Bauwerk

Galerie für Zeitgenössische Kunst
as-if Architekten - Leipzig (D) - 2004
Galerie für Zeitgenössische Kunst, Foto: Wolfgang Thaler
Galerie für Zeitgenössische Kunst, Foto: Wolfgang Thaler

Bau und Gegenbau

Zwei extrem verschiedene neue Museen in Leipzig

19. Februar 2005 - Oliver Elser
Leipzig - wenn dieser Name fällt, geht seit einiger Zeit ein Raunen durch die Kunstszene. Die Leipziger Schule war schon zu DDR-Zeiten eine Hochburg gegenständlicher, aber in ihrem verschrobenen, fantastischen Realismus auch im Westen geschätzter Malerei. Zumindest bei Kritikern und Museumsleuten, die den Glauben an die große Kunst im Theorienebel der vergangenen Jahrzehnte nicht verlieren wollten. Die Meister sind zwar mittlerweile fast alle tot, aber genährt von deren Mythos erobert gerade eine neue Generation den Kunstmarkt, angeführt vom Maler Neo Rauch, dessen reklametafelhaften, aber ungleich schwerer entzifferbaren Ölgemälde unlängst auch in der Wiener Albertina zu sehen waren.

Was aber in Leipzig fehlte, war ein Museum. Nach vielen Verzögerungen konnte im Dezember ein Neubau eröffnet werden, der sich zurzeit noch nackt, ohne die endgültige Fassade zeigen muss. Nackt, aber nicht aus Budgetmangel, sondern sehr bewusst, ist auch ein zweiter, zum selben Zeitpunkt eröffneter Ausstellungsbau, die Erweiterung der „Galerie für zeitgenössische Kunst“, kurz GFZK, geleitet von der Österreicherin Barbara Steiner und errichtet von dem jungen deutsch-österreichischen Architektenteam AS-IF (Paul Grundei, Stephanie Kaindl und Christian Teckert). In einer Entfernung von 15 Gehminuten bietet die Stadt nun eine Gegenüberstellung von zwei jeweils hochkarätigen, aber von Grund auf verschiedenen Museumskonzepten. Sie zu vergleichen, trotz unterschiedlichen Anspruchs und obwohl das eine von seiner Größe her die Pförtnerloge des anderen sein könnte, heißt nicht etwa, Äpfel gegen Birnen auszuspielen, sondern kann grundsätzliche Fragen in direkter Konfrontation klären. Wo hat man das schon, dass die Architekturkritik kaum mehr geschrieben werden muss, weil sie in gebauter Form in der Nachbarschaft herumsteht?

Das größere der beiden, das Museum der bildenden Künste, wurde nach einem gewonnenen Wettbewerb von den Berliner Architekten Hufnagel Pütz Rafaelian geplant. Eine große Kiste, die zusammen mit einer niedrigeren Randbebauung einen innerstädtischen Platz auffüllen sollte. Doch vorerst steht das Museum allein und unfertig auf einer grünen Wiese, denn das Geld reichte weder für einen Überwurf aus Glas, noch fanden sich Investoren für den Ring aus Bürogebäuden, der dem Haus städtebaulichen Halt bieten sollte. Trotz allem ist es ein faszinierend ausgehöhlter Sichtbetonkubus, dessen Inneres so verschwenderisch von Lufträumen durchzogen ist, dass man sich fragt, wo denn eigentlich die Kunst abgeblieben ist. Die eigentlichen Ausstellungsräume sind mit einer Fläche von 8000 Quadratmetern zwar alles andere als bescheiden dimensioniert, wurden aber in geschlossene Betonkuben verpackt und lassen dem Schaudern über den Raum den Vortritt vor dem Staunen im Angesicht der Kunst.

Für Barbara Steiner, Direktorin der GFZK, sind das Pathosformen, die den Betrachter zu einem Winzling schrumpfen lassen. Ihr Haus soll nicht überwältigen, sondern die Kunst aus der Sphäre der Hochkultur auf Augenhöhe herunterbringen. Der Feind heißt „white cube“. Die scheinbar neutralen, weißen Ausstellungsräume, in denen seit der Moderne jede Konservenbüchse mit unwiderstehlichem Glanz geadelt wird, sind für Barbara Steiner in Wahrheit hoch ideologische Behälter.

Als unverhofft ein sächsischer Minister 2,5 Millionen Euro für einen Erweiterungsbau in Aussicht stellte, verzichtete die Direktorin auf einen Wettbewerb und entwickelte zusammen mit den Architekten von AS-IF ein Gebäude als Manifest ihrer Kritik am traditionellen Museum. Die architektonischen Ideen, die vor Jahren von Christian Teckert, einem der Mitglieder von AS-IF, zusammen mit Christof Schlegel für den damals von ihr geleiteten Kunstverein Wolfsburg entworfen wurden, sollten nun in einen größeren Maßstab übersetzt werden.

Der flache, rund 1000 Quadratmeter große Pavillon könnte, von außen betrachtet, als Schulerweiterungsbau aus den 1960er-Jahren durchgehen, so nüchtern und karg ist er auf die kleine Parkfläche neben der bestehenden Villa gesetzt, dem bisherigen Standort der GFZK. Dort gibt es die gefürchteten, weißen Rechteckräume, im Neubau hingegen keinen einzigen. Die unregelmäßigen Raumzuschnitte sind das Resultat eines verblüffenden Schiebewandsystems. Mitunter riesige Wandscheiben lassen sich mit einer Hand verschieben, wodurch immer wieder neue Sequenzen entstehen. Für jede neue Ausstellung lassen sich andere Wege, Belichtungssituationen und Raumstimmungen schaffen. Es ist kaum fotografierbar, wie sehr sich der Innenraum durch das Verschieben ändert. Der Effekt ist so dramatisch, dass nur zu bedauern ist, dass die Wände aus Sicherheitsgründen nicht von den Besuchern bewegt werden dürfen. Statt vor ewigen Wahrheiten in Sichtbeton zu erstarren, hätten sie hier die Möglichkeit, die Architektur selbst in die Hand zu nehmen.

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