Bauwerk

Neugestaltung Friedhof Krumbach
bernardo bader architekten, Rene Bechter - Krumbach (A) - 2004
Neugestaltung Friedhof Krumbach, Foto: Ignacio Martinez
Neugestaltung Friedhof Krumbach, Foto: Eduard Hueber

Alles besser, inschallah

Letztes Wochenende wurde in Lissabon der Aga-Khan-Preis verliehen. Unter den Preisträgern findet sich zum ersten Mal auch ein österreichischer Architekt: Bernardo Bader.

14. September 2013 - Veronika Hofer
Alle drei Jahre, wenn der französische Unternehmer und Stifter Karim Aga Khan seine Architekturpreise verleiht, lädt er dazu Gäste aus der ganzen Welt ein. Und so sonnen sich Künstler, Architektinnen, Minister, Mediatoren, Bürgermeisterinnen und Philosophen im Glanz seiner Hoheit. Auf dem Weg zum Empfang im Lissaboner Ismailiten-Zentrum versammelt sich ein buntes Völkchen im Bus. Architekten aus Syrien und aus Palästina machen Scherze darüber, wer diesmal zu den Auserwählten zählt.

Aga Khan ist Imam der schiitischen Minderheit der Ismailiten und einer der reichsten Männer der Welt. Seit seinem Amtsantritt als Imam im Jahr 1957 predigt er Pluralismus und Toleranz. Dazu gehört auch die Förderung von Architektur, eine Passion seit vielen Jahrzehnten und, wenn es nach Aga Khan geht, die einzige Kunstform, die in der Lage ist, Lebensbedingungen von Menschen zu verbessern.

Der 1977 ins Leben gerufene Aga-Khan-Preis für Architektur, der mit einer Million US-Dollar (765.000 Euro) der höchstdotierte Architekturpreis der Welt ist, zeichnet keine einzelnen Personen aus, sondern Projekte: Gebäude, aber auch Parks, Stadtsanierungen, Platzgestaltungen und Restaurierungen historischer Anlagen. Alle Personen, die am Zustandekommen eines Projektes maßgeblich beteiligt sind, sind für drei Tage Gäste Aga Khans und werden in einer feierlichen Zeremonie ausgezeichnet.

An großen runden Tischen sitzt der Bürgermeister aus Birzeit, Palästina, neben einer jungen Künstlerin aus New York, ein kenianischer Journalist neben dem CEO eines großen japanischen Architekturbüros. Die Stimmung ist heiter, es wird geredet, Kontakte werden geknüpft, Visitenkarten getauscht, Teller klappern, pure Lebendigkeit liegt im Raum. Hier wird eins zu eins spürbar, was Aga Khan damit meint, wenn er immer wieder von Weltoffenheit und Toleranz spricht. Das kann auch heißen, sich demjenigen zu öffnen, der neben einem sitzt.

Schnell ist die palästinensische Gewinnertruppe auszumachen. Wo sie sind, wird viel gelacht. Suad Amiry, palästinensische Architektin, hat bereits vor 22 Jahren damit angefangen, das kulturelle Erbe ihres Landes zu registrieren, und gründete zu diesem Zweck eine NGO namens Riwaq. Bis heute wurden mehr als 50.000 historische Bauten erfasst. Für die Wiederherstellung und Rekonstruktion des historischen Zentrums in Birzeit gab es heuer den Aga-Khan-Preis.

Neues Alltagsleben in Birzeit

„In den meisten Dörfern ist die Moschee der einzige Ort, wo sich die Menschen treffen können“, sagt Amiry. „Dadurch werden die Leute sehr religiös, zu religiös sogar, und das führt langfristig zu Problemen. Deshalb müssen wir Alternativen schaffen, so wie etwa die Piazze in Italien.“ Angesichts der schwierigen politischen Lage sind die einfachsten Dinge in Palästina oft schwierig zu realisieren. Zum Beispiel die Fahrt des Architekten auf die Baustelle. Wegen der vielen Kontrollen und Sperren kann eine kurze Fahrt bis zu einem Tag dauern.

Angesichts dieser widrigen Umstände ist es umso erstaunlicher, wie das historische Zentrum von Birzeit heute wieder aufblüht. Geschäfte und Restaurants siedeln sich an, einmal im Jahr wird eine sogenannte Heritage Week veranstaltet, zu der 40.000 Besucher kommen. Dann verwandelt sich der Ortskern in einen riesigen Open-Air-Bazar, wo Musik gemacht und getanzt wird. Eine willkommene Abwechslung zum oft schwierigen Alltagsleben.

Doch wie kann ein solches Projekt die Aufmerksamkeit eines internationalen Architekturpreises finden? Die Antwort liegt in einem komplexen Netzwerk von rund tausend Kontaktleuten weltweit. Architekten, Journalisten und Historiker reichen ihre Vorschläge bei einem Lenkungsausschuss ein, dessen Vorsitz Karim Aga Khan höchstpersönlich hat. Für jeden einzelnen Zyklus entscheidet sich eine neu eingesetzte Jury für die Finalisten. Gutachter überzeugen sich vor Ort von der Exzellenz und der nachhaltigen Tauglichkeit der ausgewählten Projekte. Nichts bleibt dem Zufall überlassen. Und über allem thront die wichtigste aller Fragen: Verbessert das Projekt nachhaltig die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort?

„Wir sprechen hier nicht über Architektur im engsten Sinn“, sagt Karim Aga Khan im Gespräch mit dem STANDARD. „Wir sprechen über Veränderungsprozesse in der gebauten Umgebung. Denn das Ziel unserer Stiftung ist, Prozesse in Gang zu bringen, die die Menschen vor Ort vorantreiben.“ Als der Preis vor 36 Jahren ins Leben gerufen wurde, hätte die islamische Welt viele ihrer eigenen Architekturtraditionen verloren. Schulen seien von Frauen und Männern geleitet worden, die ihre Ausbildung im Westen erhalten hätten, es habe kein Unterrichtsmaterial gegeben, und großartige historische Bauten, so Aga Khan, seien nur in Coffeetable-Büchern zu finden gewesen, nicht aber in der Realität. „Ich hatte das Gefühl, ich müsste etwas von dieser Kompetenz zurückbringen, und zwar nicht nur aus der islamischen Welt selbst, sondern auch von außerhalb.“

Aga Khan ist auch schon an amerikanischen Hochschulen tätig. Mit seiner Stiftung finanziert er das „Aga Khan Program for Islamic Architecture“ an der Harvard University sowie am Massachusetts Institute of Technology (MIT), in dessen Rahmen Vorträge, Konferenzen sowie Bachelor- und Master-Studiengänge stattfinden. Die Dokumentation von über 8000 Projekten - mehr als hundert davon wurden mit dem Aga-Khan-Preis ausgezeichnet - bilden ein wertvolles Archiv.

„Monumental und einfach“

Neben den heuer ausgezeichneten Projekten in Marokko, im Sudan, im Iran sowie dem historischen Zentrum in Birzeit, Palästina, gibt es ein weiteres Projekt, das seit 6. September im prominenten Aga-Khan-Archiv schlummert. Es handelt sich dabei um den 2012 eröffneten Islamischen Friedhof in Altach, das Projekt des Vorarlberger Architekten Bernardo Bader und der bosnischen Künstlerin Azra Aksamija. Mit seinem orientalisch anmutenden Licht- und Schattenspiel und den feinen, geflochtenen Metallvorhängen sei das Projekt, so das einhellige Urteil der Jury, „monumental und einfach zugleich“. Doch nicht nur das Resultat überzeugte die Jury, sondern auch die langjährige, sensible soziale Vorbereitung des Projekts.

Auf dem Castel de São Jorge in Lissabon steigt in der Zwischenzeit die Spannung an. Die Verkündung der Preise steht kurz bevor. Wenn die Gewinner auf die Bühne gebeten werden, dann werden nicht nur ihre Namen verkündet, sondern auch ihre Funktionen. Im Scheinwerferlicht stehen der Bürgermeister von Altach, die Tourismusministerin von Palästina, der Chef des Krankenhauses in Khartum, der marokkanische Bauunternehmer und Projektleiter der Brücke zwischen Rabat und Salé sowie der Sprecher der Bazar-Händler von Tabriz. Sie alle werden nach dieser Veranstaltung die Welt ein Stückchen größer und vernetzter sehen.
[ Veronika Hofer (52) ist österreichische Autorin und Filmemacherin. 2012 erschien ihr Dokumentarfilm „Karim Aga Khan und sein Lebenswerk“. ]

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