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Ab dem dritten Mal, so sagt man, wird etwas zur Tradition. Wie schon in den beiden letzten Jahren widmet sich das Jahresabschlussheft der db den Lieblingsprojekten der Redakteure – ein Vorgehen, das in der Leserschaft großen Anklang gefunden hat. Die Kollegen- herzen schlagen in diesem Jahr für ein Kultur- und Bürgerzentrum im britischen Goole, eine Wohnhausaufstockung in Zürich, ein »Hotel« in Linz, dessen Räume sich wie einzelne Pixel über die ganze Stadt verteilen, eine Schule in einem Dorf in Südtirol, eine Museumserweiterung in Luxemburg und für ein futuristisch anmutendes Loft in Stuttgart. Begeben Sie sich mit uns wieder auf eine Entdeckungsreise und lernen Sie die Lieblinge der Redaktion unter dem besonderen architekturkritischen Blickwinkel der db kennen. Außerdem stellen wir in dieser Ausgabe einige ausgewählte, Gestalt prägende Produkte aus den jeweiligen Projekten vor. | red

Artikel

1. Dezember 2010 Ulrike Kunkel
deutsche bauzeitung

Präzise Handarbeit

GrundSchule und Bibliothek in Marling, Südtirol

Prominent am Berg mit herrlichem Blick auf Meran, könnte an der Stelle dieser Schule ebenso gut ein 5-Sterne-Hotel stehen. Beim Näherkommen besticht der Schul- und Bibliotheksbau, dessen Gebäudeteile in ihrem architektonischen Ausdruck Eigenständigkeit beweisen, durch präzise Entwurfs- und Ausführungsarbeit.

Marling, eine Gemeinde in Südtirol mit knapp 2 500 Einwohnern südwestlich von Meran gelegen. Das Dorf liegt auf einer Höhe von 363 m über dem Meer auf einem mit Obstplantagen und Weinbergen bepflanzten Hügelgelände und ist, nicht ungewöhnlich für die Region, v. a. durch den Anbau von Tafeläpfeln sowie den Tourismus geprägt. Unterhalb des Dorfplatzes, nahe der, in ihrem heutigen Erscheinungsbild neugotisch geprägten Marlinger Pfarrkirche Maria Himmelfahrt, lag das alte Schulhaus in dem die rund 150 Grundschüler des Orts eher unzulänglich untergebracht waren. So schrieb die Gemeinde 2006 einen Wettbewerb aus, der eine neue Schule sowie eine Schul- und Dorfbibliothek umfasste. Wettbewerbssieger war der Südtiroler Architekt Arnold Gapp mit einem L-förmigen Gebäude-Ensemble, das eine eindeutige, wenn auch zurückhaltend moderne Architektursprache spricht, ohne dabei die örtlichen Gegebenheiten zu ignorieren.

Wichtige städtebauliche Funktion

Während der Klassentrakt des Schulgebäudes zur Dorf abgewandten Seite in Richtung Tal ausgerichtet ist, sind die Bibliothek als öffentliches Gebäude sowie der Eingang zur Schule konsequent zum Dorfplatz hin orientiert. Es gelingt so, eine Verbindung zwischen Dorfplatz und Schule bzw. Bibliothek herzustellen. Um diese entscheidende Verbesserung der städtebaulichen Gesamtsituation zu erreichen, wurde das Gelände vor der Schule und der Bibliothek um ca. 4,45 m angehoben – es entsteht ein neuer Vorplatz und in gewisser Weise eine Erweiterung des Dorfplatzes.

Bei der Bibliothek handelt es sich um einen transparenten zweistöckigen Bau in Stahlkonstruktion mit extensiv begrüntem Flachdach, der durch seine gläserne Hülle (doppelte Verbundglasscheiben) bereits einen Blick auf die Bücherregale im Innern zulässt. Bücher hinter Glas – das war für die Bibliotheksangestellten etwas gewöhnungsbedürftig und führte (leider) dazu, dass nach Westen hin eine Sonnenschutzfolie angebracht wurde; wodurch sich, sofern die Bibliothek nicht erleuchtet ist, nun v. a. die gegenüberliegenden Fassaden spiegeln.

Um zur Kirchseite den Blick auf den Friedhof etwas abzuschirmen, wurden im unteren Teil der Fassade satinierte Gläser eingesetzt. Nach Süden überzeugt der von Anfang an vorgesehene passive Sonnenschutz: Ein vorgelagertes, begrüntes Rankgerüst, das, zusammen mit dem Pergola ähnlichen Dachrand und dem darüber liegenden Glasdach, gleichzeitig den Eingangsbereich zur Schule markiert. Die Leichtigkeit und Großzügigkeit des Äußeren setzt sich auch im Innern der Bibliothek fort: Die Galerie in dem über zwei Geschosse reichenden Raum wird ausschließlich durch Glasbrüstungen begrenzt, schlanke Stahlprofile machen die Tragstruktur elegant und filigran. Parkettböden und Decken aus furnierter Tischlerplatte mit Schallschutzeigenschaften schaffen eine ruhige Atmosphäre an den Leseplätzen auf der Galerie – und wer dennoch lieber draußen sitzen möchte, geht einfach raus auf die Dachterrasse.

Direkt an die Bibliothek schließt das neue Schulgebäude an. Ein im Wesentlichen zweigeschossiger Baukörper in spektakulärer Hanglage, dessen südlicher Teil die bestehende Turnhalle überspannt. Der ins Tal blickende Klassentrakt, der bei der Ortsanfahrt bereits weithin sichtbar ist, wird durch seine durchlaufenden breiten Fensterbänder und die vorgesetzten bzw. -gestellten Eichenstützen, die die Fensterflächen unregelmäßig gliedern, geprägt. Eine zusätzliche, ebenfalls unauffällige, aber wirkungsvolle Gliederung erfährt die Fassade durch Rankgerüste, an denen Kletterpflanzen emporwachsen. »Wenn man den Hang hinauf schaut, blickt man über die Apfelplantage mit den Stützpfählen. Diese setzen sich an der Fassade der Schule fort.« Erläutert der Architekt Arnold Gapp das Motiv. Ursprünglich waren die Pfähle sogar immer aus Eiche, inzwischen sind sie aus Beton, was der Assoziation allerdings keinen Abbruch tut.

Städtebaulich nimmt das Schulhaus die Umfassungsmauer der benachbarten Kirche auf und führt diese geschickt fort. Der Erhalt der ehemaligen Schulhofmauer auf der Ostseite führt dazu, dass sich der Baukörper aus der Ferne als flaches, liegendes Rechteck darstellt. ›

Lichte Lernräume

Die innere Organisation der Schule ist klassisch und übersichtlich. Den jeweils fünf Klassen auf jedem Stockwerk sind Sonderräume wie Werk- und Musikräume sowie Ausweichklassen gegenüber gestellt. Hier werden z. B. gehandicapte Kinder, die in Südtirol die selben Schulen besuchen, stundenweise außerhalb des Klassenverbands unterrichtet. Wenige, helle Materialien und Oberflächen kombiniert mit dezent eingesetzter Farbe dominieren alle Räume sowie die Erschließungszonen und übertragen auch beim Schulgebäude die Leichtigkeit der Fassade ins Innere: Flure und Treppen haben einen Belag aus fast weißen Naturwerkstein-Platten, die Klassen sind mit hellem Linoleum ausgelegt, das Lehrerzimmer mit Eichenparkett, die Wände sind weiß verputzt oder mit Holz bekleidet. Als zurückhaltender Farbakzent zieht sich ein helles Grün-Gelb durch das Gebäude.

Von den Klassenräumen sowie dem Lehrerzimmer hat man einen grandiosen Blick über das Tal und über Meran. Und während die Kinder die Balkone aus Sicherheitsgründen nicht betreten dürfen, können die Lehrer ihren nutzen. »Kollegen anderer Schulen sagen, wir hätten das schönste Lehrerzimmer von ganz Südtirol«, erzählt eine Lehrerin. Man könnte wohl noch hinzufügen: Auch weit über die Grenzen Südtirols hinaus.

Beide Gebäude verfügen über eine kontrollierte Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung; die Bibliothek und der Lehrerbereich können bei Bedarf zusätzlich gekühlt werden. Bibliothek und Schule werden durch eine schuleigene Heizungsanlage mit Gas beheizt.

Statische Ertüchtigung der Turnhalle

Unter dem hinteren Schultrakt liegt die neue, alte Turnhalle. Früher tief eingegraben, feucht und dunkel wurde sie im Zuge des Umbaus buchstäblich ausgegraben und ans Licht geholt. Durch die umlaufenden großen Fenster fällt von »oben« Tageslicht ein. Der Umgang mit der neu gewonnen Helligkeit muss allerdings noch gelernt werden, jedenfalls waren die Jalousien auch an einem trüben Tag Ende Oktober heruntergelassen. Lichtdurchflutet und freundlich stellte sich die Halle dennoch dar: Durch das Herausschneiden einer Wand konnte eine großzügige Besuchergalerie mit direktem, ebenerdigen Zugang von der im 1. UG verglasten Ostseite der Schule realisiert werden. Da die Statik der Turnhalle relativ schlecht war, durfte das südliche, über die Halle ragende Ende der Schule die Hallendecke nicht zusätzlich belasten. Um die Konstruktionshöhe für diese Überspannung zu erreichen, wurde der Gebäudeteil daher um 90 cm gegenüber dem Schulhof angehoben. Die Tragstruktur für die Überbauung besteht aus Stahlträgern, die auf den bestehenden Stahlbetonstützen der Halle aufliegen. Die vorhandenen Fundamente mussten dafür durch Bohrpfähle verstärkt werden.

Doch nicht nur, dass die Kinder ein großzügig gestaltetes Schulhaus bekommen haben, auch der Schulhof bietet ihnen nun ausreichend Platz. Er öffnet sich nach Süden und wird zu den drei übrigen Seiten räumlich gefasst: Im Westen durch den Geländeversprung in den große Sitzstufen aus Eiche eingeschnitten sind, im Osten durch den zweigeschossigen, zu dieser Seite weiß verputzten Klassentrakt und im Norden durch die Aula, die unter der Bibliothek liegt. Auf die Frage hin, wie den Kindern ihre neue Schule denn gefalle, antwortet die Lehrerin dann auch: »Sehr gut. Sie und auch wir Lehrer merken einfach täglich, dass das Gebäude wunderbar funktioniert.« Dann verabschiedet sie sich, und obwohl es Samstag nach 19 Uhr ist, geht sie nicht nach Hause, sondern empfängt die mit ihren Schlafsäcken anrückenden Schüler zu einer Lesenacht.

1. Dezember 2010 Achim Geissinger
deutsche bauzeitung

Geerdete Sinnesfreuden

Kunstmuseum der Stadt Luxemburg

Mit der Erweiterung der Villa Vauban verdreifachte sich die Ausstellungsfläche der städtischen Gemäldegalerie. Das neoklassizistische Gebäude umspielt nun ein lebhaft gestalteter Baukörper, dessen Inneres ein abwechslungsreiches Gefüge aus Ausstellungssälen, Kabinetten, dramatischen Passagen und spannungsreichen Treppenfluchten bietet – Raumerlebnisse, die nicht in Konkurrenz zur Kunst stehen, sondern die Wahrnehmung schärfen und den Standort selbst zum Thema machen.

Darf man das? Ein altehrwürdiges, allen Bürgern geläufiges Baudenkmal mit einem übergroßen Raumprogramm ausstatten und es mit entsprechenden Baumassen bedrängen, den beliebten Park mit einem Querriegel verstellen, eine deutlich andere Formensprache etablieren und auch im Innenraum alles neu machen? Im Falle der Villa Vauban durfte, sollte, musste man so vorgehen. Und durch die Arbeit des Architekten Philippe Schmit mit seinem Gespür für Raum und Material hat das städtische Kunstmuseum innen wie außen Erlebnisräume hinzugewonnen, die auch die Skeptiker zeitgenössischer Anfügungen für sich einzunehmen vermögen.

Aufgefrischt und getarnt

1869 von Jean-Francois Eydt erbaut, spielte die Villa in der öffentlichen Wahrnehmung seit jeher eine große Rolle, zunächst als repräsentativer Solitär inmitten des Parks, der an die Stelle der ehemaligen Stadtbefestigung getreten war – als Hausherren folgten aufeinander drei Industrielle – dann ab 1952 als Sitz der Richter und Generalanwälte des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft, dann seit 1959 als Kunstmuseum und zwischen 1991 und 95 als Interimsresidenz des Großherzogpaares.

Trotz der reichen Geschichte des Hauses war von der historischen Ausstattung, außer opulentem Deckenstuck, kaum mehr etwas übriggeblieben – die wenigen Zierleisten verschlissen, die Holzböden aus den 40er Jahren bis auf Nut und Feder heruntergeschliffen. Philippe Schmit bewahrte, wo es noch lohnte, ergänzte behutsam, räumte aber auch beherzt auf und schuf dadurch ruhige Galerieräume, deren historische Schichten, obwohl klar voneinander geschieden, nicht in Konkurrenz zueinander treten, sondern vielmehr einen einheitlichen Raumeindruck erzeugen. Die sechs Kabinette der Villa sind schnell durchschritten – kaum verwunderlich, dass sich die Stadt nach dem Auszug des Großherzogs Gedanken über einen Erweiterungsbau machte, einen Wettbewerb ausschrieb und trotz knapper Kassenlage im zweiten Anlauf schließlich eine gegenüber dem ursprünglich vorgesehenen Budget um 15 % gekürzte Summe für den Bau freigab.

Der Wettbewerbsentwurf punktet mit der geschickten Verteilung der Baumassen. Zur Straße hin wirkt der Erweiterungsbau als einfacher, eingeschossiger Baukörper, entpuppt sich aus der Nähe aber als vielfältig geknickte Figur, deren Dachformen die sanften Wellen des Parks nachklingen lassen. Die Rückansicht offenbart schließlich die im Vergleich zum Altbau gewaltigen Dimensionen. Der Geländesprung in einen ehemaligen Festungsgraben hinein ermöglicht die natürliche Beleuchtung der unteren Geschosse – ein Gutteil der verdreifachten Ausstellungsfläche und weiterer Räume liegt unter der Erde. Der Neubau tritt zum Park hin mit rigoroser Geometrie kühn und breitschultrig auf. Um diesen Eindruck abzumildern und den Solitär-Charakter der Villa zumindest von der Eingangsseite her so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, bekam der Erweiterungsbau eine Art Tarnumhang: eine Lochblechhaut aus einer Rotmessing-Legierung (s. S. 33), deren einzelne Paneele in stumpfem Winkel gefaltet sind und dem Flirren und dem indifferenten Braunton von Unterholz nahe kommen. Der beabsichtigte Effekt lässt die aufgefrischten Fassaden der Villa noch stärker in den Vordergrund treten.

Sinn und Sinnlichkeit

Im Innern entwickelt Philipp Schmit ein differenziertes Spiel von räumlichen, haptischen und visuellen Eindrücken. Die Ausstellungssäle schwingen sich – ganz klassisches Museum – zu monumentaler Höhe empor, zitieren das Motiv der Enfilade und sind im Dienste der Kunst als »white cubes« definiert. Die Zugangsräume jedoch – ein L-förmig nach unten führender Abgang und ein auch das Zwischengeschoss erschließendes Treppenhaus – zwingen den Besucher, sich von der Wahrnehmung der Gemälde zu lösen und sich anderen, mehr körperlichen Eindrücken zu öffnen. Aus der Entscheidung, die Ausstellungsgeschosse nicht genau deckungsleich übereinander anzulegen und die schrägen Linien aus den Faltungen der Gebäudehülle auch innen anklingen zu lassen, gewinnen die »Zwischenräume« grafische Qualitäten und erinnern an Gemälde Lyonel Feiningers. Bei der Bewegung durch den Raum verändert sich dieses Gefüge, die Härte spitzer Winkel verschwindet, ein schmaler Gang weitet sich zu einem einladenden Vorplatz, bläuliches Zenitallicht wird vom warmen Ton der Eichenholzböden aufgefangen.

Beim Abstieg in das UG findet das Eintauchen in das Erdreich seine Material-Entsprechung in satiniertem Glas und gestocktem Beton – beide lassen sich als Sinnbilder für Himmel und Erde lesen. Vor allem die Betonoberfläche ist ein Erlebnis. Zwischen schwarzen Granit- und weißen Marmor-Zuschlägen glitzern Quarze im Streiflicht – das Mischungsverhältnis wurde in zahlreichen Versuchen ermittelt.

Am stärksten entfaltet sich die monolithische Wirkung des Materials im Treppenhaus: Beton nach allen Seiten und über Kopf. Die Arbeitsfugen sind kaum zu erkennen. Betongießer und Steinmetze lieferten ein Meisterstück ab. Die Deckenuntersichten sind von stärkerer Sedimentierung gekennzeichnet als die Wände und korrespondieren so mit den dunklen, fast schwarzen Terrazzoböden.

In allen Bereichen fällt die gestalterische Disziplin auf. Verglasungen sind ohne sichtbare Rahmen zwischen Boden und Decke eingespannt, Funktionen und Materialien sind klar zugeordnet und schließen sauber ab, Bauteile sind – mitunter durch Fugen – deutlich voneinander abgesetzt, die Anschlüsse geometrisch wohlüberlegt, selbst die nötigen Einbauten wie Belüftungsschlitze, Fluchtwegbeschilderung oder Überwachungskameras unauffällig in das Gesamtbild hineinkomponiert.

Verführt das Vestibül zwischen Foyer und Abgang noch zum kontemplativen Verweilen mit Blick auf den Garten, so konzentrieren die übrigen Räume die Wahrnehmung stark auf das Innere, Bewegung wird zum Thema. Im UG, wo der Ausstellungsbereich mit weißen Wänden klar vom Bewegungsraum abgegrenzt ist und somit zwei Gestaltungsprinzipien aneinanderstoßen, wünscht sich der Architekt ebenfalls die Präsentation von Kunstwerken. Daran haben sich die Kuratoren bislang aber noch nicht gewagt; gegen die Verengung des Raums und die Präsenz der Betonwand ist schwer anzukommen.

Genau auf solche räumlichen Experimente wollte es Philipp Schmit aber ankommen lassen. So ließ er einen schmalen Bereich im Zwischengeschoss, der durch die Drehung der Geschosse zu einer überdeckten Freifläche geworden wäre, kurzerhand verschließen und als unspezifischen Raum dem Kinderbereich zuschlagen. Der spitz zulaufende Korridor dient somit als perspektivisches Experiment, das die Raumwahrnehmung herausfordert, als ungerichteter Bewegungsraum fungiert und konsequenterweise auch nicht in eine Aussicht mündet, sondern mit einer Milchglasscheibe abgeschlossen ist und sich somit jeglicher funktionalen Deutung entzieht. Auch im UG überrascht ein extrem schmaler, dafür umso höherer Gang, der eine funktional nicht zwingend erforderliche Abkürzung um die Präsentationsräume herum bietet, und vorwiegend der Inszenierung der im Erdreich erhalten gebliebenen Festungsmauer aus Vaubans Zeiten dient. Streiflicht von oben lässt die Bossierung hervortreten, Dimension und Materialqualitäten, selbst der Duft der Mauer werden erlebbar.

Die edle Anmutung, die aus dem disziplinierten Einsatz der Materialien im ganzen Haus resultiert, geht hervorragend mit dem Villenambiente zusammen und vermeidet dabei doch jegliche Anbiederung an das verschnörkelte 19. Jahrhundert. An einigen Stellen schießt der Gestaltungswille des Architekten jedoch ein wenig über das Ziel hinaus. Die Hervorhebung der ehemaligen Außenwände der Villa im heutigen Foyer durch einen roten Anstrich erscheint ebenso entbehrlich wie die Inszenierung von Übergängen in die Nebenraumspangen durch wuchtige Stahlschleusen. Auch wirkt die Zusammenkunft verschiedener Ein-, Auf- und Durchgänge im Foyer samt bezauberndem Ausblick auf vorgelagerte Terrasse und Park zunächst irritierend. Die einfache Gestaltung des Kassenbereichs und der hier bereits großflächig verwendete Beton tragen aber viel zur Beruhigung bei.

Alle Wände und Decken, selbst das Dach sind aus Beton. Einigen Anspruch entwickelt das Tragwerk nur dort, wo die Säle nicht Wand auf Wand liegen. Ein Energiekonzept war bei Planungsbeginn 2003 noch nicht relevant. Die Lüftungstechnik, die Beheizung und Befeuchtung der Räume übernimmt, ist jedoch durchdacht. Die Klimaanlage wurde nicht auf die Jahresspitzen hin ausgelegt, sondern auf den Mittelwert. Einzelne, dem jeweiligen Raum zugeordnete Umluftgeräte steuern nach Bedarf raumweise nach.

Dadurch ergaben sich geringere Querschnitte und ließen sich niedrigere Energiekosten ansetzen. Geheizt wird mit Erdgas.

Luxemburg hat ein kleines Architekturjuwel bekommen, das ohne Getöse, dafür aber mit einer ausgewogenen Mischung aus Ernst und Freude den Ort, die Kunst und ein wenig sich selbst zelebriert.

1. Dezember 2010 Barbara Mäurle
deutsche bauzeitung

Schützende Schale

Dachaufstockung in Stuttgart

Hin und wieder entstehen aus einer Notlage die besten Ideen – so auch bei einer Dachaufstockung eines Gründerzeithauses in Stuttgart. Weil sich eine Eigentümergemeinschaft die Renovierung ihres Dachstuhls nicht leisten konnte, kam Architekt Florian Danner zusammen mit einem Studienkollegen zum Zug. Der Deal war so simpel wie genial: Eine »kostenlose« Sanierung im Tausch gegen neuen Wohnraum. Heute haben die Bewohner wieder ein intaktes Dach und die ehemaligen Kommilitonen erfreuen sich an ihren hochmodernen Penthouse-Wohnungen. Bemerkenswert ist vor allem die Tatsache, dass die Aufstockung nicht historisierend die Gründerzeit »nachbaut«, sondern mutig zeigt, in welchem Jahrtausend sie entstanden ist.

Das Lehenviertel ist ein lebendiger Stadtteil mit zahlreichen, gut erhaltenden Gründerzeithäusern und wenig Parkplätzen. Konnte eine dieser raren Pkw-Abstellflächen ergattert werden, muss der Besucher den Kopf weit in den Nacken legen, um die jüngste Attraktion des Viertels zu erspähen. Das »Ufo« – so nennen es die Quartierbewohner – fällt durch seine futuristisch anmutende S-Form und strahlend weißen, homogenen Oberflächen ins Auge. Beim Betreten des Treppenhauses wird der Besucher dann zunächst wieder um einige Jahrzehnte zurückgeworfen – kein Aufzug weit und breit und die nachträglichen Einbauten sind in die Jahre gekommen. Umso bemerkenswerter ist dazu der Kontrast im aufgesattelten Dachgeschoss, das Raum für zwei (annähernd) spiegelbildlich geplante, jeweils 98 m² große Maisonette-Wohnungen bietet: z. B. schräge Wand- und Glasflächen, weitläufige Räume ohne einengende Trennwände, sichtbar gelassene, graue Stahlträger, weiße Einbau- und Küchenmöbel sowie ein heller Kalksteinboden aus Ägypten dominieren den Entwurf. Dazu ist die urbane Umgebung unmittelbar mit einbezogen: Ganzglasfassaden nach Norden und Osten geben in der nördlichen Wohnung den Blick ungehindert frei auf alte Satteldächer, Kirchturmspitzen und den denkmalgeschützten Bahnhofsturm. Eine weitere Besonderheit ist hier eine große Dachterrasse, die mit dem gleichen Naturstein belegt worden ist wie der Innenraum.

Neben dem Wohnbereich mit offener Küche befinden sich im 1. DG in jeder Wohneinheit noch ein abgeschlossener Arbeitsraum mit modernen Lamellendachfenstern (s. S. 39) sowie ein Gäste-WC. Über auskragende Stahlschwerter, die in den neuen Betonkern des aufgestockten Treppenhauses eingelassen sind, erklimmt man das 2. DG. Um die Großzügigkeit der Räumlichkeiten auch hier nicht einzuschränken, hat Architekt Danner das Bett in den Boden eingelassen und den Sanitärbereich ohne Trennwand unmittelbar zugänglich gemacht. Der Nachbar war hier zurückhaltender: Von einem »normalen« Bett aus genießt aber auch er durch Ganzglasfassaden den grandiosen Rundumblick auf Stuttgart. Eine zweite Dachterrasse nach Süden komplettiert jeweils den hohen Wohnstandard.

Genehmigungsmarathon

Soviel vorweg: Das Projekt entspricht der baurechtlichen Vorgabe nach einem Steildach. In Sachen Gestaltung war die Eigentümergemeinschaft sofort begeistert – Baurechtsamt und das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung blieben lange skeptisch.

Durch die ausgeprägte Topografie – die Kessellage – hat die »schwäbische Metropole« quasi eine fünfte Ansicht. Der Genehmigungsmarathon durch die Baubehörden der Landeshauptstadt endete nach ca. einem Jahr, als sich Bürgermeister Matthias Hahn von der Aufstockung begeistert zeigte. Ursprünglich verbotene Dachterrassen konnten als dem Entwurf geschuldete Restflächen eingestuft werden und außerdem kam man zu der Ansicht, dass die außergewöhnliche Ecksituation des Gründerzeitgebäudes ein außergewöhnliches Dach verträgt. Strenge Auflagen seitens der Behörden waren jedoch, dass der Entwurf 1:1 umgesetzt werden musste und dass nachträgliche Veränderung wie z. B. Satellitenschlüsseln und Sonnenkollektoren einer Genehmigung bedürfen – auch bei späterem Eigentümerwechsel.

Ein Brückenspezialist für die Statik

Leitidee des Entwurfs war die Vorstellung einer massiven, im Querschnitt s-förmigen Schale. Wie aus einem Guss sollte sie eine schützende Haut ausbilden, bei der Wand, Decke und Dach fließend ineinander übergehen. Um das möglichst filigran umzusetzen, zog Florian Danner seinen ehemaligen Statik-Professor Gustl Lachenmann – Spezialist für schlanke Brücken – hinzu. Die Wahl fiel auf eine Stahl-Holzkonstruktion. Nur das aufgestockte Treppenhaus ist betoniert und dient als aussteifendes Element. In diesen Betonkern eingemauerte und zusätzlich auf Stahlstützen gelagerte IPE-300- bzw. IPE-240-Stahlträger bilden das Haupttragwerk der Dachaufstockung. Die Konstruktion der geschwungen Schale – oder Muschel – hingegen besteht aus Leimholzsparren, deren Zwischenräume mit Dämmung gefüllt sind. Der Dachaufbau setzt sich mit Unterspannbahnen, Konterlattung und Lattung nach außen hin fort. Dort, wo das Dach gekrümmt ist, mussten Bögen aus der Lattung gesägt werden. Um eine absolut dichte und gleichförmige Außenhaut zu erhalten, wurde die äußerste Beplankung mit einer 3-5 mm dünnen, lichtgrauen Polyurethan-Spritzbeschichtung überzogen (s. S. 39). Eine statische Herausforderung waren außerdem die teilweise um 27 ° nach innen geneigten Ganzglasfassaden, die ohne schwerfällige Rahmenkonstruktion auskommen sollten. Nachdem sich auf dem Markt verfügbare Produkte als zu teuer erwiesen, entwarfen Architekt, Tragwerksplaner und Fensterbauer eine leichte Tragkonstruktion, bei der die schwere Zweifachverglasung – sie gilt als Überkopfverglasung – auf erstaunlich schlanken Stahlprofilen (Achsabstand = 1,25 m) aufgeklebt ist. ›

Kfw-40-Haus

Beim Energiekonzept spielt eine Luftwärmepumpe die zentrale Rolle. Da die großen Glasflächen einen hohen Sonneneintrag auch im Winter garantieren, können über das Be- und Entlüftungssystem (Wärmerückgewinnung) Heizung und Warmwasser zu einem großen Teil mit der über die Fassaden gewonnenen Energie gespeist werden. Als förderungswürdiges »Kfw-40-Haus« ist der Dachaufbau eingestuft, da der Primärenergiebedarf bei 41 und Heizwärmebedarf bei 44 kWh/m²a liegt.

Die Dachaufstockung gilt heute als Vorreiterprojekt in Stuttgart und gibt Hoffnung, dass weitere solch mutige Projekte genehmigt werden. Vor allem die häufige Vorgabe, Steildächer planen zu müssen, bereitet Architekten Kopfzerbrechen – eine eigene, zeitgemäße Formensprache wird durch strikte Bauvorschriften eingeschränkt oder gar unmöglich gemacht.

Florian Danner hat sich der Herausforderung gestellt: Ohne die rechtlichen Rahmenbedingen zu verletzen, konnte er seine Vorstellungen von moderner Architektur im 21. Jahrhundert überzeugend umsetzen. Heute fügt sich das 2009 fertiggestellte Projekt selbstbewusst in das Stadtbild ein und akzentuiert den historischen Kontext, ohne ihn unangenehm zu dominieren.

1. Dezember 2010 Christine Fritzenwallner
deutsche bauzeitung

Die Stadt als Hotel

Hotel in Linz

Ehemals sechs, inzwischen noch fünf Zimmer gehören zum Pixel Hotel in Linz, das als Projekt im Rahmen des dortigen Kulturhauptstadtjahrs 2009 entstand und mit ungewöhnlichen Übernachtungsmöglichkeiten in diversen Bestandsbauten fasziniert. Für die jeweils unterschiedliche, ausdrucksstarke Innenraumgestaltung der einzelnen »Pixel« ließen sich die Architekten von der Umgebung inspirieren. Mit einfachen, unkonventionellen Mitteln haben sie eine gewohnte Nutzung neu interpretiert und den Trend »Individualität« aufgegriffen.

Man suche sich einige leer stehende Räumlichkeiten über die Stadt verteilt, saniere sie, spüre dabei den Besonderheiten des Ortes nach, richte die Innenräume dann mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail ein und biete auf diese Weise Gästen ein Hotelzimmer, das einmalig ist. So in etwa könnte das Patentrezept für ein Pixel Hotel lauten. Ein Hotel, wie es einige junge Architekten in Linz ins Leben gerufen haben. Und das im eigentlichen Sinn wiederum keines ist. Denn die Zimmer des derzeit aus fünf Einheiten bestehenden Hotels sind eben nicht zentral angeordnet und organisiert, sie haben weder eine durchgehende Gästebetreuung, den klassischen Zimmerservice noch einen Frühstücksraum, in dem man andere Gäste am morgendlichen Buffet trifft. Wie also funktioniert ein Aufenthalt im Pixel im Hof, Pixel in der Textilpassage, Pixel in der Volksküche, Pixel mit Garten, oder gar Pixel auf dem Wasser?

»Einchecken« im Stadtraum

Noch vor einem Jahr wurde den ankommenden Gästen an einem zuvor vereinbarten Treffpunkt in Linz Stadtplan und Zimmerschlüssel ausgehändigt, so dass sie im Anschluss gleich zu ihrem Pixel weiterziehen konnten. Doch die Zeiten dieser derart »fliegenden« Rezeption sind vorüber. Das ursprüngliche Organisationsteam des Pixel Hotels – größtenteils bestehend aus den Architekten, die es initiierten und dafür den »Verein zur Reurbanisierung und Stadtreparatur« gründeten – konnte diese Aufgaben auf Dauer nicht selbst erfüllen. So muss der Gast nun erst ganz gewöhnlich im Hotel Kolping, das seit August die Betreuung der Pixel Hotel-Gäste übernommen hat, einchecken, und sich dann eben nochmal auf den Weg machen. Damit verliert das Konzept zwar etwas an Reiz, die Änderung ist aber verständlich: Durch die Übergabe an den Kolping-Verein sind die Planer – Richard Steger sowie die any:time architekten Christoph Weidinger, Michael Grugl und Jürgen Haller – nur noch Lizenzgeber und haben so sowohl ihren zeitlichen Einsatz reduziert als auch ihr unternehmerisches Risiko abgegeben. »Eineinhalb Stunden Betreuung pro Gast, das war nur während des Kulturhauptstadtjahres möglich, wo man jeden Gast einzeln und persönlich begrüßt hat«, schmunzelt Steger. Weidinger und Haller bestätigen: »Jetzt können wir uns wieder auf unsere eigentliche Arbeit konzentrieren«. Zumal sie als Architekten weiter gefragt sind: Aus Wien, Enns und selbst aus Tel Aviv sei schon Interesse an weiteren Pixel Hotels bekundet worden.

Im Pixel: Wohnen statt nächtigen

Hat man sein Zimmer dann gefunden und dabei statt langer Hotelflure ganze Straßenzüge oder Viertel passiert und so bereits einen Teil der Stadt erkundet, geht es weiter auf Entdeckungsreise – noch innerhalb des Pixels. Jedes Zimmer ist individuell gestaltet, teils haben die Architekten sogar selbst eingekauft und Hand angelegt, dabei vorgefundene Besonderheiten belassen oder Bezüge zu vorherigen Nutzungen hergestellt bzw. verstärkt.

Das Pixel im Hof, in dem u. a. ein Fotolabor, eine Werkstatt und ganz zu Beginn eine Kunsttischlerei untergebracht waren, ist das flächenmäßig größte. Durch eine enge Einfahrt gelangt man zunächst in einen Hof – kaum vorstellbar, dass sich hier, hinter ein paar Stellplätzen und einem Tor, tatsächlich ein Hotelzimmer befindet, vielmehr wirkt es von außen wie eine Garage. Beim Eintreten springen sogleich einzelne Farbakzente und Skurrilitäten ins Auge: ein knallrotes Bett, ein alter Wohnwagen, ein Aufzug. Im Wohnwagen: Teeküche, Sitzecke und weitere Schlafmöglichkeiten, im Aufzug: der Kleiderschrank. Ein dunkler Gussasphalt überzieht den Boden und verstärkt den Loftcharakter des großen Raums, den nur die wenigen Öffnungen zum Hof hin mit Tageslicht versorgen. Die fensterlose Längsseite überspannt eine transluzente Lkw-Plane , dahinter sitzen 36 Röhren, die sich einzeln an- oder ausschalten lassen – die »Lichtorgel« soll an das ehemalige Fotostudio erinnern. Hier schließt am Ende in einer Nische das Bad an, faszinierend: als weiterer Farbkontrast komplett mit kleinen grünen Mosaikfliesen versehen – wiederum ein optisches Highlight.

Wenige 100 m entfernt liegt das Pixel in der Textilpassage, bei dessen Gestaltung diesmal Stoffe im Vordergrund standen. Hier genügte den Architekten die Tür mit der Aufschrift »Textilpassage« als Ideengeber, der historische Kontext ließ sich trotz Recherchen nicht nachvollziehen. Das Pixel befindet sich in einem früheren Pferdestall, die Fensteröffnungen sind daher übermäßig hoch und bringen viel Licht in das zweistöckige Zimmer mit seinem Luftraum.

Brauner Samtstoff mit Blumenmuster überzieht einen Teil der Decken und Wände, farblich abgestimmt auf den bereits vorhandenen Holzdielenboden im EG und den rotbraunen Teppich auf der Galerie. Dort ragt das Bett wagemutig in den Luftraum – die Konstruktion wurde anstelle einer Berechnung mit einem Belastungstest vor Ort statisch nachgewiesen –, am Ende schließt das niedrige Kinderspielzimmer »Lümmerland« an. Weiße Netze bilden statt eines klassischen Geländers die Absturzsicherung.

Keine fünf Minuten weiter befindet sich am Herbert-Bayer-Platz das afo architekturforum oberösterreich und in dessen 2. OG das Pixel in der Volksküche. In dem mit neogotischen Elementen versehenen Bauwerk von 1927 wurde früher Essen an Bedürftige ausgegeben. Passend zur damaligen Atmosphäre ist das Innere spartanisch, kühl, die vorherrschende »Farbe« Grau, eine Kochzeile sitzt unauffällig in einer Nische. Sowohl der mittig angeordnete Tisch mit zwei Bänken als auch die Bodenplatten bestehen aus Faserzementplatten, deren Fugenmuster sich an den weißen Wänden in aufgemalter Form fortsetzt (s. dazu auch S. 47). Auch wenn der Innenraum aufgrund seiner nüchternen und neutralen Gestaltung flexibel für temporäre Ausstellungen des afo bleibt – hierzu klappt das Bett dann per 90 Grad Drehung (eine umgebaute Lkw-Hebebühne machte es möglich) an die Wand –, der eine oder andere Gast könnte sich in dem großen Raumvolumen leicht verloren fühlen.

Ein weiteres Pixel im Zentrum existiert indes als einziges nicht mehr: das Pixel in der Galerie. Hier stand der Raum einer Galeristin nur für ein Jahr zur Verfügung und so eine temporäre Nutzung von Anfang an fest.

Die zwei noch verbleibenden Hotelzimmer liegen etwas außerhalb: Das Pixel auf dem Wasser logiert auf einem restaurierten Schiff im Hafengebiet, das bis 1996 als Zug- und Schleppschiff im Einsatz war.

Eine Suite mit Doppelbett, schlicht aber gemütlich, zusammengeschlossen aus zwei ehemals kleinen Kabinen, thront im Unterdeck, vor ihrem Eingang stehen zwei weitere Kabinen ursprünglicher Größe mit Stockbetten bereit. Bei allen Kabinen wurde die Inneneinrichtung original restauriert.

Weiter südlich, im Franckviertel an der Wimhölzelstraße gelegen, an dem ein bogenförmiger Wohnriegel kurz nach dem Ersten Weltkrieg entstand, vereint das Pixel mit Garten eine ehemalige Arbeiterwohnung und ein Geschäft. Im vorderen Teil, der ehemaligen Verkaufsfläche und dem heutigen Wohnzimmer, parken links des Eingangs zwei Fahrräder, die den Gästen des Pixels kostenlos zur Verfügung stehen. Rechts davon gedeiht ein »Garten«, drei große Beete, dessen hohe Pflanzen zumindest etwas vor neugierigen Blicken durch das frühere Schaufenster schützen. Das Schlafzimmer befindet sich in der hinteren Ebene, leicht erhöht wie auch die Sanitärbereiche, die eine Überraschung bereithalten: eine scheinbar zufällig startende, kurze Ton- und Bildinstallation (je nach Benutzen der Lichtschalter einer rätselhaften Logik folgend) verweist auf das benachbarte, öffentliche »Tröpferlbad«. Gespenstisch huschen Stimmen durch den Raum und Zeichnungen über die Milchglaswand, die Badewanne und Minibarbereich trennt.

Abreisen und in Erinnerung bleiben

Aber noch weitere Kleinigkeiten bewirken, dass man als Gast nie das Gefühl hat, sich gerade in einem Hotel einquartiert zu haben. Der gewohnte Handtuchwechsel erfolgt nur auf Bestellung, der Internetzugang ist kostenlos, die Schränke halten Wärmflasche oder Bügeleisen bereit. Wer Espressomaschine oder Minibar nutzt, wirft das Geld einfach in eine kleine Kasse. Und gefrühstückt wird außer Haus wahlweise in einem von 13 Kaffeehäusern oder Lokalen, für die der Gast einen Gutschein erhält.

Da jedes Pixel sein eigenes, unverwechselbares Thema hat, ist in jedem die Atmosphäre »dicht«, in sich stimmig. Allerdings fallen die Pixel im Stadtraum nicht auf, es gibt keine Beschilderungen, Wegweiser oder Ähnliches. Man muss schon wissen, wo sie sich befinden, oder sie zufällig an ihrem kleinen Türschild entdecken. Bereits vor dem Kulturhauptstadtjahr 2009 waren zwei der Zimmer, das Pixel im Hof und das Pixel im Garten, fertig und dienten der Vorberichterstattung zu Linz 2009. Die frühe Medienaufmerksamkeit verhalf den Architekten zu einem gewissen Bekanntheitsgrad und brachte sie in eine glückliche Lage: Sponsoren mussten nicht mehr lange gesucht werden, sondern traten von selbst mit Angeboten an sie heran.

Doch auch wenn die Besucherzahl gegenüber 2009 leicht zurückgegangen ist, liegt die Auslastung (von 60 auf derzeit rund 37 %) noch immer in einem für das Hotelgewerbe üblichen, guten Bereich. Ohnehin werden weitere Lokalitäten gesucht und geprüft, derzeit ist von einem weiteren Pixel in einem Spitzboden die Rede. Den Namen Pixel Hotel haben sich die Architekten längst schützen lassen, auch wenn sich das Hotelkonzept als solches nicht patentieren lässt und es z. B. in Italien bereits seit Jahren mit den bereits weit verbreiteten »alberghi diffusi« ein ähnliches gibt. Weitere Nachahmer sind aber auch wünschenswert, denn Gebäudetypen und Nutzungen »neu zu denken«, sie an veränderte Zielgruppen anzupassen, und gleichzeitig kreativ mit Leerstand umzugehen, liegt nicht darin die Zukunft?

1. Dezember 2010 Martin Höchst
deutsche bauzeitung

Unauffällig besonders

Umbau und Aufstockung zweier Mehrfamilienhäuser in Zürich

Städte verändern sich mit den Anforderungen, die die Gesellschaft an sie stellt. Auch die Bausteine, aus denen sie sich zusammensetzen, sind diesem Wandel unterworfen. Bei Sanierung und Erweiterung von zwei Stadthäusern in Zürich gelang es, auf ästhetisch hohem Niveau den Bestand zukunftsfähig zu machen und neuen urbanen Wohnraum zu schaffen.

»Eigentlich ist es fast unmöglich, als Privatmann in der Züricher Innenstadt Baugrund zu erwerben,« berichtet der Designer Frédéric Dedelley. Er ist einer der vier befreundeten Bauherren, die ihre Idee vom gemeinsamen Wohnen trotz Widrigkeiten verwirklicht haben. Fündig wurden sie schließlich im Selnauquartier, einer klassischen Stadterweiterung des 19. Jahrhunderts jenseits einer ehemaligen Stadtbefestigung westlich des historischen Zentrums. In nur je einer viertel Stunde erreicht man zu Fuß den Hauptbahnhof und das Ufer des Zürichsees. Diese zentrale Lage entsprach ganz dem Wunsch der Bauherren nach kurzen Wegen. Hier konnten sie zwei aneinandergrenzende Häuser eines Blockrands per Erbbaurecht für 61 Jahre übernehmen und ließen sie von PARK umbauen, miteinander verbinden und um zwei Geschosse erhöhen. Der Wegfall der Grundstückskosten ermöglichte die nötigen Investitionen für Umbau und Erweiterung. Die beiden in die Jahre gekommenen Häuser an der Ecke der kleinmaßstäblichen von Wohnen geprägten Gerechtigkeitsgasse und der stark befahrenen Selnaustraße bargen Potential aber auch Risiken. So stammt das ehemals dreigeschossige Eckgebäude von Ferdinand Stadler, einem der bedeutendsten historistischen Architekten der Schweiz. Darüber hinaus prüft in der Kernzone Zürichs ein städtisches Denkmalschutzgremium jede geplante Baumaßnahme auf ihre Verträglichkeit mit dem Stadtbild.

Dieser sensiblen Situation nicht gewachsen, fiel ein erster Entwurf anderer Planer bei der Baubehörde durch, da sich die vorgesehene Aufstockung stark vom Bestand absetzen sollte. Die daraufhin beauftragten Architekten von PARK, schlugen vor, »die beiden Bestandshäuser zusammen mit der Aufstockung zu einer Einheit zu verschmelzen, die sich ruhig und selbstverständlich in die Blockrandbebauung einfügt,« so der Architekt Peter Althaus.

Verbinden statt Trennen

Der neue Maßstab des Gebäudevolumens fügt sich geradezu unauffällig in den Blockrand an der Selnaustraße ein. Die neue Traufhöhe resultiert aus der des Nachbarhauses aus den 50er Jahren und bildet so einen durchgängigen Abschluss des Straßenraums. Dieser weitet sich an der Gerechtigkeitsgasse um den Vorplatz des ehemaligen Bezirksgerichtsgebäudes, in dem heute verschiedene soziale Einrichtungen untergebracht sind. Derart exponiert und anderthalb Geschosse höher als das anschließende Wohngebäude in der Gerechtigkeitsgasse setzt der Bau eine Marke an der Straßenecke.

Das neue in Anlehnung an benachbarte historische Schieferdächer mit glatten Faserzementschindeln gedeckte Dach tritt oberhalb der Traufe nur dezent in Erscheinung. An der Fassade sind die Unterschiede zwischen Bestand und Erweiterung, zwischen Erhalt und Eingriff so subtil gestaltet, dass es einige Zeit dauert, bis man sie entdeckt, falls überhaupt. Dieser gezielten Verunklärung ging eine aufmerksame Analyse des Gestaltungsvokabulars › › der Fassaden im Quartier voraus. Die erhaltenswerten Fensterlaibungen, Sockel und Gesimse der unteren drei Geschosse und der Balkon im 1. OG bilden in Anordnung, Proportion und Ausführung als gestaltbestimmende Fassadenelemente die Grundlage für die der Aufstockung. Die neuen Fassadenelemente wurden schlichter ausgeführt als ihre Vorbilder und derart ausgewogen platziert, dass die Grenze zum Bestand verschwimmt. Auch die eingesetzten Farben (s. S. 53) vermitteln zwischen unten und oben, rechts und links. So taucht das Grau des erhaltenen Natursteins der Fensterlaibungen in denen der Aufstockung wieder auf. Die Grenze zwischen Braun und Weiß an der Fassade in der Gerechtigkeitsgasse endet nicht am Stoß von Alt und Neu, was nur bei näherem Hinsehen an den unterschiedlichen Putzqualitäten zu erkennen ist. Vielmehr markiert die Farbe exakt die ehemalige Traufhöhe und legt so eine Spur zur Geschichte des Gebäudes. Die exponierte Ecksituation wird durch die Umkehrung der Farbanordnung und die versetzte Teilung zur Selnaustraße hin dynamisiert. Während sich die Fassade hier nach dem Umbau ohne Fensterläden zeigt, sind diese an der Gerechtigkeitsgasse nur noch einseitig doppelflüglig angebracht, was den vertikaleren Charakter des neuen Volumens betont.

Ein Treppenhaus weniger

Der Hauptzugang für die zusammengeschlossenen zwei Häuser erfolgt heute auf expliziten Wunsch der Bauherren von der verkehrsärmeren Gerechtigkeitsgasse aus. Die Flächen des überflüssig gewordenen zweiten Treppenhauses wurden den angrenzenden Wohnungen zugeschlagen. Im EG finden die Arbeitsräume zweier Bauherren, ein Antiquariat und ein Designstudio, ihren Platz. In den Grundrissen der Bestandswohnungen auf den folgenden zwei Etagen wichen nichttragende Wände einer offeneren Gestaltung. Der dritte und vierte Stock sowie das Dach sind schon aus Gewichtsgründen in Holzrahmenbauweise errichtet. Trotzdem mussten die Fundamente ertüchtigt und die Mauerkrone der verbliebenen Außenwände mit einem Betonkranz versehen werden, was unerwartete Zusatzkosten verursachte. Neben einer der insgesamt fünf zur Finanzierung des Projekts verkauften Eigentumswohnungen befinden sich hier oben die zwei sehr großzügigen, aber unterschiedlich organisierten Wohnungen der Bauherren.

Die sogenannte Platzwohnung im 4. Stock gewährt Ausblicke auf den städtischen Vorplatz des Gerichtsgebäudes. Sie öffnet sich weit, wie das Innere eines weitläufigen hellen Zelts bis unter das mehrfachgeknickte Dach.

Angenehm gegliedert wird der Wohnraum durch einen Höhenversatz des Bodens. Aus der zweigeschossigen Wohnhalle der »Parkwohnung« sieht man über die Selnaustraße hinweg durch Baumwipfel bis zur Parkanlage des ehemaligen botanischen Gartens. Die interne exakt gearbeitete Treppe aus glasfaserverstärktem Kunststoff reiht sich inzwischen als weiteres Objekt in die moderne Einrichtung der Bewohner ein.

Die zurückhaltende Art des Materialeinsatzes des Äußeren wird konsequent im Inneren weitergeführt. Die Böden sind durchgängig als sichtbarbelassener Anhydritestrich (s. S. 53) ausgeführt. Geschliffen und geölt, nimmt er in den Wohnungen auch die Fußbodenheizung auf. Die Behandlung der inneren Wandoberflächen folgt der gleichen Logik: Schichtholzplatten sind weiß lasiert, Hochlochziegel geschlämmt. Kautschukbelag (s. S. 53), Geländer und Wangen der hölzernen Bestandstreppe in Hellgrau übernehmen die Farbe der ergänzten Sichtbetontreppe der Aufstockung. So fasst zwar die Farbe die Funktion der Bauteile zusammen, verweist aber gleichzeitig auf Bauart und Entstehungszeit. Was der Planer Peter Althaus als Ergebnis der »direkten Architektur« bezeichnet rührt auch daher, dass die Baumaßnahmen kostengünstig ausfallen mussten. Bauherren und Planer kamen überein, auf alles zu ver-zichten, was nicht zwingend für Entwurfskonzept und Nutzeranforderungen nötig war. Umso mehr Gewicht legten sie auf die Fortschreibung der Bestandsstruktur und eine durchdachte Detaillierung mit scheinbar konventionellen Materialien, was sich sichtbar gelohnt hat. So erhielt der Bestand zwar neue isolierverglaste Holzfenster, zugunsten der Gestalt der Fassade verzichtete man jedoch auf die Dämmung der Mauern. Dennoch hält das Gebäude in der Gesamtbilanz dank zeitgemäßer Heizungsanlage und guter Dämmwerte der Aufstockung die gesetzlichen Vorgaben ein.

Dieser Umgang mit Bestand und Erweiterung, bei dem alles ganz selbstverständlich ineinander greift, findet seinen gelungenen Abschluss im Dachgeschoss: Wenn sich die Aufzugstür öffnet, tritt man direkt auf eine beeindruckend große Dachterrasse mit Aussicht auf die Glarner Alpen hinaus. Dieser Freisitz, der der ganzen Hausgemeinschaft zur Verfügung steht, ist vom eingeschnittenen Dach, wie von einem Wall gegen den Straßenlärm geschützt. Das ebenfalls hier oben untergebrachte kleine Appartement für übernachtende Freunde des Hauses »sei ständig belegt«, ein Umstand, der einen nicht sehr überrascht.

1. Dezember 2010 Dagmar Ruhnau
deutsche bauzeitung

Ein Zuhause für eine Stadt

Kultur- und Bürgerzentrum »Junction« in Goole

Unter großem Engagement aller Beteiligten vom Bauherrn bis zum Generalunternehmer entstand das neue Kultur- und Bürgerzentrum, das ganz selbstverständlich seinen Platz im Herzen von Goole einnimmt. Es überfordert die Einwohner nicht mit aufsehenerregenden Gesten. Dennoch ist es nicht stumm, im Gegenteil: Die Bürger fühlen sich von dem Bau angezogen und haben ihn in ihr tägliches Leben integriert.

Goole ist ein Binnenhafen mit etwa 18 000 Einwohnern im Osten Yorkshires. Von einem wohlhabenden Umschlagplatz für Kohle entwickelte es sich zu einer Stadt mit hoher Arbeitslosigkeit. Das im November 2009 eingeweihte Kultur- und Bürgerzentrum gibt der Stadt sowohl architektonisch und städtebaulich als auch sozial eine neue Mitte und hat dem kaum noch vorhandenen Bürgerstolz neues Leben eingehaucht. Ein multifunktionaler Veranstaltungssaal mit 170 Plätzen und auf höchstem technischen Niveau bietet das erste Kino seit einer Generation und eine Bühne für Theater, Rockkonzerte und Kindershows. Darüber hinaus werden Kurse zur beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie Theater- und Musikworkshops für alle Altersgruppen angeboten. Gleichzeitig ist das Gebäude neuer Sitz der Stadtverwaltung und damit zentrale Anlaufstelle für alle Bürger.

Obwohl die Initiative zu diesem Bürgerzentrum von der Stadt ausging – in Person des heutigen Leiters von Junction, Charlie Studdy –, dominiert in der Außenwirkung und vom Volumen her das Theater. In seiner Blütezeit hatte Goole zahlreiche Kinos und Theater, von denen das letzte 1980 schloss. Erst 1992 eröffnete wieder eine Bühne, die sich rasch überregional einen Namen machte, deren Räume in einer ehemaligen Kirche jedoch völlig unzulänglich waren. Der Arts Council England sagte 2004 Unterstützung in Höhe von 300 000 Pfund (etwa 375 000 Euro) zu, die Suche nach einem geeigneten Gebäude dauerte jedoch noch bis 2005, als eine Markthalle aus den 80er Jahren im Stadtzentrum frei wurde. Die Stadt wollte die wenigen verbliebenen qualitätvollen Standpächter in die benachbarte, ebenfalls nicht ausgelastete »Viktorianische Markthalle« umquartieren und außerdem ihre eigenen unzureichenden Räume in einem Reihenwohnhaus aufgeben. Damit entstand die Idee, Stadtverwaltung und Theater in einem Bau zu vereinen. Charlie Studdy schaffte es mit Hartnäckigkeit und Fantasie, die nötigen finanziellen Mittel aufzutreiben und die Bürger in den Entstehungsprozess einzubeziehen. Mit 3,2 Mio. Pfund betragen die Kosten von Junction das Dreifache des städtischen Haushalts, und so begab sich der Bauherr mit Marktstudien und Businessplänen auf die Suche nach Geldgebern.

Neben dem Arts Council gehören dazu die nächste Verwaltungsebene, das East Riding of Yorkshire, und die regionale Entwicklungsgesellschaft Yorkshire Forward. Einen Teil trug die Stadt durch den Verkauf von zwei Gebäuden selbst bei. Über eine kleine Anzeige in der Zeitschrift Building Design und nach einem Auswahlverfahren mit sechs Büros fand man die Architekten: das Büro Henley Halebrown Rorrison, dessen Gründer erst Mitte 40 sind und das bereits mehrfach vom RIBA ausgezeichnet wurde. Nachhaltigkeit ist mehr als Solarthermie

Die sogenannte »New Hall« steht an einer Fußgängerstraße, die von einem wenige Jahre alten Einkaufszentrum mit großem Parkplatz zur eigentlichen Fußgängerzone führt. Diese verlor durch die Mall zunehmend an Bedeutung, und das unattraktive Äußere der Markthalle trug auch nicht dazu bei, Kunden von dort wegzulocken: ein 2 m hoher Klinkersockel und eine fensterlose Wellblechverkleidung auf einer einfachen Stahlrahmenkonstruktion. Der Sponsor Yorkshire Forward knüpfte an seinen Beitrag von 1,7 Mio. Pfund die Bedingung, den neuen Bau nachhaltig und entsprechend dem britischen Energiestandard BREEAM (s. db 3/2008, S. 68) zu planen. Doch weder Solar- oder Windenergie noch Grauwassernutzung konnten genügend Energie liefern und ausreichend flexibel auf die unterschiedlichen Nutzungen reagieren.

Deshalb entschieden die Architekten, so viel Bausubstanz wie möglich zu erhalten und eine dicke Wärmedämmung zu ergänzen, um die geforderte Energiebilanz zu erreichen. Für Simon Henley umfasst Nachhaltigkeit allerdings noch mehr: »Die Erinnerung der Menschen an ein Gebäude aufzugreifen, ist auch eine Form der Nachhaltigkeit.« Deshalb lehnten sich die Architekten in der Außengestaltung an die vertraute Form und Farbgebung der bestehenden Halle an. Wie diese zeichnet der Baukörper das unregelmäßige Grundstück nach, doch wurden die zwei Tore im sich aufweitenden Teil durch einen großzügigen Freibereich und einen breiten Durchgang ersetzt, der von der Straße zum rückwärtigen Hof und zur Viktorianischen Markthalle führt. Ebenfalls vom Vorgänger übernommen ist die horizontale Teilung, die dreidimensional verstärkt wurde. Statt schwarz gestrichenem Wellblech verkleiden jetzt anthrazitfarbene Faserzementplatten das OG. Der erhöhte mittlere Gebäudeteil markiert den Übergang zum Freibereich und Durchgang. Gleichzeitig setzt hier das goldfarbene Vordach an, das parallel zum Gebäude einen weiteren neuen, über einige Stufen bzw. eine Rampe erreichbaren Vorbereich ausbildet. Unterhalb des Vordachs wurde die abweisende Klinkerverblendung durch eine helle Holzständerkonstruktion aus Fichte in Kombination mit Fichte-Sperrholzplatten, Glas und rot gestrichenen Stahltüren ersetzt.

Die vorhandene Stahlkonstruktion blieb bestehen, ebenso die Bodenplatte und sogar die Grundleitungen, die durch ihre Anschlüsse letztlich den Grundriss bestimmen. Dieser ist als »enfilade« organisiert: Vom Eingang geht es rechts durchs Café in den Workshop-Raum und von diesem wieder hinaus in den Durchgang, der die Fläche des Workshops gezielt erweitert. Links des Eingangs befindet sich der Empfang, erste Anlaufstelle sowohl für Theaterbesucher als auch für Bürger. Für letztere schließt sich direkt ein privates, durch eine Glastür aber einsehbares Sprechzimmer an.

Eine schmale Treppe führt zu den Büros der Stadtverwaltung und zum Sitzungszimmer, zum Projektor- und Regieraum. Trotz der diversen konstruktiven Zwänge entwickeln sich die Raumfolgen in allen drei Dimensionen bemerkenswert elegant und dabei pragmatisch, bisweilen sogar nonchalant. Doch ist diese Selbstverständlichkeit hart erarbeitet: Für den Umbau entwickelte das ohnehin sehr gründlich arbeitende Büro noch mehr Details als sonst. Die städtischen Räume wirken bis auf das Sitzungszimmer allerdings ein wenig wie auf Restflächen untergebracht; andererseits spiegelt diese betonte Zurückhaltung wider, dass hier die Nutzer und die Kultur im Vordergrund stehen und nicht die Repräsentation einer Stadt.

Geglückte Integration

Keine Schwellenangst entstehen zu lassen, ist ein erklärtes Ziel der Architekten – Gebäude sollen berührbar sein. Das ist auch gelungen: Passanten nutzen im Vorbeigehen den erhöhten Weg entlang der hölzernen Fassade und die Abkürzung von der Straße zur Markthalle, und ständig kommt jemand ins Café. Zu dieser »Volksnähe« tragen auch die Materialien bei: Fichtenholz, gestrichene Gipskartonwände, Linoleum. Repräsentativ ist das Gebäude dennoch. Die satten, kräftigen – dem viktorianischen Theater entlehnten – Farben strahlen Solidität aus, die dunkle Faserzement-Fassade Diskretion, und das goldfarbene Vordach aus poliertem Edelstahl (s. S. 59) verbindet Gediegenheit mit einem weiteren Verweis auf das Theater.

Dieses Vordach ist zentrales Element des Baus. Es bringt zusammen mit der hölzernen Fassade das Gebäude zum Leuchten. Gleichzeitig bildet es eine Übergangszone: Hier werden bei schönem Wetter Stühle und Tische aufgestellt, im Durchgang vermischen sich Workshop-Publikum und Passanten.

Der Innenausbau ist als Holzkonstruktion realisiert – nicht nur wegen der guten CO2-Bilanz von Holz, sondern auch, weil so keine neuen Fundamente nötig waren. Lediglich der Projektor für die Filmvorführungen bekam ein eigenes, erschütterungsfreies Betonpodest (das im EG als Schleuse in den Saal dient); und wegen der notwendigen Projektionshöhe wurde das Dach teilweise angehoben, wodurch der Platz für die Verwaltungsräume und das Sitzungszimmer entstand. Anspruchsvoll ist der Schallschutz, der den Theatersaal einerseits gegen den Lärm der nahe vorbeifahrenden Züge schützt und andererseits die Passanten auf der Straße gegen die Klänge von drinnen. Vor die Primärkonstruktion wurde eine Ständerwand mit 200 mm Mineralwolle und sehr dichten Gipsplatten gestellt; eine zweite Schale, ebenfalls mit Gipsplatten verkleidet, sitzt innen zwischen den alten Stützen. Wesentlich sind die schallentkoppelten Doppeltüren, die nur durch Schienen miteinander verbunden sind und 60 dB Schalldämpfung bieten. Nebeneffekt der dicken Dämmung: Der geforderte Wärmeschutz wird gleich mit erfüllt, und im vergangenen Winter musste nicht ein Mal geheizt werden.

Bauwerk