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Humane Baukunst
Neue Zürcher Zeitung

Richard Leplastrier erhält den Spirit of Nature Award

2. Juli 2004 - Roman Hollenstein
Die jüngsten Architekturtrends lassen auf den ersten Blick herkömmliche Baumaterialien als überholt erscheinen. Doch Werke wie die Kirche, die das junge finnische Architekturbüro JKMM zurzeit in Vikki, einer neuen, ökologisch konzipierten Vorzeigestadt im Nordosten Helsinkis realisiert, zeigen, dass man Bauten mit blobartig- organischen Aussenformen durchaus auch aus Holz herstellen kann. Die JKMM-Architekten benutzen dazu biegbare Balken, die sie - ganz ähnlich wie der finnische Nachwuchsstar Ville Hara bei seinem knochenförmigen Aussichtsturm im Zoo von Helsinki - zu korbartigen Hüllen verflechten. Darüber wird eine Haut aus Schindeln gezogen, die den unregelmässig gekrümmten Oberflächen ebenso gut folgt wie ein dank den Mitteln der Raumfahrtindustrie computertechnisch gebogenes Blech- oder Kunststoffelement.

Während der kreative Nachwuchs im Norden demonstriert, dass der Werkstoff Holz, welcher sich wie kaum ein anderer durch umweltfreundliche Eigenschaften auszeichnet, auch in komplexen Bauverfahren verwendet werden kann, setzt die finnische Holzindustrie neuerdings auf einen Preis, um auf die vielfältigen Möglichkeiten von Bau-, Sperr- und Schichtholz in der Architektur aufmerksam zu machen. Seit dem Jahr 2000 vergibt die von ihr getragene Finnish Forest Foundation zusammen mit der Wood in Culture Association den ökologisch ausgerichteten Spirit of Nature Award, welcher vergleichbar hohe Ansprüche geltend macht wie die ebenfalls von einer finnischen Institution vergebene Aalto-Medaille. Vor vier Jahren war Renzo Piano für seine technologische Erforschung des Baumaterials Holz als Erster mit dem Spirit of Nature Award ausgezeichnet worden; im Jahr 2002 ging dann die Ehrung an den Japaner Kengo Kuma, der unter anderem für seine Neuinterpretationen herkömmlicher Holzbautechniken bekannt ist. - Einen globalen Anspruch kann der mit 50 000 Euro dotierte Preis seit neustem geltend machen, wurde er doch anlässlich der World Conference in Timber Engineering (WCTE) Mitte Juni in der vor vier Jahren eingeweihten Sibelius-Halle von Lahti - einer kistenartigen, in Holz und Glas gehaltenen Erweiterung eines Backsteingebäudes am malerischen Vesijärvi-See - dem 1939 in Melbourne geborenen Architekten Richard Leplastrier übergeben. Ähnlich wie sein drei Jahre älterer, mit der Aalto-Medaille von 1992 und dem Pritzker-Preis von 2002 dekorierter Landsmann Glenn Murcutt fand Leplastrier in der Auseinandersetzung mit der architektonischen Tradition und mit der Kultur der Aborigines zu einer human geprägten, nachhaltigen Baukunst.

Nachdem er rund zwei Jahren auf der Baustelle von Jørn Utzons Opernhaus in Sydney gearbeitet hatte, liess sich Leplastirer Mitte der sechziger Jahre in Kyoto während 18 Monaten von Masuda Tomoya in klassisch japanischer Holzarchitektur unterweisen. Diese Erfahrung und die Beschäftigung mit dem australischen Verandahaus brachten ihn dazu, seine Wohnhäuser auf die nötigsten Funktionen zu reduzieren. Diese aus den alltäglichen Abläufen heraus entwickelten Bauten stehen in engem Bezug zur Landschaft. Berühmt wurde das 1982 vollendete Cammery House in Sydney, das aus drei mit Satteldächern versehenen, abgetreppt am terrassierten Hang errichteten Längspavillons besteht, in denen Struktur, Funktion und Ästhetik harmonisch zusammenfinden. Spannende räumliche Lösungen sind für Leplastriers Schaffen ebenso charakteristisch wie die Erkundung einfacher Materialien. So schuf er umweltverträgliche Häuser aus Holz und Blech, schon lange bevor Ökoarchitektur zum Modethema avancierte. Auch nach der Ehrung mit der Goldmedaille des Royal Australian Institute of Architects im Jahre 1999 hat dieser stille Einzelkämpfer seine architektonische Recherche konsequent weiterverfolgt. Damit ist er ein würdiger Träger eines Preises, bei dem es nicht nur um Architektur, sondern auch um Natur und Geist geht. Spannend wäre es nun, wenn die Jury, der diesmal unter anderem die Französin Anne Lacaton angehörte, im Jahr 2006 ein in Theorie und künstlerischer Formgebung entschieden zukunftsorientiertes Architekturbüro auszeichnen würde, das die nachhaltigen Eigenschaften des Werkstoffes Holz wiederum in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen würde.

[ Publikation: Richard Leplastrier. Spirit of Nature Wood Architecture Award 2004. Rakennustieto Oy Rati, Helsinki 2004. 80 S., Euro 44.- (ISBN 951-682-748-9). ]

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