Artikel

Zwischen Poesie und Rationalismus
Neue Zürcher Zeitung

Ausstellung Rafael Moneo in Palma de Mallorca

Mit Meisterwerken wie dem Museum für altrömische Kunst in Mérida und dem «Centro Kursaal» in San Sebastián hat sich der 1937 im spanischen Tudela geborene Rafael Moneo unter die grossen Architekten unserer Zeit eingereiht. Nun beleuchtet eine Doppelausstellung in Palma de Mallorca Moneos Schaffen der letzten zehn Jahre.

10. Mai 2002 - Roman Hollenstein
Zeitgenössische Bauwerke, die einen in Begeisterung versetzen, sind selten. Doch Spanien besitzt gleich mehrere davon. Neben Sizas Museum in Santiago de Compostela und Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao sind das Museum für altrömische Kunst in Mérida, das neue Rathaus von Murcia oder das «Centro Kursaal» in San Sebastián zu nennen: drei grundverschiedene Gebäude, die nichts verbindet - ausser der Name des Architekten. Sie beweisen, dass der in Tudela (Navarra) geborene Rafael Moneo, der in diesen Tagen seinen 65. Geburtstag feiern kann, wenig von Markenzeichen hält. Statt sich formalen Obsessionen hinzugeben, geht er in seinem Schaffen aus von Ort, Programm und der damit verbundenen materiellen Umsetzung der Bauaufgabe. So entstehen Werke, die immer wieder neu und anders wirken und deren Magie aus einem komplexen Dualismus von monumentalen und intimen, von mediterranen und nordischen, von rationalen und poetischen Aspekten resultiert.

Moneo, der 1996 mit dem Pritzker-Preis und vor einem Jahr für den Kursaal mit dem Mies- van-der-Rohe-Preis der EU geehrt wurde, zählt zu den überragenden Architekten unserer Zeit. Gleichwohl ist sein heterogenes Œuvre vielen kaum bekannt. Das hängt einerseits damit zusammen, dass er hauptsächlich in seiner Heimat Spanien tätig ist. Ausnahmen bilden Museen in den USA und in Stockholm, ein eher gesichtsloses Hotel am Potsdamer Platz in Berlin, Baustellen in Den Haag, Leuwen und Beirut sowie einige Spitzenplätze bei internationalen Wettbewerben wie jenem für das KKL in Luzern. Anderseits hat Moneo sich auch nie um die publizistische Vermarktung seiner Architektur bemüht. Während andere Baukünstler mit mehrbändigen Werkkatalogen auftrumpfen, gab er sich bis anhin mit einigen monographischen Schriften und dem Katalog der 1993 von der Kunstakademie Wien organisierten und danach in Basel gezeigten Moneo- Retrospektive zufrieden.


Das Miró-Museum als Schlüsselwerk

Nun findet nach fast zehn Jahren wieder eine grosse, von einem schönen Katalog begleitete Moneo-Schau statt. Gleichsam als Fortsetzung der Wiener Übersicht, die das Gesamtwerk vom Bankinter-Gebäude (1976) bis zum Thyssen- Museum (1993) präsentierte, widmet sich die von der Fundació Miró und dem Collegi Oficial d'Arquitectes de les Illes Balears (COAIB) in Palma de Mallorca organisierte Doppelausstellung den neusten Arbeiten des Meisters. Die im Strandviertel Cala Major gelegene Fundació Miró macht den Auftakt und stellt mit dem sternförmigen Sanktuarium für Mirós Bilderwelt das vielleicht irritierendste Werk von Moneo im Original zur Diskussion. Wenn die Ausstellungssäle dieses Museums auch schwierig zu bespielen sind, so faszinieren sie doch durch das Licht, den Raumfluss und den Wechsel von Wand und Öffnung. Diese durch schimmernde Alabasterwände ins Sakrale überhöhte Welt klingt weiter in Moneos jüngstem Werk, der neuen Kathedrale von Los Angeles, die am 21. September eingeweiht werden soll. Es ist daher nur konsequent, dass die beiden Arbeiten im Miró-Museum selbst mittels Zeichnungen, Plänen, Modellen und grossformatigen Photographien einander gegenübergestellt werden. In dieser Museumsarchitektur sind aber auch andere Werke von Moneo bereits im Keim vorhanden. So erscheinen die pultförmigen Oberlichter auf der «Dachlagune» des Hauses wie Miniaturen des dekonstruktivistisch angehauchten, aus zwei eisblauen Glaskuben bestehenden Kursaals am Golf von Biskaya.


Vom Kursaal zur Kathedrale

Der Kursaal, das ebenso unterkühlte wie zukunftsweisende Gegenstück zum antikisch inspirierten Museum in Mérida, steht denn auch im Zentrum der zweiten Hälfte der Ausstellung. Sie wurde in den musealen Sälen des unweit der Kathedrale über der meerseitigen Befestigung von Palma gelegenen Palastes des COAIB eingerichtet und stellt acht weitere Schlüsselwerke des Meisters (vom Auditorium in Barcelona über die Bauten in Murcia und Stockholm bis hin zum Chivite-Weingut in Navarra) vor. Als «Edificio talismán», als zeichenhafte, dem Opernhaus in Sydney von Moneos Lehrmeister Jørn Utzon verwandte Architektur gehört der Kursaal zusammen mit dem sich wie ein Felsenriff aus der Stadtlandschaft von Barcelona erhebenden Diagonal-Gebäude zu jenen Bauten, deren Form aus dem geologischen Erscheinungsbild der Landschaft abgeleitet ist. Beim neuen Rathaus von Murcia, das sich an der barocken Plaza del Cardenal Belluga erhebt, war es hingegen (ähnlich wie beim Moderna Museet in Stockholm) die Zwiesprache mit dem gebauten Kontext, die zu einer sich harmonisch integrierenden und dennoch völlig zeitgenössischen Lösung führte. Eine solche Vollendung erreicht das schneeweisse Kulturzentrum von Don Benito in der Extremadura, das sich im Herzen der Stadt wie ein Fremdkörper ausnimmt, bei weitem nicht. Doch das Scheitern auf hohem Niveau und der grosse Wurf liegen im Werk von Moneo seit der «Flughafen-Moschee» von Sevilla nahe beieinander. In welche Richtung das Pendel ausschlagen wird, ist daher auch bei seinem zurzeit wichtigsten Projekt, der Erweiterung des Prado in Madrid, noch völlig offen. Die schwierige Genese dieses umstrittenen Bauvorhabens, das Moneo immer wieder «quebraderos de cabeza», Kopfzerbrechen, verursacht hat, wird im letzten Ausstellungsraum ausführlich dargelegt.

Anders als der neue Prado, dem der Kreuzgang des Jerónimos-Klosters einverleibt werden soll, steht die Kathedrale von Los Angeles auf einem leer gefegten Geviert. Hier, zwischen den Wolkenkratzern und dem Music Center von L. A. musste Moneo den Ort ähnlich neu erfinden wie in der Einsamkeit des Chivite-Weinguts. Entstanden ist ein Gotteshaus, das nicht nur die steinerne Antithese zu Philip Johnsons Crystal Cathedral im nahen Garden Grove darstellt, sondern mit seinem an Ronchamp gemahnenden Campanile, dem kubisch verschachtelten Baukörper und der geschuppten Steinfassade ein städtebauliches Zeichen am 10-spurigen Hollywood Freeway setzt. Als Hofrandbebauung mit Nebengebäuden, zentraler Plaza (und in den Untergrund verbannten Parkplätzen) inszeniert, atmet dieser Sakralbau aber auch den Geist des Spanish Mission Style und erinnert so an den lateinischen Ursprung der kalifornischen Metropole.


[ Die Ausstellung im COAIB (Carrer Portella 14) dauert bis 31. Mai, jene in der Fundació Miró in Cala Major bis 16. Juni. Katalog: Rafael Moneo. De la Fundació a la Catedral de L. A. (spanisch/englisch). Fundació Miró, Palma de Mallorca 2002 (ISBN 84-95267-86-1). 142 S., Euro 18.-. ]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: