Eine einmalige Karriere: Zum 100. Todestag von Gustave Eiffel

Eine einmalige Karriere: Zum 100. Todestag von Gustave Eiffel

Ullstein

Diese Laufbahn war nur im 19. Jahrhundert möglich: Gustave Eiffel war der visionäre Unternehmer, dessen Name untrennbar mit dem für die Pariser Weltausstellung 1889 errichteten Turm verbunden ist.

Hubertus Adam (Text), Nicole Aeby (Bildredaktion) 5 min
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Ingenieure stehen in der öffentlichen Wahrnehmung zumeist hinter Architekten zurück. So ist es eine absolute Ausnahme, dass eines der berühmtesten Bauwerke der Welt den Namen seines Konstrukteurs unsterblich gemacht hat: la Tour Eiffel, der Eiffelturm.

1832 in Dijon geboren, hatte Gustave Eiffel an der Pariser Ecole des arts et manufactures ein ingenieurwissenschaftliches Studium absolviert und in Chemie sein Diplom gemacht, bevor der Eisenbahnbau sein eigentliches Betätigungsfeld wurde. Als sein Erstlingswerk gilt die Garonne-Brücke in Bordeaux (1858–60), eine leichte und materialsparende Fachwerkkonstruktion, bei der er als Bauleiter fungierte.

Der junge Eiffel galt als zielstrebig, ehrgeizig und gut organisiert, so dass er zusammen mit dem belgischen Ingenieur Théophile Seyrig 1869 sein eigenes Unternehmen Eiffel et Cie. im Pariser Vorort Levallois-Perret gründen konnte. Eiffels Rolle war die des Managers, während die Entwürfe vorwiegend von Seyrig stammten. Zum Beispiel jene für die Maria-Pia-Brücke in Porto (1875–77) mit ihrem markanten sichelförmigen Bogen, der mit einer Spannweite von 160 Metern den Douro überquert.

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Der Eiffelturm im Bau: Aufnahme aus dem Jahr 1888; Gustave Eiffel in einer Aufnahme aus dem Jahr 1889, als der Eiffelturm fertiggestellt wurde.

Revolutionär zeigten sich nicht nur die Dimensionen, sondern auch das freitragende Montageverfahren, bei dem auf Lehrgerüste oder andere Stützkonstruktionen verzichtet wurde. Mit der ähnlich konstruierten Brücke über das Truyère-Tal im Massif central, dem Garabit-Viadukt (1880–84), übertraf Eiffel sich selbst. Leitender Ingenieur war nun der am Zürcher Polytechnikum ausgebildete Maurice Koechlin, der nach Seyrigs Ausscheiden aus dem Unternehmen zu Eiffels wichtigstem Mitarbeiter avanciert war.

Spektakuläre Brückenbauten mehrten den Ruhm von Eiffel et Cie., das weltweit Brücken, aber auch Hallen und andere Konstruktionen realisierte. Darunter beispielsweise auch die Stützkonstruktion für die von dem elsässischen Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi entworfene Freiheitsstatue in New York.

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Der Mann des Turms in einer Karikatur; Die Freiheitsstatue in New York in einer Illustration.

Neues Bauen

1884 begann Eiffels Büro am Projekt einer «Tour de 300 mètres» zu arbeiten. Seit dem Kristallpalast von Joseph Paxton in London 1851 zählten spektakuläre Eisenbauten zu den Attraktionen von Weltausstellungen. Während sich im Zeitalter des Historismus moderne technische Konstruktionen üblicherweise hinter traditionell wirkenden Fassaden verbargen, existierten bei temporären Bauten für Grossausstellungen mehr Freiheiten.

Historiker und Wegbereiter des Neuen Bauens wie beispielsweise Sigfried Giedion verstanden die avancierten Bauten für Weltausstellungen gewissermassen als protofunktionalistisch, als Beispiele für eine Inkubationsphase der Moderne.

Der Eiffelturm an der Weltausstellung von 1889.

Der Eiffelturm an der Weltausstellung von 1889.

Hulton / Getty

Die Idee eines Turms mit der bisher nie erreichten Höhe von 300 Metern kam im Vorfeld der für 1889 geplanten Weltausstellung in Paris auf, die zugleich als Zentenarfeier der Französischen Revolution fungieren sollte. In Eiffels Büro entwickelte Maurice Koechlin das Konzept eines aus vier gekurvten, sich an der Spitze vereinenden und durch Plattformen miteinander verbundenen Fachwerkpylonen bestehenden Turmbauwerks.

Doch der erste Entwurf gefiel Eiffel nicht; er empfand ihn als zu technisch und liess ihn daher durch den Chefarchitekten seines Büros, Stephen Sauvestre, überarbeiten. Dieser reduzierte die Zahl der Plattformen auf drei, fügte diverse Verzierungen hinzu, um das Gesamtbild des Turms gefälliger erscheinen zu lassen; vor allem aber verband er die Pylonen im untersten Abschnitt allseitig mit Bögen.

Diese erinnern zwar an die ikonischen Brücken, mit denen Eiffels Büro bekannt geworden war, besitzen aber in diesem Fall keine statische Funktion – die Aussteifung wird von den Plattformen übernommen. Die Bögen sind demnach rein dekorativ und unterstreichen die Bedeutung des Turms als Eingangstor zur Weltausstellung.

Mit dem revidierten Entwurf gewann Eiffels Büro den ausgeschriebenen Wettbewerb. Die hohe Präzision, welche das Unternehmen bei seinen Brückenprojekten auszeichnete, zeigte sich auch bei der Realisierung der vier separaten, in der Höhe zusammenwachsenden Pylone. Die mehr als 18 000 schmiedeeisernen Einzelteile wurden auf dem Firmengelände präfabriziert, mit Löchern versehen und auf der Baustelle vernietet.

Eiffel, der sich den Turm patentieren liess, sorgte selber für die Finanzierung seines Meisterwerks und behielt für zunächst zwanzig Jahre die Nutzungsrechte. Schon vor der Fertigstellung bürgerte sich der Name Eiffelturm ein. Der Unternehmer selbst verwendete diesen Begriff zwar nicht, er unternahm aber auch keine Anstrengungen, die eigentlichen Autoren gebührend zu nennen: die Ingenieure Maurice Koechlin und Émile Nouguier sowie den Architekten Sauvestre.

Die Reaktion auf Eiffels Wettbewerbserfolg war zunächst zwiespältig. Gerade in Künstler- und Intellektuellenkreisen stiess das Projekt auf heftige Ablehnung – das 1897 in der Zeitung «Le Temps» veröffentlichte Protestschreiben wurde von 300 Personen des kulturellen Lebens unterzeichnet, darunter Charles Garnier, Charles Gounod, Guy de Maupassant und Émile Zola.

Manche von ihnen schlossen nach der Fertigstellung Frieden mit dem Turm; von Maupassant wird kolportiert, er habe des Öfteren im Turmrestaurant gegessen, dem einzigen Ort in Paris, von dem aus der Eiffelturm nicht zu sehen sei.

Faszination der Avantgarde

Gustave Eiffels Entwürfe für die Schleusen des Panamakanals.

Gustave Eiffels Entwürfe für die Schleusen des Panamakanals.

Getty

In der breiten Bevölkerung war Eiffels Projekt von Anbeginn grosser Erfolg beschieden. Eine interessante Distanz der ästhetischen Wahrnehmung zwischen Elite und Massengeschmack tat sich auf, die erst eine Generation später überbrückt werden sollte: Die seit 1909 entstehenden Eiffelturmbilder von Robert Delaunay stehen paradigmatisch für die Faszination der Avantgarde, die im Turm nun das himmelstürmende Symbol der modernen Grossstadt sieht.

Eiffels grösstem Triumph folgen herbe Rückschläge. Auf Initiative von Ferdinand de Lesseps plant er Schleusen für den Panamakanal. Doch das Unternehmen scheitert und löst einen der grössten Finanzskandale des ausgehenden 19. Jahrhunderts aus. Eiffel wird 1892 zu zwei Jahren Haft verurteilt, die er aber aufgrund des Fehlens schuldhafter Verstrickung nicht antreten muss.

Im Vorjahr hat sich in der Schweiz ein folgenschwerer Unfall ereignet: Am 14. Juni 1891 stürzt die von Eiffels Büro entworfene Eisenbahnbrücke in Münchenstein ein, 73 Tote und 171 Verletzte sind zu beklagen. Auch hier trifft Eiffel keine Schuld, und doch zehren die Katastrophen an dem visionären Unternehmer, so dass er sich aus dem Geschäft zurückzieht und es Koechlin übergibt.

Zugunglück in Münchenstein am 14. Juni 1891, bei dem über 70 Personen den Tod fanden.

Zugunglück in Münchenstein am 14. Juni 1891, bei dem über 70 Personen den Tod fanden.

PD

Doch der umtriebige Eiffel sucht ein neues Betätigungsfeld und widmet sich fortan aerodynamischen Versuchen. Nachdem er jahrzehntelang den Eisenbahnbau vorangetrieben hat, bereitet er nun dem modernsten Verkehrsmittel des frühen 20. Jahrhunderts den Weg: dem Flugzeug. Zunächst nutzt er den Eiffelturm für seine Versuche, zu dessen Füssen 1903 ein Windkanal entsteht. 1912 bezieht er das Laboratoire Aérodynamique Eiffel im 16. Pariser Arrondissement, das er bis Ende 1920 leitet. Drei Jahre später stirbt er in Paris.