Das Opernhaus darf als Notlösung einen ungewöhnlichen Holzpavillon auf den «Fleischkäse» setzen. Trotz Zürichs durchzogener Bilanz mit Provisorien

Der Heimatschutz ist skeptisch, erhebt aber keinen Rekurs.

Marius Huber 3 min
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Am gewölbten Dach erkennt man in dieser Visualisierung über dem «Fleischkäse» den mit Absicht zurückversetzten Überbrückungsbau.

Am gewölbten Dach erkennt man in dieser Visualisierung über dem «Fleischkäse» den mit Absicht zurückversetzten Überbrückungsbau.

PD

Das Zürcher Opernhaus will seinen «Fleischkäse» loswerden, den ungeliebten Erweiterungsbau aus den achtziger Jahren, und Platz für Neues schaffen. Aber zunächst einmal gibt es nicht weniger «Fleischkäse», sondern mehr. Dieser wächst schon bald um ein zusätzliches Stockwerk.

Ein temporärer Holzpavillon, der Huckepack aufs bestehende Gebäude gesetzt wird, soll die akuten Platzprobleme beheben. Unter anderem fehlt es an Garderoben und separaten Duschen fürs weibliche Personal.

Gegen dieses Vorhaben sind beim Zürcher Baurekursgericht keine Rekurse eingegangen, wie das Opernhaus auf Anfrage mitteilt. Damit ist die von der Stadt Zürich erteilte Baubewilligung gültig. Geplant ist, dass die Arbeiten im Juli beginnen und vor Ende 2024 abgeschlossen sind.

Manche Provisorien werden Mal für Mal verlängert

Obwohl das Opernhaus diese temporäre Notlösung mit untragbaren Arbeitsbedingungen nachvollziehbar begründen konnte, ist es nicht selbstverständlich, dass das Vorhaben derart widerstandslos durchkommt. Denn Zürich ist aus gutem Grund misstrauisch gegenüber Provisorien.

Das provisorische Polizeigefängnis war auf fünf Jahre befristet, als es 1995 auf dem Kasernenareal errichtet wurde. Es verschwand erst 2023. Das Globus-Provisorium in der Limmat, erstellt 1961, sollte ebenfalls nur eine Übergangslösung sein, bis das Warenhaus den Neubau an der Bahnhofstrasse eröffnen konnte. Es steht noch heute.

Das Opernhaus hütet sich denn auch auffallend, von einem Provisorium zu sprechen. Die offizielle Sprachregelung lautet: «Überbrückungsbau». Mehr als fünfzehn Jahre solle dieser keinesfalls bleiben, das stand ausdrücklich im Baugesuch. Bloss war das auch in anderen Fällen so – und doch wurde die Bewilligung Mal um Mal verlängert.

Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen mit langjährigen «Providurien» begegnete der Stadtzürcher Heimatschutz den Absichten des Opernhauses mit Skepsis. Er anerkannte aber die prekären Arbeitsbedingungen und erhob keinen Rekurs. Stattdessen verständigte man sich darauf, dass nach den fünfzehn Jahren vom Opernhaus definitiv keine Verlängerung des Provisoriums beantragt werde.

Bettina Auge, Mediensprecherin des Opernhauses, zeigt sich zuversichtlich, dass dies kein Problem sein wird: «Wir gehen davon aus, dass wir uns dann in einer anderen Phase befinden.» Läuft alles nach Plan, dauert die Überbrückungsphase weniger lang. Schon in etwa zehn Jahren soll der Neubau stehen, der den «Fleischkäse» ersetzt.

Der Aufbau soll unauffällig wirken und doch repräsentativ

Das Opernhaus-Provisorium soll zwei Ansprüche erfüllen, die in einer gewissen Spannung zueinander stehen: Einerseits soll es ein unauffälliger, offensichtlich temporärer Bau sein, andererseits aber auch der repräsentativen Umgebung gerecht werden.

Deshalb handelt es sich natürlich um mehr als einen simplen Holzpavillon. Dafür bürgen allein schon die Architekten. Entworfen hat den Aufbau das Büro EM2N, das in Zürich schon verschiedentlich mit einer ausdrucksstarken Formensprache aufgefallen ist. Neben dem Umbau des Toni-Areals zur Zürcher Hochschule der Künste verantwortete es unter anderem die Sportanlage Heuried mit ihrem weit auskragenden, schwebenden Vordach sowie das Gemeinschaftszentrum in der Bäckeranlage mit seinen geschwungenen Wänden und kräftigen Farben.

Auf den «Fleischkäse» setzen die Architekten einen Aufbau, der sich nicht am streng orthogonalen Achtziger-Jahre-Gebäude orientiert, sondern sich mit seiner geschwungenen Silhouette an die Kuppel des historistischen Opernhauses anlehnt. Gleichzeitig lassen die Fassaden aus gestrichenem Holz und das Dach aus beschieferter Pappe keinen Zweifel daran, dass es sich um eine Lösung auf Zeit handelt. Zudem wird der Bau bewusst auf den hinteren Teil des «Fleischkäses» gesetzt, so dass er vom Sechseläutenplatz her nicht dominant in Erscheinung tritt.

Diese Perspektive verdeutlicht, dass der Aufbau nur einen Teil der Dachfläche besetzt.

Diese Perspektive verdeutlicht, dass der Aufbau nur einen Teil der Dachfläche besetzt.

PD

Gemäss der Bausektion des Zürcher Stadtrats erzielt das Provisorium dadurch städtebaulich jene besonders gute Wirkung, die an dieser sensiblen, exponierten Lage gefordert ist. Die Zürcher Kantonsregierung hat dem Projekt bereits im vergangenen Sommer ihren Segen gegeben – vor allem in finanzieller Hinsicht. Sie bewilligte damals 3,7 Millionen Franken. Damit werden 80 Prozent der Kosten gedeckt, den Rest muss das Opernhaus mit eigenen Mitteln stemmen.