großen alten Platz im Zentrum, ein neues Theater am Rand des Geschehens und einen Campus weit draußen.

Was für das oberösterreichische Linz die voestalpine, ist für das westböhmische Pilsen Škoda. Die heurige Kulturhauptstadt in Tschechien ist genauso industriell geprägt, nur wenig kleiner und wie Linz in Sachen Architektur mit etwas Wohlwollen durchaus interessant.

Wer sich über das Linzer Musiktheater schon genug geärgert hat und sich gern weiter ärgern möchte, dem sei in Pilsen (oder: Plzen) zuerst der Besuch des neuen Stadttheaters empfohlen. Das Projekt einer portugiesisch-tschechischen Architektengemeinschaft musste offenbar rechtzeitig für die Kulturhauptstadt aus dem Boden gestampft werden. Eine Betonburg in haarsträubendem Orangeton. Den Haupteingang verstellt eine beliebige Käsefassade aus Kunststein. Rundherum nichts als Straßen, Geleise und Brachland. Ob die erhoffte Aufwertung für das Viertel mit diesem Bau zu schaffen ist, bleibt abzuwarten.

Erfreulicher ist die Umnutzung des ehemaligen Bus- und Tramdepots am Flüsschen Radbuza. Mit geringen Mitteln wurden die lichtdurchfluteten Hallen etwas renoviert und werden nun als „DEPO2015“ mit buntem Kulturprogramm bespielt. Im Hof gibt es eine Skulpturenausstellung, ein einladendes Café dient als Anziehungspunkt auch abseits des Programms. Die Offenheit und Improvisationsgabe, die diese Institution vorerst ausstrahlt, ist den Linzer postindustriellen Leerständen ebenfalls zu wünschen. Schön für Pilsen wäre es, wenn die Bespielung auch nach dem Kulturhauptstadtjahr erhalten und gefördert würde.

Ein paar Kilometer außerhalb, eingebettet zwischen Industrie und Gewerbe ist der Campus zu finden. Das neue Gebäude des mittlerweile verstorbenen Prager Architekten Jan Štípek für die Design- und Kunststudien der Ladislav-Sutnar-Uni wurde eben erst fertiggestellt. Es sieht selbst aus wie ein Gewerbebau, ganz aus Trapezblech, Stahl und Glas. Die Studierenden arbeiten in einer fabrikähnlichen Halle. Trennende Wände gibt es nicht. Die Idee ist es, gemeinsam und in engem Austausch kreativ zu sein. Das Konzept ist spannend, etwas unterkühlt und akustisch vermutlich schwer zu ertragen, wenn Hochbetrieb ist.

Weitere Highlights? Für unerschütterliche Adolf-Loos-Fans sicherlich seine edlen Wohnungsinterieurs aus den 1920er Jahren, die als Teil des Kulturangebots zu besichtigen sind. Traditionelle Typen werden die fein erhaltenen Renaissance- und Barockfassaden in der Altstadt mögen, etwas progressivere das mutig dazwischen komponierte Kontrastprogramm aus Bauten der Moderne schätzen. Romantische und Verliebte werden an der Radbuza spazieren gehen und dicht an dicht vier Brücken in harmonischem Nebeneinander finden: je eine für Bahn, für Autos, für Fuß- und Radverkehr. Insgesamt ein Jahrhundert Ingenieurbaukunst in einem Bildausschnitt. Jede Konstruktion steht für sich, wurde aus verkehrstechnischen Anforderungen, den Gegebenheiten des Materials und nach den technischen Möglichkeiten der jeweiligen Zeit gestaltet und geformt. Prädikat: Empfehlenswert!

10. Oktober 2015 Oberösterreichische Nachrichten

Grüße aus Vorarlberg: Den Ausweis, bitte!

Für öffentliche Bauten gibt es im Ländle den „Kommunalgebäudeausweis“. Je ökologischer ein Gebäude, umso mehr Punkte, umso mehr Förderung.

Ob Amtshaus, Schule oder Pflegeheim, ob Kindergarten, Turnhalle oder Kultursaal – seit 2011 können Vorarlbergs Städte und Gemeinden ihre Neubau- oder Sanierungsprojekte mit dem Kommunalgebäudeausweis (kurz KGA) dokumentieren. Mit bis zu 1000 Punkten lässt sich damit die energetische und ökologische Qualität einer Baumaßnahme beurteilen. Angeregt wurde das Konzept von Land und Gemeindeverband, um den EU-Kriterien über energiesparendes öffentliches Bauen (gültig ab 2019) mit einem Fördersystem rechtzeitig entgegenzukommen. Bis zu vier Prozent steigt die Bedarfszuweisung je nach erreichter Punktezahl. Zudem kann bei gelungenen Projekten die förderbare Baukostenobergrenze angehoben werden.

Entwickelt wurde das Dokument vom Umweltverband der 96 Vorarlberger Gemeinden gemeinsam mit relevanten Fachleuten. Das Konzept ist nachhaltig und umfassend überlegt. Geringer Heizwärmebedarf und schöne Dämmwerte sind für den Ausweis weit zu wenig. Die Performance eines Gebäudes wird nach vier Kategorien bemessen.

Es beginnt mit der „Prozess- und Planungsqualität“: Sind z.B. genug Fahrradstellplätze konzipiert, wird das Tageslicht gut ausgenutzt? Unter „Energie und Versorgung“ wird der Gesamteinsatz endlicher Energieträger erhoben, auf erneuerbare Energiequellen geachtet, der Heizbedarf verzeichnet. Zum ökologischen System eines Gebäudes gehört der bewohnende Mensch: Die Kategorie „Gesundheit und Komfort“ fragt nach der thermischen Behaglichkeit in Sommer und Winter und erhebt die Qualität der Raumluft. Die vierte Ebene betrifft „Baustoffe und Konstruktion“. Es geht um die Vermeidung von „kritischen Stoffen“, insbesondere PVC in Bodenbelägen, Installationen, bei Fenstern und Türen. Positiv bewertet werden hingegen Materialien aus ökologisch optimierter Herstellung und Baustoffe und Konstruktionen mit geringem Entsorgungsaufwand.

Mittlerweile sind zahlreiche Beispiele entstanden, die zeigen, dass sich der Aufwand lohnt. Nicht nur finanziell, auch funktional, sozial und kulturell, weil nach diesen Kriterien überaus angenehme und lebenswerte Gebäude entstehen. Die Qualität der Architektur nimmt davon keinen Schaden, eher ganz im Gegenteil. Die Grußbotschaft aus West lautet daher: „Oberösterreich, diesen Ausweis bitte!“

3. Oktober 2015 Oberösterreichische Nachrichten

Gebastelt, nicht geklotzt

Hallstatt: Der verstreute Bestand der HTL wurde strukturgerecht mit vier Ergänzungen versehen. Fein abgestimmt nach Nutzung und Umgebung ist jeder Bau ein Typ für sich.

Hallstatt mag für moderne Architektur ein sensibles Umfeld sein. Doch bei aller Weltkulturerbe- und Postkarten-Idylle: Ein Freiluft-Museum ist es vorerst noch nicht. Die gut 140 Jahre alte, so traditionsreiche wie moderne Ausbildungsstätte der HTL im südlichen Ortsteil Lahn ist ein kräftiger Beweis, dass die Struktur noch lebt und wächst. Die Innsbrucker riccione architekten haben die Schule mit Bauten bereichert, die sich im Bestand einpassen und trotzdem ausdrucksstark gelungen sind.

Vielseitig wie das schulische Angebot war das Raumprogramm für die dringend nötige Erweiterung, das die Bundesimmobiliengesellschaft in den vergangenen Jahren umgesetzt hat. Neben Aktualisierungen am Bestand wurde ein Haus mit neuen Klassen und Bibliothek errichtet. Am weiter südlich gelegenen Werkstättengelände entstanden ein Holzlager, ein Zubau für das Hauptgebäude und zuletzt ein Pavillon mit weiteren Praxisräumen und Kantine. Für die Bauherrschaft wie Nutzer war es ein Vorteil, dass der erfolgreiche Wettbewerbsbeitrag des Tiroler Architekturbüros schrittweise verwirklicht werden konnte. Nicht nur, weil staatsnahe Budgets in diesen Tagen knapp bemessen sind, auch weil der Betrieb mit 480 Schülern so gut aufrechterhalten werden konnte.

Begonnen wurde das Projekt mit der kompakten Kiste des Holzlagers, abgesehen von einem kleinen Betonkern ein reiner Holzbau. Der Zubau beim Werkstättengebäude schließt den Bestand zum See hin ab. Hier sind helle Räume mit toller Aussicht für Instrumentenbau- und Restaurationszweig entstanden. Die Stahl-Holz-Konstruktion überspannt einen praktischen Werkplatz im Freien. Anderes leistet der Neubau am Ortseingang. Seine Tischform lässt genügend Außenraum um das Gebäude, das mit der Bibliothek eine wichtige, sichtbare Funktion enthält. Das Obergeschoß mit vier Unterrichtsräumen über dem Betonsockel ist aus Holz. Eine kleine Brücke führt zum Altgebäude.

Vier Charakterbauten

In der letzten Bauetappe wurde ein Solitär ohne bauliche Anbindung an den Bestand realisiert, ein richtiger Pavillon. Die grüne Blecheinhausung der Leimbinder über den Hallen gibt dem Flachbau eine eigenwillige Kontur. Mit Veranda, Freitreppe und großen Verglasungen öffnet er sich zur Uferwiese. Innen bestimmen grobe Betonwände das Bild, die Leitungen sind wie überall auf Putz, die Türzargen außenbündig auf die Wand montiert.

Deutlich als Ergänzung konzipiert sind die Volumen trotzdem in sich schlüssig. Mit leichten Verbindungselementen wird Neues an Altes angedockt. Es sind keine „Zu“-Bauten, sondern Nachbarschaften, die die umgebende Dorfstruktur in ihrer Durchlässigkeit weiterstricken. Typisch für alle Häuser ist der lässig-pragmatische Umgang mit Material und Detail, der die Dinge zeigt, wie sie sind – ohne Glättung, ohne angestrengte Künstlichkeit. Dazu kommt Mut zur eigenständigen Konstruktion und Form, die für jeden Bauteil aus der jeweiligen Nutzung und dem landschaftlichen Kontext neu entwickelt wurden. Ein buntes Durcheinander ist es aber nicht. Einiges wiederholt sich und verbindet. Die hell lasierten, sägerauen Fichtenbretter der Fassaden sind ein Beispiel, oder die für Holzbauten eher ungewöhnlichen Alu-Profile der Fenster. Auch die weiß lackierten Stahlteile der Stützen, Geländer und Träger gehören zu dem unverwechselbaren Kanon. Wohl in Abgrenzung zum großen Wurf, zur allumfassend richtigen Lösung, die oft favorisiert wird, spricht Architekt Clemens Bortolotti von „Gebasteltem“. Es ist nicht Bauen nach standardisiertem System, sondern Bauen im Kleinen, ein fein abgestimmtes Reagieren mit möglichst günstigen Mitteln. Ein verstreutes Ensemble interessanter Gebäudetypen ist so entstanden, die individuell sind und doch verwandt. „Es ist fast wie eine Boygroup“, so Bortolotti schmunzelnd, „für jeden Geschmack ist etwas dabei.“

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