Interview

«Es ist für mich sicher ein besonderer Ort»: Am Bahnhof Stadelhofen nahm die Karriere des Stararchitekten Santiago Calatrava ihren Lauf. Jetzt kehrt er zurück

Bis 2025 erhält der Stadelhofen einen prägenden Neubau. Nun sind erste Mieter bekannt.

Francesca Prader 4 min
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Wo heute eine Baugrube klafft, entsteht ein Gebäude, welches den Bahnhof Stadelhofen prägen wird.

Wo heute eine Baugrube klafft, entsteht ein Gebäude, welches den Bahnhof Stadelhofen prägen wird.

Visualisierung PD / © Pro Litteris

An einem von Zürichs wichtigsten Verkehrsknotenpunkten befindet sich auch die wohl eindrücklichste Baustelle der Stadt: am Bahnhof Stadelhofen. Dort, wo einst das Gebäude stand, an dem die orangen Lettern des Cafés Mandarin 1970er-Jahre-Charme versprühten, klafft heute ein riesiges Loch. Darüber sind auf einer Metallkonstruktion Baucontainer angeordnet. Über all das ragt ein Kran.

Schon seit bald einem Jahr herrscht auf der Baustelle, wo dereinst das Haus zum Falken mit Läden, Büros und einer dreistöckigen unterirdischen Velogarage mit 800 Plätzen stehen wird, emsiges Treiben.

Am Donnerstag hat der bekannte Architekt und Wahlzürcher Santiago Calatrava zusammen mit den SP-Stadträten Simone Brander und André Odermatt den Grundstein gelegt.

Bis 2025 soll der prägende Neubau am Bahnhof Stadelhofen fertiggestellt sein. Die ersten Mieter stehen bereits fest: Im Erdgeschoss wird die Confiserie Bachmann einziehen. Zwei der vier oberen Etagen sind für das Spital Zollikerberg vorgesehen. Damit werde die Kapazität der nahe gelegenen Walk-in-Frauen-Permanence erhöht. Zudem werden dort unter anderem Behandlungen im Bereich der plastischen Chirurgie vorgenommen.

An jenem Ort, an dem alles anfing: Santiago Calatrava am Bahnhof Stadelhofen.

An jenem Ort, an dem alles anfing: Santiago Calatrava am Bahnhof Stadelhofen.

Annick Ramp / NZZ

Santiago Calatrava, wie ist es für Sie, hier neben dem Bahnhof Stadelhofen, dem ersten grossen Projekt ihrer Karriere, einen weiteren prägenden Bau zu erstellen?

Santiago Calatrava: Es ist für mich sicher ein besonderer Ort. Hier hat alles begonnen. Der Bahnhof Stadelhofen war der erste grosse Wettbewerb, den ich 1983 zusammen mit meinem Kollegen Arnold Amsler gewonnen habe. Vom Wettbewerb bis zur Vollendung der Bauarbeiten dauerte es gut zehn Jahre. Von hier aus ging es weiter nach Lyon, Lissabon und New York. Es freut mich nun, das Haus zum Falken errichten zu können. Die Baustelle reicht jetzt zwar bis an die Überführung über die Gleise heran, das Gebäude selbst wird am Schluss aber zwölf Meter nach hinten versetzt sein. Damit bleibt der Steg ein wichtiger Bezugspunkt, und dadurch, dass der Abstand zwischen dem alten Bahnhofsgebäude und dem Steg etwa gleich gross ist wie der Abstand zwischen Steg und Neubau, entsteht eine Art Mini-Platz.

Durch das zurückversetzte Gebäude entsteht am Stadelhofen ein neuer «Mini-Platz».

Durch das zurückversetzte Gebäude entsteht am Stadelhofen ein neuer «Mini-Platz».

Visualisierung PD / © Pro Litteris

Gibt es am Bahnhof Stadelhofen etwas, was Sie heute anders machen würden?

Vielleicht würde ich heute stärker auf die Bepflanzung achten. Heute spricht man viel von Begrünung. In den 1980er und 1990er Jahren war Grünraum gar kein Thema. Dennoch haben wir uns für eine bewachsene Pergola entschieden. Von daher ist diese ein Stück weit Pionierarbeit. Abgesehen davon würde ich den Bahnhof heute nicht anders bauen.

Was sind die grössten Herausforderungen bei den Arbeiten am Neubau?

Auf beiden Seiten der Baustelle hat es die Leitungen von Tram und Zug mit enorm grossen elektrischen Spannungen. Das ist sehr gefährlich, und es braucht entsprechende Sicherheitsvorkehrungen. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass der Grundwasserspiegel relativ hoch ist. Das heisst, es ist nicht ganz einfach, die sehr mächtige Baugrube trocken zu halten und alles abzudichten. So klein das Gebäude ist, technisch ist es eine grosse Herausforderung, es hier zu erstellen.

Das Gebäude hat schon ein paar Spitznamen. Je nach Sympathie wird es mit einer Hochseejacht oder auch mit einem gestrandeten Wal verglichen. Wie ist das für Sie?

Wissen Sie, das kann man nicht vermeiden. Man hat auch die Pergola des Stadelhofens, also das Gerippe, welches sich darüber wölbt, damals mit Ölpumpen verglichen. Solche Übernamen sind auch immer ein bisschen ein Zeichen der Zeit.

Im Erdgeschoss wird die Confiserie Bachmann einziehen, in zwei der vier Obergeschosse das Spital Zollikerberg.

Im Erdgeschoss wird die Confiserie Bachmann einziehen, in zwei der vier Obergeschosse das Spital Zollikerberg.

Visualisierung PD / © Pro Litteris

Was ist wichtiger, der Architekt oder der Bauherr?

Jedes Mal, wenn Sie ein tolles Gebäude sehen, steckt dahinter auch ein guter Bauherr. Es ist ähnlich, wie wenn man sich Kleider kauft. Man sucht sie so aus, dass sie der eigenen Persönlichkeit entsprechen. So ist es auch mit der Architektur. Besondere Gebäude entstehen dann, wenn ein Bauherr sich mit allen damit einhergehenden Konsequenzen für einen Architekten und seinen Projektvorschlag entscheidet. Auch die Intention eines Gebäudes spielt eine wichtige Rolle.

Wie meinen Sie das?

Ich habe den Bahnhof beim Ground Zero in New York gebaut. Der Bauherr war die Port Authority von New York und New Jersey. Eine enorme Organisation mit 70 000 Mitarbeitenden. Sie hat aber auch 85 Mitarbeitende bei den Anschlägen auf die Twin Towers verloren. Der Bau sollte also auch eine Erinnerung an sie sein. Ohne dieses Schlüsselereignis, diesen Aussagewunsch, wäre es ein komplett anderer Bau geworden. Oder nehmen wir den Stadelhofen. Für den Bau hatten wir 42 Millionen Franken budgetiert, am Schluss kostete er 48 Millionen Franken. Wenn man heute für diese Summe einen Bahnhof bauen wollte, wäre das so wenig, da würde ein Pferd lachen. Aber es war ein gemeinsamer Wille da, etwas zu bauen, auf das man stolz sein kann.

Welche Art von Bauten entwerfen Sie am liebsten?

Ich baue gerne Sachen, die vielen Leuten dienen. Bauten müssen nicht deklamatorisch sein, sie müssen die Städte schöner machen. Heute ist es wichtiger denn je, dass man städtebaulich denkt.

Das Haus zum Falken vom Stadelhoferplatz aus gesehen.

Das Haus zum Falken vom Stadelhoferplatz aus gesehen.

Visualisierung PD / © Pro Litteris