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Daniel Baur ist Landschaftsarchitekt in Basel. Mit seinem Büro Bryum hat er für den Energieanbieter Primeo Energie in Münchenstein bei Basel einen Vorplatz gestaltet aus 100 % wiederverwendetem Material. Da sie nicht wussten, mit welchen Materialien sie bauen würden, erstellten sie anstelle einer Visualisierung Regeln: Alle benötigten Materialien sollten aus einem Umkreis von maximal 10 km kommen oder das Material sollte zu 100 % verwendet werden und nicht teilweise wieder weggeworfen werden, nur weil es nicht in das Gestaltungskonzept passt oder einen kleinen Makel hat. Reuse-Konzepte erfordern einen flexiblen Entwurfs- und Planungsprozess. In diesem Fall ermöglichte das flexible Konzept der Streifen Änderungen im Materialbezug und im Bauprozess. Daniel Baur erzählt im Gespräch, warum bei Reuse-Projekten neue Kompetenzen von Planenden und Ausführenden gefordert sind, warum sich das Verhältnis von Entwurf und Planung radikal verändert und warum die schöne Visualisierung kontraproduktiv für Reuse-Projekte ist. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.
Ich denke, in Zukunft wird es nicht mehr nötig sein, solch bunte Hunde zu bauen. Wenn wir die Materialströme besser kennen, dann können wir eigentlich bauen, wie wir das gewohnt sind. Wenn man diese Netzwerke aufbaut, dann weiß man ziemlich genau, welches Objekt wann zurückgebaut wird oder wo welche Ressourcen frei werden. Das ist planbar. Das ist eine Erkenntnis aus diesem Projekt. Zuerst hatten wir Angst, dass wir auf eBay Platten kaufen müssen, und dann kommt die ganze Zeit der DHL-Wagen und lädt Paletten ab. In der Diskussion mit den Baufirmen haben wir gemerkt, dass es viel planbarer ist als gedacht. Was auch noch interessant ist, ist, dass viel Material weggeworfen wird, das eigentlich ein Restposten ist oder Material mit einem Schaden. Das kann eine kleine Kalkausblühung sein, die nach zwei Jahren weg ist, aber die Platten kann man heute nicht mehr verkaufen. Das hat uns sehr überrascht und auch erschreckt.
Das zirkuläre Bauen erfordert einen anderen Entwurfsprozess. Wenn ich nicht mehr das Objekt erschaffe, sondern die Regeln bestimme, wie das Objekt aussieht, muss ich mich eigentlich mit den Regeln identifizieren. Das braucht extrem viel Mut. Und dieser Mut ist ein Widerspruch zum Schöpferischen. Das fertige Bild, die Visualisierung funktioniert in der Wieder- oder Weiterverwendung nicht, weil man nicht weiß, mit welchem Material man arbeiten wird. Die Schöpfung ist nicht mehr der Entwurf, sondern die Schöpfung ist der Prozess des Entstehens und des Zusammensetzens. Und da merken wir, dass die Architektur im Moment noch mit der hohen Qualität des Bildes, der Nachvollziehbarkeit, wie es genau aussehen soll, ganz woanders steht, als wir es für das zirkuläre Bauen brauchen. Ich würde überhaupt nicht sagen, dass man die Gestaltung hintanstellen muss, sondern dass durch das Momentum der Ressource sich auch ganz tolle räumliche Qualitäten ergeben, die nie entstanden wären, wenn man auf dem Reißbrett anfängt, den perfekten Raum zu zeichnen.“
Daniel Baur ist Landschaftsarchitekt und Stadtentwickler. Er ist Inhaber und Mitglied der Geschäftsleitung von Bryum, einem Büro für urbane Interventionen und Landschaftsarchitektur mit Sitz in Basel, und Professor für Landschaftsarchitektur an der Berner Fachhochschule für Architektur, Holz und Bau. In Lehre wie Praxis legt er immer wieder einen Fokus auf das Thema Reuse und auf die Bedeutung für Entwurf und Ausführung.