Bauwerk

Zeitungsdruckerei Süddeutscher Verlag
Peter C. von Seidlein, Horst Fischer, Claus Winkler, Edwin Effinger - München (D) - 1983
Zeitungsdruckerei Süddeutscher Verlag, Foto: Ingrid Voth-Amslinger
Zeitungsdruckerei Süddeutscher Verlag, Foto: Ingrid Voth-Amslinger

Wenn ein Industriegebäude aus der Mitte der achtziger Jahre 2004 Aufnahme findet in einen »Entwurfsatlas Industriebau«, können die funktionalen wie die ästhetischen Aspekte der Architektur des Druckzentrums des Süddeutschen Verlages in München kaum an Gültigkeit verloren haben, und das trotz massiver Veränderungen in der Drucktechnik. Das Konzept der baulichen Abbildung der Produktion trägt bis heute. Der modulare Aufbau und eine hohe Detailqualität sorgen für Nachhaltigkeit.

5. August 2006 - Karl J. Habermann
Ist das kurz nach seiner Fertigstellung im Jahre 1985 mit Architekturpreisen überhäufte Druckereigebäude des Süddeutschen Verlages heute tatsächlich bereits „in die Jahre gekommen“, genügt es nur noch mit Mühe den komplexen Anforderungen einer nach wie vor nicht abgeschlossenen Entwicklung zur computergesteuerten Automatisierung, ist es nicht längst stilgerecht etikettiert in diversen Architekturführern abgelegt oder hat es sich seine unprätentiöse Frische erhalten? Die Recherchen zum vorliegenden Zwischenbericht sollten auch zu einem spannenden Ausflug in die jüngere Entwicklungsgeschichte der Drucktechnik führen.

Bereits mit Beginn der achtziger Jahre war die Umstellung der großen Zeitungsbetriebe von Blei- auf Fotosatz abgeschlossen. Da der Fotosatz keinen direkten Weg zum Hochdruck mehr zuließ, musste eine adäquate Plattenherstellung entwickelt werden. Die Qualitätserwartungen orientierten sich zunehmend am hoch entwickelten Farbfernsehen, einer hervorragenden Farbfotografie und den Ergebnissen des farbigen Tiefdrucks. Die Wende vom Hochdruck zum Offsetdruck zeichnete sich ab. Da die Abmessungen der nun erforderlichen Maschinen die bestehenden Räumlichkeiten in der Innenstadt endgültig zu sprengen drohten, stand eine Trennung der Zeitungsproduktion in Redaktion, Setzerei, Reproduktion und Verwaltung am Standort Innenstadt sowie Plattenherstellung, Druck, Weiterverarbeitung und Versand in einem neuen Druckzentrum in verkehrsgünstiger Lage bevor. Die mittlerweile verfügbare Technik machte die räumliche Trennung möglich und sinnvoll.

In relativ knapper Planungs- und Bauzeit wurde ein Gebäudekomplex realisiert, zu dessen Vorgeschichte Gottfried Knapp in seinem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung unter der Überschrift „Ein Haus, das Schule macht“ meinte „... Es gibt keinen bekannten Druckhaus-Prototypen. Gedruckt wurden die Blätter in Fabrikhallen ohne besondere Ausprägung.“ Das zur Verfügung stehende Grundstück in Steinhausen lag zwar, wie er ausführte, verkehrsmäßig günstig, war aber noch in einer Reihe von Einzelschritten zu arrondieren, bis die heute so selbstverständlich erscheinende Planung darauf umgesetzt werden konnte. Der Entwurfsgedanke, den Produktionsfluss räumlich darzustellen, führte zu einer Lösung, die den funktionalen Anforderungen im Inneren ebenso wie den Vorstellungen nach Ablesbarkeit dieser Ordnung von außen Rechnung trug.

Die vom Grundstück vorgegebene Ausrichtung des Volumens in Ost-West-Richtung ließ sich mit den zwei geplanten Rotationsmaschinen sinnvoll nutzen. Diese Maschinen, ein Fluchttunnel als Fundament und eine über eine Schrägverglasung natürlich belichtete, nur durch Treppenhäuser unterbrochene Verbindungstrasse bilden das Rückgrat des Gebäudes. Der streng modulare Aufbau der klassischen Stahlfachwerkkonstruktion bietet den erforderlichen Spielraum für die übersichtliche Positionierung der Maschinen und die Möglichkeit der Erweiterung an den äußeren Enden der Anlage. Von dieser Möglichkeit wurde bereits im Jahre 1994 mit Erfolg Gebrauch gemacht.

Helmut C. Schulitz meinte in seiner Beurteilung des Druckereigebäudes des Süddeutschen Verlages im Rahmen des Constructa-Preises 1986, dass hier mit einfachen Mitteln eine Architektur von hoher optischer Vielfalt erzeugt wurde. Man hätte nur unterschiedliche Inhalte mit entsprechenden Konstruktionen, materiellen und räumlichen Gestaltungsmitteln interpretiert, durch differenzierte Raumhöhen und Geschossebenen die dritte Dimension genutzt und nicht nur eine einzige Grundstruktur variiert, sondern mit intelligenten und künstlerischen Mitteln ein vielfältiges Baugefüge erzeugt.

Der Besuch des Gebäudes unter dem Gesichtspunkt „... in die Jahre gekommen“ führte nun zu erstaunlichen Beobachtungen.

Der Leiter des Druckzentrums hielt wohl mit seinen Problemen bei der bereits nach 15 Jahren anstehenden maschinellen Runderneuerung nicht hinter dem Berg. Dem Gebäude sieht man diese Strapazen heute jedoch kaum an. Gab es bei der Erstausstattung mit Europas größten Rotationsanlagen noch ausreichend Luft zwischen Maschine und Decke, so ist dieser Abstand heute aufgebraucht. Die Süddeutsche Zeitung kann erneut den Anspruch erheben, aus einer der größten und modernsten Zeitungsdruckereien Europas zu kommen. Der optische Vergleich der Maschinen fällt ebenfalls zu Gunsten der neuesten Generation aus. Sie sind in ihrer farblichen und formalen Gestaltung noch klarer und strenger geworden. Architektur und Maschine harmonieren besser denn je.

Zu denken gibt die Tatsache, dass heute Beschäftigte in größeren Gruppen nur noch im Bereich der Weiterverarbeitung zu sehen sind. Die Automatisierung hat weite Teile der modernen Zeitungsproduktion erfasst und zahlreiche Arbeitsplätze mit geringerer Qualifikation überflüssig gemacht. Stand mit dem Neubau die Gestaltung einer attraktiven, arbeitsplatzgerechten Umgebung im Vordergrund, so könnte man auf die Idee kommen, hier in Zukunft Ab-striche vorzunehmen. Wirtschaftlichkeitsüberlegungen der besonderen Art könnten wieder billigen Dunkelhallen, bestenfalls dekorierten Schuppen das Wort reden. Gott sei Dank ist bei der Leitung der Druckerei hiervon nichts zu hören. Im Gegenteil: die Imagewerbung des Hauses titelt mit den Schlagworten: „Architektur - Technologie - Umwelt - Logistik“. Ein dickeres Lob vom Nutzer kann sich der Architekt wohl kaum wünschen. Es bleibt zu hoffen, dass die positive Einstellung des Süddeutschen Verlages zu seinem schönen Druckereigebäude erhalten bleibt. Sicherlich lässt sich die Idee der Corporate Identity mit dem nebenan begonnenen Hochhaus noch verstärken. Zukünftig wird der Besucher dann auch einen werbewirksam imponierenden Blick von oben auf das Gebäude erhalten. Ästhetik trägt auch im Industriebau wesentlich zur Nachhaltigkeit bei.

Schlussendlich findet sich im aktuellen Entwurfsatlas Industriebau von Jürgen Adam, Katharina Hausmann und Frank Jüttner das SV-Druckzentrum aus dem Jahre 1985 in bester Gesellschaft mit neueren und neuesten Bauten aus dem In- und Ausland wieder. Das „... in die Jahre gekommen“ muss in Anführungszeichen gesetzt bleiben.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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