Bauwerk

Sanierung Opernpassage – Kulturpassage Karlsplatz
GERNER GERNER PLUS., ritter + ritter - Wien (A) - 2013
Sanierung Opernpassage – Kulturpassage Karlsplatz © arge gerner°gerner plus | ritter+ritter | vasko+partner
Sanierung Opernpassage – Kulturpassage Karlsplatz © arge gerner°gerner plus | ritter+ritter | vasko+partner
27. Januar 2014 - Az W
Der Karlsplatz war in den 1980er Jahren Synonym für Drogenhandel geworden. In der Passage, die den Ring mit dem Karlsplatz und die Secession mit dem Musikverein verbindet, richteten sich Obdachlose in Telefonbuchten ein, deren Apparate mit Kaugummi verklebt waren. Als im Zuge des Radwegeausbaus erstmals wieder oberirdische Querungen über den Ring und den Karlsplatz (die sechsspurige Fahrbahn) möglich wurden, gab es keinen Grund, weiter den subjektiv unsicheren und objektiv unattraktiven Ort zu nutzen. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um vor allem die subjektive Sicherheit vor Ort zu erhöhen. Beim Ausgang Resselpark wurde der Stützpunkt „Help U“ vom Fonds Soziales Wien für Drogen- und Suchtkoordination eingerichtet. Geänderte Gesetze (Schutzzone Karlsplatz mit Wegweisungsrecht) bewirkten eine Verlagerung der Drogenszene hin zu weniger prominenten Verkehrsknotenpunkten. 2008 wurde schließlich EU-weit ein offener Wettbewerb ausgeschrieben, den die ARGE gerner°gerner plus | ritter + ritter | vasko+partner mit ihrem Entwurf für eine Kulturpassage für sich entschied.

SANIERUNG DER OPERNPASSAGE
Umgangssprachlich hat sich die unterirdische Verbindung von der Staatsoper bis zum Karlsplatz als „Opernpassage“ etabliert. Tatsächlich beschränkt sich die Opernpassage auf den Bereich unterhalb der Kreuzung Opernring/Kärntnerstraße. 1955 wurde die Passage (Entwurf: Adolf Hoch) als „Teil des großen Bauvorhabens zur Verbesserung des öffentlichen Straßenverkehrs“ eröffnet.

Im Vorfeld der Sanierung und Umbauarbeiten wurde die Originalsubstanz erforscht, mit dem Ziel, die Passage wieder in den Ursprungszustand zurückzuführen und von über die Jahre hinzugekommenen baulichen Veränderungen zu befreien. Ein Highlight der Untersuchungen zur Opernpassage war die Entdeckung der historischen Linoleumverkleidungen unter den jüngeren, polygonalen Marmorverplattungen der Stützenschäfte in der Passage. Im Zuge der denkmalgerechten Sanierung sollte das ursprüngliche Erscheinungsbild der Linoleumverkleidung wiederhergestellt werden, jedoch frei von Linoleum, weil dieses Material den heute geltenden Brandschutznormen nicht mehr entspricht. Farbige Steinplatten zitieren mit leichter Handschrift den ursprünglich vorhandenen Bodenbelag. Die Neugestaltung muss sowohl den Brandschutzvorschriften als auch den Denkmalauflagen entsprechen. Bei den Säulen taten sich Denkmalamt und Architekten ungleich schwerer, eine Lösung zu finden. Auf Folien gedruckte Linoleummotive bilden mit transparenten Klebefolien einen Sandwich, der von Sicherheitsglas ummantelt ist. Näher kann man – wenn alle heute geltenden Auflagen erfüllt werden sollen – offensichtlich nicht an das Original heranreichen. Friedrich Dahm, Landeskonservator im Bundesdenkmalamt, äußerte sich in der Zeitung DER STANDARD, 09/2013 zufrieden zum Resultat: „Die Opernpassage wurde im historischen Kernbereich im Sinne der Denkmalpflege wiederhergestellt.“ Hinsichtlich Farbton und Muster entsprechen die Abbildungen auf den Folien hinter Glas dem Original von 1955. Hinsichtlich Haptik, Materialität und Oberflächenbeschaffenheit hat der Folien-Glas-Druck mit dem Original nichts gemein. Das brandschutzsichere Glas ist hochglänzend und spiegelt im Unterschied zum Linoleum die Lichter der Umgebung. Bei einem Entwurf, der mit wenigen Materialien auskommt, fallen solch vermeintliche Nebensächlichkeiten besonders ins Gewicht. Eine Tafel, die erklärt, warum in einer denkmalgeschützten Passage „Folien-Glas-Druck“ zum Einsatz kommt, könnte Verständnis erzeugen. Noch besser wäre eine Gestaltung, die selbsterklärend ist. Positiv hervorzuheben ist die Neuauflage der eloxierten Aluminiummistkübel.

KULTURPASSAGE KARLSPLATZ
Der an das Rondeau anschließende Bereich der Passage steht nicht unter Denkmalschutz. Dieser Abschnitt entstand mit der Eröffnung der U-Bahn und führt mit einem Gefälle von der Staatsoper hinunter zum Karlsplatz/Resselpark. Der zuvor vollgeräumte Durchgang wurde umfassend bereinigt. Einbauten und Kioske wurden entfernt und der Durchgang auf 8 m verbreitert. Transparente, farbige Glaswände in Rot, Grün und Violett markieren die U-Bahn Abgänge. LED-Bänder in rot, grün und violett greifen die Farben der drei U-Bahnlinien auf, die sich am Karlsplatz kreuzen. Zwei der drei Lichtbänder münden in den jeweiligen U-Bahnabgängen (grün: U4, violett: U2). Das rote Lichtband hingegen führt als „Kulturleitlinie“ am roten U1-Abgang vorbei, hinaus Richtung Karlsplatz/Resselpark hinaus zu den Museen und Kultureinrichtungen. Überraschend ist die längs ausgerichtete Orientierung der Lichtbänder und Neonröhren, die den Gang optisch verlängern.

KUNSTPASSAGE
Wesentlich zum aufgeräumten Erscheinungsbild in der Passage trägt der Umstand bei, dass im mittleren Abschnitt zahlreiche Geschäfte und Kioske entfernt wurden und auf 70 Meter Länge Platz für „Kunst im öffentlichen Raum“ geschaffen wurde. Der Tiroler Künstler Ernst Caramelle thematisiert auf acht unterschiedlich gestalteten Feldern die „Rhythmisierung der Bewegung“. Eine (nicht repräsentative) Beobachtung vor Ort ergab, dass die Passanten dem minimalistischen Kunstwerk kaum Aufmerksamkeit schenken und weder das Original hinter Glas, noch die im Konzept kaum vorhandenen Spiegelungen im Milchglas vis à vis wahrnehmen. Schuld ist die Glaswand, bestehend aus zahlreichen Glaspaneelen, die dem Kunstwerk vorgeschaltet wurde. Die Glaswand bildet die Außenbegrenzung des „Ausstellungsraum 1.464“ und schützt das Kunstwerk vor den Passanten. Die Kunst im öffentlichen Raum verschwindet, für alle Passanten deutlich sichtbar und hell angeleuchtet, hinter die Wahrnehmbarkeitsschwelle. Angesichts der Dimension – das Kunstwerk ist immerhin 70 Meter lang und 3 Meter hoch und bespielt damit fast ein Drittel der gesamten Länge der Passage – stellt sich die Frage, wie ein Kunstwerk beschaffen sein muss, um en passant Interesse zu wecken bzw. wahrgenommen zu werden. In der Vergangenheit gab es bei den Wiener Linien Versuche, Kunst im öffentlichen Raum unmittelbar zugänglich und erlebbar auszustellen. Adolf Frohners „Cirka 55 Schritte durch Europa“ am Westbahnhof waren ursprünglich frei zugänglich, inzwischen schützt eine hüfthohe Glasbrüstung das Kunstwerk vor dem Strom der Passanten. Oswald Oberhubers verspielte Tierdarstellungen in der Station Landstraße sind sowohl auffällig in der Gestaltung als auch unmittelbar erfahrbar, indem die Emailpaneele der Stationswände das Trägermaterial bilden.

ABSCHIED VON DER PASSAGE
Nach der Umgestaltung entspricht der Karlsplatz erstmalig seit Bestehen der U-Bahn einem Verkehrsknotenpunkt. Die ehemalige Passage wurde für Umsteigerelationen optimiert und dient nicht als Shoppingmeile. Damit hat sie den Bahnhöfen, die in der jüngeren Vergangenheit nicht nur in Wien entstanden sind bzw. im Fertigwerden begriffen sind, einiges voraus. Einzig am Begriff „Passage“ mag man sich stoßen, laden Passagen traditionell doch zum Verweilen ein. (Text: Martina Frühwirth)

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Wiener Linien

Tragwerksplanung