Bauwerk

„Villa Auf und Ab“
Transbanana - Arnfels (A) - 2008

Um den Hof gewickelt

Wie baut man für Kinder? Für die Kinderdorf-gemeinschaft Pro Juventute plante das Büro Transbanana ein Haus, das sich auf vielen Wegen erkunden lässt: die „Villa auf und ab“.

16. August 2008
Kinder brauchen Platz zum Spielen und Menschen, die sich liebevoll um sie kümmern. Manche Familien sind dieser Aufgabe nicht gewachsen. Aus diesem Grund gibt es die Kinderdorfgemeinschaft Pro Juventute, die 1947 gegründet wurde und derzeit 21 betreute Wohngemeinschaften betreibt. Die neueste ist die „Villa auf und ab“ im südsteirischen Arnfels, geplant vom Architekturbüro Transbanana mit Walter Kletzl und Gerhard Sagerer.

Im Rahmen einer Studie wurden die Kinder befragt, was für sie der Begriff „daheim“ bedeute. „Ich bin glücklich, wenn ich ein schönes Zimmer, viel Sonne und viel Garten habe“, war da unter anderem zu lesen. Als besonders wichtig erwiesen sich Geborgenheit für den Einzelnen, viel offener Raum für alle und gute Übersicht für die Betreuenden. Bei der Planung des Neubaus ließ sich Transbanana von den Antworten der Kinder leiten.

Das Grundstück liegt unweit vom Ortskern und steigt von der Schmalseite im Nordosten leicht an. Das fast quadratische Hofhaus passt sich dem Geländeverlauf an. Ein paar Stützen stemmen das Gebäude in die Höhe und schaffen so eine Spielfläche, wo man auch bei Regen mit dem Rad seine Runden drehen kann.

Das transparente Erdgeschoß gleicht einer sacht abgestuften, breiten Rampe. Am Eingang liegt der Besprechungsraum hinter Glas, von hier führt eine interne Treppe zum Büro der Betreuer. Darüber liegt die Garçonnière für Nachtdienste, die direkt mit den Zimmerfluren der Kinder verbunden ist.

Schneckenhaus mit Rampe

Auffallendstes und namensgebendes Merkmal der „Villa auf und ab“ sind die vielen Rampen und Stiegen. Wie eine Schnecke wickelt sich die Erschließung um den Innenhof in der Mitte des Hauses, der mit seinen breiten Stufen und einem roten Sportbelag als Spielhügel genutzt werden kann. Wie eine Landschaft zieht sich der Boden über die unterschiedlichen Ebenen und umfließt alle Wohnbereiche. Zahlreiche Glastüren verbinden die offenen Gemeinschaftszonen mit dem Innenhof.

In 1,20 Meter Höhe macht die Rampe zum ersten Mal kehrt und streckt sich lang und breit zum großzügig verglasten Wohnraum aus. Hinter der Sitzecke steigt der Boden zu einer Arena an. Hier können die Kinder Geschichten lauschen, fernsehen und vieles mehr. Außerdem gibt es einen Küchenblock und einen großen Esstisch für alle.

Eine Rampe führt an den Bädern entlang. Runde Oberlichten in der Decke versorgen den Flur mit Tageslicht, neben den Türen gibt es Kästen mit Sitznischen. Das Zimmer von Matthias liegt über dem Garten. „Mein liebster Platz ist am Fenster“, sagt er. In seinem Erker liegt ein Polster. „Die absolute Privatheit war uns ganz wichtig“, erklärt Architektin Margarethe Mueller, „das ist das Zuhause, das jeder selbst gestaltet.“ Ein Raum sei eben mehr als das Materielle.

Vor dem Bau hatte man den Grundriss am Hang aufgetragen. Ein Clown führte damals durch das imaginäre Haus. Ein schönes Ritual: Jedes Kind, das hier neu einzieht, drückt seine Hand im Hof ein. Draußen wird ihm ein Baum gepflanzt. Wenn das Kind auszieht, wird der Stein mit dem Handabdruck zum Baum im Garten gelegt.

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