Bauwerk

Kindergarten, Wohnen und Schützenstand
thalmeier architektur - Großarl (A) - 2020
Kindergarten, Wohnen und Schützenstand, Foto: Albrecht Imanuel Schnabel
21. Januar 2022 - Initiative Architektur
Der vom Tourismus propagierte alpine Baustil der vergangenen Jahrzehnte hat ländliche Gemeinden, wie Großarl nachhaltig verändert und ihres historisch gewachsenen Charakters beraubt. Die negativen Auswirkungen dieser Entwicklung zu reparieren, werden sowohl für die Politik als auch für die Architektur zur zentralen Herausforderung für die kommenden Jahrzehnte.
Mit den zwei Neubauten – ein Kindergarten und eine Wohnanlage – versucht Karl Thalmeier die zeitgenössische Bauaufgaben mit modernen Mitteln in die örtliche Struktur einzubinden und diese fortzuschreiben. Er verzichtet dabei auf vordergründige Versatzstücke des alpinen Bauens. Von dieser Haltung sind auch sein 2018 fertiggestelltes Bildungszentrum, das sich nur einen Steinwurf entfernt befindet und weiterer Wohnbau, den er schon früher in der Ortsmitte von Großarl realisierte, geprägt. Konsequent hat er mit diesen vier Neubauten, die sich zufällig bietende Chance ergriffen durch zurückhaltende Bauwerke, die Struktur des Orts nachhaltig zu stärken.

Mit einem L-förmiger Baukörper, er beherbergt den Kindergarten, schließt er den Bauplatz zur Großarler Landesstraße hin ab. Der viergeschoßige punktförmige Baukörper, der über eine Brückenkonstruktion an das bestehende Altenheim angebunden ist, beinhaltet in der Gemeinde dringend benötigte Mietwohnungen. Der durch die Lage der Gebäude am Bauplatz geschaffene Hofbereich dient als Begegnungszone für die Kinder, die Bewohner:innen des Neubaus und den Senior:innen im Bestandsbau.

Der zweigeschoßige Kindergarten wird über einen überdachten Vorplatz von der Nordseite her erschlossen. Dieser Vorplatz dient als „Kiss-and-Ride-Parkplatz“ sowie als Fahrradabstellplatz. Die Gruppen- und Bewegungsräume des Kindergartens werden über ein großes und helles Foyer im Erdgeschoss erschlossen. Die unverfälschte Wirkung der verwendeten Materialien, in den Aufenthaltsbereichen naturbelassenes Holz, in den öffentlichen Zonen, wie dem Treppenhaus Sichtbeton, unterstreichen den Charakter und die Nutzung der jeweiligen Funktionsbereiche. Die insgesamt zehn Gruppenräume und fünf Bewegungs- bzw. Ruheräume sind zum ruhigen, in Richtung Osten liegenden Hofbereich orientiert. Eine umlaufende tiefe Terrasse bietet hier eine großen überdachten und geschützten Spielbereich. Zwei Treppen führen von der Terrasse in den Innenhof, die Ergänzung einer Rutsche wäre möglich. Alle Nebenräume, wie die Verwaltungs- und Aufenthaltsräume für das Personal oder die Toiletten wurden als eine Art Puffer an der West- und Nordseite um die zum Innenhof angeordneten Gruppenräume herumgelegt. Im Keller bekam der lokale Schützenverein eine Trainingsstätte. Zudem gelangt man über einen unterirdischen Verbindungstrakt in den benachbarten Neubau.

Der Wohntrakt mit jeweils drei Wohneinheiten pro Geschoß ist im 2. Obergeschoß mittels einer Brücke mit dem bestehenden Seniorenwohnhaus verbunden. Die Mietwohnungen können so, in einem gewissen Umfang und nach Bedarf des Mieters, vom Seniorenheim serviciert werden. Die nach Süden ausgerichteten Loggien der Wohnungen – ganz bewusst wurde auf Balkone, wie sie der Alpinbaustil der letzten Jahrzehnte hervorbrachte verzichtet – bieten den Bewohner:innen einen geschützten Freiraum mit einem atemberaubenden Ausblick ins Großarler Tal und dem 2.424 m hohen Frauenkogel als „Point de vue“. (Text: Lisa-Marie Brandauer, Roman Höllbacher)

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Für den Beitrag verantwortlich: Initiative Architektur

Ansprechpartner:in für diese Seite: Clara Kanzoffice[at]initiativearchitektur.at

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