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Bewegte Geschichte
TEC21

Der rund 20 km lange Simplontunnel im Kanton Wallis wurde vor über 100 Jahren gebaut. Erst 1982 wurde er als längster Tunnel der Welt abgelöst. Obwohl er für sein Alter in einem guten Zustand ist, braucht es nun grössere Investitionen.

5. September 2014 - Daniela Dietsche
Am Anfang stand die Vision, die Alpen im Allgemeinen und das Simplonmassiv im Besonderen eisenbahntechnisch zu durchqueren. Nach vielen Projekt­ideen und Studien begann 1898 der Bau des rund 20 km langen Simplontunnels. Er verläuft mit Ausnahme der Ein- und Ausfahrtskurven bei Brig VS und Iselle geradlinig und liegt je zur Hälfte in der Schweiz und in Italien. An­stel­le der ursprünglich geplanten Doppelspurröhre wurde die ­Unternehmervariante ausgeführt: Erstmals wurden zwei einspurige Tunnelröhren gebaut, die mit Querschlägen verbunden sind. Bei seiner Inbetriebnahme war der Tunnel auf dem neuesten Stand der Technik: zwei Röhren mit Gleiswechselmöglichkeit in der Tunnel­mitte und elektrischem Zugbetrieb. Seitdem wurden keine gravierenden Baumassnahmen durchgeführt.

Die grösste Anpassung war die Sohlenabsenkung

mit der Erneuerung der Entwässerung zwischen 1981 und 2002, um das benötigte Lichtraumprofil für den ­Huckepackkorridor zu gewährleisten. Seither können Züge der rollenden Autobahn, deren Lastwagen 4 m Eckhöhe aufweisen, durch den Simplon verkehren. Doch die Anforderungen an Kapazität und Sicherheit im ­ Güter- und Personenverkehr stiegen und veranlassten die SBB dazu, den Tunnel anzupassen. Denn trotz seiner 100 Jahre ist er seit 2007 Teil der Alptransit-Lötschberg-Simplon-Achse und damit des ersten Asts der ­Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT).

Am 6. Juni 2011 brannte es im Simplontunnel. Der Brand entstand, als die Plane eines Güterwagens die Oberleitung berührte und Feuer fing, worauf ein Kurzschluss den Zug zum Stehen brachte. Das Feuer breitete sich auf zehn weitere Güterwagen aus. Nach deren Bergung konnte das Tunnelgewölbe des vom Brand betroffenen Abschnitts untersucht werden. Dabei zeigte sich, dass die Schäden zwar grösser waren als angenommen, die ­Tragfähigkeit des Gewölbes aber nicht gefährdet war. Das Natursteingewölbe wies auf einer Länge von rund 300 m Abplatzungen auf, die sich beim Abklopfen lösten. Auch die Fahrbahn mit den Holzschwellen und den Schienen sowie die Fahrleitung waren beschädigt. Diese Schäden mussten bis Dezember 2011 behoben sein, damit die vorgesehenen Instand­setzungsarbeiten 2012 beginnen konnten. Nun wird seit zweieinhalb Jahren im Simplontunnel gearbeitet. Ausschlaggebend für die Instandsetzung sind die Massnahmen zur Erhöhung der Tunnelsicherheit, die sich aus Vorgaben des Bundesamts für Verkehr und Richtlinien der SBB zusammensetzen. Für die Selbstrettung mussten in beiden Tunnelröhren die Brandnotbeleuchtung und die Beschilderung verbessert und auf der Seite der Querschläge ein seitlicher Gehweg mit Handlauf erstellt werden.

Bei den Arbeiten zwischen Ende der 1980er-Jahre und 2004 hat man überall die Gleise und den Oberbau ersetzt – mit Ausnahme der Tunnelmitte, wo die beiden Röhren durch Diagonalen miteinander verbunden sind (vgl. schematische Übersicht oben). An dieser Stelle genügten die vier Weichen den Anforderungen noch. Jetzt holt man notwendig gewordene Erneuerungen nach und reguliert in der sogenannten Tunnelstation auch gleich die noch unzureichende Sohlenabsenkung. Das Schotterbett ist hier für heutige Ansprüche nicht dick genug.

Des Weiteren ersetzen und vergrössern die SBB auf 25 km die Entwässerungsleitungen, da die bestehenden verstopft oder versintert sind (vgl. S. 32). Zudem wird die Stromversorgung angepasst. Zum einen wird die Stromversorgung des Tunnels von 4 kV auf 16 kV umgerüstet und komplett neu erstellt. Zum anderen sind die Oberflächenkabelkanäle der 132-kV-Hochspannungskabel für die Bahnstromversorgung der ­Südseite nicht mehr regelkonform. Neu werden zwei Kabelrohrblöcke von 19.8 km Länge mit je zwei Kabelschutzrohren erstellt und neue Kabel eingesetzt. Dafür werden alle 1500 m grössere Muffennischen benötigt, die seitlich längs der Tunnelröhren angeordnet sind und im Sprengverfahren ausgebrochen werden.

Hinzu kommen die üblichen Unterhaltsarbeiten für die Zeit zwischen 2012 und 2015. Die Arbeiten dauern voraussichtlich vier Jahre, der Zugbetrieb läuft derweil weiter (vgl. unten: «Abstimmung ist zentral»). Die Investitions­kosten sind auf rund 200 Mio. Franken veranschlagt. Die Arbeiten werden von der SBB ausgeführt. Italien ist weder an den Arbeiten noch an den Kosten beteiligt. Genehmigt wird das gesamte Projekt durch das Bundes­amt für Verkehr in Bern. Dies ist im Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Italien geregelt.[1]


Anmerkung:
[01] SR 0.742.140.21: Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Italien betreffend den Bau und Betrieb einer Eisenbahn durch den Simplon von Brig nach Domodossola; abgeschlossen am 25. November 1895, von der Bundesversammlung genehmigt am 21. Dezember 1896, Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 28. Juli 1898. Erneuerung des Staatsvertrags: 28.3.2006.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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