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Metamorphose 03/09
Schule erneuern
Metamorphose 03/09
zur Zeitschrift: Metamorphose
Fokus: Schule erneuern

„Eine Schule ist ein Ort, an dem die Jugendlichen sich selbst und ihren Platz in der Welt finden können. Es kann also nicht gleichgültig sein, wie dieser Platz aussieht.“ (Günter Behnisch, 1992 [1])


Die aktuelle Wirtschaftskrise ist das Beste, was deutschen Schulen passieren konnte. Seit Jahren warten viele Bildungsbauten auf die längst überfällige Modernisierung. Das staatliche Konjunkturpaket spült nun Geld in die klammen Kassen und hilft, Kindern wieder ein angenehmes Lernumfeld zu bieten. Die Krise als Chance.

Der Sanierungsstau bei deutschen Schulbauten ist gewaltig. Dächer, durch die es tropft, Toiletten, die seit fünfzig Jahren nicht erneuert wurden, Fenster, durch die der Wind pfeift – Lehrer und Kinder müssen teils unter widrigsten Umständen arbeiten. In einem Mülheimer Gymnasium etwa erschienen die Schüler demonstrativ mit Schutzhelmen zum Unterricht, weil es immer wieder von der Decke bröckelte.

Wenn Architektur einen Einfluss auf den Menschen ausüben kann, dann ist der Einfluss solcher Gebäude auf die Schüler sicher nicht der beste: Treffen diese verwahrlosten Bauten nicht eine latente Aussage? Färbt die Lieblosigkeit, die sie ausstrahlen, nicht auch auf die Institution Schule ab? Müssen Schüler nicht den Eindruck bekommen, sie seien der Gesellschaft wenig wert, ihr „Platz in der Welt“ sei weit unten? Wer sich über „die Jugend von heute“ beschwert, sollte sich vielleicht erst einmal die Schulen von heute ansehen.

Das deutsche Institut für Urbanistik hat errechnet, dass der Instandsetzungsbedarf hiesiger Schulgebäude insgesamt rund 73 Milliarden Euro beträgt [2]. Was in den vergangenen Jahren vom Staat investiert wurde, wirkt da wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Für Projekte im Zeitraum von 2003 bis Ende 2009 stellte die Bundesregierung gerade einmal 4 Milliarden Euro zur Verfügung, die über das Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ abgerufen werden konnten und vor allem dem Ausbau zu Ganztagsschulen dienten (Metamorphose berichtete in Ausgabe 02/2008).

Paradoxerweise ist es nun ausgerechnet eine Wirtschaftskrise, die den Schulen einen zusätzlichen Geldsegen beschert. Das Konjunkturprogramm von Bund und Ländern, das Handwerk und Bauwirtschaft ankurbeln soll, stellt kurzfristig 8,7 Milliarden Euro für die Sanierung von Bildungsbauten zur Verfügung. 8,7 Milliarden! Zwar lassen sich auch damit längst nicht alle notwendigen Instandsetzungen finanzieren, aber immerhin wird jetzt auf einen Schlag mehr als doppelt so viel investiert wie bislang über einen Zeitraum von sechs Jahren. Die Chancen, Schülern wieder Räume bieten zu können, für die sich niemand zu schämen braucht, stehen damit so gut wie lange nicht mehr.

Rosige Zeiten also für alte Schulgebäude? Ja, aber nur wenn das Milliardenpaket seinen Weg durch den Dschungel von Gesetzen und Verordnungen findet. Momentan gibt es noch ein Hindernis: Laut Grundgesetz darf der Bund Geld nur in Feldern ausgeben, auf denen er auch die Gesetzgebungskompetenz hat, etwa bei Energiefragen. Bildung ist jedoch zunächst einmal Ländersache. Wofür genau sich die Gelder im Einzelfall tatsächlich einsetzen lassen, ist also ungewiss. Darf beispielsweise nur gedämmt und eine neue Heizung angeschafft werden? Oder auch ein neues Chemielabor eingerichtet? Wo hört die Zuständigkeit des Bunds auf, wo beginnt die der Länder? Muss man, um in den Genuss der Berliner Finanzspritze zu kommen, einen geplanten Komplettumbau als energetische Sanierung tarnen? Eine Grundgesetzänderung an Artikel 104b soll bald für klarere Verhältnisse sorgen. Dann sollen sich die Mittel aus Berlin in besonderen Notsituationen, also in der aktuellen Wirtschaftskrise, auch in Bereichen ausgeben lassen, in denen der Bund keine Gesetzgebungskompetenz hat. Der Anschaffung neuer Tafeln und Computer, aber auch räumlichen Verbesserungen stünden dann keine bürokratischen Hindernisse mehr im Weg. Die Zeichen stehen gut, dass die Gesetzesänderung rechtzeitig zur Sommerpause beschlossen sein wird.

Christian Schönwetter


Anmerkungen:
[1] Johann-Karl Schmidt, Ursula Zeller, Galerie der Stadt Stuttgart: Behnisch und Partner. Bauten 1952–1992, Stuttgart 1992, S. 83
[2] Matthias Bartsch, Guido Kleinhubbert, Markus Verbeet: Unterricht mit Schutzhelm, in: Der Spiegel 50/2008, S. 32

Bestandsaufnahme
06-09 | Darum war es am Rhein so schön: Instandsetzung des Kanzlerbungalows, Bonn
10-21 | Projekte, Bücher, Termine

22-23 | Schule erneuern
24-25 | Zweite Runde: Modernisierung von frühen Behnisch-Schulen
26-29 | Droste-Hülshoff-Gymnasium, Freiburg: Erbaut 1966, Modernisierung 2000–2009
30-31 | Josef-Effner-Gymnasium, Dachau: Erbaut 1974, Modernisierung seit 2006
32-37 | 01 Schwarzes Leuchten: Internat der Berufsschule 8, Linz (A)
38-43 | 02 Nutzfläche mal zwei: Hauswirtschaftsschule in Dagmersellen (CH)
44-47 | 03 Architektur macht Schule: Mensa im Gymnasium Kirschgarten, Basel
48-53 | 04 Farbe in Hülle und Fülle: Sekundarschule in Nyon-Marens (CH)

Technik
54-57 | Schwerer Dachschaden: Häufige Fehler bei der Dachinstandsetzung: erkennen und vermeiden

Produkte
58-59 | Türen, Tore, Sicherheitssysteme
60-61 | Trockenbau
62-63 | Neuheiten

Fortbildung
64-65 | Erfolgsversprechender Spagat: Masterstudiengang Architektur in Lübeck

Verkannte Perlen
66-67 | Früher zu hübsch, heute zu hässlich: Saarinens US-Botschaft in London gefährdet

Rubriken
68 | Vorschau, Impressum, Bildnachweis

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