Akteur

Philippe Starck
Paris (F)

Was Phil will

21. November 2003 - Mareike Steger
Wer in Sachen Wohnen weder ein noch aus weiß, kann sich von Stardesigner Philippe Starck mehr als inspirieren lassen. Gegen Entgelt steht er mit Rat und Tat zur Seite

Schluss mit dem wilden Mix zu Hause. Lange genug haben wir auf uns selbst gestellt gewohnt - zwischen Omas Anrichte und furniertem Billy-Regal, mit Asia-Nippes neben Bronzeplastik. Jetzt kommt die totale Designerwohnung. Philippe Starck, ewiges Enfant terrible des Designs, will mit seinem jüngsten Großprojekt die ganze Welt beglücken: komplett ausgestattete Luxusappartements in vier Designstilen, schlüsselfertiges Wohnen à la Starck.

In London ist es schon so weit. Zusammen mit John Hitchcox, dem britischen Begründer der Loft-Ära, hat Starck die Firma Yoo gegründet, die derzeit international nach geeigneten Gebäuden sucht, etwa in Miami, Melbourne oder Tel Aviv. Doch auch Wien sei „ganz narrisch nach Starck“, verlautet es aus der deutschen Yoo-Dependance, bedeckt hält man sich allerdings mit konkreteren Angaben zum Wann und Wo. Anders die Nachbarn, bei denen es voraussichtlich ab Anfang kommenden Jahres in Zentren wie München, Berlin oder Hamburg mit den ersten Appartements made by Monsieur Starck losgehen soll.

Wie's funktioniert? Der Franzose entwirft Entree, Grundrisse, Bäder, Armaturen, Türen nebst Wand- und Bodenbelägen, die Möblierung übernimmt der zukünftige Bewohner. Sollte es an Geschmacksicherheit, nicht aber an Geld mangeln, kann man aber auch auf diesem Gebiet auf den Stardesigner zählen, der dann aus rund 500 Klassikermöbeln von Größen wie Arne Jacobsen, Le Corbusier oder, genau, Starck das Passende raussucht. Zu welchem der vier Einrichtungsstile man neigt, erfährt der Käufer mithilfe eines Designberaters, danach geht's ans Feintuning von Farben und Materialien. Zur Auswahl stehen so einschlägige Namen wie Classic, Culture, Minimal und Nature. Laufen Ihnen beispielsweise bei den Wörtern Seide, Tweed, Pferd, Zigarre, Jaguar und, nicht zu vergessen, Labrador wohlige Schauer über den Rücken, sind Sie nach Starck eher der klassische Typ. Das würde für Ihre Wohnung dunkle Holzböden, Ledermöbel und Marmorflächen bedeuten. Der Kultur-Typ steht auf Warhol-Stil, Neonlicht, Barock, poppige Möbel im exotischen Stilmix. Dessen Wohnung möge sich der Leser wie eine New Yorker Kunstsammlung vorstellen.

Minimalistisch hingegen heißt viel Weiß und Stahl, wenige Möbel, klare Linien. Und Anhänger des Nature-Stils sollten skandinavisch Kiefer und Leinen lieben, blasse Farben, robuste Stoffe. Sie können sich das Ganze noch nicht so recht vorstellen? Dann ein simples Beispiel aus der Welt des angewandten Wohnens: Bei Starck hält man im Classic-Stil eine schlichte, gerade Steg-Klinke in der Hand, während sie beim Nature-Typ fast genauso ausschaut, nur weniger streng und sanft geschwungen. Der Minimalist wiederum muss mit einem runden Knauf vorlieb nehmen und der Culture-Typ mit einem skulptural angehauchten Knäuel, aus dem eine Spitze hervorragt.

Eine völlig durchgestylte Wohnung mag für den einen den absoluten Albtraum bedeuten, für Philippe Starck ist es ein Weg, das Leben der Menschen „ein bisschen angenehmer“ zu machen. Mehr noch: Er sieht Wohnungen als größte Geldanlage, wo es noch „viel massenproduzierten Unsinn gibt“. Und das mache ihn ganz krank. Hatte der Designer bislang außer für zwei enge Freunde nur Privatzimmer von François Mitterrand im Elysée-Palast eingerichtet, wohnen jetzt die ersten Starck-Anhänger in den Appartements, die sich im Londoner Stadtteil St. John's hinter der schlichten Backsteinfassade einer ehemaligen Telefonvermittlungszentrale aus den 30er-Jahren verbergen.

Jedes Loft besteht aus einer hohen Wohnhalle, um die auf zwei weiteren Etagen die übrigen, niedrigeren Räume angeordnet sind. Viel Licht kommt durch die wandhohen Fenster der Hallen, Offenheit vermitteln die Fensteröffnungen. Unter den Bewohnern befinden sich unter anderem ein Radio-DJ, mehrere Designer, ein Trendscout und eine Tanzstudiobesitzerin. Eine Studenten-WG ist auch zu finden. Die aber wohnt ganz klassisch zur Untermiete. Der österreichische Designer Christopher Reitz - er werkt für das Nissan-Designzentrum für Europa - hat sich in seinem Loft für den Culture-Stil entschieden: An den Wänden erstrahlen Orange- und Fliederfarbtöne, am Boden stehen Swan-Sessel von Arne Jacobsen und Le Corbusiers Liege mit Kuhfellbezug. Sogar ein Ikea-Tisch mit abgesägten Beinen durfte in die Nobelbleibe einziehen.

„Wenn Sie mit Ihrem Hemd dem Trend folgen, ist das o.k. Sie können es nach sechs Monaten wegwerfen. Mit einem Haus können Sie das nicht“, sagt Philippe Starck. Und trotz Krisenstimmung im Lande glaubt Yoo Deutschland, den „Porsche unter den Wohnungen“ unters Volk zu bringen, mit Quadratmeterpreisen zwischen 2500 und 5000 Euro, Möbel nicht inklusive. Man beruhige sich mit dem Gedanken, dass man Porsche immer schon für ein Aufschneiderauto hielt und sich zudem Geld und Geschmack nicht gegenseitig bedingen. Oder, um es mit Hugo von Hofmannsthal zu sagen: „Guter Geschmack ist die Fähigkeit, fortwährend der Übertreibung entgegenzuwirken.“

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