Bauwerk

Bank Pictet & Cie
Andrea Bassi, ASS Architectes - Genf (CH) - 2007

Polierter Vorgeschmack

Zwei Jahre nach ihrem hundertsten Geburtstag hat die Genfer Privatbank Pictet &Cie ihren neuen Hauptsitz bezogen. Die 1800 Backoffice-Arbeitsplätze im polierten Betonpalast sind funktional und banal wie überall; lehrreich ist die Inszenierung der 65 Kundenräume.

5. September 2007 - Roderick Hönig
Während Ferrari mit einem sich aufbäumenden Pferd auf gelbem Grund die Kraft und Dynamik seiner Boliden im Logo zum Ausdruck bringt, haben es Banken oder Versicherungen bei der Visualisierung ihrer Kompetenz schwerer. Ihre abstrakte, rationale und gefühlsarme Dienstleistung lässt sich kaum so prägnant und unverkennbar symbolisieren, wie es der italienische Sportwagenhersteller kann. Finanz- und andere Dienstleister sind deshalb gezwungen, den Umweg zur Vermittlung ihrer Haltung und Werte über Begriffe wie Solidität, Verlässlichkeit, Tradition oder Dauerhaftigkeit zu nehmen. Sie lassen sich schon eher in Architektur oder Form umsetzen. Der neue Hauptsitz der Genfer Privatbank Pictet & Cie mitten im Genfer Entwicklungsgebiet Acacias ist ein gutes Beispiel für eine solche Übersetzung abstrakter Firmenwerte in Architektur. Andrea Bassi gewann den Wettbewerb für die Fassadengestaltung und die Kundenräume, weil der Architekt innen und aussen unterschiedlich, aber komplementär verknüpft. Von aussen ist das Haus ein monumentaler Edelstein, dessen polierte Steinfassade in der rauen Gegend besonders gut zur Geltung kommt: Die schwere, panzerartige Haut besteht aus einem strengen Raster aus hochpolierten, vorgehängten Betonelementen. Sie fassen in Uhrmacherpräzision sprossenlose, 6,5 auf 2,2 Meter grosse Vitrinenfenster.

Andrea Bassi gibt von aussen keinen Hinweis auf den menschlichen Massstab. Das Haus setzt die Messlatte für die boomende Quartierentwicklung, welche die Stadtväter Acacias in den kommenden Jahren versprechen. Pictet- Teilhaber Jean-François Demole interpretiert die Architektur so: «Mit ihrer Länge von acht Metern und einem Gewicht von sechs Tonnen stehen die Fassadenelemente für Solidität und Beständigkeit, ebenso wie Farbe und Linienführung für Objektivität und Diskretion.»

Spagat zwischen innen und aussen

Andrea Bassi übersetzt aber nicht nur die wichtigen Unternehmenswerte in Architektur, sondern auch das calvinistische Verhältnis zum Geld: Aussen ist das Haus ein Saab, innen ein Bentley. Was auch bedeutet, dass der Spagat zwischen äusserer Zurückhaltung und innerer Luxuswelt gross ist. Aussen der klare, strenge und schwere Stadtmassstab, innen steht der Mensch, also der Kunde im Mittelpunkt der intimen Luxuswelt, die Tradition, Eleganz und Präzision verkörpern soll.

Schnittstelle zwischen den beiden Welten ist die Vorfahrt beziehungsweise die Reception. Die Vorfahrt spricht noch die Sprache der Stadt. Es ist eine karge, aus dem Betonhaus herausgeschnittene polierte Steinnische. Zwei Säulen trennen den Haupteingang zum Bankenmonument vom profanen Strassenraum. Wie in einem Luxushotel halten hier dunkle Limousinen und lassen exklusiv gekleidete Menschen aussteigen. Selbstverständlich können Kunden, die es noch diskreter wollen, also gar nicht gesehen werden möchten, auch auf der Rückseite vorfahren oder den Weg durch die Tiefgarage nehmen. Nicht ungesehen vorbei kommen sie allerdings an der Reception. Der weite, ebenerdige Raum ist durch einen verglasten, aber beschichteten Windfang von der strassen- und rückseitigen Vorfahrt getrennt. Die Ausstattung ist karg und wenig gemütlich – kein Ort zum Verweilen, sondern einerfür Transitpassagiere. Der grösste Teil des Lichts wird durch die mit dunklem Nussbaum verkleideten Wände geschluckt, ein paar Lux wirft der polierte grüne Granit aus Afrika am Boden zurück. Den Schall schluckt der orange Künstlerteppich von Paola Lenti. Nicht nur die reduzierte Eleganz gibt die Augenhöhe an: Hinter dem wie ein schwarzer Steinway-Flügel glänzenden Tresen hängt eine Alpenlandschaft von François Diday aus dem Jahre 1844 in einem matt schimmernden Goldrahmen – die ‹Sicht auf Rosenlaui, Wellhorn und Wetterhorn› ist ein kunstvoller Verweis auf die Gründungszeit der Bank.

Wie im Wohnzimmer

Dass innen und aussen zwei verschiedene Welten sind, merkt man spätestens in den Obergeschossen: Steigt man aus dem Lift, empfängt einen erst ein grosszügiger offener Raum. Er ist eher Lounge als Wartezimmer. Hier ist der Strassenlärm weg, es gibt fast keine Geräusche mehr. Dicke Teppiche am Boden und stoffverkleidete Wände schlucken die wenigen Schritte und Stimmen. Nur die Ventilatoren der hässlichen Iris-Scanner, die wie falsch platzierte Telefonanlagen neben den Türen zum Backoffice-Bereich montiert sind, surren leise vor sich hin. In der Mitte steht jeweils ein flaches Lederhocker-Gebirge, an den Wänden verleiht grossformatige zeitgenössische oder Gründerzeit- Kunst jeder Etage eine eigene Note.

Die intimen Besprechungsräume werden nicht durch Grösse geadelt, sondern durch exklusive Materialien, edle Verarbeitung und diskrete Farben. Die Räume erinnern eher an Wohn- oder Esszimmer und sind zurückhaltend möbliert. Sie bieten einen charaktervollen, aber nicht allzu persönlichen Rahmen fürs Geschäft mit dem Geld. Es gibt je nach Grösse einen Besprechungstisch, an dem manchmal auch gegessen wird, eine bequeme Sitzgruppe fürs lockere Gespräch, immer aber ein dunkles Nussbaumbuffet, in dem alle Anzeichen für ein Büro versteckt sind. Die grossformatigen Fenster, die von aussen die Hauptrolle spielten, haben hier nur noch eine Nebenrolle. Die Fenster sind auf Lichtwände reduziert und unterstreichen die Introvertiertheit der Räume: Wer den weiten Blick über das Industrie- und Gewerbegebiet geniessen will, muss sich durch Vorhang- und Sonnenschutzschichten kämpfen. Der neue Hauptsitz der Bank ist kein Bankenpalast mit Eiffelturm- Qualität, sondern gebautes Understatement. Der konstruktive Kraftakt, den es braucht, um die tonnenschweren Fassadenelemente zu verankern, verlangt genaueres Hinsehen. Auch im Inneren wird nirgends Technik inszeniert, obwohl die siebzig Zentimeter zwischen Decke und Boden zum Bersten voll sind mit Elektronik und Haustechnik und die Ingenieure gern noch mehr Platz gehabt hätten. Das aufwendige, fast vollständige Ausblenden von profanen haustechnischen ‹Nebengeräuschen› macht das klare Bild von Solidität und Beständigkeit von aussen und die wohnliche Eleganz im Inneren erst möglich.

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönighoenig[at]hochparterre.ch

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