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Metamorphose 04/10
Holzbauten erneuern
Metamorphose 04/10
zur Zeitschrift: Metamorphose
Fokus: Holzbauten erneuern

„Infolge der industriellen Technik kann man heute Hölzer, die früher sehr kostbar waren, in äußerst dünne Scheiben sägen, selbst in Papierstärke (…). Das verführt dazu, solche Materialien wie Tapeten auf Wandflächen zu kleben. (…) Man kann ruhig behaupten, daß das gesamte moderne Kunstgewerbe unter dieser Mißachtung des Materials leidet und daß darin die Hauptursache der modernen Geschmacklosigkeiten liegt.“ (Bruno Taut, 1937 [1])


Vom universellen Baustoff zur reinen Oberflächenbekleidung: Holz hat im Lauf der Architekturgeschichte an Bedeutung eingebüßt. Was seine Verwendung als tragendes Element betrifft, liefen ihm in den vergangenen Jahrzehnten Beton und Stahl den Rang ab. Nichtsdestotrotz ist das bauliche Erbe aus Holz groß – es zeitgemäß zu nutzen aber gar nicht so einfach.

Holz gehört zu den ältesten Baumaterialien überhaupt. Über lange Zeit stellte Bauen mit Holz die einfachste, kostengünstigste und schnellste Methode dar, ein Gebäude zu errichten. Doch allmählich ereilte den Baustoff ein Imageproblem. Seine Anfälligkeit gegenüber Feuer oder Schädlingen brachte ihm den Ruf mangelnder Sicherheit und Dauerhaftigkeit ein. Für repräsentative Zwecke kam er nicht mehr in Frage. Wer es sich leisten konnte, baute mit Stein, wer nicht, kaschierte verschämt die Holzkonstruktion – eine Vielzahl überputzter Fachwerkbauten kündet vom kleinbürgerlichen Wunsch, zum Großbürgertum zu gehören.

Mauerwerk gewann die Oberhand und Holz diente, wenn es überhaupt sichtbar sein sollte, vorwiegend als Parkett oder Vertäfelung. Es wurde – wie Bruno Taut schon 1937 beklagte – oftmals nur noch zur reinen Oberflächenzierde degradiert, die tragenden Funktionen übernahmen andere Baustoffe. Dennoch zeugen noch heute unzählige, vorwiegend aus Holz konstruierte alte Gebäude von der einstigen Bedeutung des Materials. Dies ist nicht zuletzt dem Engagement der Denkmalschutzbehörden zu verdanken, die gerade zu Zeiten des Baubooms in den Siebziger Jahren auch einfache Holzhäuser für denkmalwürdig und damit erhaltenswert befanden.

Da man jedoch nur etwas bewahren kann, wenn es sich auch sinnvoll nutzen lässt, steht man schnell vor einer schwierigen Aufgabe. Zu groß ist oftmals der Spagat zwischen der Erhaltung der alten Bausubstanz und der Verwirklichung zeitgemäßer Nutzungsanforderungen – seien es nun bauphysikalisch oder konstruktiv notwendige Anpassungen. Auch wenn das Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, sehen sich Planer und Bauherr dabei vermutlich mehr als einmal zu Kompromissen gezwungen. Hinzu kommt, dass Architekten vielfach ihre liebe Not mit dem „Almhüttencharme“ alter Holzbauten haben und gerne um einiges radikalere Eingriffe vornehmen würden als die späteren Nutzer es sich wünschen.

Doch warum ist es denn so schwierig, beispielsweise ein ehemaliges Bauernhaus, das über Jahrhunderte hinweg kontinuierlich bewohnt war, weiterhin zu Wohnzwecken zu nutzen? Zum einen hängt dies mit unseren veränderten Komfortansprüchen zusammen – es reicht uns eben nicht mehr, nur eine einzige Stube im Haus voll zu beheizen oder zur Toilette mal schnell über den Hof zu laufen – zum anderen gibt es auch keine Nutztiere mehr, die über einen ins Wohngebäude integrierten Stall zusätzlich für Wärme sorgen. Technische Installationen ließen sich unter Umständen auch sichtbar verlegen oder hinter Leisten verstecken, bei Dämmschichten sieht es hingegen weit schlechter aus – vor allem, wenn historische Holzverschalungen im Außen- oder Innenwandbereich erhalten werden sollen.

Im Schweizer Freilichtmuseum Ballenberg hat man unlängst einen Versuch gestartet, einen Holzblockbau aus dem Jahr 1570 ohne wesentliche Eingriffe in die Originalsubstanz zeitgemäß bewohnbar zu machen. Dazu stellte man neue Holzblockbauten als Haus-im-Haus-Systeme in die vorhandenen Zimmer, dämmte den Raum zwischen alten und neuen Wänden mit Zellulose- und Holzfasern und machte die Konstruktionen wind- und wasserdicht. Auf Sperren und Anstriche wurde verzichtet. Da manche Bereiche im Gebäudeinneren wie beispielsweise die Flurwand nicht „eingepackt“ werden mussten, sind auf diese Weise kontrastreiche Wechsel zwischen alten und neuen Blockwänden entstanden. Mit dem Projekt soll aufgezeigt werden, dass die Wohnqualität eines sanierten alten Holzhauses bei intelligenter Planung durchaus mit Neubauten mithalten kann: Ein Anschauungsobjekt für Denkmalpfleger, Architekten, Handwerker und Bauherren.

Tanja Feil


Anmerkungen:
[01] Bruno Taut: Architekturlehre. Herausgegeben von Manfred Speidel (2009). Zitiert nach: Arch Zeitschrift für Architektur und Städtebau, 194 (42. Jahrgang), Aachen 2009, S.78

Bestandsaufnahme
06-08 | Projekte
09 | Termine

10-11 | Holzbauten erneuern
12-13 | „In vieler Hinsicht hervorragend“: Was Architekten von Holz halten
14-17 | 01 Vorweggenommene Zukunft: Chalet in Gryon (CH)
18-23 | 02 Blockbau auf Bachbummerln: Bauernhof in Nußdorf am Inn
24-27 | 03 Büropavillon wird Gartenloft: Holzpavillon in München

Technik
28-31 | Sporensuche: Pilzbefall auf Holzbauteilen bekämpfen
32-35 | Sanfter Blick hinter die Kulissen: Zerstörungsfreie Bestandserkundung von altem Mauerwerk

Produkte
36-37 | Neue Fenster für den Altbau
38-39 | Bäder barrierefrei sanieren

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