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„Wien ist froh, wenn wir im Ausland bauen“
Der Standard

Coop Himmelb(l)au haben mit dem neuen Hauptsitz der EZB in Frankfurt den wichtigsten Auftrag ihrer Karriere erkämpft. Mit Wolf D. Prix sprach Ute Woltron.

15. Januar 2005 - Ute Woltron
Die Europäische Zentralbank ist kein einfacher Kunde, nach hartem Wettbewerb samt monatelanger Überarbeitungsphase sprachen die Ratsherren der gewichtigen Institution am Donnerstag den Wiener Architekten Coop Himmelb(l)au (Wolf D. Prix und Helmut Swiczinsky) mit dem neuen EZB-Hauptsitz in Frankfurt endgültig den derzeit heißesten Architekturauftrag Europas zu. Das Gebäude wird 2009 am Mainufer im Osten der Stadt entstehen und all jene EZB-Mitarbeiter, die derzeit auf drei Standorte verteilt sind, unter ein gemeinsames Dach bringen.

STANDARD: Das EZB-Projekt war bis zuletzt wild umkämpft. Wie sieht Ihr Entwurf nach elf Monaten Überarbeitung aus?
Wolf D. Prix: Ich traue mich zu sagen, dass die Entscheidung der EZB für die Architektur und nicht für die Funktion gefallen ist. Die Aufgabe des Wettbewerbs lautete, Transparenz, Kommunikation, Effizienz und Stabilität über die Architektur zu transportieren. Wir haben das nicht illustrativ gemacht, denn wir sind keine Illustrationsarchitekten, aber in unserem Entwurf können alle diese Eigenschaften abgelesen werden. Das ist das Zeichenhafte daran. Das Haus ist eine Funktionsplastik, ein Icon und ein neuer Typ im Hochhausbau.

STANDARD: Wie sieht das Gebäude aus und welche Funktionen beinhaltet es?
Prix: In zwei verschränkten Scheiben, die 184 Meter hoch sind, werden Büros und Arbeitsräume untergebracht. Diese Scheiben sind durch Rampen und Stege miteinander verbunden, der Luftraum dazwischen funktioniert zugleich als Kommunikationszone. Im horizontalen Bauteil befinden sich Kongresssäle und Restaurants für die rund 3000 Leute, die nach derzeitigem Stand hier arbeiten werden. Darüber hinaus gibt es auch noch Sicherheitszonen, auf die man aus verständlichen Gründen nicht näher eingehen kann, die jedoch gemeinsam mit den Sicherheitsberatern genau durchgesprochen sind.

STANDARD: Um welches Bauvolumen handelt es sich?
Prix: Dazu kann ich keine Auskunft geben, es ist jedenfalls kein geringes. Wir haben, was die Konstruktion und die Nutzflächen anbelangt, zwei Varianten ausgearbeitet und durchkalkuliert - welche davon letztlich gebaut wird, werden die Diskussionen mit dem Bauherren entscheiden.

STANDARD: Wie wichtig ist dieser Auftrag für Coop Himmelb(l)au?
Prix: Es ist unser größter derzeitiger Auftrag und sicherlich ein ganz wichtiger Schritt in unserer Karriere. In Frankfurt wird keine Box entstehen, sondern ein weithin sichtbares Icon, in dem Form und Funktion synergetisch sind. Das entspricht unserer Vorstellung von Architektur.

STANDARD: Im Feld der internationalen Spitzenarchitektur ist die Luft dünn - wie hart ist der Konkurrenzkampf?
Prix: Man unterstellt der Szene stets Animositäten, doch das stimmt absolut nicht. Ich freue mich über jeden Wettbewerb, den etwa Zaha Hadid gewinnt. Ich schätze beispielsweise auch die Schweizer Kollegen Herzog und de Meuron sehr, obwohl sie eine völlig andere Architekturrichtung vertreten als wir, und auch Peter Eisenman ist großartig, sozusagen brillant spekulativ. Ich begrüße also alles, was einen Schritt in Richtung Architektur darstellt, und behaupte, dass es so etwas wie Qualitätssolidarität unter Architekten gibt.

STANDARD: Coop Himmelb(l)au baut derzeit in Lyon, München, Ohio und bald auch in Frankfurt: Wo bleiben österreichische oder Wiener-Aufträge?
Prix: Eigentlich erwarte ich einen Anruf von unserem Wiener Planungsstadtrat! Gestern hat jedenfalls ein Kollege mir gegenüber gemeint, er freue sich, dass wir diesen Auftrag nach Österreich geholt hätten. Doch während wir in Frankfurt jetzt ein Hochhaus bauen, werden wir hier zu Lande nicht einmal zu Hochhauswettbewerben eingeladen. Ich habe den Eindruck, dass Wien froh ist, wenn wir im Ausland bauen, weil dann hier in Ruhe und ungestört weiterhin das Mittelmaß erzeugt werden kann.

STANDARD: Gibt es vielleicht zu wenig Mut dazu?
Prix: Das kann natürlich so sein - als umso bemerkenswerter empfinde ich die Beauftragung aus der Ferne.

STANDARD: Die heimische Architektur steht international in gutem Renommee. Können prominente Projekte wie die EZB noch befördernd wirken?
Prix: Ich denke schon, der Auftrag ist für uns alle wichtig.

STANDARD: Sie sind nicht nur Architekt, sondern auch Architekturlehrer und Dekan der Architekturfakultät der Angewandten: Welche Bedeutung hat das für Sie?
Prix: Die Lehre ist entscheidend, Wien wird derzeit zum strategischen Fokuspunkt, viele wichtige Architekten wollen hier lehren, und ich werde sie auch holen. Doch die Stadt hat noch nicht kapiert, wie wichtig das ist - für die kommende Architektengeneration, nicht für mich.

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