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Von 2012 bis 2023 stand die Internationale Bauausstellung (IBA) Thüringen unter dem Motto „StadtLand“. Im Gegensatz zu früheren IBAs, die oft in Großstädten stattfanden, konzentrierte sich die IBA Thüringen auf den ländlichen Raum und die Kleinstädte. Die Projekte, Netzwerke und Kooperationen, die während dieser Zeit entstanden, zeigen, wie durch Umbau und gemeinschaftliches Handeln wieder Orte der Gemeinschaft und Begegnungen entstehen können. Katja Fischer war Projekt- und Programmleiterin der IBA Thüringen und ist heute Vorständin der Stiftung Baukultur Thüringen. Sie erzählt im Gespräch, wie sich ihr Blick auf die ländlichen Regionen im Zuge der IBA verändert hat und welche Zukunftsfähigkeit in diesen Räumen steckt. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.
Man nützte die Gunst der Stunde, aber auch das Narrativ der ländlichen Räume hat sich im Zuge des IBA-Zeitraums generell verändert. Ländliche Räume wurden wieder mehr als ein Aufgabengebiet für uns Planende verstanden. Unser Ansatz bei der IBA Thüringen war, dort hinzugehen, wo Menschen sich für ihre Räume engagieren. Wir müssen uns an die Seite dieser Menschen stellen. Dann entsteht die Zukunft von ganz alleine. Da muss man nicht von außen mit einer Rezeptur kommen und glauben, man kann etwas bewirken. Man muss so eine Art Sparringpartner sein für ihre Ideen und ihren Alltag und muss dann gemeinsam weiterdenken und Lösungen entwickeln. Das war auch unser Selbstverständnis der IBA Thüringen. Wir sind da hingegangen, wo Engagement war. Dabei entsteht einerseits eine Art Selbstwirksamkeit, ein Stolz auf das, was man tut, andererseits eine Stärkung der eigenen Identität und der eigenen Heimatbezogenheit. Das stärkt im Endeffekt die Situation in den ländlichen Räumen. Es entstehen wieder Orte, die Gemeinschaft und Begegnungen ermöglichen.
Der ländliche Raum, die Dörfer und die Kleinstädte haben ja schon die Besonderheit, dass hier sehr unkompliziert Gemeinschaft gelebt wird, im Gegensatz zur anonymen Großstadt. Diese Gemeinschaft wieder zu reaktivieren und zu stabilisieren, im Sinne einer gemeinsamen Zukunft, das war unsere Aufgabe. Wir wissen heute, dass wir in Prozessen denken müssen und nicht in Projekt und Ergebnis. Bei einer IBA geht es ja nicht um das Neuerfinden, sondern darum, eine Veränderung zu begleiten.
Natürlich sind wir besorgt über die aktuellen politischen Entwicklungen. Aber wir sind der festen Überzeugung, und das ist auch unsere Erfahrung, die wir im Laufe der IBA gemacht haben, dass es sehr viele, sehr engagierte Menschen in diesem Land gibt, die nicht AfD wählen. Sie setzen sich mit komplexen Rahmenbedingungen und Polykrisensituationen auseinander und versuchen, gemeinsam Lösungen zu finden. Wir können jetzt resignieren oder wir können versuchen, mit unseren Mitteln etwas zu bewirken. Mein Mittel als Architektin, als Gestalterin von Regionen ist es, einen gesellschaftlichen Transformationsprozess entlang von baulichen Interventionen, Ingebrauchnahmen und Begegnungsräumen zu kuratieren und Kooperationen für ein gutes Zusammenleben und Miteinander zu fördern.
Mehrere Jahre vor dem Ende der IBA entschied die Landesregierung, dass es eine Verstetigung dieser Strukturen braucht, um die während der IBA entstandenen Netzwerke zu pflegen und die Erkenntnisse, die wir alle in den Projekten gemacht haben, zu skalieren. Das zeigt ja auch, dass für diese aufsuchende Arbeitsweise der IBA auf der Landesseite ein großes Verständnis entstanden ist.
Mit der Stiftung Baukultur Thüringen geht es nun nicht mehr in erster Linie um Projektentwicklungen, sondern darum, dass unser aktuelles Wissen in die Fläche skaliert und dort wirksam wird. Wir verstehen uns als Partner der Transformation in Thüringen, Baukultur ist für uns die Strategie der Bauwende. Als Vorständin der Stiftung Baukultur Thüringen setze ich mich daher für ein zirkuläres, ressourcenbewusstes Bauen, vor allem ein Umbauen und eine Gemeinwohlorientierung ein. Mit den einzelnen Modellprojekten der IBA konnten wir den Paradigmenwechsel im Bauen, also die Verwendung nachwachsender Rohstoffe, Rezyklate, die Aktivierung und Pflege des Bestands, erst einmal nur anstiften und punktuell erproben. Es ist klar, dass das ein kultureller Prozess ist, der Zeit braucht, und dass wir alle gebraucht werden, damit die Bauwende gelingt.“
Katja Fischer ist geschäftsführende Vorständin der Stiftung Baukultur Thüringen.
Nach ihrem Studium an der Bauhaus-Universität Weimar widmete sie sich in Forschung und Lehre den Themen Wohnungsbau sowie Stadt- und Raumentwicklung. Von 2012 bis 2023 war sie Projekt- und Programmleiterin der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen.
In ihrer heutigen Position als Vorständin der Stiftung Baukultur Thüringen setzt Katja Fischer Impulse für eine zukunftsfähige Bau- und Planungskultur: Sie fördert innovative Prozesse im Spannungsfeld von Stadt und Land, Bau und Transformation, Nachhaltigkeit und Gestaltung.






